Märchenland - Teil 6

Camaun

Mitglied
MÄRCHENLAND - TEIL 6

für Steffi


Mit einem lauten Knurren machte sich Camauns Magen empört bemerkbar.
Lächelnd sah er daraufhin auf und meinte zu seiner Vertrauten: "Dumm... ich habe mein letztes Geld gestern abend aufgebraucht. Im Grunde ist es sogar eine ziemlich gute Frage, wo wir was zu essen herbekommen."
Dann legte er seinen Kopf ein wenig schief und blickte sie mit einem kritischen Gesichtsausdruck an, bevor er fortfuhr: "Aber du hast dahingehend glaube ich weniger Probleme als ich, oder?"
"Nun...", erwiderte sie, lächelte ebenfalls leicht und senkte ihren Kopf.
"Na... mir wird schon was einfallen, schätze ich.", sagte Camaun darauf und gestattete sich doch ein bisschen Optimismus.
Nachdem er mit seiner Rechten ein paar mal durch seine ungekämmten Haare gefahren war, stand er schließlich auf, nahm Shasanastaya bei der Hand und ging gemessenen Schrittes zurück in den Schankraum des noch immer für ihn namenlosen Gasthofes um dort erneut seiner eigenen geistigen Kreation zu begegnen.
Als die beiden Hand in Hand im Türrahmen standen, warf ihnen Cain einen Blick zu, den Camaun bis in die Zehenspitzen spüren konnte.
Sein Herz klopfte plötzlich eine Spur schneller, doch er versuchte sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, daß es keinen Grund gab Angst zu haben.
Schließlich sagte er sich selbst, daß es wohl nur die Aufregung wäre.
Oder Angespanntheit.
Dennoch zitterten seine Finger leicht, als er mit Shasanastaya durch den großen hölzernen Raum schritt.
Es war schätzungsweise etwa zehn oder elf Uhr morgens und bis auf Cain, den stämmigen Barbaren und zwei abgekämpft aussehenden Reisenden waren keine Gäste anwesend.
Der bärtige Wirt von gestern schien, zumindest den Geräuschen nach zu urteilen, irgendetwas in seiner kleinen Küche zu hantieren, die direkt in einem Raum hinter der Theke lag.
Man hörte neben dem Topfgeklapper und dem Bruzeln von Fleisch ab und an auch einen lautstarken Fluch über das grauenhaft schlechte Material der Pfannen und Schüsseln, die der Wirt wohl vergangenen Markt gekauft haben musste.
Die beiden Unbekannten an ihrem kleinen Tisch in der Ecke des Raumes saßen beide an einem Krug Wasser und redeten leise miteinander, während sie sich halbherzig den Staub aus ihren Kleidern klopften und ab und an kurze verstohlene Blicke zu Cain und Terron hinüber warfen.
Einer von beiden hatte eine Glatze und andauernd ein hämisches Grinsen im Gesicht, daß Camaun von irgendwoher bekannt vorkam, er konnte allerdings nicht sagen, von wo.
Doch dann wandte er seinen Blick zu dem Dragoon, atmete ein, zweimal tief durch und führte Shasanastaya zu Tisch.
Cain betrachtete sie mit einem fragenden Blick, in dem etwas Verwirrung sowie Ärger mitschwang. Verständlich, überlegte er. Zuerst küßte sie mich, jetzt diesen kleinen Bauerntrottel...
Frauen wissen auch nicht was sie wollen.
Doch als er an die Nacht dachte, die er mit ihr verbracht hatte, stahl sich ein ganz feines Lächeln in seine momentan recht grimmig wirkenden Züge, das jedoch bald wieder verschwand, nachdem sich Camaun an seinen Tisch gesetzt hatte.
Entschlossen beugte sich der Dragoon nach vorne und legte seinen linken Arm auf den Tisch, so daß seine Rüstung häßlich Kratzer auf dem Holz hinterließ, die allerdings kaum mehr auffielen, da die Tische hier sowieso nicht sonderlich gute Qualität waren.
"Also gut... sprich! Was weißt du über Dragoon?", begann er dann leise, aber dennoch sehr bestimmt.
Fast achtete er darauf, daß niemand außer den Vieren diese Unterhaltung mitbekam.
Sein Gegenüber schluckte erst einmal schwer, bevor er zaghaft antwortete: "Nun... ich kann dir etwas erzählen... aber... nun, du weißt sicher, wie schwer man sich mit dem erzählen tut, wenn man einen leeren Magen hat und eine trockene Kehle..."
Betretenes Schweigen breitete sich am Tisch aus und Terron wechselte einige kurze Blicke mit seinem Gefährten, bis dieser schließlich leise seufzte und antwortete: "Sicher... Terron, bestellst du etwas zu essen und etwas Wasser?"
Mit einem leichten Nicken stand dieser auf und begab sich an die Theke, wo er auf den Wirt wartete.
In Cains Augen trat ein lauerndes Funkeln, als er mit seinem stechenden Blick Camauns Augen fixierte, so daß dieser schon wieder meinte einen geistigen Angriff zu spüren.
"Nun sprich...", raunte er dann und ließ seine Stimme unüberhörbar bedrohlich klingen.
Nachdem sein Gegenüber wieder einige male tief durchgeatmet hatte sagte er schließlich: "In Ordnung... unter einer Bedinung."
Langsam aber sicher hob sich wieder die steile, gefährlich wirkende Augenbraue.
"Wenn ich anfange zu erzählen... dürft ihr mich nicht unterbrechen. Keine Zwischenfragen, keine Kommentare, nichts. Ansonsten kann es sein, daß ich meinen Faden verliere und nicht mehr weitersprechen kann."
Sofort schoß Shasanastaya die Erinnerung an die Geschichten durch den Kopf die Camaun vor gar nicht einmal all zu langer Zeit noch immer erzählt hatte.
Sie war von seinen Worten immer so gebannt gewesen, daß sie nie auf die Idee gekommen wäre ihn je zu unterbrechen. Und daß ihn das so stören konnte, war auch für sie neu.
Wollte er nun hier und jetzt an diesem Tisch wieder die Magie seiner Worte wirken?
Und wenn... was wollte er erzählen?
Der Dragoon nickte nur leicht ohne seinen fixierenden Blick von Camauns Augen zu nehmen.
"Und sieh mich nicht so an, während ich spreche... bitte...", fügte dieser kleinlaut hinzu, was Cain dazu brachte gequält mit den Augen zu rollen.
Was war das doch nur für ein Buttermilchbauer...
Man könnte meinen er sei aus Zucker, dachte er sich und tat ihm aber den Gefallen.
Mit einem lauten Seufzer wendete er sich nach seinem Gefährten um und erkannte, daß dieser gerade dabei war ein ordentliches Frühstück für alle Vier zu bestellen.
Nachdem er sich wieder herumgedreht hatte, vermied er es Camaun länger in die Augen zu sehen, nicht ohne dabei sich viele neue und gemeine beleidigende Bezeichnungen für ihn einfallen zu lassen.
Knöterich...
Bröselmensch...
Knochen...
Doch mitten in seinem Gedankengang, setzte Shasanastayas Vertrauter an.
Bei den ersten Worten war seine Stimme noch etwas zittrig und fahrig, doch je mehr ihm von der Zunge kam, desto sicherer wurden seine Erzählungen.

"Howel hob die Hand und signalisierte seinen restlichen Begleitern das Zeichen zum halten.
Erschöpft stieg er von seinem Pferd und sattelte es ab.
Hatchet trat an ihn heran und meinte mit gesenkter Stimme: "Mein Herr, seid ihr sicher, daß wir hier und jetzt rasten sollten? Ich meine es wäre klüger noch ein Stück weiterzureiten um diesen Dragoon zu fangen."
Howel fegte ihn mit einer zornigen Bewegung zur Seite und brummte böse: "Ob wir ihn heute oder morgen holen ist nicht wichtig. Ich möchte nur, daß meine Männer ausgeruht sind, wenn sie gegen ihn antreten. Du weißt, dieser Dragoon hat eine ganze Schwadron leichter Infanterie alleine niedergemetzelt."
"Oh ich weiß das, Herr, aber wir sind nicht irgendeine Schwadron von leichter Infanterie, wir..."
"Hör zu, Hatchet, 25 ausgebildete Krieger!"", begann er, als er von dem Dragoon mit einem lauten Lachen unterbrochen wurde.
"Fünfundzwanzig?!", gröhlte dieser und klopfte lautstark auf den Tisch, so daß Shasanastaya dachte, er müsse jeden Moment zusammenbrechen.
Camaun stockte, sagte noch eine handvoll Worte, die aber im Gebrüll von Cain untergingen, und verstummte schließlich ganz.
"Fünzundzwanzig! Das ich nicht lache! Fünf vielleicht, allerhöchstens...", schluchzte der Dragoon, als sich Terron wieder zu ihnen an den Tisch setzte, gefolgt vom Wirt, der ein großes hölzernes Tablett mit viel Brot, Butter, Wurst und Käse, sowie einen Krug Wasser abstellte und mit einem "Guten Appetit!", wieder verschwand.
Zuerst sah Camaun Cain noch mit einem bitterbösen Blick an, doch dann hellte sich sein Gesicht auf und er griff nach dem Frühstück.
"Was ist das überhaupt für seltsames Gebrabbel, was du da erzählst? Außerdem, woher weißt du, daß es Howel war?", fragte der Dragoon, nachdem er sich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte und nun seinerseits nach den Speisen auf dem Tisch griff.
"Ich dachte ich hätte gesagt, daß ich keine Unterbrechungen vertrage...", antwortete Camaun zischend.
"Iß erstmal, kleiner Knöterich. Wir haben noch den ganzen Tag Zeit.", konterte Cain und schob sich einen großen Bissen Brot in den Rachen.
Terron und Shasanastaya bedienten sich ebenfalls schweigend, wobei sie sich in diesem Moment irgendwie fehl am Platz vorkam.
Allerdings war auch sie darauf gespannt, was Camaun noch erzählen mochte. Das Wenige, was er bis jetzt gesagt hatte war schon so direkt und klar... ganz anders, als er sonst immer erzählt hatte. Bisher hatte er ihr immer genügend Freiraum für ihre Phantasie gelassen und nur mehr oder weniger oberflächlich erklärt, was denn genau in diesen Momenten geschehen war und sich mehr auf die Aussage seiner Geschichte als Ganzes konzentriert.
Als Camaun wieder Luft holte, hielt sie vor lauter Anspannung sogar kurz ihren Atem an.
"Nun gut...", meinte dieser dann und schmierte sich gerade sein zweites Brot.
Mitten in der Bewegung erstarrte er, schloß die Augen und versuchte sich wieder zu erinnern.

