Männer unter sich

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reborn

Mitglied
Männerfreundschaften sind doch etwas ganz Besonderes. Eben auch weil sie so selten sind. Ich meine jetzt die Echten. Die, wo der Freund auch mal auf die Wohnung aufpasst, ohne das letzte Bier aus dem Kühlschrank zu klauen und die antike Playboysammlung unberührt lässt.
Mein Kumpel Lothar ist ein Vorzeigeexemplar. Wir kennen uns seit dem Kindergarten, haben schon viel zusammen durchgestanden und verbringen gern mal einen gemeinsamen Abend. Leider sehen unsere Frauen das nicht so. Jedenfalls meine Frau. Sie meint, es wird immer zu spät, zu feucht, und Lothar bringe mich nur auf falsche Gedanken. Er hat nämlich nicht wirklich „eine“ Frau. Er wechselt öfter mal.

Heute treffen wir uns in einer der teuersten Lokalitäten der Stadt. Nicht um zu essen, sondern ein gutes englisches Bier zu trinken, das man sonst nur im Internet für fünfundzwanzig Euro die Flasche plus Versand bekommt. Allerdings wird es nicht so gern gesehen, wenn man hier nichts verzehrt. Das rechnet sich nicht. Nicht mal wenn wir jeder zehn Bier trinken. Diese bereits vorgetragene Argumentation brachte mir nicht mehr als ein Kopfschütteln ein.

Wir prosten uns zu und fühlen uns ein bisschen wie Quartalssäufer beim Verprassen der Stütze. Da wir sonst eher Kaffee oder Schorle genießen, lassen wir an solchen Abenden den Rebellen raushängen. Üblicherweise werden die Ereignisse der letzten zwei Wochen in Sport, Politik und Nachbarschaftsstreit kommentiert. Gefolgt von den neuesten Witzen oder den Alten die immer noch lustig sind. Nachdem wir mit einem Nicken, den Ärger des Anderen über Gott und die Welt als richtig befunden haben, folgt das lockere Biergesäusel.
„Und, was macht deine Elena so?“, frage ich voller Interesse. Die Halbrussin hat es mir angetan. Endlich mal eine intelligente Frau an Lothars Seite. Und schmuck ist sie auch noch. Die Art von Frau, bei der mir garantiert die Augen explodieren würden, wenn ich sie nackt sehe.
[ 4]„Wer?“
„Na, die Pädagogin.“
[ 4]„Ach die. Keine Ahnung.“
„Wie jetzt?
[ 4]„Das ist doch schon seit Wochen aus.“
„Wir haben uns doch erst vor vierzehn Tagen gesehen und da hast du mir nichts erzählt.“
[ 4]„Na, da hast du ja auch nicht gefragt.“
Gegen diese Logik kann ich natürlich nicht ankommen. Wir sitzen fünf Minuten da, ohne zu reden, und nippen an unseren Bieren. Es ist doch herrlich, wenn man nicht ständig über alles und jeden haarklein sprechen muss. Allerdings fehlen dann oftmals auch wichtige Informationen. Wie eben die, dass ich von nun an auf den entzückenden Anblick von Elena verzichten muss.
Lothar trinkt einen Schluck und meint dann völlig aus dem Nichts heraus: „Ich sage nur ein Wort, Geschlechtsverkehr.“
Ich verschlucke mich: „Wie bitte?“
„Du hast schon richtig gehört. Geschlechtsverkehr. Weißt du überhaupt noch, was das ist? Existiert irgendeine Erinnerung daran in deinen Follikeln?“
Nun wird das Kopulieren ja meiner Meinung nach völlig überbewertet. Aber unser häuslicher Austausch von Intimitäten könnte in der Tat in geringeren Zeitabständen stattfinden. Ich hoffe, dass er nicht irgendwann verschwindet und in Vergessenheit gerät. So wie das wohl ausgestorbene Mon Chichi oder der karierte Pullunder.
Ich reiße mich aus meinen Gedanken und frage: „Wie kommst du denn jetzt da drauf?“
[ 4]„Wegen Elena. Wir hatten einfach nicht gleiche Einstellung zum Körper.“
Mein fragender Blick fordert zu einer weitergehenden Erklärung auf.
[ 4]„Immer das Licht ausmachen und dann auch noch einen Schlafanzug tragen. Hallo! Ich bin doch kein Rentner.“
Stimmt. Ich kann mich nicht erinnern, je einen Pyjama oder etwas Ähnliches an Lothars Körper gesehen zu haben. Seit unserer WG-Zeit war eine Boxershorts das Maximum des Machbaren zur abendlichen Freizeit. Das ist uns schon bei diversen gemeinsamen Urlauben aufgefallen. Oftmals schockierend anschaulich. Wenn wir zum Beispiel beim Frühstück saßen und der ewige Langschläfer, einem nackten Yeti gleich, in Richtung Bad wandelte.
„Weißt du, nur weil du so elend viele Haare überall hast, lässt du oftmals viel zu viel von dir sehen.“
[ 4]„Höre ich da etwa Neid?“, er tätschelt meine Glatze: „Seit wann bist du so prüde?“
„Seit du meiner Schwiegermutter mal die Tür aufgemacht hast und nur Socken anhattest.“
[ 4]„Ach stimmt. Das war als ihr in Norwegen wart.“ Er lächelt versonnen.

