Luftlöcher (Sonett)

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Noch drei Paar Löcher mehr in kalte Luft gestiert;
Asphalt glänzt nass. Ich warte am Laternenmast.
War wieder so'n Scheißtag, wo echt gar nix passt!
Als wär vor Wolke Sechs der Flieger abgeschmiert.

Ich hab dir doch gesagt; mit der ist nix passiert!
Du kreischtest rum; du hätt'st mich niemals mehr gehasst.
Seit Wochen schon hast du mich nicht mehr angefasst!
Kein Wunder, wenn Mann da den letzten Nerv verliert.

Nun schweigst du plötzlich. Sind die Worte ausgegangen?
Du hattest mit dem Warm Up doch erst angefangen
und stierst jetzt luftleer Löcher in den Regen?

Wer hat denn hier zuerst den andern angegangen?
Da blieb mir nichts, als mal in Notwehr hinzulangen!
Jetzt wünschte ich, du würdest dich bewegen.







.märz_2023
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

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Über die Daktylizität kann man streiten - über den Text aber nicht!
Berührend! Ein <3 für das lyrische Du.
LG!
S.
 

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Über die Daktylizität kann man streiten
Ja, kann man, lieber sufnus. I know.

War auch eher nur als "Leseanweisung" gedacht, damit man betonungsmäßig richtig einbiegt. ;)
(und ist nicht gängig durchgehalten....das Ganze ist genau genommen wohl auch kein Sonett, aber wenn ich solche Sonett-nahen Gedichte einfach so in Gereimtes eingestellt habe, wurde ich auch deshalb gerügt...hab also den Wal der Qual mit diesen Dingern, wie's aussieht).

Und anscheinend bin ich auch sinn-mäßig nicht so ganz rübergekommen (der Text war nicht so sehr "berührend" gedacht...). Macht aber nix.
Herzlichen Dank dir für die lieben Zeilen! Oh - und auch lieben Dank für die großzügigen Sterne! Hab mich sehr darüber gefreut!

LG,
fee
 

sufnus

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Hey Fee!
Ehrlich gesagt, tu ich mir mit der Regieanweisung schwerer, das einigermaßen flüssig zu lesen als ohne. Wenn ich so an den Text rangehe ist es ein ziemlich regelmäßiger Jambus mit sechs Hebungen in Z1 & 4 sowie in S2 ziemlich Alexandriner-mäßig und sonst eben als "normaler" 6-Heber-Jambus. Und in den "Schweifzeilen" der Terzette eben jeweils 5-hebig. :)
Ein Sonett metrisch definieren zu wollen, halte ich nur in einem seeeeeehr freien Rahmen für sinnig, sonst gehn einem echt haufenweise Klassiker durch die Lappen, die man eigentlich schon im Sonettboot haben möchte.
Also: Klares Sonett für mich, metrisch sogar relativ nah an die barocken Klassiker angelehnt, bis auf die nicht-Alexandriner und die zwei 5-Heber. Und im Reimschema sowieso total Lehrbuch-mäßig, also insgesamt schon beinahe supertraditionell ;)
Und der Sinn ist glaube ich gar nicht misszuverstehen (mit einer Ausdeutungs-Freigradigkeit am Schluss, siehe unten). Das würd mich jetzt jedenfalls sehr wundern, wenn ich da was ganz grundsätzlich übersehen oder falsch verstanden hätte.
Meine Berührung (im Sinne von Empathie) gilt wie gesagt dem lyrischen Du, also der Frau, die sich in dieser toxischen Beziehung befindet - das einzige was ich womöglich anders verstehe, als Du es gemeint hast, ist dass für mich die geschlagene Frau am Ende noch lebt, sich wirklich "nur" in einer Schockstarre befindet. (Noch) Schlimmeres weigere ich mich, mir hier vorzustellen...
LG!
S.
 

