Löcher in der Seele

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Hera Klit

Mitglied
Meine Mutter war eine einfache Dienstmagd
auf einem großen Hofgut und
mein Vater besitzender selbstbewusster Bauer.
Vaters Mutter, meine Großmutter,
war von Anfang an gegen diese Verbindung,
denn meine Mutter brachte nichts mit.
Eine Schande war das und existenzbedrohend.

Zudem war sie blutjung
jünger als der Anstand gebot.
Von Verhütung wusste sie nichts.
Ihre Mutter hatte ihr nur gesagt,
es sei unkeusch, über
solche Dinge zu reden.

Meine Mutter versuchte durch
knochenharte Feldarbeit zu zeigen,
dass sie etwas wert war.
Deshalb ließ sie mich ab meiner
sechsten Woche bis auf kurze Mittagspausen
den ganzen Tag zu Hause
allein in meinem Bettchen liegen.
Ob angeschnallt, wagte ich nicht zu fragen.

Die Nachbarn hörten mein einsames Schreien
und schalten sie eine Rabenmutter,
wenn sie abends abgearbeitet heimkam.
Doch sie musste sich beweisen,
es gab für sie keinen anderen Ausweg.
Natürlich war es sinnlos,
Großmutter hasste sie bis zum Ende.

Ich wüsste von alldem gar nichts,
da es vor meinem Verstand geschah,
aber Mutter beichtete es mir
in ihrem achtzigsten Lebensjahr.
Sie war jedoch nach wie vor
von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugt.
Ich sagte nichts, denn ich wollte sie nicht kränken.
Ich überlegte nur,
ob das die Löcher in meiner Seele
erklären könnte.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Hera Klit,

wenn man die (mitunter willkürlichen) Zeilenumbrüche wegnimmt, bleibt ein Prosa-Text übrig. Damit ein Gedicht wird, müsste er entsprechend verdichtet werden.

cu
lap
 
G

Gelöschtes Mitglied 22239

Gast
Ich finds überzeugend…dennoch teilweise zu beschreibend!
 



 
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