„Und was ist denn aus Elena geworden?“ Ich hege immer noch die Hoffnung, dass es keine endgültige Trennung ist.
[ 4]„Sie hat jetzt einen Studenten. Verkehrsrecht glaube ich.“
„Siehst‘e, sie ist eben eine kluge Frau. Das habe ich doch immer gesagt.“
[ 4]„Davon hatte ich aber nicht viel. Vielleicht wenn sie zu „Wer wird Millionär“ gegangen wäre. Aber dann hätte sie das Geld bestimmt gespendet.“ Er bestellt zwei neue Gläser: „Ich hab jetzt eine Feng Shui Gärtnerin. Könnte meine Traumfrau werden.“
„Lothar, es fällt mir schwer mich für dich zu freuen.“
[ 4]„Ist ok, ich genieße deinen Schmerz.“
Wir müssen beide grinsen.
Ich atme laut aus: „Heut war mein Chef nicht da, was eine Erholung.“
[ 4]„Ist er endlich in den Rhein gefallen?“, fragt Lothar.
„Nein, leider nicht. Er weilt derzeit in Rumänien.“
[ 4]„Ach Gott, heute wo man überall hin kann, wer macht denn da noch Urlaub in Rumänien?“
„Vampire“, erwidere ich trocken und ergänze noch: „Und Geizhälse.“
Nach kurzer Pause erkläre ich: „Der sucht eine Frau.“
Lothar stutzt: „Wie jetzt? Der hat seine Frau verloren? So ein Depp. Wie kann man denn seine Frau verlieren? Also ich meine ohne Absicht. Im Bus liegen gelassen oder was?“
„Du bist der Depp“, gebe ich zurück: „Mensch der will sich eine Frau kaufen, freiwillig nimmt den doch hier Keine.“
„Kaufen?“, Lothars Augen drohen in sein Bierglas zu fallen: „So was geht da? Jetzt denke ich aber ganz anders über Rumänien.“ Er kratzt sich am Kopf: „Ich glaube ich habe noch ein paar Tage Urlaub übrig.“

Ich stelle mein Glas ab: „Ja du Depp, mach das. Mach da Urlaub und geh in den Dorfladen. Dann kaufst du dir eine hübsches Weibchen und wenn du Glück hast, ist sie gerade im Angebot, Zwei zum Preis von Einer. Wenn du Pech hast, bekommst du die Mutter mit dazu. Dann lässt du dich noch ausrauben und verirrst dich mit Lebensmittelvergiftung und Sonnenbrand im Wald. Denk nicht, dass ich dich dann auslöse. Vergiss es. Und überhaupt, was willst du schon wieder eine neue Frau? Die alte ist doch noch gar nicht alle.“
Lothar tut entrüstet: „ Ich finde das jetzt nicht in Ordnung wie du über meine Freundin sprichst. Sei nicht immer so abwertend. Das finde ich jetzt schwach von dir, auch menschlich gesehen.“

Ich muss lachen: „Hui jui jui, steckt dem gnädigen Herrn ein Furz verquer? Freundin also. So so. Vor fünf Minuten war es noch deine Seelenverwandte und fast die Frau fürs Leben. Und nun willst du dir ab liebsten morgen eine Neue kaufen. Wer von uns beiden ist denn hier der Chauvinist?“
[ 4]„Was’n das für eine Frage. Du natürlich, das ist ja wohl klar. Für mich sind Frauen ein Geschenk Gottes an uns“, gibt Lothar todernst zurück.
„Und warum tauschst du dein Geschenk dann dauernd um?“
[ 4]„Ach hör doch auf. Ganz im Ernst. Was wären wir denn ohne sie?“
Ich halte die Hand hoch und zähle mit den Finger vor: „Reicher. Glücklicher. Frei“
Er schüttelt mit dem Kopf: „Und warum bist du dann immer noch verheiratet?“
„Weißt du eigentlich was eine Scheidung kostet?“, meine ich schlagfertig.
Er schüttelt wieder mit dem Kopf: „Du tust ja nur so abgebrüht. Jeder weiß, dass ihr das perfekte Paar seid. Du liebst sie, leugne nicht.“
Ich kann nichts dagegen einwenden. Also nehme ich einen großen Schluck und nicke so kurz und unauffällig wie möglich.
„Außerdem warst du auch immer ein nicht zahlender Nutznießer meiner Beziehungen.“
Jetzt stutze ich: „Was meinst du?“
„Ich erinnere nur an die gratis Massagen von der Physiotherapeutin. Die Rabattkarte von der Baumarktverkäuferin hast du auch nicht ausgeschlagen und selbst aus Dörthe hast du noch etwas herausgeholt.“
Ich muss überlegen: „Welche Dörthe?“
„Hallo?! Dörthe die heilpraktische Dermatologin.“
Jetzt erinnere ich mich. Meine private Krankenversicherung wollte ja partout nicht die Tattooentfernung und das Reiki bezahlen.

Ich animiere ihn zum Anstoßen: „Ich muss zugeben, alles in allem hattest du doch recht nützliche Beziehungen. Prost.“
„Ja für dich vielleicht. Für mich gab es immer nur den Liebeskummer.“
Ich mache ein mitleidiges Gesicht: „Ach du Armer. Wenn ich mal Zeit habe, bedaure ich dich. Und noch zum Thema Freundin. Wenn ich das Wort höre, muss ich immer an den Sandkasten denken und an die Eisdiele vor dem Zoo. Eine Freundin hat man mit acht oder so. Du bist über vierzig. Da hat man vielleicht eine Geliebte. Wenn man Glück hat.“
Lothar kontert prompt: „Du weißt doch genau wie ich es meine. Aber was hängst du dich überhaupt daran auf? Schließlich hast du ja eine Freundin.“
Ich verschlucke mich fast: „Wie bitte?“
[ 4]„Na Bianca!“
Ach so, er meint meine ehemalige Kommilitonin. Wir haben ein ganz normales freundschaftliches Verhältnis. Also gebe ich ganz ruhig zurück: „Bianca ist einfach nur ein Kumpel.“
[ 4]„Aber mit Brüsten“, kommt wie aus der Pistole geschossen zurück.
„Ist mir nie aufgefallen“, lüge ich.
[ 4]„Ja, na klar. Als wenn dir die wundervollsten Brüste die Gott je erschaffen hat nie aufgefallen sind.“
Jetzt muss ich aber ernster werden: „Wir sind einfach nur gute Freunde. Das kannst du natürlich nicht verstehen. Bei dir dreht sich ja immer alles um die Libido.“
[ 4]„Du bist ja bloß neidisch“, keift Lothar mich an.
„Machst du jetzt Zickenkrieg? Ich, neidisch? Das ist nicht lache. Den Stress den du hast, würde mein Herz gar nicht verkraften.“
Er schaut demonstrativ auf meinen Bauch: „Kein Wunder.“
Ich werde ein wenig traurig: „Ich bin immerhin inaktives Mitglied in einem Sportstudio.“
[ 4]„Typisch. Große Töne spucken kannst du. Das war‘s dann aber auch.“
Ich werde böse: „Nun reiß mal die Klappe nicht so weit auf, du Depp.“
[ 4]„Nenn mich noch einmal Depp und es gibt was auf die Glatze, du Arsch.“
„Die Herren wollen zahlen?“, der Kellner steht plötzlich wie aus dem Boden gestampft vor uns.
„Was jetzt schon?“, fragt Lothar grimmig und an mich gewandt: „Du bist diesmal dran.“
Ich zahle und draußen freuen wir uns über einen wiedermal gelungenen Abend.
[ 4]„In vierzehn Tagen wieder hier?“
„Logo. Schönen Gruß an Elena. Ach Moment, da war ja was. Wie heißt denn die Gärtnerin?“
[ 4]„Annrike.“
Ich bleibe wie angewurzelt stehen. So oft gibt es den Namen ja nun doch nicht. Vorsichtig frage ich: „Annrike Schüsselkrug?“
Nun bleibt auch Lothar ruckartig stehen: „Woher weißt du?“
Ich lege meinen Arm um seine Schultern. „Lothar, mein Freund. Du musst jetzt ganz tapfer sein.“ Er sieht mich fragend an. „Die Annrike ist verheiratet.“
So sieht Entsetzen aus: „Nein.“
„Doch.“
[ 4]„Nein. Dass kann nicht sein.“
„Da ist mein Schwager aber ganz anderer Meinung“, gebe ich zu Bedenken: „Obwohl, wenn ich so drüber nachdenke, bleib lieber mal am Ball. Dann kannst du in unsere Familie einheiraten.“
Er sieht aus wie Gene Kelly nach dem Tanz im Regen, nur nicht so glücklich.
„Oder soll ich dich morgen doch zum Bahnhof fahren?“
 

