Lüge (sonnet)

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Lüge, die von Litfasssäulen lächelt,
die von tausend bunten Covern grinst,
sich an Stränden rekelt, lau umfächelt,
und doch nur auf meine Kohle linst.
Lüge, die mir Glück verheißt im Alter,
jubelnd mir ein Eigenheim verschafft,
durch die Augen schleicht sie sich in kalter
Gier, wie meinen Zaster sie errafft.
Lüge, die mich lockt auf Kreuzfahrtschiffe,
eine Traumfrau gratis mir verspricht,
routiniert dank immer neuer Kniffe
mich betört und diffamiert Verzicht.
[ 8]Was bezweckt dein Lächeln, sag es mir!
[ 8]Ich trau niemand mehr, trau auch nicht dir.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Eike Leikart,
hübsch gereimt und flüssig geschrieben, wenn man auch leicht ins Leiern gerät beim Lesen. Ein Lichtblick: das Enjambement bei "kalter Gier". Hätte mir mehr davon gewünscht. Aber Du wolltest wahrscheinlich den Fluss bis Zeile 12 nicht unterbrechen, um die Pointe in Zeile 13 und 14 noch besser heraus zu stellen.
Gruß
Hermann
 

Walther

Mitglied
Mords aufwand für wenig substanz,

lb Eike!

das problem dieses sonetts ist in diesem vers
Gier, wie meinen Zaster sie errafft.
pointiert und kulminiert nachzulesen: ein bombast zwingt eine banale petitesse in ein kleid, das nicht passen will, indem er es gelungene enjambement des vorverses, das bis zum komma nach "Gier" reicht, komplett mit der verwungenen satzstellung und seiner "denkwürdigen wortwahl" an die wand fährt.

der letzte vers toppt dann das erbärmliche deutsch des gedichts
Ich trau niemand mehr, trau auch nicht dir.
das durch reim- und formzwang entsteht.

fazit: dem formalen handwerk ist mit hilfe einer bleibenden beschädigung der sprache gerecht geworden. die aussage ist unter der erdrückenden last des formalen noch platter, als sie es ohnehin wäre. und das ergebnis ist so reine energieverschwendung.

lg W.
 

Tula

Mitglied
Hallo Eike

stelle mir hier ein witzigeres Ende vor, d.h.

"trau nicht mal mir..."

immerhin gibt es niemanden, der sich nicht auf irgendeine Weise etwas vormacht

LG
Tula
 
Hallo hermannknehr,
freue mich, dass das Enjambement in "kalte Gier" den Text für Dich gerettet hat. Die Gefahr des Leierns ist auch durch den rhetorischen Stil gegeben, könnte im Vortrag aber durch Steigerung usw. vermieden werden. Vielen Dank!
Gruß
E. L.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
gewiß, common sense - aber

Jeder haßt Werbung.
Alle beklagen sich darüber, daß Filme im Fernsehen von Werbepausen unterbrochen werden.

Ich habe mal versucht, es anders zu sehen: Was für ein Ideenreichtum, was für eine kluge Gestaltung, wie geschickt poetische Mittel, Formen und ästhetische Reize in so einen konzentrierten Clip hineingearbeitet werden. Mal witzig, mal bezaubernd schön, mal knallig, mal cool, mal genau, mal knapp skizziert, mal malerisch gemalt.

Der übliche Künstler, der Badewannen-Sänger, der Dichter wie Du und ich, der so seine fünfzig oder dreihundert oder tausend Gedichte geschrieben hat, freut sich, wenn er gelesen, wahrgenommen, gesungen wird. Einige landen in der Werbung. Und das sind nicht die schlechtesten, sie müssen sich in einem harten Wettbewerb bewähren. Einge von denen sind wiederum in der Kunstszene gelandet, z.B. die Popart-Künstler, deren Werke ich im Museum Ludwig in Köln gesehen habe. Fast alle durchliefen die Werbung. Da lernten die eine Menge an gestalterischen Mitteln, an Verdichtung, Pep.
 
Hallo Mondnein,
dies ist auf keinesfalls eine Abrechnung mit der gesamten Werbung, nur Ausdruck des Überdrusses, allüberall von oft bezaubernden Frauengesichtern verheißungsvoll zu Werbezwecken angelächelt zu werden.
Werbung wie "Durst wird durch Bier erst schön" (das Bild findet sich im Netz) liebe ich. Ob die PopArt die Wertschätzung behält, die sie im Ludwig-Museum genießt, wage ich zu bezweifeln.
Mit Gruß
E. L.
 



 
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