Najitzabeth
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Die schwarze Burg 1
Da war es wieder! Ein brechender Ast, raschelnde Blätter. Es hatte vor einiger Zeit ganz plötzlich begonnen. Überall hörten sie jetzt diese eindeutigen Geräusche.
Die Beiden wurden verfolgt!
Zu allen Überfluss waren sie auch noch in einen Sturm geraten, dessen entfesselten Kräfte nun wüteten. Keith blieb stehen: „Da war es wieder! Hast du es auch gehört?“ Josh senkte den Bogen, den er nun immer bereit hielt genau wie Keith sein Schwert, und drehte sich dem anderen Jungen zu: „Ja, was glaubst du, ist das ein Tier?“
Keith zuckte mit den Schultern, er hoffte das es so war.
Nachdem sie am Morgen die arme Todie unter einem Haufen schwarzer Steine begraben hatten waren sie ohne große Planung aufgebrochen um Kim und Chico noch einzuholen. Keith war das erstemal froh, das der junge Mann bei ihr war. Er würde aufpassen, das sie keine Dummheiten machte. Trotzdem fragte er sich immer wieder warum Kim ihn zurückließ. War sie ihm aus irgendeinem Grund böse? Er konnte sich denken, dass Todie der Grund für ihren überstürzten Aufbruch war aber wieso hatte sie dann ausgerechnet Chico mitgenommen, und nicht ihn? Vielleicht war Kim auch alleine losgegangen und der Wanderer folgte ihr heimlich!
Keith verscheuchte diese Gedanken und konzentrierte sich dann auf den Weg.
Er war ehrlich zu sich, ohne ihren Führer würde es in dieser Dunkelheit reiner Zufall sein, wenn sie das Schloss fanden.
Es raschelte wieder hinter ihm. Er konnte es trotz des Sturms deutlich hören, es war näher gekommen. Die Kraft des Unwetters nahm noch zu, sodass Keith außer dem Brausen des Windes und dem grollenden Donner kaum noch sein eigenes Wort verstehen konnte. Er drehte sich um und blickte in die Richtung in der er den Fremdling vermutete. Da war es! Keith hatte ganz deutlich gesehen wie sich ein Ast gegen den Wind bewegte. „Josh, komm schnell! Da drüben ist das Vieh!“ er deutete an die Stelle, an der er die Bewegung wahrgenommen hatte. Josh hab den Bogen, zielte und schoss in diese Richtung.
Der Pfeil zischte durch die Schatten. Keith hörte einen erstickten Aufschrei und das Einschlagen der Metallspitze in Holz. Kurz darauf teilten sich die Äste und ihr Verfolger sprang heraus, geradewegs auf die Beiden zu.
„Pass auf, Keith!“ Josh wollte einen weiteren Pfeil abschießen.
Keith hielt ihn auf: „Warte!“
Der Prinz hatte den vermeintlichen Angreifer erkannt.
„Gwgl!“ rief der kleine Goobljn erfreut und sprang erstaunlicherweise auf Keith’ Schulter. Dieser ließ sich die plötzliche Schleimerei nicht gefallen und schubste ihn hinunter. Gwgl landete wie eine Katze auf allen Vieren und sah den Jungen mit vorwurfsvoller Miene an. „Ja, ja jetzt würdest du angekrochen kommen... Wo ist Kim?“ schrie Keith den Goobljn an. Gwgl blickte weiter zu Keith auf und lief dann weg. Er blieb gerade noch in Sichtweite sitzen, bevor der Nebel und die Dunkelheit ihn verschlangen. Dort wartete er auf die anderen Beiden.
„Er zeigt uns den weg, „ dachte Keith: „wie damals als Kim sich in den Katakomben unter Burg Lybra verlaufen hatte!“ er folgte dem kleinen Goobljn und auch Josh lief ihm hinterher.