joecec

Mitglied
Flüssig geschrieben, könnte aber meiner Meinung nach ein Lektorat oder einfach nochmaliges Korrekturlesen vertragen. Am Anfang würde ich an deiner Stelle noch etwas kürzen. Die Stimmung hast du gut eingefangen, aber die Plauderei der beiden zieht sich etwas, ohne wirklich die Geschichte voranzubringen. Ich habe dann irgendwann überflogen und bin kurz vor dem Ende wieder eingestiegen. Etwas zusammengedampft ist das sicher ein amüsanter Text.

Wir kennen uns seit dem Kindergarten, haben schon viel zusammen durchgestanden und verbringen gern mal einen gemeinsamen Abend. Leider sehen unsere Frauen das nicht so.
Was sehen die Frauen anders? Dass sie gerne einen Abend zusammen verbringen? Da wolltest du doch sicher etwas anderes ausdrücken. ;-)
 

reborn

Mitglied
Ich danke dir für deine Einschätzung und die Tipps. Es fällt mir noch etwas schwer, reine Dialoge zu schreiben. Ich habe den Text gerade ein weiteres Mal überarbeitet und werde das bestimmt noch etliche Male tun ;-)
Als nächstes werde ich wohl den "haarigen" Teil rausnehmen. Er zieht das wohl am meisten in die Länge. Denke ich zumindest.
Freut mich , dass du ein paar Zeilen dazu geschrieben hast.
Viele Grüße
 

reborn

Mitglied
Männerfreundschaften sind doch etwas ganz Besonderes. Denken wir Männer. Eben auch weil sie so selten sind. Ich meine jetzt die Echten. Die, wo der Freund auch mal auf die Wohnung aufpasst, ohne das letzte Bier aus dem Kühlschrank zu klauen und die Sammlung der mittlerweile, antiken Männermagazine unberührt lässt.

Lothar ist ein Vorzeigeexemplar von einem Freund und Kumpel, kurz Frumpel. Wir verbringen gern mal einen gemeinsamen Abend. Leider sehen unsere Frauen das nicht so. Jedenfalls meine Frau. Sie meint, es wird immer zu spät, zu feucht, und Lothar bringe mich nur auf falsche Gedanken. Er hat nämlich nicht wirklich „eine“ Frau. Er wechselt öfter mal.

Heute treffen wir uns in einer der teuersten Lokalitäten der Stadt. Nicht um zu essen, sondern ein gutes englisches Bier zu trinken, das man sonst nur im Internet für fünfundzwanzig Euro die Flasche plus Versand bekommt. Allerdings wird es nicht so gern gesehen, wenn man hier nichts verzehrt. Das rechnet sich nicht. Nicht mal wenn wir jeder zehn Bier trinken. Diese bereits von mir vorgetragene Argumentation brachte uns leider nicht mehr als ein Kopfschütteln ein.

Wir prosten uns zu und fühlen uns ein bisschen wie Quartalssäufer beim Verprassen der Stütze. Da wir sonst eher Kaffee oder Schorle genießen, lassen wir an solchen Abenden den Rebellen raushängen. Üblicherweise werden die Ereignisse der letzten zwei Wochen in Sport, Politik und Nachbarschaftsstreit kommentiert. Gefolgt von den neuesten Witzen, oder den Alten die immer noch lustig sind. Nachdem wir mit einem Nicken, den Ärger des Anderen über Gott und die Welt als richtig befunden haben, folgt das lockere Biergesäusel.

„Mir ist schon wieder ein Kaktus eingegangen“, erzähle ich mit ein wenig Unverständnis der Natur gegenüber.
[ 4]„Wenig Pflege, bedeutet nicht, gar keine Pflege. Auch ein Kaktus muss mal gegossen werden. Wahrscheinlich brauchst du doch etwas, dem du mehr Aufmerksamkeit schenken musst. Wo du sozusagen zur Pflege und Aufmerksamkeit gezwungen wirst“, meint Lothar.
„Für deine Mutter haben wir leider keinen Platz mehr im Haus“, gebe ich zurück.
[ 4]„Ach so lustig ist es in letzter Zeit gar nicht. Letzte Woche musste ich sie aus der Notaufnahme abholen.“
„Mist. Was war denn los?“
Er winkt symbolisch ab: „Ach Sie hat da was verwechselt. Anstatt ihr Asthmaspray zu inhalieren, hat sie das Pfefferspray genommen, dass ich ihr gekauft habe, damit sie sich auf dem abendlichen Heimweg vom Rentner-Speed-Dating sicherer fühlen kann. Das war nicht ohne, sage ich dir. Geht aber schon wieder. Jetzt wissen wir jedenfalls, dass es wirkt.“
„Jag mir doch nicht so einen Schrecke ein, ich mag deine Mutter“, und um nicht rührselig zu wirken, hänge ich gleich noch dran: „Aber du kommst ja nach deinem Vater“.
Über unsere Vergänglichkeit nachsinnend schlürfen wir den Schaum vom Bier.