"Howel hob die Hand und signalisierte seinen restlichen Begleitern das Zeichen zum halten.
Erschöpft stieg er von seinem Pferd und sattelte es ab.
Hatchet trat an ihn heran und meinte mit gesenkter Stimme: "Mein Herr, seid ihr sicher, daß wir hier und jetzt rasten sollten? Ich meine es wäre klüger noch ein Stück weiterzureiten um diesen Dragoon zu fangen."
Howel fegte ihn mit einer zornigen Bewegung zur Seite und brummte böse: "Ob wir ihn heute oder morgen holen ist nicht wichtig. Ich möchte nur, daß meine Männer ausgeruht sind, wenn sie gegen ihn antreten. Du weißt, dieser Dragoon hat eine ganze Schwadron leichter Infanterie alleine niedergemetzelt."
"Oh ich weiß das, Herr, aber wir sind nicht irgendeine Schwadron von leichter Infanterie, wir..."
"Hör zu, Hatchet, 25 ausgebildete Krieger! Dieser Dragoon ist ein Gott, er muß ein Gott sein.
Niemand, und wenn ich Niemand sage, meine ich Niemand, hat bis heute die Truppen von Theodam besiegt, sei es mit Magie, noch mit einer zehn zu eins Überzahl. Und dieser Dragoon ist alleine mit 25 Soldaten fertiggeworden! Gibt dir das nicht zu denken???"
"Natürlich, mein Herr, aber..."
Howel schlug ihm seine Faust direkt ins Gesicht, so daß er schwer zu Boden stürzte.
"Wir rasten jetzt! Das ist ein Befehl!"
Hatchet war sofort wieder auf den Beinen und wich, sich ständig nach vorne verbeugend, zurück.
"Oh ja, mein Herr, wir werden rasten, ich werde die anderen Pferde absatteln, mein Gebieter."
Howel schüttelte entnervt seinen Kopf und trug seinen Sattel zum Straßenrand." sprach er dann langsam und konzentriert, da er wieder auf eine neue Unterbrechnung wartete.
Als diese jedoch ausblieb und er noch ein paar weitere Bissen gegessen hatte, nahm er seinen noch nicht verlorenen Faden wieder auf und erzählte weiter.

"Es dauerte noch eine geraume Weile, bevor sich die restlichen Soldaten am Lager, welches Howel bereits vorbereitet hatte, einfanden.
Vierzig ausgebildete Krieger hatte er um sich, und dabei doch kein gutes Gefühl.
Irgendetwas in ihm sagte, daß es trotz dieser Übermacht, mehr als schwierig werden würde diesen Dragoon einzufangen.
Im geheimen war Howel wütend auf Theodam, welcher einfach mal so beschlossen hatte den mächtigsten Kämpfer, der momentan im Land bekannt war, für die Salbena-Spiele einzufangen.
Wieso begnügte er sich nicht mit den Gladiatoren, die er bereits hatte, und wieso musste ausgerechnet er, Howel, Sohn des wütenden Rotbarts Loknar, diesen Mistkerl gefangen nehmen?
Fragen, auf die er keine Antwort fand, nun, ihm sollte es eigentlich egal sein.
"Gebieter! Mein Herr! Weilt ihr noch unter uns? Herr!" fragte Hatchet besorgt, nachdem er mehrmals versucht hatte Howel anzusprechen und dieser keinen Ton von sich gegeben hatte.
Dieser wischte ihn abermals mit einer entnervten Geste beiseite und brummte: "Laß mich zufrieden, mir geht es gut. Haben sich alle Soldaten versammelt?"
"Oh ja, mein Herr, wie ihr sehen könnt, sind wir vollzählig."
"Gut."
Howel hob seine Stimme, so daß Alle sie hören konnten: "Also gut, wenn eure Beobachtungsgabe nicht auf dem Nullpunkt ist, werdet ihr vielleicht gemerkt haben, daß wir rasten. Ich will, daß ihr morgen alle ausgeruht seid, um den Dragoon zu besiegen. Ich sage euch nur eins, unterschätzt ihn nicht, NIE, auf keinen Fall! Und noch etwas, König Theodam will ihn lebendig haben, also haltet euch etwas zurück."
Ein zustimmendes Gemurmel erklang aus dem Rest der Runde.
"Und nun eßt!"
Darauf hatten die ausgehungerten Kämpfer gewartet und verzehrten gierig ihre viel zu klein geratenen Proviantpakete, allein Howel aß nur einen Happen Dörrfleisch und trank etwas Wasser.
Nachdem das Mahl beendet war, zogen sich die Kämpfer leise in ihre Schlafsäcke zurück und versuchten sich etwas zu erholen."

Die ganze Atmosphäre zu Tisch schien sich plötzlich merklich verändert zu haben.
Cains Blick wirkte angespannt und überaus interessiert, selbst Terron hatte mitten im Kauen inne gehalten und gebannt zugehört.
Shasanastaya kannte dieses Gefühl nur allzu gut. Es war die Magie...
Es war der Zauber...
Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich zurück und lauschte den Worten von Camaun.

"Als Cain erwachte, war die Sonne gerade dabei aufzugehen, und ein dünner Nebel lag tief über den Gräsern. Tau glitzerte noch auf den einzelnen Halmen.
Er verspürte sofort ein bohrendes Hungergefühl, als er sich bewegte, und beschloß diesen Tag ruhig anzugehen. Momentan hatte er ja keinen Ärger am Hals, und so schälte er sich langsam aus seinem engen Schlafsack und setzte sich auf.
Nachdem er sich gereckt und gestreckt hatte und dabei seine Knochen laut geknackt hatten, kroch er vollends aus seiner Behausung und rollte sie müde zusammen.
Ein routinierter Kontrollblick auf seine Ausrüstung verriet ihm, daß noch alles an seinem Platz war, seine Rüstung lag geöffnet neben ihm, daran befestigt sein Stahlspeer und sein Kurzschwert.
Der Lederrucksack, samt Inhalt, ebenso wie die noch nicht benutzte Essensration lagen friedlich neben dem erloschenem Feuer letzter Nacht.
Zufrieden zupfte er das Packet auf und verzehrte hungrig seinen Inhalt.
Nachdem er seine Mahlzeit beendet hatte, richtete er sich auf und streckte sich erneut, wobei er seinen Blick über die Hügel schweifen ließ, die ihn umgaben. Zugegeben, der Ort hier war nicht der ideale Platz um zu rasten, aber was hatte er schon zu befürchten.
Als hätte irgendeine böse Gottheit ihm beim denken zugehört, stürmten plötzlich mehr als 30 Soldaten auf ihren Pferden von allen Seiten auf ihn zu.
Cain handelte nicht aus seinem Verstand heraus, sondern verließ sich auf seine Reflexe und seine Erfahrung, als er blitzschnell nach seinem Kurzschwert und seinem Speer griff.
Dann waren die Reiter auch schon heran und umkreisten ihn. Anscheinend hatten sie nicht die Absicht ihn zu töten, denn einige Soldaten warfen Netzte nach ihm.
Lachend wich Cain zwei Netzen aus und rammte seinen Speer in die Flanke eines Pferdes.
Der Reiter brüllte vor Schmerz, als sich der Stahl durch sein Bein bohrte, ebenso wie das Pferd, das vor Schmerz wieherte und dann kraftlos zusammenbrach.
Mit einem Ruck zog Cain seinen Speer zurück und wirbelte sein Kurzschwert in einem tödlichen Kreis um sich herum, womit er zwei weitere Soldaten zu Fall brachte. Die Entschlossenheit der Angreifer war mit einem Mal völlig verraucht und ihre Angriffe nur noch zögerlich und nicht mehr ernstzunehmend. Mit einem kraftvollen Satz schwang sich der Dragoon auf ein Pferd und stach dabei den Reiter nieder.
"Zurück, ZURÜCK!" brüllte jemand ins Kampfgetümmel, und als Cain sich umwandte, sah er eine stämmige Gestalt samt Pferd auf einem der entfernteren Hügel stehen. Er konnte nicht viel erkennen, denn die aufgehende Sonne war direkt hinter ihm und blendete den Dragoon.
Mit einem mal weitete sich der Kreis der Angreifer und alle hielten einen respektvollen Abstand zu Cain. Zu seinem Entsetzen, zückten sie allesamt ihre Bögen und legten auf ihn an.
"Verf..." entfuhr es Cain, doch die tödliche Salve blieb aus.
Der breitschultrige Reiter, von dem Cain annahm, daß es der Anführer dieser nutzlosen Horde
Soldaten sei, ritt langsam zu seinen Leuten: "Es bleibt euch überlassen," "Er hat zu mir "euch" gesagt, dieser Schweinhund hat verdammt viel Angst vor mir." dachte Cain dabei und hörte nur mit einem Ohr zu, wobei er gleichzeitig nach einem Fluchtweg Ausschau hielt, "ob ihr lebend mit uns kommt, oder ob wir euch töten müssen." sagte Howel in einem bedeutsamen Ton und zückte selbst einen Bogen. "Ich denke, du bewertest diese Situation falsch, mein lieber berittener Freund." meinte Cain und stieg von seinem Roß ab. Howels Augenbrauen zogen sich nach oben, als er fragte:" Was meint ihr damit?" "Nun, seht euch an. Ihr seid fast noch 30 Mann und schafft es nicht einen einfachen Söldner wie mich gefangenzunehmen." Langsam bewegte sich der Dragoon zu seiner Rüstung und machte Anstalten sie anzulegen. Howel hatte von der Rüstung gehört und fiel nicht auf die Taktik von Cain herein. Er schrie, legte an, und schoß.
Der Pfeil bohrte sich tief in den linken Arm des Dragoon. Howel und seine Soldaten sahen gespannt zu, wie Cain versuchte den Pfeil aus seinem Arm herauszuziehen. Sie hofften bei allen Göttern, die ihnen gnädig gesinnt waren, daß das Schlafgift wirken möge.
Der Dragoon spannt seinen Körper um den Schmerz zu ignorieren, der wie heißer Stahl auf der Haut brannte, und zog mit aller Kraft, die ihm noch blieb, den Pfeil aus der Wunde und dennoch breitete sich ein taubes Gefühl von seinem Arm aus über den ganzen Körper. Schließlich begrüßte ihn eine wohlige Dunkelheit.
Alle Soldaten atmeten erleichtert auf und Howel gab den Befehl den Dragoon gefangenzunehmen.
Kurze Zeit später war eine kleine Gruppe Soldaten mit einem gut verschnürten Bündel auf dem Weg nach Salbena."