Ein paar Minuten später endete der Wald und sie standen vor den Klippen, die in den nördlichen Ozean abfielen.
„Wir waren die ganze Zeit so nah dran!“ sagte Josh.
Keith blickte ehrfürchtig zu der großen Burg empor, deren höchsten Türme nicht zu erkennen waren. Seine Knie wurden weich aber er versuchte sich nichts anmerken zu lassen: „Wie kommen wir unbemerkt da ´rein?“
Als hätte er nur auf sein Stichwort gewartet lief Gwgl weiter.
Sie umgingen die gewaltige Burgmauer, vorbei an einem metallenem Tor, dessen Flächen mit armlangen Dornen versehen war, die beim zuckenden Licht des Gewitters gefährlich glänzten.
Keith hatte Wachen erwartet aber das Schloss war wie ausgestorben.
Nach eineigen hundert Metern verschwand Gwgl plötzlich in der Wand. Keith sah Josh fragend an aber dieser war genauso ratlos wie er. Erst als sie Beiden bei der Stelle, an der, der Goobljn verschwunden war, ankamen bemerkten sie das kniehohe Loch, das früher einmal als Abwasserkanal gedient hatte. Gwgl rief ihnen aus dem Schacht zu.
Keith keuchte und streifte den schweren Rucksack ab: „Die werden wir da ´drin nicht brauchen. Außerdem passen wir sonst nicht durch!“
Josh nickte und stellte auch sein Gepäck ab.
Als erster kroch Keith durch das finstere Loch ins innere der Burgmauer.
Der furchtbare Gestank von menschlichen wie tierischen Ausscheidungen hing in der Luft. Der Morast schmatzte unter ihm und erinnerte ihn jede Sekunde durch was er gerade kroch.
Trotzdem robbte Keith auf den Armen vorwärts, immer den Rufen des Goobljn folgend bis er auf einen Widerstand stieß: „Was ist das?“ fragte er sich selbst und tastete vor sich.
Lange Säulen vom Boden zur Decke und Abständen die groß genug für Gwgl aber zu klein für ihn und Josh waren. Gitterstäbe!
Der kleine Kerl hatte sich hindurch gezwängt aber für ihn stellten die schmalen Stäbe ein riesiges Problem dar.
Im ersten Moment wollte er den Goobljn zurückrufen und einen anderen Weg in die Burg hinein suchen als Gwgl auf der anderen Seite des Gitters auftauchte und an den Stäben rüttelte.
Kleine, bröslige Teile fielen ab und landeten auf dem verschmutzten Erdboden. Keith verstand was Gwgl ihm sagen wollte, die eisernen Gitterstäbe waren komplett durchgerostet.
Er griff nach den Stäben und zog mit aller Kraft daran. Es schien eine Ewigkeit zu dauern bis das verrostete Metall endlich nachgab.
Keith hatte zwei der Gitterstäbe beinahe gänzlich herausgerissen. Der Spalt war nun groß genug um hindurch zu kriechen, er hoffte nur das auch Josh ohne Probleme durch den Tunnel kam.
Keith folge Gwgl weiter als dieser stehen blieb und nach oben deutete. Der Goobljn wartete bis Keith bei ihm angelangt war und begann dann gegen etwas über ihm, von dem Keith nichts wusste, zu drücken.
„Was ist denn?“ fragte er Gwgl, und drehte sich dann auf den Rücken um dem kleinen Kerl zu helfen.
Keith fühlte wie sich etwas über seinen Händen bewegte und nach oben gedrückt wurde.
Mit vereinten Kräften schafften sie es die Decke über ihnen anzuheben. Eine Luke. Keith lachte auf, natürlich! Er zog sich aus dem Schacht nach draußen, atmete die kühle Nachtluft ein... und rümpfte sofort die Nase. Es roch fürchterlich! Keith würgte und sah Gwgl, der ebenfalls herauskam und nicht anders als der Junge reagierte. Er zerzauste ihm die Haare, wie es Kim manchmal getan hatte: „So doof bist du gar nicht!“ Gwgl ließ sich das nicht gefallen, und sprang wieder in den Abwasserkanal um Josh zu holen.