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Ehrlich gesagt, tu ich mir mit der Regieanweisung schwerer, das einigermaßen flüssig zu lesen als ohne. Wenn ich so an den Text rangehe ist es ein ziemlich regelmäßiger Jambus mit sechs Hebungen in Z1 & 4 sowie in S2 ziemlich Alexandriner-mäßig und sonst eben als "normaler" 6-Heber-Jambus. Und in den "Schweifzeilen" der Terzette eben jeweils 5-hebig.
Hach...das beruhigt mich jetzt doch sehr, lieber sufnus! Danke!

Ich hab mir da heute wohl einen richtigen "Knopf" ins Betonungs-Gehirn ge"metert" mit jedem neuen Probe-Lesen. Ich hatte es eigentlich genau mit dem Gefühl eingestellt, dass es sich so verhält, wie du es hier gerade perfekt formuliert hast...und sich vor allem flüssig lesen lässt. Aber je öfter ich es dann noch probegelesen habe, umso mehr war ich verunsichert (ein Effekt, den der Alexandriner bei mir immer wieder mal hervorruft...da "meter" ich mir irgendwie einen Knopf ins Gehör. Keine Ahung, warum.)

Dann mach ich die "Lese-Anweisung" wieder weg. Die war ganz zu Anfang nämlich auch nicht da und bildet nur meine zunehmende Betonungs-Irritation ab.
Ich hatte einfach ab einem gewissen Punkt die Befürchtung, da kann gar keiner so ins Gedicht einbiegen betonungsmäßig, wie ich das "höre" und meine.
Hm...

Klares Sonett für mich, metrisch sogar relativ nah an die barocken Klassiker angelehnt, bis auf die nicht-Alexandriner und die zwei 5-Heber. Und im Reimschema sowieso total Lehrbuch-mäßig, also insgesamt schon beinahe supertraditionell
Damit hast du mir sehr geholfen. Danke nochmal!

Und dass du nicht das Schlimmste annehmen möchtest (inhaltlich gesehen), zeigt mir, dass der Text diese Offenheit bietet. Und das ist gar nicht so schlecht. Gedacht hatte ich ihn schon seeehr düster, ehrlich gesagt. ;)

Liebe Grüße!
fee
 

sufnus

Mitglied
Und dass du nicht das Schlimmste annehmen möchtest (inhaltlich gesehen), zeigt mir, dass der Text diese Offenheit bietet. Und das ist gar nicht so schlecht. Gedacht hatte ich ihn schon seeehr düster, ehrlich gesagt. ;)
Ja... das ergibt natürlich total Sinn... aber... das kann ich nicht. Zu zart besaitet für diese Lesart. Insofern bin ich sehr dankbar, dass ich mir für das lyr. Du ein Licht am Ende des Tunnels ausdenken kann....
LG!
S.
P.S.:
... natürlich nicht DAS Licht... eher so was mit kleinem, gemütlichem, Typen-freiem Heim mit leicht verrückter aber anhänglicher Katze. :)
 

Mimi

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Liebe Fee,
zur Form wurde ja bereits (fast) alles gesagt, deshalb beschränke ich mich auf den inhaltlichen Aspekt ...

Für mich steigert sich die düstere Grundstimmung des Gedichts, vergleichbar mit einem heftigen Gewitter, bis es sich in der Abschlusszeile, in einem makaberen Ende sozusagen entlädt.
Kurz: Ich hab's gerne gelesen ...

Gruß
Mimi
 

Scal

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... "Knopf" ins Betonungs-Gehirn ge-"metert" ...

korrespondiert ja mit der Gefühls-Gestikulierung des Inhalts eigentlich recht gut, denke ich, oder ? :)

Lieben Gruß
Scal
 

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... "Knopf" ins Betonungs-Gehirn ge-"metert" ...

korrespondiert ja mit der Gefühls-Gestikulierung des Inhalts eigentlich recht gut, denke ich, oder ? :)
Joahhh.....irgendwie schon. Alles stimmig so in sich und insgesamt eigentlich. ;)
Dank dir recht lieb für die Sternchen, Scal,

und die netten Zeilen.