Nun war es an Cain mit offenem Mund am Tisch zu sitzen.
Was er da gerade gehört hatte, war unfaßbar! Wie konnte dieser kleine Lümmel davon wissen?
Und was noch viel verwirrender war, woher wußte er, was er in diesen Momenten gedacht hatte, geschweige denn, was er gefühlt hatte?!
Las er Gedanken?! War das möglich?
Erzählte er hier einfach etwas aus Cains Gedankengut?
Verflucht, WER ist dieser Kerl?!, fragte er sich dann zum mittlerweile zehnten mal.

""Uhnnn...."
Schwärze.
Taubheit... schweben.
Pulsieren. Ein Rhythmus.
Poch. Poch. Poch. Poch. Poch.
Es war das Schlagen eines Herzen.
Das Schlagen seines Herzen.
Langsam und zähflüssig glitt Terrons Verstand durch die Dunkelheit.
Er nahm nicht besonders viel wahr, von dem stetigen Schlagen seines eigenen Herzens einmal abgesehen.
Die Vitalität kehrte zurück, denn er würde nicht sterben. Irgendwoher wusste er das.
Sein Bewusstsein allerdings konnte in seinem gegenwärtigen Zustand nur eines begreifen, nämlich, dass er noch am Leben war.
Alles um ihn herum war dunkel und seine Gedanken kreisten in sehr kleinen Spiralen um eine Tatsache.
Das Poch, poch, poch seines Herzens.
Er befand sich in einer seltsamen Welt, in der jegliche Gefühle nebensächlich waren, beziehungsweise einfach nicht vorhanden.
Poch, poch, poch.
Es holte ihn langsam wieder zurück. Mit jedem Schlag seines Herzens kehrte seine Lebenskraft ein winzig kleines Stückchen weiter zurück in seinen geschundenen Körper.
Ein erster Impuls sagte ihm, dass er das lieber nicht tun sollte.
Weiterleben.
Denn damit waren Schmerzen verbunden, diese Gewissheit kam ihm kurze Zeit später.
Oder war es eine lange Zeit? Wie lange befand er sich schon in diesem Dämmerzustand?
Plötzlich merkte er, dass er sich seiner wieder bewusst wurde. Sein Ego schlich sich langsam wieder hervor und wagte einige kurze Blicke um die Ecke der seeligen Taubheit in seinem Geiste.
Dann zog es sich wieder zurück und überlegte...
Ich könnte auch einfach sterben, dachte er sich, wobei er insgeheim wusste, dass diese Möglichkeit einfach nicht in Betracht kam.
Nein, nein, nein, so nicht, mein Freund! Ich habe mein ganzes Leben lang nur gekämpft. Ich habe mein gesamtes Leben gekämpft und ich sehe es auf gar keinen Fall ein jetzt mit dem Leben aufzuhören.!
Vergiß es!
In seinem Geist erhob sich eine neue Gestalt.
Groß, schwarz und mächtig.
Der Boden waberte, er war eine schwarze amorphe Masse, die Wellen schlug, hier in sich zusammenfiel und an einer anderen Stelle blubbernde, spritzende Fontänen von schwarzem, schleimigem Zeug ausstieß.
Der Horizont war in ein dunkles, giftiges Rot getaucht, dass zum Himmel hin seine Farbe änderte in ein diffuses Grau-Blau.
Und direkt vor ihm stand dieser schwarze Koloss. Er war nicht direkt schwarz, es war die Art von Schwärze, die entsteht, wenn man einen Teil der Realität einfach wegnimmt.
Nicht das Terron wüsste, wie so etwas aussieht, aber sein Gefühl sagte ihm, dass es so war.
Diese Schwärze war einfach das Fehlen von jeglichen Farben. Nicht einmal schwarz war so schwarz, wie dieser Koloss. Seine Form erinnerte an einen Menschen, jedoch waren seine Konturen scharf und zackig und irgendwie gefährlich. Man konnte meinen, dass wenn man den Riesen berührte, würde man sich sofort in den Finger schneiden. Doch weckte diese schwarze Gestalt in Terron keinerlei Unbehagen. Er wusste, wer dieser Riese war.
Das war er selbst.
Sein Wille hatte sich wieder erhoben.
Der Wille zum kämpfen, der in Terron schon seit Kindesalter vorhanden war und im Laufe seiner Entwicklung, wenn man das so bezeichnen kann, gestärkt wurde durch seine Arena-Trainer, die ihn auf das Kampfgeschehen in der Arena vorbereiteten.
Und nun öffnete er die Augen.
Nicht Terron, sondern sein Wille.
Sie waren kleine, böse weiße Schlitze, voller Kraft und Überlebenswillen.
Diese Augen verrieten die Bereitschaft alles notwendige zu tun um zu überleben...
Alles...
In Terrons Körper kribbelte es.
Er spürte, wie er langsam erwachte. Er spürte, wie die Welle der Wirklichkeit auf ihn zurollte. Ungebremst und so gewaltig, dass selbst er mit dem Schock fast nicht zurechtkam.
Das war ein Kampf, wie er ihn in seinem ganzen Leben noch nicht geführt hatte, aber er hatte die Gewissheit ihn gewonnen zu haben.
Und eigentlich war es sogar erstaunlich leicht gewesen, war das letzte, was er in seinem Dämmerzustand dachte.
Dann öffnete er die Augen und fuhr wie elektrisiert auf seinem Lager hoch.
Heißer Schmerz stach in seinen Magen und breitete sich in Windeseile auf seinen ganzen Körper aus.
Er versuchte zu atmen und keuchte.
Brennend heißes Öl schien seine Lungen hinabzulaufen, als er gierig die Luft einsog.
Alles um ihn herum drehte sich, er sah Schlieren und visualisierte seine Schmerzen. Alles war rot. Er sah Blut.
Weiße Blitze zuckten vor seinen Augen hin und her.
Kurz erkannte er noch die steinerne Wand seiner Zelle, dann sank er, halb dem Wahnsinn verfallen wieder zurück auf sein Lager.
Sein Herz schlug wie wild, was die Schmerzen nur noch verschlimmerte, doch es war ihm nicht gewährt in Ohnmacht zu fallen.
Er glaubte Hände auf seinem Körper zu spüren, er glaubte Worte zu hören, er glaubte eine Präsenz neben seinem Bett zu spüren.
Was er jedoch mit Sicherheit spürte, und das war alles, was er konnte, waren die Schmerzen in seiner Lunge. Es war, als würde er Feuer atmen.
Qualvoll verdrehte er die Augen und gurgelte nach Hilfe.
Er hörte Stimmen, doch er verstand die Bedeutung der Worte nicht. Alles war hinter einem Schleier aus Schmerzen verschwunden, sein Denken war außer Kraft gesetzt. Alles was blieb war das grausame Poch, poch, poch seines Herzens und das einatmen der feuerheißen Luft.
Dann spürte er, wie sich eine Hand auf seine Stirn legte.
Er bemerkte, wie jemand in seinen Geist eindrang und sein Bewusstsein wegführte von seinem Körper. Es gab einen kurzen, kaum merkbaren Ruck und dann war wieder alles schwarz und angenehm.
Er spürte, wie sich seine Gedanken mit äußerster Geschwindigkeit in alle Himmelsrichtungen aufmachten um ihn in Ruhe zu lassen.
Er war jetzt nicht mehr in seinem zerschundenen Leib, er schwebte irgendwo in der Luft und klammerte sich noch an die wenigen Sinneseindrücke, die ihm sein Körper zumutete, bevor er ihn verließ.
Er hatte Worte gehört.
"...Schweinehirtenkinder! Dummes Pack! Elendige Sumpfgobs! Ich werde..." waren einige davon, von einer Stimme, die er nicht kannte. Aber es war eine männliche Stimme. Und sie klang irgendwie wütend.
Danach erklang eine andere, Terron bekannte Stimme: "Schweig still, Dragoon! ...mir sonst... deine Seele... Seelenprisma... und... örper... dumme Hülle rumla... wie... Necromantin."
Es war Carvin, der Arena-Meister.
Terron kannte ihn schon seit seiner Kindheit und war mit ihm eigentlich recht gut befreundet, wenn man das so sagen kann. Beide wussten, dass Terron jederzeit bei einem Arenakampf ums Leben kommen konnte und Carvin war indirekt auch dafür verantwortlich, aber trotz alledem verstanden sich die beiden gut.
Obwohl Carvin kein Mensch war. Zumindest nicht in diesem Sinne.
Er sah zwar wie einer aus, aber Terron hatte sich sagen lassen, dass sein Freund aus einem anderen Volk stammt, dessen Name ihm jedoch entfallen war.
Das charakteristischste Merkmal dieser Rasse war ihr Zorn, den alle Angehörige entwickeln konnten.
Sie waren ein jähzorniges und aggressives Volk, dass in den eisigen Höhen der Berge lebte und dort jeden Tag aufs neue einen Überlebenskampf führte.
Es kam selten genug vor, dass ein Angehöriger dieser Rasse seinen Weg ins Tal findet und dann auch noch dort bleibt, aber Carvin war einer dieser seltenen Bergbewohner.
Diese Rasse hatte ihren Zorn und ihre Gewalt schon so perfekt gefördert, dass es mittlerweile schon sogar darauf hinauslaufen konnte, dass dieses Bergvolk an ihrem eigenen Zorn sterben konnte, wenn es nicht die Möglichkeit bekam sich abzureagieren.
Das war auch der Grund, warum Carvin in seinem Quartier einen eigens für ihn kreierten Stahlgolem stehen hatte. Wenn er wütend wurde und sich entladen musste, ging er in sein Quartier und befahl dem dort stehenden und arg verbeult aussenden Stahlgolem ihn zu töten.
Dann folgte ein harter Kampf, den der Golem schon mehr als einmal fast für sich entschieden hätte, doch Carvin hatte es immer irgendwie geschafft dennoch als Sieger hervorzugehen.
Man konnte also davon ausgehen, dass Carvin seinen Streithammer beherrschte.
Und dann war alles wieder fort.
Poch, poch, poch.
Stille…"

Terron griff sich unwillkürlich an seinen Bauch und rieb unter seinem Hemd über die riesige Narbe, die dort vorhanden war, während auch er kaum glauben konnte, was dieser kleine Mann ihm da erzählte.
Er begriff nicht, wie es möglich war, daß er alles genau so erzählen konnte, wie es gewesen war.
Fast als wäre er direkt dabei gewesen... oder hätte es sogar selbst erlebt.
Himmel!, dachte der Barbar. "Wenn das mal nicht interessant ist..."
Denn vor kurzem hatten er und Cain noch eine entsprechende Unterhaltung geführt, in der sie beide festgestellt hatten, daß sie im Grunde nun schon seit ziemlich langer Zeit einfach ziellos durch die Gegend gewandert waren und nicht so recht wußten, wo sie hingehörten.
Oder was sie tun sollten.