Keith sah sich um. Er war in einem Stall gelandet. Das Dach hatte einige Löcher, durch die es jetzt herein regnete. Der Gestank von Tod und Verwesung hing in der Luft und das lag nicht nur an dem vergammelnden Stroh. Als Keith in die Boxen, die direkt neben ihm waren wusste er auch wieso.
In den Ställen lagen die Gerippe er einstigen Bewohner. Man hatte die armen Tiere anscheinend verhungern lassen.
Die Ruhe, die nur durch den plätschernden Regen und Keith’ Schritte auf dem knarrenden Holzboden durchbrochen wurde machte ihn fast verrückt.
Nevytar musste sich sehr sicher fühlen, wenn er das hier unbewacht ließ. Oder wusste er vielleicht überhaupt nichts von dem Kanal?
Keith dachte an Kim. Er hoffte, dass sie und Chico nicht entdeckt worden waren und womöglich jetzt in einer Zelle saßen.
„Hier richt es ja schlimmer als in dem Kanal!“ Josh kam gerade aus der Luke. Sein Umhang war völlig zerrissen. „Hast wohl doch nicht durchgepasst!“ bemerkte Keith.
Josh zuckte mit den Schultern.
Sie gingen zu dem Tor, das wie die Beiden hofften auf den Burghof führte, und öffneten es einen Spalt breit. Dabei quietschte es fürchterlich.
Ganz vorsichtig spähte Keith auf den dunklen Hof hinaus. Er konnte absolut nichts erkennen, bis ein Blitz die Nacht erleuchtete. Keith machte schnell die Tür wieder zu und drehte sich zu Josh um.
„Was?“ der Müllersohn sah ihn an und wartete darauf, dass Keith berichtete was er gesehen hatte.
„Da draußen sind zwei von den weißen Viechern... vor einer kleinen Tür.“
„Denkst du da ´drin ist Saphira?“ fragte Josh
„Vielleicht ist es aber auch eine Falle und wir sollen glauben das sie da ´drin ist!“
„Kann sein, aber Nevytar könnte auch denken, dass wir denken, dass er denkt...“
„Hör auf!“ unterbrach Keith ihn: „Ich bekomm sonst Kopfschmerzen.“
Josh zog eine Augenbraue hoch: „Dann nehmen wir halt ´ne andere Tür.“
„Na toll, und glaubst du die Cylaptoren sehen uns nicht wenn wir an ihrer Nase vorbei zum Haupteingang ´rein spazieren?... Hast du das auch gerade gehört?!“
Keith sah Josh an bis dieser nickte: „Die müssen uns bemerkt haben...,“ er hörte es jetzt deutlicher, das Kratzen von Krallen auf Stein und der schwere Atem großer Tiere, die immer näher kamen. Sein Herz begann zu rasen als Josh sagte: „Jemand muss sie ablenken!“ er sah zu Gwgl, der die ganze Zeit brav neben ihnen gesessen hatte.
„Gute Idee!“ auch Keith blickte zu dem Goobljn.
Bevor Gwgl auch nur begreifen konnte was mit ihm geschah, packten ihn die Beiden auch schon und warfen ihn rücksichtslos nach draußen.
Keith hörte das Brüllen der Cylaptoren und das Schlagen von Flügeln. Dann wurde es ruhig.
„Glaubst du das er entkommt?“ wollte Josh wissen.
„Ja, wahrscheinlich schneller als wir glauben... Komm!!“
Keith riss die Tür auf und lief auf den Burghof hinaus. Einen Moment musste er sich orientieren, dann rannte er zu der großen Tor zu seiner Linken. Er wäre beinahe auf dem, vom strömenden Regen glitschigen Boden, ausgerutscht, fing sich aber im aller letzten Augenblick wieder.