„Hat Luise eigentlich ihre Pickelphase überwundern?“, fragt mich Lothar, während er an einer kleinen roten Quaddel auf seiner Nase herumhantiert.
„Durch ist sie mit dem Thema noch nicht, aber es wird stetig besser. Dafür stehen jetzt wieder die Jungen bei uns Schlange. Bieten sich als potenzieller Partner an. Die Namen muss ich mir gar nicht alle merken.“
[ 4]„Musst nicht oder kannst nicht?“, meint Lothar.
„Ja ok. Aber solchen Input brauch ich nicht. Jetzt hat sie auch ein „echtes“ Handy bekommen, pardon, Smartphone. Seitdem werde ich mit Emojis bombardiert. Das Kind schickt mir also den ganzen Tag Texte, die nur aus Emoji Bildern bestehen. Ich verstehe kein Wort davon. Nichts. Und dann sind die Dinger so klein. Ich erkenne überhaupt keinen Unterschied zwischen den kleinen Fratzen. Das kann sonst was bedeuten. Was sie von mir will? Keine Ahnung. Das kann heißen: "Papa ich bin schwanger, aber Kurt-Kevin hat einen festen Job bei McPommes", oder die Bitte irgendwo abgeholt zu werden. Ich kann nicht mal sagen ob sie mich vergackeiern will.“
„Vielleicht solltest du dir auch mal ein größeres Handy zulegen“, meint Lothar: „Wir werden ja alle nicht jünger.“
So ein Teil hat sie mir letztens beim Shoppen gezeigt. Es war fast so groß wie mein Tablet. Das bekomme ich aber nicht in die Hosentasche.“ Ich versuche es mit beiden Händen zu verdeutlichen, indem ich wie ein Angler, die Länge des Fisches in der Luft beschreibe.
„Was du da zeigst, ist wohl eher ein Baguette“, Lothar nimmt einen Schluck und zeigt mir sein Handy, ein kleiner Plastikknochen mit Minidisplay: "Mir reicht das".

„Und, was macht deine Elena so?“, frage ich voller Interesse. Die Halbrussin hat es mir angetan. Endlich mal eine intelligente Frau an Lothars Seite. Und schmuck ist sie auch noch. Die Art von Frau, bei der mir garantiert die Augen explodieren würden, wenn ich sie nackt sehe.
„Wer?“
„Na, die Pädagogin.“
„Ach die. Keine Ahnung.“
„Wie jetzt?
„Das ist doch schon seit Wochen aus.“
„Wir haben uns doch erst vor vierzehn Tagen gesehen und da hast du mir nichts erzählt.“
„Na, da hast du ja auch nicht gefragt.“
Gegen diese Logik kann ich natürlich nicht ankommen. Wir sitzen fünf Minuten da, ohne zu reden, und nippen an unseren Bieren. Es ist doch herrlich, wenn man nicht ständig über alles und jeden haarklein sprechen muss. Allerdings fehlen dann oftmals auch wichtige Informationen. Wie eben die, dass ich von nun an auf den entzückenden Anblick von Elena verzichten muss.
Lothar trinkt einen Schluck und meint dann völlig aus dem Nichts heraus: „Ich sage nur ein Wort, Geschlechtsverkehr.“
Ich verschlucke mich: „Wie bitte?“
„Du hast schon richtig gehört. Geschlechtsverkehr. Weißt du überhaupt noch, was das ist? Existiert irgendeine Erinnerung daran in deinen Follikeln?“
Nun wird das Kopulieren ja meiner Meinung nach völlig überbewertet. Aber unser häuslicher Austausch von Intimitäten könnte in der Tat in geringeren Zeitabständen stattfinden. Ich hoffe, dass er nicht irgendwann verschwindet und in Vergessenheit gerät. So wie das wohl ausgestorbene Mon Chichi oder der karierte Pullunder.
Ich reiße mich aus meinen Gedanken und frage: „Wie kommst du denn jetzt da drauf?“
„Wegen Elena. Wir hatten einfach nicht gleiche Einstellung zum Körper.“
Mein fragender Blick fordert zu einer weitergehenden Erklärung auf.
„Immer das Licht ausmachen und dann auch noch einen Schlafanzug tragen. Hallo! Ich bin doch kein Rentner.“
Stimmt. Ich kann mich nicht erinnern, je einen Pyjama oder etwas Ähnliches an Lothars Körper gesehen zu haben. Seit unserer WG-Zeit war eine Boxershorts das Maximum des Machbaren zur abendlichen Freizeit. Das ist uns schon bei diversen gemeinsamen Urlauben aufgefallen. Oftmals schockierend anschaulich. Wenn wir zum Beispiel beim Frühstück saßen und der ewige Langschläfer, einem nackten Yeti gleich, in Richtung Bad wandelte.
„Weißt du, du hast zwar elend viele Haare überall, wir können aber trotzdem zu viel von dir sehen.“
„Höre ich da etwa Neid?“, er tätschelt meine Glatze: „Seit wann bist du so prüde?“
„Seit du meiner Schwiegermutter mal die Tür aufgemacht hast und nur Socken anhattest.“

