Luzifers Freund

Günter Wendt

Mitglied
Ich öffne meine Augen. Blauer Himmel, Wolken. Ein wunderschönes Gesicht taucht auf und zwinkert mir zu.
„Komm Luzi! Wach auf!“, ruft eine entzückende weibliche Stimme. In meinem Kopf! Ich zwinkere ein Mal und das herzerweichende Antlitz verändert sich. Was zur Hölle, schießt es durch meine Gehirnzellen, und ich stocke. Ein bärtiger Mann grinst mich an. „Na Luzi? War wohl ein bisschen viel in der Bar?“
Mir wird kalt. Ich realisiere, dass ich völlig nackt bin. Der Mann bemerkt mein frösteln und legt mir eine wärmende Decke um die Schultern. Um mich herum stehen seltsam gekleidete Menschen und starren mich an. Was gucken die denn so?
Woher weiß der Mensch wer ich bin? Mir dröhnt der Schädel. Ich streiche mit einer Hand über meinen Kopf. Hörner?
„Ich hab ja schon seltsame Implantate gesehen. Aber DAS ist echt cool.“ Ein langhaariger Mensch, ein männliches Exemplar, kommt zu mir und reicht mir ein metallenen Gegenstand. Eine Büchse? Oben ist ein Loch, aus dem der Duft von einem Gebräu strömt. Gegorener Gerstensaft. Hopfen und auch Malz entziffere ich den Geruch. Met? Ich setze den Behälter an den Mund und probiere es.
„Hey! Nu ma langsam, Alter.“ Der Mann lacht und setzt ebenfalls zum Trinken an.
„Wo bin ich?“, frage ich ihn.
„Echt jetzt? Wo du bist, willst du wissen? Alter … du bist in Wacken!“
Jemand reicht mir aus der Gefferhorde ein Beinkleid. „Hier, damit du dir deine Klöten nich wegfriern tun.“ Alle Herumstehenden lachen über diesen seltsamen Scherz.
Als ich mir die blaue Hose angezogen habe, frage ich den Mensch: „Woher weißt du eigentlich, dass ich Luzifer heiße?“
„Alter! Bist du noch breit? Sieh mal auf deine Brust, Alter!“
Ich blicke an mir hinunter und entdecke ein kompliziertes Kunstwerk, das mir jemand auf die Brust gemalt haben musste. Stimmt. Ich lese „Luzifer“. Aber so, dass ich es lesen kann. Jetzt begreife ich. Meine Hörner, das Brustbild.
Jetzt kommen auch die Erinnerungen, warum ich hier bin.
Vater hat mich verbannt.
Während ich jetzt erst begreife, dass ich auf der Erde bin, geht ein Gejaule durch die Luft. Ich stehe auf. Eine Bühne vor mir auf der ganz oben an Gerüsten Totenschädel mit riesigen Hörnern zu sehen sind. Und dazwischen der Schriftzug WACKEN OPEN AIR.
Vier Menschen stehen auf der Bühne, jeder ein Instrument in den Händen und ein fünfter prügelt auf Trommeln herum. Aber alles irgendwie melodisch.
Jemand stupst mich an und reicht mir ein neues Getränk. Ein anderer hält mir einen kurzen glimmenden Stab unter die Nase. „Hier zieh mal, Alter. Krasser Stoff.“
Nach einigen Stunden, dreht sich auch alles um mich herum. Ah! Luzifer ist wieder da! Ich fühle mich stark. Brülle. „WACKEN! Ich liebe dich!“ Mit einem Satz stehe ich auf der Bühne und bewege mich im Rhythmus der Musik.
Jetzt ist Luzifer wieder da! Die Menschen unten jubeln. Die Musiker spielen jetzt lauter!
Alle sind glücklich. Die Zeit ohne dem Lichtbringer ist vorbei.

Günter Wendt, 2023
 



 
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