"Sein Herz schlug wie wild.
Sein Atem ging abgehackt und stoßweise.
Er befand sich an jener Wegkreuzung!
Etwas schreckliches war passiert, dass wusste er.
Der sandig-steinige Pfad, der sich ein paar Meter vor ihm traf und eine Wegkreuzung bildete war aufgewühlt von seinem Sturz.
Überall waren die Spuren zu sehen von...
Von...
Von was?
Er erinnerte sich nicht mehr!
Was war geschehen? Wo bin ich hier?
Sein Blick wanderte den Handelsweg entlang, bis er seinen Kopf nach rechts gedreht hatte und in Richtung Horizont blickte.
Er sah, wie der Weg sich einen leichten Hügel hinaufschlängelte und an einem kleinen Wäldchen vorbei auf der anderen Seite des Hügels wieder hinabführte.
Die Sonne stand über dem Wäldchen und diese Tatsache löste in seinem Kopf sofort die Schlussfolgerung aus, dass dort Osten war, denn es war noch früh am morgen.
"Woher weiß ich das?" fragte er sich dabei und ließ seinen Blick nach vorne wandern.
Er sah einen kleinen See, der umgeben von Schilf war. Auf der Oberfläche des Wassers tummelte sich allerlei Kleingetier und er erspähte noch am Ufer ein kleines Vogelnest in dem sich zwei Eier befanden.
Hinter dem See befand sich eine große Grasfläche, die von umherliegenden großen grauen Findlingen durchsetzt wurde. Das Gras war in ein sattes Grün gehüllt und verriet eine kräftige Vitalität.
Es blühten viele verschiedene Wildblumen auf der Wiese und überall summten irgendwelche Bienen oder sonstige Plagegeister durch die Gegend und gaben damit der Stille einen angenehmen Summton.
Ein gutes Stück weiter verlief ein ruhiger Fluss parallel zu der Handelsstraße, auf der Cain stand.
Und hinter diesem Fluss befand sich ein Hügel, auf dem ein Wald thronte, der ihm die Sicht auf alles Dahinterliegende nahm.
Dann sah er nach links.
Wieder verlief der kleine Weg in einer geschwungenen Bahn über eine kleine Anhöhe und entzog sich dahinter Cains Blicken.
Jedoch lag etwas am Wegrand.
In einiger Entfernung erkannte Cain einen Holzkarren, wie er von den meisten fahrenden Händlern benutzt wurde. Nur dieser Karren würde sicher nie wieder benutzt werden, denn er lag rauchend und verkohlt am Wegrand. Überall lagen kleinere Holzsplitter herum und das größte Stück am Wagen, dass noch ganz geblieben war, glühte noch, als wäre es von einem Feuer verbrannt worden.
Was ist das hier?
Sein Atem beruhigte sich wieder und auch sein Herz begann wieder im normalen Rhythmus zu schlagen, nachdem Cain einmal tief durchgeatmet hatte.
"Nun gut, nun gut, nun gut!" dachte er. "Gut, gut, gut, gut, gut. Also..."
"... irgendwas ist hier geschehen. Die Frage ist... was?" sagte er dann laut und hob seine Linke an sein Kinn.
Er spürte kalten, harten Stahl.
Erstaunt riss er die Augen auf und starrte seine Hand an. Sie war aus Stahl!
Schon wollte er seinen Mund öffnen um zu schreien, doch dann bemerkte er, dass seine stählerne Hand nichts weiter war, als ein Stahlhandschuh.
Erleichtert seufzte Cain und versuchte sich wieder zu beruhigen, denn sein Herzschlag hatte sich wieder dramatisch erhöht. "Handschuh... es... ist... nur... ein... Handschuh..." formulierte er langsam und vorsichtig.
Und dann nahm er ihn ab.
Er erwartete schon tatsächlich eine stählerne Hand zu sehen, war aber dann umso mehr erleichtert, als wirklich seine echte Hand aus Fleisch und Blut zum Vorschein kam.
"Gut, gut, gut, gut, gut..." murmelte er dann schnell. "Alles in bester Ordnung... Ich stehe hier und halte einen Handschuh in der Hand... Gut. Wunderbar..." er machte mit seinen Händen ein beruhigende Geste, drehte sich um und lief ein paar Schritte.
Dann schloss er kurz die Augen und atmete erneut tief ein und aus.
"Also gut. Dann fangen wir mal lieber mit den elemtareren Fragen an... Wer bin ich?" begann er.
"Cain!" entfuhr es ihm. "Cain, der Dragoon! Genau, das bin ich! Ja!"
Dann pausierte er ein Weile.
"Was ist ein Dragoon?"
Es vergingen wieder einige Augenblicke, doch diesmal kam keine Antwort.
"Na gut. Aber ich weiß zumindest mal, wer ich bin. Das ist doch schon mal ein Anfang. Gut. Wunderbar. Also... wie bin ich hierher gekommen?"
Keine Antwort.
"Wo bin ich überhaupt?"
Nichts.
"Hä?""

Shasanastaya schwelgte.
Saß mit geschlossenen Augen auf ihrem Stuhl, hatte die Hände locker in ihren Schoß gelegt und ließ sich von ihrem Vertrauten ein geistiges Bild zeichnen von vergangenen Dingen, die er wieder so lebendig berichtete, daß sie meinte sie wäre direkt mit dabei.
Als könnte sie sich direkt in Cain und Terron hineindenken und genauso wie sie empfinden.
Und sie bewunderte diese Gabe von Camaun.

"Ruckartig zuckte er zusammen und öffnete die Augen.
Was er erblickte ließ ihn langsam wieder in die Wirklichkeit zurückkehren.
Er hatte geschlafen.
Geschlafen und von seinen frühesten Erinnerungen geträumt.
"Na toll!" dachte er sich, "als ob ich das nicht schon oft genug gemacht hätte." Grummelnd setzte er sich in seinem Lager auf und begutachtete die Zelle, in der er sich nun befand.
Er selbst hatte auf dieser kleinen, aber dennoch erstaunlich bequemen, Holzpritsche geschlafen, die an der Wand der kleinen Zelle stand.
Gegenüber in der Ecke war ein kleines Abortloch vorhanden, das von diversen Gräsern und Stroh fast verdeckt wurde um den Gestank etwas einzudämmen.
Vorsichtig sog er etwas Luft durch die Nase und war angenehm überrascht den Duft von Gras und Stroh zu riechen, als den von... na ja, ist ja auch egal.
Ansonsten bot die Zelle recht wenig Annehmlichkeiten.
Umso erfreuter war Cain, als der das hölzerne Tablett erblickte, welches in der Nähe der Zentimeter dicken Gitterstäbe stand.
"Hui, das ist doch mal ein Service." , sagte er freudig und wollte schon danach greifen, als ihm ein scharfer Schmerz durch den linken Arm fuhr, der ihn nachdrücklich daran erinnerte, dass er nicht ganz bei voller Gesundheit war.
Verärgert ließ er seinen linken Arm sinken, holte sich das Tablett mit seiner rechten Hand und stellte es sich auf den Schoß, nachdem er sich im Schneidersitz auf die Pritsche gesetzt hatte.
"Was haben wir denn da?" , fragte er und betrachtete die Speisen, die ihm gebracht worden waren.
Brot, Käse, Wurst, ein süßer Hartkuchen und eine Hasenkeule.
Ein Essen, dass er erst einige Momente staunend betrachtete.
In einem normalen Gasthaus musste man für ein solches Menü schon mal einen ganzen Silberling auf den Tisch legen. Dann begann er sich zu fragen, natürlich erst nachdem er probeweise in die Hasenkeule gebissen hatte, sie war zwar schon kalt, schmeckte aber dennoch sehr gut, warum die Gefangenen hier so ein gutes Essen bekamen.
Nachdem er die Keule verschlungen hatte und somit seinen Magen etwas beruhig hatte, machte er sich über den Kuchen und den Käse her.
Schließlich aß er noch die Wurst und nahm das Brot nachdenklich in die Hand. Nach kurzem Überlegen legte er es die Ecke zum Abort und begrub es unter etwas Stroh.
Man konnte ja nie wissen...
"Also gut... was machen wir jetzt?" , sagte er und stellte sich in die Mitte des Raumes, die rechte Hand in die Hüften gestemmt.
"Den anderen hätte ich es ja fast noch einmal gegeben", dachte er "Wenn ich nur etwas früher aufgewacht wäre, wäre es nicht bei meinen verbalen Beschimpfungen geblieben."
Cain war, kurz bevor ihn eines dieser stählernen Monster in die Zelle schmeißen konnte, aufgewacht und hatte sich mit Händen und Füßen gegen seine Gegner gewehrt. Allerdings war der Griff des Monsters, der andere Mann, der zu diesem Zeitpunkt anwesend war, hatte sie Stahlgolems genannt, so dermaßen hart und kräftig gewesen, dass Cain einfach keine Chance gehabt hatte sich irgendwie aus dessen Klauen herauszuwinden.
Er war schließlich doch in seiner Zelle gelandet und hatte seine gesamte Ausrüstung irgendwo zurücklassen müssen. "Höchstwahrscheinlich stehen jetzt alle dieser dummen Gobbos um meine Sachen rum und staunen ihre Ooos und Aaaas." , grummelte der rüstungslose Dragoon vor sich her.
Er hatte, zumal er ohne Ausrüstung war, jetzt relativ eingeschränkte Aktionsmöglichkeiten.
Ein kurzer Blick auf die dicken, dicken Gitterstäbe, die alle "Versuchs doch!" zu schreien schienen, sagte ihm, daß sie auch nicht in Frage kämen. Aber er ging trotzdem einmal zu seiner Zellentür und legte die Hände um die Stäbe um in die Nachbarzelle blicken zu können.
Seine eigene Zelle lag an einem Gang, der nach links und rechts abging, wobei gegenüber ebenfalls eine Zelle war. Cain legte seinen Kopf an die Gitterstäbe und versuchte den Gang entlang zu blicken, sah aber jedoch auf beiden Seiten das Gleiche. Der Gang führte an weiteren Zellen vorbei, bis ihn der Dragoon aus dem Sichtfeld verlor.
Und damit wurde dann die Nachbarzelle interessant.
Sie war genau so eingerichtet, wie Cains Eigene und irgendwie hatte er eine Ahnung, dass alle Zellen so eingerichtet waren, wie seine Eigene.
Allerdings war sie nicht leer, denn auf der Pritsche der Nachbarzelle lag jemand.
Jemand großes, starkes und körperlich absolut durchtrainiertes. Jemand, dem man lieber nicht im Zweikampf begegnet. Allerdings war dieser Riese, Cain nannte ihn einmal pauschal Ochsenhirn, offensichtlich schwer verletzt. Anscheinend hatte er eine böse Bauchwunde abbekommen, denn sein ganzer Unterkörper wurde von einem leicht blutdurchtränkten Verband geschützt.
Blutdurchtränkt zumindest vorne am Bauch, konnte Cain erkennen, da Ochsenhirn auf dem Rücken lag. Leise und flach atmend lag er da und focht wahrscheinlich den schwierigsten Kampf seines Lebens, vermutete Cain. "Wollen wir den armen Kerl mal nicht stören." , murmelte er und setzte sich auf seine eigene Pritsche.
Er zog die Beine an sich heran und legte seine Arme darum.
So verging dann einige Zeit in der Cain irgendwie gar nichts dachte."