„Und was ist aus Elena geworden?“ Ich hege immer noch die Hoffnung, dass es keine endgültige Trennung ist.
„Sie hat jetzt einen Studenten. Verkehrsrecht glaube ich.“
„Siehst‘e, sie ist eben eine kluge Frau. Das habe ich doch immer gesagt.“
„Davon hatte ich aber nicht viel. Vielleicht wenn sie zu „Wer wird Millionär“ gegangen wäre. Aber dann hätte sie das Geld bestimmt gespendet.“ Er bestellt zwei neue Gläser: „Ich hab jetzt eine Feng Shui Gärtnerin. Könnte meine Traumfrau werden.“
„Lothar, es fällt mir schwer mich für dich zu freuen.“
„Ist ok, ich genieße deinen Schmerz.“
Wir müssen beide grinsen.
Ich atme laut aus: „Heut war mein Chef nicht da, was eine Erholung.“
„Ist er endlich in den Rhein gefallen?“, fragt Lothar.
„Nein, leider nicht. Er weilt derzeit in Rumänien.“
„Ach Gott, heute wo man überall hin kann, wer macht denn da noch Urlaub in Rumänien?“
„Vampire“, erwidere ich trocken und ergänze noch: „Und Geizhälse.“
Nach kurzer Pause erkläre ich: „Der sucht eine Frau.“
Lothar stutzt: „Wie jetzt? Der hat seine Frau verloren? Ohne Absicht? So ein Depp. Im Bus liegen gelassen oder was?“
„Du bist der Depp“, gebe ich zurück: „Mensch der will sich eine Frau kaufen, freiwillig nimmt den doch hier Keine.“
„Kaufen?“, Lothars Augen drohen in sein Bierglas zu fallen: „So was geht da? Jetzt denke ich aber ganz anders über Rumänien.“ Er kratzt sich am Kopf: „Ich glaube ich habe noch ein paar Tage Urlaub übrig.“

Ich stelle mein Glas ab: „Ja du Depp, mach da Urlaub und geh in den Dorfladen. Dann kaufst du dir eine hübsches Weibchen und wenn du Glück hast, ist sie gerade im Angebot, Zwei zum Preis von Einer. Wenn du Pech hast, bekommst du die Mutter mit dazu. Die raubt dich dann aus und du verirrst dich mit Lebensmittelvergiftung und Sonnenbrand im Wald. Und ich soll dich dann auslösen. Und überhaupt, was willst du schon wieder eine neue Frau? Die alte ist doch noch gar nicht alle.“
Lothar tut entrüstet: „ Ich finde das jetzt nicht in Ordnung wie du über meine Freundin sprichst. Sei nicht immer so abwertend. Das finde ich jetzt schwach von dir, auch menschlich gesehen.“

Ich muss lachen: „Hui jui jui, steckt dem gnädigen Herrn ein Furz verquer? Freundin also. So so. War die Gärtnerin nicht gerade noch deine Traumfrau? Wer von uns beiden ist denn hier der Chauvinist?“
„Was’n das für eine Frage. Du natürlich, das ist ja wohl klar. Für mich sind Frauen ein Geschenk Gottes an uns“, gibt Lothar todernst zurück.
„Und warum tauschst du dein Geschenk dann dauernd um?“
„Ach hör doch auf. Ganz im Ernst. Was wären wir denn ohne sie?“
Ich halte die Hand hoch und zähle mit den Finger vor: „Reicher. Glücklicher. Frei“
Er schüttelt mit dem Kopf: „Und warum bist du dann immer noch verheiratet?“
„Weißt du eigentlich was eine Scheidung kostet?“, meine ich schlagfertig.
Er schüttelt wieder mit dem Kopf: „Ach tu nicht so. Du genießt es doch, jeden Abend ihre Hand auf der Hollywoodschaukel zu halten und euer ... was trinkt ihr immer? Euer Gurkenwasser zu trinken.“
Ich kann nichts dagegen einwenden. Also nehme ich einen großen Schluck und nicke so kurz und unauffällig wie möglich.
„Außerdem hattest du ja auch immer was von meinen Beziehungen.“
Jetzt stutze ich: „Was meinst du…..?“
„Ich erinnere nur an die gratis Massagen von der Physiotherapeutin. Die Rabattkarte von der Baumarktverkäuferin hast du auch nicht ausgeschlagen und selbst aus Dörthe hast du noch etwas herausgeholt.“
Ich muss überlegen: „Welche Dörthe?“
„Hallo?! Dörthe die heilpraktische Dermatologin.“
Jetzt erinnere ich mich. Meine private Krankenversicherung wollte ja partout nicht die Tattooentfernung und das Reiki bezahlen.

Ich animiere ihn zum Anstoßen: „Ich muss zugeben, alles in allem hattest du doch recht nützliche Beziehungen. Prost.“
„Ja für dich vielleicht. Für mich gab es immer nur den Liebeskummer.“
Ich mache ein mitleidiges Gesicht: „Ach du Armer. Wenn ich mal Zeit habe, bedaure ich dich. Und noch zum Thema Freundin. Wenn ich das Wort höre, muss ich immer an den Sandkasten denken und an die Eisdiele vor dem Zoo. Eine Freundin hat man mit acht oder so. Du bist über vierzig. Da hat man vielleicht eine Geliebte. Wenn man Glück hat.“
Lothar kontert prompt: „Du weißt doch genau wie ich es meine. Aber was hängst du dich überhaupt daran auf? Schließlich hast du ja eine Freundin.“
Ich verschlucke mich fast: „Wie bitte?“
„Na Bianca!“
Ach so, er meint meine ehemalige Kommilitonin. Wir haben ein ganz normales freundschaftliches Verhältnis. Also gebe ich ganz ruhig zurück: „Bianca ist einfach nur ein Kumpel.“
„Aber mit Brüsten“, kommt wie aus der Pistole geschossen zurück.
„Ist mir nie aufgefallen“, lüge ich.
„Ja, na klar. Als wenn dir die wundervollsten Brüste die Gott je erschaffen hat nie aufgefallen sind.“
Jetzt muss ich aber ernster werden: „Wir sind einfach nur gute Freunde. Das kannst du natürlich nicht verstehen. Bei dir dreht sich ja immer alles um die Libido.“
„Du bist ja bloß neidisch“, keift Lothar mich an.
„Machst du jetzt Zickenkrieg? Ich, neidisch? Das ist nicht lache. Den Stress den du hast, würde mein Herz gar nicht verkraften.“
Er schaut demonstrativ auf meinen Bauch: „Kein Wunder.“
Ich werde ein wenig traurig: „Ich bin immerhin inaktives Mitglied in einem Sportstudio.“
„Typisch. Große Töne spucken kannst du. Das war‘s dann aber auch.“
Ich werde böse: „Nun reiß mal die Klappe nicht so weit auf, du Depp.“
„Nenn mich noch einmal Depp und es gibt was auf die Glatze, du Arsch.“
„Die Herren wollen zahlen?“, der Kellner steht plötzlich wie aus dem Boden gestampft vor uns.
„Was jetzt schon?“, fragt Lothar grimmig und an mich gewandt: „Du bist diesmal dran.“
Ich zahle und draußen freuen wir uns über einen wiedermal gelungenen Abend.
„In vierzehn Tagen wieder hier?“
„Logo. Schönen Gruß an Elena. Ach Moment, da war ja was. Wie heißt denn die Gärtnerin?“
„Annrike.“
Ich bleibe wie angewurzelt stehen. So oft gibt es den Namen ja nun doch nicht. Vorsichtig frage ich: „Annrike Schüsselkrug?“
Nun bleibt auch Lothar ruckartig stehen: „Woher weißt du?“
Ich lege meinen Arm um seine Schultern. „Lothar, mein Freund. Du musst jetzt ganz tapfer sein.“ Er sieht mich fragend an. „Die Annrike ist verheiratet.“
So sieht Entsetzen aus: „Nein.“
„Doch.“
„Nein. Dass kann nicht sein.“
„Da ist mein Schwager aber ganz anderer Meinung“, gebe ich zu Bedenken: „Obwohl, wenn ich so drüber nachdenke, bleib lieber mal am Ball. Dann kannst du in unsere Familie einheiraten.“
Er sieht aus wie Gene Kelly nach dem Tanz im Regen, nur nicht so glücklich.
„Oder soll ich dich morgen doch zum Bahnhof fahren?“
 