LG,
fee
 

Schreibfan

Mitglied
Liebe Fee. Inhaltlich finde ich dein Sonett gelungen, eine interessante Idee, die Gedanken eines Menschen zu verfolgen, der gerade in Notwehr einen anderen Menschen sehr verletzt hat. So zumindest lese ich dein Gedicht.
Formal und rhythmisch könnte man noch etwas dran feilen...
LG Schreibfan
 

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Nicht nur sprachlich und handwerklich top! Die Form wurde hier optimal für ein brisantes sozialkritisches Thema genutzt, das aus der gewählten Sprecher-Perspektive überraschend und sehr überzeugend rüberkommt.
Herzlichen Dank dafür, @kakadu !

Und für die großzügigen Sterne ebenfalls. Ich hab mich sehr über das große Lob gefreut! Und darüber, das man den Text schon (auch) so lesen kann, wie ich ihn meinte. Das beruhigt ein wenig.


der gerade in Notwehr einen anderen Menschen sehr verletzt hat.
Die Notwehr ist letztlich eine Frage der Perspektive. Derjenige, der nicht gelernt hat, (Mit)verantwortung zu tragen, wird sich immer gerechterweise in Notwehr handelnd empfinden...

Danke für die Rückmeldung, Schreibfan.
Sie sagt mir, ich habe die Aussage, die mir vorschwebte, nicht deutlich genug getroffen. Da muss ich wohl überhaupt irgendwann mal einen Neuversuch starten. Ich fürchte, das kann man nicht so hin-feilen ;)

LG euch beiden,
fee
 

kakadu

Mitglied
Hallo Fee,

tatsächlich habe ich das Gedicht genauso gelesen, wie du es aus deiner Intention beschrieben hattest. Und ja, in V14 habe ich mir wirklich das Schlimmste vorgestellt. Ich hatte die Begründung für die Sterne halt sehr kurz gefasst. Aber du hast mich mit deinem Sonett wirklich gepackt!

Aus der Perspektive des Täters zu schreiben, finde ich, war eine gute Idee. Die Rechtfertigungsrede kommt für mich sehr realistisch rüber. Auch, wie du dabei die Eskalation des Streits immer deutlicher werden lässt. Zur Form hat Sufnus ja schon das Wesentliche gesagt. Was ich noch lobend herausheben möchte, ist der "passt echt gar nix"-Vers, der mit dem Hebungsprall so passend zum Inhalt aus dem Takt läuft:

War wieder so'n Scheißtag, wo echt gar nix passt!


Für mich ein besonderes stilistisches Bonbon, weil es auch zur Sprache des LI so hammermäßig passt. Bin sehr angetan von deiner Arbeit!

LG Kakadu
 

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Mitglied
Für mich ein besonderes stilistisches Bonbon, weil es auch zur Sprache des LI so hammermäßig passt. Bin sehr angetan von deiner Arbeit!
Danke, danke, danke! Das freut mich echt riesig, kakadu!

Es ist halt aber auch immer besonders schön, wenn ein Text so von LeserInnen empfunden und er-lesen wird, wie man sich das erhofft. Nur, weil man selbst das genau so gespürt hat beim Schreiben, ist das ja noch lange keine Garantie, dass das dann auch so rüberkommt. Die anderen Lesarten finde ich natürlich alle auch legitim - wenn mein Text das hergibt, soll es so sein und ich freue mich auch darüber. Manchmal überrascht es mich als Autorin natürlich auch, wenn etwas hinein- (oder heraus?)gelesen wird, das ich da wissentlich nicht hingetan habe. ;)

Aber du hast mich mit deinem Sonett wirklich gepackt!
Na, und das ist dann das Sahnehäubchen. Hab ich schon erwähnt, wie sehr ich mich freue? ;)

LG,
fee
 



 
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