Mit einem fragenden Blick kam der Wirt zu den Vieren an den Tisch und räumte das mittlerweile leere Tablet ab.
Cain bestellte geistesgegenwärtig einen großen Krug Wein mit vier hölzernen Bechern dazu.
Terron hatte sich weit auf den Tisch gelehnt und blickte Camaun mit einem erstaunten Blick an, während er sein Kinn in seine riesige rechte Hand gelegt hatte und sich mit dem Ellbogen an der Tischplatte abstützte.
Shasanastaya selbst saß immernoch mit geschlossenen Augen neben ihrem Vertrauten und registrierte um sich herum offensichtlich fast überhaupt nichts mehr.

"Nach etlichen endlosen Minuten hörte Cain Schritte, die in seine Richtung kamen.
Erschrocken sprang er auf und blickte zu seiner Zellentür. Die Schritte waren langsam und schwer, höchstwahrscheinlich von einem dieser Golems. Und damit sollte Cain Recht behalten, denn einen Moment später schritt einer dieser Golems an seiner Tür vorbei. Er hatte die Rechte ausgestreckt und trug einen Mann, der in die gleiche Gefängniskleidung gehüllt war wie Cain, am Hals.
Dieser hatte seine eigenen Hände um die stählerne Klaue gelegt und versuchte sich keuchend zu befreien, was ihm aber angesichts der unermesslichen Kräfte des Titanen, natürlich nicht gelang.
Cain sah jetzt zum ersten mal einen dieser Kolosse direkt aus der Nähe. Sie waren tatsächlich animierter Stahl. In Form gegossene, breitschultrige Zwei-Meter-Riesen, die fast so breit waren, wie sie groß waren.
Man konnte keine Lücken in ihrem Stahlpanzer erkennen und ihr Antlitz war wie eine Skizze eines menschlichen Gesichtes. Grob und unfertig, ohne jede Feinheit, wahrscheinlich existierte dieses Einheitsgesicht als Gussform in der "Ich-Bau-Dir-Einen-Golem-Über-Nacht-Fabrik", dachte sich Cain.
Der Golem schritt in einem unnatürlichem Rhythmus an seiner Zelle vorbei, die Schritte waren ungelenk, kraftvoll und irgendwie mechanisch.
"Wie, bei den untoten Armeen, werden diese Dinger eigentlich geschaffen?" fragte sich Cain, als er mit offenem Mund dem davonstapfenden Riesen hinterher starrte.
Soweit Cain wußte, konnte eine solche Art von animiertem Wesen in keinster Weise durch Magie geschaffen werden. Magie funktionierte nicht so... nicht so wie diese Dinger. Magie war etwas lebendiges und alles, was die Magie hervorbringt ist auch irgendwo... lebendig.
Diese seltsamen Golems allerdings wirkten tot. Tot wie... tot wie... einfach wie eine neutrale Maschine.
Aber konnten die Golems reine Maschinen sein?
Das war doch unmöglich! Eine solche Technologie wäre unvorstellbar gewesen! Allein der Begriff "Technologie" war noch weitestgehend unbekannt in den meisten Teilen des bekannten Landes.
Wie war es den Besitzern dieses Gefängnisses gelungen solche... Monstrositäten zu erwerben?
Aber eines muß man ihnen damit lassen, denn effektiv schienen diese Golems wirklich allemal zu sein. Körperlich einschüchternd und in der physischen Stärke wahrscheinlich... sagen wir mal, ziemlich kräftig.
Aber nicht unbesiegbar, hoffte Cain.
"Wird sich weisen." , sagte er dann, wie schon so oft vorher und tat damit das Thema ab. Er würde sich bei gegebener Zeit wieder damit beschäftigen.
Er fragte sich nur, was denn dieser arme Tropf getan haben könnte um am Hals durch die Gegend getragen zu werden. Anscheinend wurden die Gefangenen hier wohl doch nicht ganz so gut behandelt, wie Cain sich das zu Beginn hier gedacht hatte.
Wobei er ja auch nie die Absicht hatte sich gut zu führen.
Es war sowieso eine Frechheit gewesen, ihn hier einzusperren. Er hatte nichts verbrochen und mit Imperator Theodam auch keinen Zwist.
Naja, jetzt vielleicht schon. Aber daran ist er dann selber Schuld!
"Was bildet der sich auch ein? Mich hier einsperren?! Für was denn?" , waren Cains folgende Gedankengänge.
Die paar Räubereien, die Cain auf dem Kerbholz hatte.
Meine Güte, wie kann man sich nur derart darüber aufregen, dachte er und ein leichtes, verschmitztes Lächeln stahl sich in seine Züge.
"Ich frage mich..." , begann er "... nur wo ich hier eigentlich bin? Ich glaube kaum, daß das hier ein normales Gefängnis ist." ,wobei er mit den Fingern über den Putz an seiner Zellwand strich.
Er bröckelte nicht ab und die Wand war geputzt und sauber. Ebenso der Boden, von dem Stroh und den Gräsern mal abgesehen.
Dann ging er zum Abort hinüber und kniete sich hin um ein Büschel Gras in die Hand zu nehmen. Vorsichtig hob er es an seine Nase und roch daran.
Verschiedene Gerüche strömten davon aus und Cain erkannte das Gras als eine bekannte Sorte von Duftgräsern wieder, wie man sie in adligen Häusern am Abort findet, um den Geruch zu überdecken.
"Hui." , machte er und warf das Gras in die Luft. Es flog einen hohen Bogen und landete etwas im Raum verteilt auf dem Boden. "Wir haben hier auch noch Edelscheißhäuser, wenn das mal kein Service ist!" , bemerkte er freudig.
Dann stand er wieder auf und hockte sich auf seine hölzerne Pritsche.
Er blickte lange Zeit zu seinem Zellennachbarn hinüber, doch dieser zeigte auch in den nächsten Stunden keinerlei Reaktion. Und so verging die Zeit quälend langsam für Cain."

Der Tag war mittlerweile schon etwas voran geschritten, als Camaun kurz pausierte um einen weiteren Schluck aus seinem Becher Wein zu nehmen.
Die beiden Reisenden am hinteren Tisch des Schankraumes waren inzwischen schon gegangen, nicht jedoch ohne vielsagende Blicke zu den vier seltsamen Gestalten zu werfen, die alle anscheinend einem Barden bei einer seiner faszinierenden Geschichte zuhörten.
Nachdem sie die Tür zum "Singvogel" geschlossen hatten tuschelten sie noch einige Minuten miteinander und ein kleiner Beutel voll mit Münzen wechselte seinen Besitzer, bevor sich beide in verschiedene Richtungen auf den Weg machten.

"Es dauerte sehr lange, Cain vermochte nicht zu sagen wie viele Stunden er gelangweilt in seiner Zelle verbracht hatte, bis sich in seiner Nachbarzelle etwas regte.
Der Hüne erwachte anscheinend, denn er begann schmerzvoll zu stöhnen und drehte sich auf seinem Lager hin und her.
Cains Kopf wandte sich sofort zu ihm, denn er hoffte, das wenigstens jetzt wieder etwas interessantes passieren würde, doch es dauerte noch eine geraume Weile, er schätzte die Zeit auf eine weitere Stunde, bevor sich der Riese langsam erhob.
Unendlich langsam richtete dieser sich auf seinem Lager auf und kam in eine sitzende Position. Verwirrt blickte er nach vorne. Irgendwie, so schien es, war der große Hüne wohl doch noch etwas benebelt, was aufgrund seiner schweren Verletzung ja auch nicht verwunderte.
Unstet wanderte sein Blick mal hierhin, mal dorthin und schließlich fixierte er einen Punkt in Cains Zelle.
Dieser stand auf, ging zu den Gitterstäben, hob die linke Hand zum Gruße und meinte: "Guten Morgen. Wie geht’s dir?". Er konnte sich nicht helfen, aber er glaubte diesen Mann kennen zu müssen.
Helle Haut, braune, schulterlange Haare, ein Körperbau wie ein Ochse und graue Augen. All das kam ihm bekannt vor, doch er wußte im Moment nicht, woher.
Außerdem haßte er es, wenn es ihm passierte, daß er sich an gewisse Dinge nicht mehr erinnern konnte, aber er ließ sich nichts anmerken.
Ochsenhirn blickte verwirrt umher und fixierte seinen Blick schließlich auf Cain.
Die Momente vergingen.
Schließlich wiederholte Cain seine Frage.
In den Augen von Ochsenhirn erkannte Cain ehrliche Verwunderung, die jedoch einen kurzen Moment später in etwas anderes umschlug, das Cain nicht so genau deuten konnte.
Höchstens vielleicht mit... Desinteresse.
Aber der verletzte Riese antwortete stockend: "...g...gaanz... g... guut."
"Bist wohl noch nicht so ganz auf der Höhe, hu? Sag mal, du erinnerst mich an jemanden, aber ich komme nicht darauf. Wie heißt du?" , plapperte Cain fröhlich weiter und hörte auf, als er sah, daß er seinen Nachbarn nur noch mehr verwirrte.
In dessen Kopf schien es zu arbeiten, als ob er angestrengt über irgendetwas nachdenken würde. Etwa nach einer Minute Schweigen hellte sich dann sein Gesicht auf und er sagte: "Terron, der Schlächter!"
"Bitte?!" , keuchte Cain, worauf Terron nur nickte. "Der Schlächter?!" , fragte der Dragoon noch einmal nach.
Wieder nickte Terron.
"Heißt das... wir sind hier in der Salbena-Arena?!" , meinte Cain dann erschrocken und Terron beantwortete nach einigem Zögern auch diese Frage mit einem Nicken, worauf der Dragoon die Hände von den Gitterstäben nahm, sich umdrehte und erst einmal ein wenig in seiner Zelle auf und ab ging. "Bei den Göttern, jetzt ist es aber wirklich nicht mehr lustig." , murmelte er mit ernster Besorgnis.
Terron hingegen versuchte immer noch verzweifelt wieder in die Realität zurück zu finden, denn er war immer noch sehr angeschlagen und diese kurze Unterhaltung hatte bei ihm stechende Kopfschmerzen verursacht. Außerdem tat ihm alles weh, am meisten sein Bauch. Allerdings waren die Schmerzen zumindest auf ein für ihn ertragbares Maß abgesunken.
Die meisten anderen Menschen wären jedoch auch noch bei diesen Schmerzen fast wahnsinnig geworden. Nun gut, die meisten anderen Menschen hatten ja auch nicht Terrons Vergangenheit.
"Oooh..." , stöhnte der Barbar und faßte sich an den Kopf. Die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer, je mehr er nachdachte.
Schließlich machte es Bumm und Cain drehte sich erschocken um.
Der Barbar lag wieder ruhig atmend auf seinem Lager und war eingeschlafen."