reborn

Mitglied
Männerfreundschaften sind doch etwas ganz Besonderes. Denken wir Männer. Eben auch weil sie so selten sind. Ich meine jetzt die echten. Die, wo der Freund auch mal auf die Wohnung aufpasst, ohne das letzte Bier aus dem Kühlschrank zu klauen, und die Sammlung der mittlerweile antiken Männermagazine unberührt lässt.
Lothar ist ein Vorzeigeexemplar von einem Rumpel, Freund und Kumpel. Wir verbringen gern mal einen gemeinsamen Abend. Leider sehen unsere Frauen das nicht so. Jedenfalls meine Frau. Sie meint, es wird immer zu spät, zu feucht und Lothar bringe mich nur auf falsche Gedanken. Er hat nämlich nicht wirklich „eine“ Frau. Er wechselt öfter mal.

Heute treffen wir uns in einer der teuersten Lokalitäten der Stadt. Nicht, um zu essen, sondern ein gutes englisches Bier zu trinken, das man sonst nur im Internet für fünfundzwanzig Euro die Flasche plus Versand bekommt. Allerdings wird es nicht so gern gesehen, wenn man hier nichts verzehrt. Das rechnet sich nicht. Nicht mal, wenn wir jeder zehn Bier trinken. Diese bereits von mir vorgetragene Argumentation brachte uns leider nicht mehr als ein Kopfschütteln ein.

Wir prosten uns zu und fühlen uns ein bisschen wie Quartalssäufer beim Verprassen der Stütze. Da wir sonst eher Kaffee oder Schorle genießen, lassen wir an solchen Abenden den Rebellen raushängen.
Üblicherweise werden die Ereignisse der letzten zwei Wochen in Sport, Politik und Nachbarschaftsstreit kommentiert. Alles in dem lockeren, vertrauten Umgangston, der sich zwischen alten Freunden entwickelt. Gefolgt von den neuesten Witzen, oder den alten, die immer noch lustig sind. Nachdem wir mit einem Nicken den Ärger des anderen über Gott und die Welt als richtig befunden haben und uns in wildesten Spekulationen über die grazile Barkeeperin ertränkt haben, folgt das lockere Biergesäusel.
„Mir ist schon wieder ein Kaktus eingegangen“, erzähle ich mit ein wenig Unverständnis der Natur gegenüber.
„Wenig Pflege bedeutet nicht gar keine Pflege. Auch ein Kaktus muss mal gegossen werden. Wahrscheinlich brauchst du doch etwas, dem du mehr Aufmerksamkeit schenken musst. Wo du sozusagen zur Pflege und Aufmerksamkeit gezwungen wirst“, meint Lothar.
„Für deine Mutter haben wir leider keinen Platz mehr im Haus“, gebe ich zurück.
„Ach, so lustig ist es in letzter Zeit gar nicht. Letzte Woche musste ich sie aus der Notaufnahme abholen.“
„Mist. Was war denn los?“
Er winkt symbolisch ab: „Ach, sie hat da was verwechselt. Anstatt ihr Asthmaspray zu inhalieren, hat sie das Pfefferspray genommen, das ich ihr gekauft habe, damit sie sich auf dem abendlichen Heimweg vom Rentner-Speed-Dating sicherer fühlen kann. Das war nicht ohne, sage ich dir. Geht aber schon wieder. Jetzt wissen wir jedenfalls, dass es wirkt.“
„Jag mir doch nicht so einen Schrecken ein, ich mag deine Mutter.“ Und um nicht rührselig zu wirken, hänge ich gleich noch dran: „Aber du kommst ja nach deinem Vater.“
Über unsere Vergänglichkeit nachsinnend schlürfen wir den Schaum vom Bier.

„Hat Luise eigentlich ihre Pickelphase überwunden?“, fragt mich Lothar, während er an einer kleinen roten Quaddel auf seiner Nase herumhantiert.
„Durch ist sie mit dem Thema noch nicht, aber es wird stetig besser. Dafür stehen jetzt wieder die Jungen bei uns Schlange. Bieten sich als potenzieller Partner an. Die Namen muss ich mir gar nicht alle merken.“
„Musst nicht oder kannst nicht?“, meint Lothar.
„Ja o. k. Aber solchen Input brauch ich nicht. Jetzt hat sie auch ein „echtes“ Handy bekommen, pardon, Smartphone. Seitdem werde ich mit Emojis bombardiert. Das Kind schickt mir also den ganzen Tag Texte, die nur aus Emoji-Bildern bestehen. Ich verstehe kein Wort davon. Nichts. Und dann sind die Dinger so klein. Ich erkenne überhaupt keinen Unterschied zwischen den kleinen Fratzen. Das kann sonst was bedeuten. Was sie von mir will? Keine Ahnung. Das kann heißen: „Papa ich bin schwanger, aber Kurt Kevin hat einen festen Job bei McPommes“, oder die Bitte, irgendwo abgeholt zu werden. Ich kann nicht mal sagen, ob sie mich vergackeiern will.
„Vielleicht solltest du dir auch mal ein größeres Handy zulegen“, meint Lothar. „Wir werden ja alle nicht jünger.“
„So ein Teil hat sie mir letztens beim Shoppen gezeigt. Es war fast so groß wie mein Tablet. Das bekomme ich aber nicht in die Hosentasche.“ Ich versuche es mit beiden Händen zu verdeutlichen, indem ich wie ein Angler die Länge des Fisches in der Luft beschreibe.
„Was du da zeigst, ist wohl eher ein Baguette“, Lothar nimmt einen Schluck und zeigt mir sein Handy, ein kleiner Plastikknochen mit Minidisplay. „Mir reicht das.“