Fast war es geschafft, nur noch ein paar Stufen! Keith keuchte und erklimm die Treppe mit großen Schritten. Hinter sich hörte er Josh und in einiger Entfernung die Cylaptoren. Das Tor kam immer näher. Noch eine Stufe. Er warf sich mit seiner letzten Kraft gegen das blanke Metall.
Bei dem Aufprall knackte seine Schulter aber die Tür blieb geschlossen. Keith schluckte den Schmerz und wagte zusammen mit Josh einen weiteren Versuch. Dieses mal schafften sie es und das Tor flog auf.
Schnell schlüpften Josh und Keith in die Dunkelheit und schlossen die Tür wieder. In dem Moment als sie das Klicken des Schlosses hörten krachte draußen etwas schweres gegen die Tür. Sie hatten es gerade noch geschafft.
Keith rieb sich seine Schulter: „Wir sind drin!“
Josh sagte nichts sondern holte erst einmal tief Luft. Nachdem das Pochen an Keith’ Seite ein wenig abgeklungen war suchte er die Wand nach einer Fackel ab, die er nach einigen Metern auch fand. Sobald er mit zwei Feuersteinen Licht gemacht hatte fühlte er sich sofort wohler. Keith kam es vor als würden die Wände ihn beobachten und ihn schier erdrücken. Er schluckte.
Josh war bereits ein Stück voraus gegangen und betrachtete in dem fahlen Licht ein Gemälde. Keith ging zu ihm: „Komm, das ist doch jetzt nicht so wichtig!“
Josh wischte die Staubschicht mit seinem Ärmel von der Leinwand. Das Gesicht des dargestellten Mannes war vollkommen zerstört. Die Farbe war weggekratzt worden und die Leinwand sah an manchen Stellen aus als ob jemand Säure darüber geschüttet hätte. Keith trat einen Schritt zurück. Josh drehte sich um und ging zu dem Bild an der gegenüber liegenden Mauer. Es war auf die gleiche Art und Weise zerstört: „Wer macht denn so was?“ fragte Josh während er sich dem nächsten Gemälde zuwandte.
Sämtliche Bilder, die den breiten Gang säumten waren maßlos verunstaltet worden, sodass man die Person, die darauf zu sehen waren, nicht erkennen konnte. Keith fragte sich wer wohl auf den Gemälden abgebildet gewesen war.
Sie liefen immer gerade aus und Keith glaubte schon langsam paranoid zu werden. Hinter jeder Ecke, in jedem Gang vermutete er Cylaptoren oder gar den dunklen Magier selbst. Aber alles blieb still. Er versuchte die entstellten Fratzen, die an den Wänden hingen zu vergessen und überlegte wie es weitergehen sollte, wenn sie Kim, Saphira oder irgend jemanden finden sollten. Er kam zu keinem Ergebnis, das er sich nicht konzentrieren konnte. Josh ging es nicht anders. Keith konnte das an seinem unsicheren Gang erkennen.
Irgendwann erreichten die Beiden eine Tür, deren oberes Ende in der Dunkelheit verborgen blieb. Ein blasses Licht schimmerte unter der Schwelle hindurch.
„Ich glaube da ´drin ist jemand!“ flüsterte Keith.
„Woher willst du das wissen... hast du was gehört?“
„Nein... eher gespürt!“ Keith konnte das Gefühl, das er gehabt hatte als sie die Tür erreichten nicht erklären aber es war nicht gut gewesen. Josh schien es nicht zu spüren und verstand auch nicht was Keith meinte: „Gehen wir ´rein!“
Keith nickte und zog sein Schwert. Das Geräusch des Metalles, das aus der Scheide gezogen wurde, zerschnitt die Stille.
Auch Josh nahm seinen Bogen und legte einen Pfeil auf, dann nickte er.