Erschöpft rieb sich Camaun daraufhin die Augen und leerte seinen Becher.
Der Wein war schwer und stieg angenehm leicht in den eigenen Geist hinauf, so daß die Gedanken beflügelt wurden und sich teilweise voller Übermut selbständig machten.
Er schenkte sich den letzten Rest aus dem Krug in seinen Becher, trank erneut einen Schluck und fuhr fort, während alle Anwesenden immernoch wie paralysiert an seinen Lippen hingen.

""Und das ist allen Gladiatoren zu Verfügung gestellt.", meinte Carvin, nicht ohne eine gewisse Portion Stolz in seiner Stimme, als er mit einer weit ausholenden Geste die riesige Trainingshalle der Salbena-Arena umfaßte.
Cains Blick verharrte auf dem Nacken des stämmigen Angehörigen des Bergvolkes, welcher so unglaublich vollbepackt mit Muskeln war, daß man meinte Carvin könnte, wenn er sich etwas anstrengt, ein ganzes Pferd hochheben.
Unruhig spielte der Dragoon an einem Zipfel seines erbärmlichen Leinenhemdes, welches alle Gefangenen hier trugen.
"Hier könnt ihr alleine oder in Gruppen trainieren. Waffen und Ausrüstung liegen in der großen Halle dort vorne in der Mitte dieser Anlage.", fuhr Carvin fort und deutete mit seinem dicken, knotigen Arm in Richtung einer großen hölzernen Halle, die nach allen vier Seiten geöffnet war und von vielen einzelnen Holzsäulen gehalten wurde.
In ihr sah Cain viele Gestalten, welche gerade trainierten, sich erschöpft unterhielten, Witze rissen oder aus großen Tonkrügen Wasser tranken.
Wenn man den Umstand vergaß, daß es sich hier um ein Gefängnis handelte, konnte man tatsächlich meinen sich auf einer hoch akademischen Kriegerschule zu befinden.
Diese Tatsache blieb dem Dragoon keineswegs verborgen.
"So...", brummte der Arena-Meister und drehte sich vollends zu Cain um. "Das war’s im großen und ganzen schon."
Der schlanke Mann starrte Carvin unverhohlen ins Gesicht.
"Wenn du jetzt noch so nett wärest und mir deine rechte Hand reichst.", begann der mehr als einen Kopf größere Arena-Meister und fummelte aus einem kleinen grauen Beutel, der an seinem Gürtel hing, ein kleines metallenes Armband heraus.
Mit einem fast unmerklichen Zucken im Gesicht betrachtete Cain das häßliche, schwarze Ding, daß ihm Carvin vor die Nase hielt. "Was ist das?", fragte er mißtrauisch.
Carvin hob unschuldig die Schultern und erklärte Cain, daß dieses Armband dazu diene die Gladiatoren in der großen Anlage von Salbena jederzeit auffinden zu können. Schließlich mußte man doch die einzelnen Kämpfer auf den Kampfplatz bringen können, wenn ein Arena-Kampf anstand.
"Heißt das...", überlegte Cain und fuhr sich mit seiner Linken durch seine kurzen, schwarzen Haare. "Das man mit diesem Ding immer... auffindbar ist?"
Der Arena-Meister nickte bestätigend und nahm die rechte Hand des Dragoons in seine eigene. Der Größenunterschied war beängstigend, dachte Cain. "Egal wo ich bin?", fragte Cain noch einmal nach und wieder nickte Carvin.
In seinen Zügen kam sogar etwas Schadenfreude vor, glaubte der unglückliche Dragoon zu erkennen.
Es machte "klick" als das Schloß des Armbandes einrastete und Cain damit sehr verwundbar machte. Das kalte Metall fühlte sich unangenehm auf der Haut an, fast wie die Hand eines Toten.
Probeweise schüttelte Cain seine Rechte, doch all seinen seltsamen Erwartungen zum Trotz, fiel das Armband einfach nicht ab.
"Versuche gar nicht erst auf dumme Ideen zu kommen, Cain. An diesen Armbändern haben sich schon ganz andere Leute die Zähne ausgebissen... und das im wahrsten Sinne des Wortes.", sein Blick wurde verschwörerisch. "Du weißt was ich meine, oder?"
Der Dragoon wendete seinen Blick in das Gesicht seines Gegenübers. "Fahr zu Hölle.", meinte er und spießte Carvin schier mit seinem Blick auf. Dieser lachte laut und herzlich, wobei er beide Hände auf seinen muskulösen Bauch legte. "In welche?", grölte er und schlug dem wütenden Dragoon auf die Schulter.
Mit einem Seufzen drehte er sich dann um und ging, wobei er immer wieder kurze, verächtliche Lacher von sich gab.
Cain stand da und blickte ihm wütend hinterher.
Dann sah er wieder auf das häßliche Armband, welches siegessicher an seinem rechten Handgelenk prangte.
So verharrte er einige Augenblicke, bis er schließlich seinen Blick wieder auf Carvins Rücken richtete, welcher mittlerweile schon ein ganzes Stück von ihm entfernt war.
Cains Atem ging etwas schneller als gewöhnlich, doch ganz langsam beruhigte er sich wieder.
Es hatte keinen Sinn, wenn er sich jetzt unnötig aufregte, überlegte er. Damit wäre mir ja auch nicht geholfen.
Und auch wenn dieses Arschloch ein echtes Schwein ist... scheiß drauf, ich habe andere Probleme.
Nun ließ er zum ersten mal wirklich seinen Blick über seine Umgebung schweifen.
Es war eine riesengroße Anlage. Weitläufig verliefen sandige Wege durch die künstlich angelegte Graswiese, auf der hier und da viele Menschen zu sehen waren, welche sich ausruhten, sich unterhielten oder sonstige Dinge taten. Es gab eine Bogenschießanlage, verschiedene Kasernen in den denen fleißig gekämpft wurde sowie eine handvoll Reitställe, in denen die Gladiatoren ihre Kampfkunst zu Pferd verbessern konnten.
Ganz allgemein gesehen war die Stimmung hier drinnen wirklich gut, dachte Cain.
In den meisten Gesichtern, die er hier sah, konnte er erkennen, daß sie wahrhaft vergessen hatten, wo sie eigentlich waren und vor allem... warum sie hier waren.
Einer plötzlichen Eingebung folgend sah Cain nach oben.
Die steinerne Decke befand sich etwa 30 Meter über ihnen und gemessen an der Größe der Anlage, in der sie sich hier alle befanden, hätte sie ohne stützende Säulen gar nicht halten dürfen. Aber wo Cain auch hinblickte, er konnte keine Säulen finden, welche die große Decke stützten.
Wie, bei allen Dämonen, haben die das gemacht, fragte er sich."