„Und, was macht deine Elena so?“, frage ich voller Interesse. Die Halbrussin hat es mir angetan. Endlich mal eine intelligente Frau an Lothars Seite. Und schmuck ist sie auch noch. Die Art von Frau, bei der mir garantiert die Augen explodieren würden, wenn ich sie nackt sehe.
„Wer?“
„Na, die Pädagogin.“
„„Ach die. Keine Ahnung.“
„Wie jetzt?“
„Das ist doch schon seit Wochen aus.“
„Wir haben uns doch erst vor vierzehn Tagen gesehen und da hast du mir nichts erzählt.“
„Na, da hast du ja auch nicht gefragt.“
Gegen diese Logik kann ich natürlich nicht ankommen. Wir sitzen fünf Minuten da, ohne zu reden, und nippen an unseren Bieren. Es ist doch herrlich, wenn man nicht ständig über alles und jeden haarklein sprechen muss. Allerdings fehlen dann oftmals auch wichtige Informationen. Wie eben die, dass ich von nun an auf den entzückenden Anblick von Elena verzichten muss.
Lothar trinkt einen Schluck und meint dann völlig aus dem Nichts heraus: „Ich sage nur ein Wort, Geschlechtsverkehr.“
Ich verschlucke mich: „Wie bitte?“
„Du hast schon richtig gehört. Geschlechtsverkehr. Weißt du überhaupt noch, was das ist? Existiert irgendeine Erinnerung daran in deinen Follikeln?“
Nun wird das Kopulieren ja meiner Meinung nach völlig überbewertet. Aber unser häuslicher Austausch von Intimitäten könnte in der Tat in geringeren Zeitabständen stattfinden. Ich hoffe, dass er nicht irgendwann verschwindet und in Vergessenheit gerät. So wie das wohl ausgestorbene Monchhichi oder der karierte Pullunder.
Ich reiße mich aus meinen Gedanken und frage: „Wie kommst du denn jetzt da drauf?“
„Wegen Elena. Wir hatten einfach nicht die gleiche Einstellung zum Körper.“
Mein fragender Blick fordert zu einer weitergehenden Erklärung auf.
„Immer das Licht ausmachen und dann auch noch einen Schlafanzug tragen. Hallo! Ich bin doch kein Rentner.“
Stimmt. Ich kann mich nicht erinnern, je einen Pyjama oder etwas Ähnliches an Lothars Körper gesehen zu haben. Seit unserer WG-Zeit war eine Boxershorts das Maximum des Machbaren zur abendlichen Freizeit. Das ist uns schon bei diversen gemeinsamen Urlauben aufgefallen. Oftmals schockierend anschaulich. Wenn wir zum Beispiel beim Frühstück saßen und der ewige Langschläfer, einem nackten Yeti gleich, in Richtung Bad wandelte.
„Weißt du, du hast zwar elend viele Haare überall, wir können aber trotzdem zu viel von dir sehen.“
„Höre ich da etwa Neid?“ Er tätschelt meine Glatze: „Seit wann bist du so prüde?“
„Seit du meiner Schwiegermutter mal die Tür aufgemacht hast und nur Socken anhattest.“

„Und was ist aus Elena geworden?“ Ich hege immer noch die Hoffnung, dass es keine endgültige Trennung ist.
„Sie hat jetzt einen Studenten. Verkehrsrecht glaube ich.“
„Siehste, sie ist eben eine kluge Frau. Das habe ich doch immer gesagt.“
„Davon hatte ich aber nicht viel. Vielleicht, wenn sie zu ‚Wer wird Millionär‘ gegangen wäre. Aber dann hätte sie das Geld bestimmt gespendet.“ Er bestellt zwei neue Gläser: „Ich hab jetzt eine Feng-Shui-Gärtnerin. Könnte meine Traumfrau werden.“
„Lothar, es fällt mir schwer, mich für dich zu freuen.“
„Ist o. k., ich genieße deinen Schmerz.“
Wir müssen beide grinsen.
Ich atme laut aus: „Heut war mein Chef nicht da, was eine Erholung.“
„Ist er endlich in den Rhein gefallen?“, fragt Lothar.
„Nein, leider nicht. Er weilt derzeit in Rumänien.“
„Ach Gott, heute, wo man überall hin kann, wer macht denn da noch Urlaub in Rumänien?“
„Vampire“, erwidere ich trocken und ergänze noch: „und Geizhälse.“
Nach kurzer Pause erkläre ich: „Der sucht eine Frau.“
Lothar stutzt: „Wie jetzt? Der hat seine Frau verloren? Ohne Absicht? So ein Depp. Im Bus liegen gelassen oder was?“
„Du bist der Depp“, gebe ich zurück. „Mensch, der will sich eine Frau kaufen, freiwillig nimmt den doch hier keine.“
„Kaufen?“, Lothars Augen drohen in sein Bierglas zu fallen. „So was geht da? Jetzt denke ich aber ganz anders über Rumänien.“ Er kratzt sich am Kopf: „Ich glaube, ich habe noch ein paar Tage Urlaub übrig.“

Ich stelle mein Glas ab: „Ja, du Depp, mach da Urlaub und geh in den Dorfladen. Dann kaufst du dir eineein hübsches Weibchen und wenn du Glück hast, ist sie gerade im Angebot, zwei zum Preis von einer. Wenn du Pech hast, bekommst du die Mutter mit dazu. Die raubt dich dann aus und du verirrst dich mit Lebensmittelvergiftung und Sonnenbrand im Wald. Und ich soll dich dann auslösen. Und überhaupt, was willst du schon wieder eine neue Frau? Die alte ist doch noch gar nicht alle.“
Lothar tut entrüstet: „Ich finde das jetzt nicht in Ordnung, wie du über meine Freundin sprichst. Sei nicht immer so abwertend. Das finde ich jetzt schwach von dir, auch menschlich gesehen.“

Ich muss lachen: „Hui jui jui, steckt dem gnädigen Herrn ein Furz verquer? Freundin also. Soso. War die Gärtnerin nicht gerade noch deine Traumfrau? Wer von uns beiden ist denn hier der Chauvinist?“
„Was’n das für eine Frage. Du natürlich, das ist ja wohl klar. Für mich sind Frauen ein Geschenk Gottes an uns“, gibt Lothar todernst zurück.
„Und warum tauschst du dein Geschenk dann dauernd um?“
„Ach, hör doch auf. Ganz im Ernst. Was wären wir denn ohne sie?“
Ich halte die Hand hoch und zähle mit den Finger vor: „Reicher. Glücklicher. Frei.“
Er schüttelt mit dem Kopf: „Und warum bist du dann immer noch verheiratet?“
„Weißt du eigentlich, was eine Scheidung kostet?“, meine ich schlagfertig.
Er schüttelt wieder mit dem Kopf: „Ach, tu nicht so. Du genießt es doch, jeden Abend ihre Hand auf der Hollywoodschaukel zu halten und euer ... was trinkt ihr immer? Euer Gurkenwasser zu trinken.“
Ich kann nichts dagegen einwenden. Also nehme ich einen großen Schluck und nicke so kurz und unauffällig wie möglich.
„Außerdem hattest du ja auch immer was von meinen Beziehungen.“
Jetzt stutze ich: „Was meinst du …?“
„Ich erinnere nur an die gratis Massagen von der Physiotherapeutin. Die Rabattkarte von der Baumarktverkäuferin hast du auch nicht ausgeschlagen und selbst aus Dörthe hast du noch etwas herausgeholt.“
Ich muss überlegen: „Welche Dörthe?“
„Hallo?! Dörthe, die heilpraktische Dermatologin.“
Jetzt erinnere ich mich. Meine private Krankenversicherung wollte ja partout nicht die Tattooentfernung und das Reiki bezahlen.

Ich animiere ihn zum Anstoßen: „Ich muss zugeben, alles in allem hattest du doch recht nützliche Beziehungen. Prost.“
„Ja, für dich vielleicht. Für mich gab es immer nur den Liebeskummer.“
Ich mache ein mitleidiges Gesicht: „Ach, du Armer. Wenn ich mal Zeit habe, bedaure ich dich. Und noch zum Thema Freundin. Wenn ich das Wort höre, muss ich immer an den Sandkasten denken und an die Eisdiele vor dem Zoo. Eine Freundin hat man mit acht oder so. Du bist über vierzig. Da hat man vielleicht eine Geliebte. Wenn man Glück hat.“
Lothar kontert prompt: „Du weißt doch genau, wie ich es meine. Aber was hängst du dich überhaupt daran auf? Schließlich hast du ja eine Freundin.“
Ich verschlucke mich fast: „Wie bitte?“
„Na Bianca!“
Ach so, er meint meine ehemalige Kommilitonin. Wir haben ein ganz normales freundschaftliches Verhältnis. Also gebe ich ganz ruhig zurück: „Bianca ist einfach nur ein Kumpel.“
„Aber mit Brüsten“, kommt wie aus der Pistole geschossen zurück.
„Ist mir nie aufgefallen“, lüge ich.
„Ja, na klar. Als wenn dir die wundervollsten Brüste, die Gott je erschaffen hat, nie aufgefallen sind.“
Jetzt muss ich aber ernster werden: „Wir sind einfach nur gute Freunde. Das kannst du natürlich nicht verstehen. Bei dir dreht sich ja immer alles um die Libido.“
„Du bist ja bloß neidisch“, keift Lothar mich an.
„Machst du jetzt Zickenkrieg? Ich, neidisch? Das ist nicht lache. Den Stress, den du hast, würde mein Herz gar nicht verkraften.“
Er schaut demonstrativ auf meinen Bauch: „Kein Wunder.“
Ich werde ein wenig traurig: „Ich bin immerhin inaktives Mitglied in einem Sportstudio.“
„Typisch. Große Töne spucken kannst du. Das war‘s dann aber auch.“
Ich werde böse: „Nun reiß mal die Klappe nicht so weit auf, du Depp.“
„Nenn mich noch einmal Depp und es gibt was auf die Glatze, du Arsch.“
„Die Herren wollen zahlen?“, der Kellner steht plötzlich wie aus dem Boden gestampft vor uns.
„Was, jetzt schon?“, fragt Lothar grimmig. Und an mich gewandt: „Du bist diesmal dran.“
Ich zahle und draußen freuen wir uns über einen wiedermal gelungenen Abend.
„In vierzehn Tagen wieder hier?“
„Logo. Schönen Gruß an Elena. Ach, Moment, da war ja was. Wie heißt denn die Gärtnerin?“
„Annrike.“
Ich bleibe wie angewurzelt stehen. So oft gibt es den Namen ja nun doch nicht. Vorsichtig frage ich: „Annrike Schüsselkrug?“
Nun bleibt auch Lothar ruckartig stehen: „Woher weißt du?“
Ich lege meinen Arm um seine Schultern. „Lothar, mein Freund. Du musst jetzt ganz tapfer sein.“ Er sieht mich fragend an. „Die Annrike ist verheiratet.“
So sieht Entsetzen aus: „Nein.“
„Doch.“
„Nein. Dass kann nicht sein.“
„Da ist mein Schwager aber ganz anderer Meinung“, gebe ich zu Bedenken. „Obwohl, wenn ich so drüber nachdenke, bleib lieber mal am Ball. Dann kannst du in unsere Familie einheiraten.“
Er sieht aus wie Gene Kelly nach dem Tanz im Regen, nur nicht so glücklich.
„Oder soll ich dich morgen doch zum Bahnhof fahren?“
 



 
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