Nachdem er geendet hatte herrschte ein langes Schweigen am Tisch.
Niemand sagte ein Wort.
Shasanastaya war die Erste, die langsam wieder zurück in die Realität fand, schließlich hatte sie dahingehend auch schon am meisten Übung.
Camaun hatte seinen dritten Becher Wein geleert, als endlich auch der Dragoon aus seiner Erstarrung erwachte und ein ungläubiges: "Und weiter?", vernehmen ließ.
Sein Gegenüber sah ihn an und meinte: "Nichts weiter... das ist alles..."
"Inwiefern alles? Du kannst doch jetzt nicht mittendrinn aufhören?" sagte Cain empört und Terron pflichtete ihm mit einem langsamen Nicken bei.
Doch ihr Geschichtenerzähler konnte nur müde sufzend mit seinen Schultern zucken.
"Muss ich noch mehr erzählen? Ihr wißt doch, wie es weiterging..."
"Sicher wissen wir das, schließlich waren wir ja da! Aber woher weißt DU das alles?!" fragte der Dragoon scharf, der langsam wieder in seine alte Form zurück rutschte.
"Und!", fügte er dann hinzu und hob den Zeigerfinger seiner linken Hand. "Du hast dummerweise kaum ein Wort über Dragoon verloren."
"Ich sagte ja auch nicht, daß ich direkt etwas darüber weiß. Ich habe dir nur angeboten, dir etwas zu erzählen. Und das war im Moment alles, was ich erzählen konnte.", erwiderte Camaun und stellte seinen Holzbecher, mit dem er, nachdem er zu erzählen aufgehörte, herumgespielt hatte, auf den Tisch.
"Also gut, Junge. Jetzt Schluß mit den Spielchen! Was weißt du über Dragoons?", knurrte Cain und erntete damit einen beschwichtigenden Blick seitens Terron, den er aber geflissentlich ignorierte.
"Nun...", überlegte Cains Gegenüber und blickte nach oben an die Holzdecke. "Im Grunde noch nicht viel. In jedem Fall hat es etwas mit Drachen zu tun. Vielleicht waren die Dragoons einmal Drachenreiter oder etwas in der Art. Ah, und sie kämpfen fast ausnahmslos alle mit Speeren und kurzen Schwerten, genießen eine ordentliche Ausbildung in Lesen und Schreiben, Etikette, Nahkampf, Fernkampf, Reiten und viel dergleichen mehr.
Es gab einst einmal relativ viele von ihnen, doch mittlerweile haben sie sich wie die Magier aus Salbena fast völlig von der Welt zurückgezogen."
Daraufhin brummte Cain etwas und legte sich die linke Hand ans Kinn.
"Es kann sein, daß mir im Laufe der Zeit noch mehr über sie einfällt. Zuhause hätte ich ein Buch, in dem ich sicherlich nachschlagen könnte.", begann er, doch dann schlug er sich an die Stirn. "Ah nein... die haben sie mir ja weggenommen..."
Diese Aussage veranlasste Terron zu einem schnellen Blick Richtung Dragoon, als dieser leise sagte: "Wenn in diesem Buch tatsächlich noch mehr darüber steht... dann werde ich es brauchen. Und diejenigen, die es dir genommen haben... wo sind sie? Wenn sie es nicht freiweillig herausgeben, dann Gnade ihnen der Himmel."
In Gedanken schalt sich Camaun dafür daß Buch erwähnt zu haben, doch jetzt konnte er es nicht mehr rückgängig machen.
"Nein, Cain... das Buch ist außer Reichweite. Da werde ich so schnell nicht herankommen, egal was du tust..."
Wieder folgten einige Minuten des Schweigens.
"Was weißt du noch?", brummte der grübelnde Dragoon dann und bedachte Camaun wieder mit einem dieser stechenden Blicke, jedoch diesmal ohne sofort wieder in seinen Geist eindringen zu wollen.
Dieser überlegte lange... schüttelte jedoch dann seinen Kopf und meinte leise: "Im Moment kann ich nicht mehr sagen. Ich weiß nur, daß sich meine Erkenntnisse immer im Laufe der Zeit erweitern. Das ist schwer nachzuvollziehen, aber... es ist fast jedesmal so wie ein... Geistesblitz. Ein Aha-Erlebniss. Ganz plötzlich ist dann diese Gewissheit da... oder nun... nicht ganz so unvermittelt plötzlich... ich weiß nicht wie ich das beschreiben soll..."
Cain zog seine linke Augenbraue nach oben und meinte nur: "Versuch es."
Manchmal hasste sein Gegenüber diese zwei Worte, dachte er und wendete sich weiter in das Innere seines Geistes um die passenden Formulierungen dennoch auszugraben, auch wenn er nicht sonderlich viel Hoffnung hatte irgendetwas zu finden, was den Dragoon zufrieden stellen würde.
Nachdem er einen langen Seufzer ausgestoßen hatte, setzte er dann stockend an: "Nun... ich denke viel... und oft... und eigentlich die ganze Zeit... und damit formen sich in meinem Kopf gedankliche Schlüsse, die aus eben solchen Überlegungen hervorgehen. Gut, ich gebe zu, daß lange nicht alle, die so entstehen, diese Gewissheit beinhalten, mit der ich dann immer weiß, daß mein eben gedachter Gedanke richtig ist, aber ich verfolge dann meine geistigen Pfade solange weiter, bis ich zu einem Punkt gelange, an dem ich für mich selbst mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sagen kann, daß ich nun auf dem richtigen Weg bin und meine Überlegung stimmen muss. Oder... nicht stimmen muss... ich habe dann einfach irgendwo tief in mir drinn diese kleine Gewissheit, die mir versichert, ja Camaun, so in etwa entspricht es den Tatsachen.
Mein ganzes Leben ist mehr oder weniger so aufgebaut und wenn ich mir betrachte, wohin ich damit schon gekommen bin, dann weiß ich einfach, daß es richtig ist."
Völlig unbeindruckt sah ihn der Dragoon an und Shasanastayas Vertrauter konnte in diesem Moment nicht sagen, ob er überhaupt ansatzweise verstanden hatte, wovon Camaun sprach.
"Wohin bist du denn gekommen?", fragte er dann unvermittelt und der junge Mann zwischen Shasanastaya und Terron verschluckte sich plötzlich, womit er seitens seiner Vertrauten einen warnenden Blick erntete.
"Können wir noch etwas Wein bestellen?", fragte sie dann in Richtung des Dragoons und sendete einen verführerisch wirkenden Augenaufschlag zu seinem Platz hinüber, den er mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck aufnahm.
Unsicher kaute Camaun auf seiner Unterlipper herum, bis Terron dann wortlos aufstand, nachdem er mit seinem Begleiter erneut einige kurze Blicke gewechselt hatte.
Dieser hingegen wendete seine Augen keinen Moment vom Gesicht des jungen Mannes ihm gegenüber.
"Kläre mich auf.", verlangte er dann und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: "Und ich warne dich... halte mich nicht für einen dummen Bauern. Mir gefällt ohnehin nicht, was du erzählst und wenn du beginnst mir etwas vorzulügen, werde ich das merken...", wobei in seiner Stimme eine leise, aber unüberhörbar deutliche Drohung lag, was die ganze Atmosphäre in dem kleinen Schankraum des Singvogels noch um einige Grad kühler werden ließ, als sie sowieso schon war.
Camauns Herz pochte ihm in diesem Augenblick schmerzhaft bis hinauf in den Hals und ein schwerer Kloß machte sich unter seinem Kinn breit, bevor er, diesmal mit allergrößter Vorsicht im Bezug auf das was er sagte, mit leiser und zitternder Stimme antwortete: "Ich... halte dich nicht für dumm... mir fällt es nur unvorstellbar schwer mit dir über so etwas zu reden, wenn ich ständig das Gefühl habe, daß du mich am liebsten jeden Moment aufspießen würdest."
Offensichtlich war auch diese Antwort nicht gerade die geschickteste, denn das Gesicht des Dragoons verfinsterte sich um einige deutliche Nuancen, doch bevor er noch etwas sagen konnte, kam sein hühnenhafter Begleiter mit einem neuen Krug Wein zurück, den er lautstark auf den kleinen Tisch stellte und damit die Spannung, die gerade im Begriff war überzulaufen, zum verrauchen brachte.
Camaun war innerlich so erleichtert und dankbar für Terrons perfektes Timing, daß er ihm am liebsten vor lauter Dankbarkeit um den Hals gesprungen wäre.
"Entschuldige Cain, wenn ich jetzt doch einmal dazwischen gehe, aber so wirst du nicht weiter kommen.", brummte er dann mit der für ihn typisch behäbigen Stimme, die bei tiefen Vokalen so im eigenen Brustkorb wiederhallte, daß man das Gefühl hatte vor einer übergroßen Anlage mit zuviel Bass zu stehen.
Wäre Terron jetzt nicht einer der größten Krieger dieses Landes gewesen und zudem noch offensichtlich ein guter Freund des brütenden Drachenkämpfers am Tisch, hätte es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einige Tote gegeben.
So aber knirschte Terrons Begleiter nur kurz mit seinen Zähnen und meinte: "Du hast recht, Terron. Ich hasse es, wenn du recht hast, aber du hast recht..."
Zufrieden setzte sich dieser wieder auf seinen Stuhl, der unter seinem enormen Gewicht laut protestiertend ächzte, aber dennoch nicht zusammenbrach. Der Barbar reichte dann den Weinkrug an seinen Gefährten und setzte dabei ein freundliches Lächeln in sein sonst so unbewegtes Gesicht mit den Worten: "Wir werden aus ihm schon noch herausbekommen, was wir wissen wollen."
Camauns soeben aufkeimende Symphatie für den großen Recken schwand ebenso schnell, wie sie gekommen war.
Er bevorzugte anscheinend nur andere Mittel um an sein Ziel zu gelangen und Shasanastayas Vertrauter hatte nicht das leiseste Bedürfnis danach heraus zu finden, welche Methoden dabei zur Anwendung kamen.
Draußen konnte er plötzlich das laute Rufen einiger Bürger vernehmen, während in diesem kurzen Augenblicken am Tisch nichts gesprochen wurde und jeder damit beschäftigt war seinen Becher mit dem leichten Wein aus dem Keller des Wirtes zu füllen.
"Also gut... was schlägst du vor?", hob der Dragoon wieder seine Stimme, die diesmal einen fast beiläufigen Klang zu haben schien, die einem jedoch das Gefühl vermittelte, als ob die beiden jetzt in aller Seelenruhe darüber diskutieren wollten, welches Bein sie Camaun wohl zuerst ausreißen wollten.
Sein Begleiter kannte das Spiel anscheinend und meinte im annährend selben Tonfall: "Hm... ich sage, wir nehmen die beiden erst einmal mit und überlegen uns auf dem Weg, was wir mit ihnen tun werden. Deinem Einfallsreichtum sind ja in diesem Bezug sicher keine Grenzen gesetzt."
Unter dem drachenförmigen Helm entstand ein grausames und wissendes kleines Lächeln, das nichts Gutes zu verheißen schien.
"Wenn ich an diesen anderen kleinen Kerl denke, der... weißt du noch, Terron?"
Camaun wurde immer unwohler in seiner Haut und selbst Shasanastaya wechselte mit ihm besorgte Blicke, da sie nicht wusste, ob sie Cain davon abhalten können würde, gesetz dem Fall er hatte vor ihrem Vertrauten wirklich etwas an zu tun.
Der große Barbar jedoch gab nicht sofort eine Antwort und unterbrach damit den bedrohlichen Wortwechsel der Zwei.
"...ve! Die...", hörten die Gäste im Schankraum von draußen. Irgendjemand schien etwas laut gerufen zu haben und mit einem mal änderten sich die Mienen der zwei Krieger am Tisch.
Es lag plötzlich eine Spannung in der Luft, die fast körperlich zu spüren war.
Schnell blickte Camaun im Zimmer umher und sein Blick fand den Wirt, der eben wie alle an diesem Tisch mitten in der Bewegung erstarrt war.
"Camaun...?", flüsterte Shasanastaya leise.
"Was geht da draußen vor?"
Als wäre das irgend ein Kommando gewesen standen Cain und Terron beinahe gleichzeitig auf und huschten mit schnellen Schritten in Richtung Eingangstür.
Gerade in diesem Augenblick konnte man durch die milchig weißen Scheiben eine kleine Gruppe von Leuten draußen über die Straße hetzen sehen, was auch Camaun und Shasanastaya dazu veranlasste aufzustehen und sich zum Fenster zu bewegen, wobei man allerdings durch die schlechten Scheiben kaum etwas von draußen erkennen konnte.
Der große Barbar stieß mit seiner prankenartigen Hand die Tür nach draußen auf und ein Schwall kühler Mittagsluft pfiff in den Schankraum. Das Geräusch von prasselndem Regen war überall zu hören und der ganze Himmel schien mit einer einzigen grau-schwarzen Wolkendecke bedeckt zu sein.
Die Vier verließen mit einem skeptischen und leicht unsicher wirkenden Gesichtsausdruck den Singvogel und sahen sich auf der Straße um, während ihnen dicke und große Wassertropfen fast schon schmerzhaft auf Kopf und Schultern prasselten.
Es war regelrecht dunkel geworden und der Vorhang aus sich herniedergießenden Wassermassen war so dicht, daß man kaum zwanzig Schritt weit sehen konnte.
Als ein gehetzter Dorfbewohner an ihnen vorbeirannte, zuckte die Hand des Barbaren nach vorne und packte diesen am Arm, so daß dieser mitten in seinem Lauf gestoppt wurde und ungeschickt beinahe vor ihm zu Boden gestürzt wäre.
"Was geht hier vor?!", herrschte ihn der brummende Barbar an und seine Stimme war um einiges schneller und gefährlicher geworden, als sie es noch im Gasthaus selbst gewesen war.
Der zitternde junge Mann, von allerhöchstens achtzehn Sommern sah ihn mit brennenden Augen an, hohlte keuchend tief Luft und würgte mit einer sich fast überschlagenden Stimme hervor: "Cave! Die Barbaren kommen!", wobei er sich wieder losriss und mit taumelnden schnellen Schritten hinter der Regenwand verschwand.
Cain blickte seinen Begleiter an und griff langsam in Richtung seines Speerschaftes.
Mit einem eisigen Gefühl im Bauch fasste Camaun Shasanastayas Hand und schluckte schwer. Er konnte wieder kaum glauben, was im Begriff war zu geschehen.
"Warte einen Moment.", brummte der Hühne vor den beiden, drehte sich um und schob sie unter Einsatz seiner kompletten Breite wieder zurück in den Schankraum, wo er mit den Worten: "Ihr bleibt hier. Und kommt nicht auf die Idee irgendwohin zu verschwinden. Cain ist ein sehr guter Fährtenleser... ihr versteht mich?", nach seiner großen Metallaxt griff, die immernoch an seinem Stuhl gelehnt auf ihn zu warten schien.
Ihr Axtblatt war fast doppelt so groß wie Camauns kompletter Brustkorb.
Und das war nur das auf der einen Seite...
Mit weit aufgerissenen Augen und aneinander geklammert nickten die Beiden ihren entschlossenen Gegenüber an und rührten sich nicht von der Stelle.
"Was ist da draußen los? Sprecht Krieger!", vernahm Terron die leicht angespannte Stimme des Wirtes, der immernoch nervös mit seinem kleinen dreckigen Putzlappen spielend hinter der Theke stand.
Mit einem kurzen: "Cave.", verließ er den Schankraum und bekam gar nicht mehr mit, wie plötzlich alle Farbe aus dem Gesicht des Vollbärtigen dicklicheren Mannes wich.
"Was heißt Cave?", setzte Camaun an und ließ seine Vertraute los, nur um sie im selben Augenblick ebenfalls nervös bei der Hand zu nehmen.
"Wo kommt ihr denn her?", redete der bleiche Wirt und knitterte sein kleines Tuch in den Händen umher. "Caucave. Die Barbaren überfallen wieder unser Dorf. Ich hasse es jedesmal, wenn sie das tun."
"Aber... hier sind wir doch sicher, hoffe ich?", wagte Shasanastaya kaum zu fragen, tat es aber dennoch mit leiser und zitternder Stimme.
"Bisher ja. Zu mir sind sie noch nie vorgedrungen. Aber ich habe jedesmal ein verflucht schlechtes Gefühl..."
Angestrengt versuchte Camaun sich zu entspannen, aber es gelang ihm nicht ganz und in seiner Brust stach ihn immer wieder dieser kleine stechende Schmerz, der jedesmal vorhanden war, wenn er wirklich große Angst hatte.
Wenn er sich in Lebensgefahr glaubte.
"Wer verteidigt Talinera eigentlich?", fragte er dann und überlegte kurz, ob er wohl in der Lage sein würde, ein echtes Schwert zu heben... oder noch besser... zu führen.
"Wir haben so etwas, daß man in der Stadt Bürgerwehr nennt. Einmal in der Woche treffen sich alle jungen Männer außerhalb des Dorfes und trainieren für Fälle wie heute. Bisher waren sie immer erfolgreich. Aber ich glaube das lag immer nur daran, daß die Barbaren uns nie wirklich schaden wollten. Sie haben sich immer mit einer handvoll Toten und ein wenig Beute zufrieden gegeben und sind dann einfach wieder abgezogen."
"Und... wieviele kommen da in etwa normalerweise?", fügte Camauns Vertraute mit einem fragenden und unsicheren Blick hinzu.
Mit einem Mal wirkte der Wirt leicht beschämt und wischte einige Male über seinen Tresen, womit er den Schmutz der darauf lag nur ein wenig mehr verteilte.
"Meistens sind es zehn oder zwanzig.", gab er dann leise von sich.
"Und wieviel Bürger sind in eurer... Bürgerwehr?", fragte Camaun und konnte sich die Antwort schon fast denken.
"Etwa fünzig. Ich wäre ja selbst noch dabei, aber ich bin mittlerweile zu alt geworden für so etwas. Und ich habe keine Lust zu jung zu sterben.", war die Antwort und sowohl Camaun als auch Shasanastaya sahen sich bei diesen Worten mit einem skeptischen Blick an.

Draußen hasteten zwei schemenhafte Gestalten durch den dichten Regen zum Rand des Dorfes.
Hinter dem Palisadenring hatten sich am östlichen Rand von Talinera alle Mitglieder der Bürgerwehr versammelt.
Es waren stämmige junge Männer, allesamt durch die harte Arbeit auf den Feldern gestählt, mit grimmigen Gesichtern, die alle entschlossen ihre Waffen umklammerten.
Hauptsächlich bestand diese Bewaffnung aus Mistgabeln und Dreschflegeln oder großen Knüppeln, jedoch hatte auch der eine oder andere ein Schwert oder eine kleine Handaxt, was Cain mit einem leichten Lächeln registrierte.
Er und sein Begleiter waren im ganzen Dorf wahrscheinlich die einzig echten Kämpfer, die mit ihren Waffen umzugehen verstanden.
Wobei er im Grunde eigentlich kaum Lust darauf verspürte sich für diese armseligen Bauern in Gefahr zu begeben und Terron ging das genauso.
Als sie jedoch bei den Verteidigern ankamen, atmeten diese erleichtert auf, da sie glaubten sie hätten durch diese beiden Reisenden eine wertvolle Verstärkung bekommen.
"Ihr seid die beiden Reisenden aus Gunnars Gasthof! Gut! Wir können jede Hand gebrauchen!", kam ihnen ein großer blonder Mann entgegen, der es von der Statur her fast mit Terron aufnehmen konnte.
Er hatte eine leichte Lederrüstung an, wog ein schartiges Breitschwert in der Hand und machte ganz den Eindruck, als wäre er der Anführer dieses kleinen Haufens von grimmigen Kämpfern.
Der Dragoon verzog nur kurz sein Gesicht, als sein Begleiter ohne Umschweife fragte: "Wißt ihr, wieviele es sind?"
Das Gesicht des blonden Recken verfinsterte sich, als er mit seinem Schwert an seinen rechten Schenkeln klopfte und meinte: "Das ist unser Problem. Es ist anscheinend eine ganze Horde. Wir haben Korim losgeschickt. Er ist einer unserer besten Schleicher und er sagte, es wären diesmal mindestens fünfzig an der Zahl. Im Moment scheinen sie noch einige hundert Meter weiter östlich auf etwas zu warten, aber ich glaube, sie werden jeden Moment kommen."
Darauf schluckte er ein paarmal schwer und versuchte dann dennoch einen beißenden Optimismus an den Tag zu legen: "Das wird diesmal kein leichter Kampf. Aber mit eurer Hilfe, bin ich mir sicher, daß wir sie schlagen können."
"Caucave?", entfuhr es Cain. "Fünzig?", worauf der blonde Anführer mit ernstem Blick nickte und hinzufügte: "Wahrscheinlich sogar noch mehr. Korim sagte, er habe das Gefühl gehabt, daß sie noch auf Verstärkung warteten."
"Verstärkung?", gab der metallene Krieger erstaunt von sich, worauf sein Gegenüber wieder ernst nickte und sein Schwert von einer Hand in die andere nahm.
"In Ordnung...", meinte er dann nur leise und schon stapfte, nachdem er sich noch kurz als Rutger vorgestellt hatte, der stämmige Bauer wieder zurück zu seinen Leuten und rief einige kurze Befehle durch das donnernde Geräusch von tausenden Litern Wasser, die aus schwindelerregender Höhe auf alle Anwesenden niederstürzten.
Terron griff seine Axt fester und wollte schon ebenfalls einen Platz am Verteidigungsring von Talinera einnehmen, als ihn sein Begeiter zurück hielt.
"Terron... Caucavebarbaren greifen erstens nicht in so großen Gruppen an und warten zweitens nie auf Verstärkung. Drittens warten sie überhaupt nicht und stürmen sofort ohne Vorwarnung nach vorne und viertens kämpfen sie normalerweise nicht bei so einem Wetter.", fauchte er leise, worauf ihn Terron erstaunt ansah.
"Dann... sind das gar keine Caucavebarbaren?", fragte er und Cain gab zurück: "Wenn doch, will ich nicht mehr Cain heißen. Hier stinkt etwas... und zwar ganz gewaltig. Ich habe das verflucht schlechte Gefühl, daß das alles hier etwas mit uns zu tun hat... wir sollten so schnell wie möglich verschwinden."
Einige kurze Momente sahen sich die beiden ungleichen Krieger an, blickten noch kurz zu Rutger, der sie energisch heranzuwinken schien und rannten dann mit einem Mal zurück in Richtung Gasthof.
Die Kinnalde des Anführers der Bürgerwehr klappte für einen kurzen Moment nach unten, als er das sah, doch schon im nächsten Moment rief er ihnen ein wütendes: "Ihr feigen Hunde!", hinterher.
Just in diesem Augenblick erschall Waffengeklirr zu ihm herüber und er stieß einen weiteren lauten Schrei in den Regen hinaus: "Sie sind hier! Kämpft um euer Leben!"
Noch bevor er geendet hatte, sah er sich auch schon einem der Angreifer gegenüber. Zwar stand Rutger hinter der abgeschrägten Palisade auf einem extra dafür angebrachten Trittbrett, doch sein Gegenüber war dennoch so groß, daß die beiden auf einer Augenhöhe miteinander waren.
Es war ein hühnenhafter wilder Mann, der in ein Bärenfell gehüllt war und einen großen mächtigen Metallhammer schwang.
Sein Blick war kalt und berechnend, was sein Aussehen Lügen zu strafen schien. Die zotteligen Haare und der rituelle Knochen und Federschmuck, den die Caucavebarbaren so gerne trugen, verliehem ihm eine berserkerhafte Wirkung, doch wenn ihm Rutger in die Augen blickte, mochte er schwören hier keinen wütenden Barbaren vor sich zu haben, sondern einen eiskalten Killer.
Als der Hammer mit einem donnernden Geräusch auf die Stelle des Holzes knallte, an der er vor weniger als einer Sekunde noch seine Hand gehabt hatte, dachte er an seine Frau und seine kleine Tochter und fragte sich, ob er beide wohl jemals wieder sehen würde.
Brüllend hieb er über die angespitzten Pfäle in Richtung Kopf des Angreifers, doch dieser wich mit einer fließenden Bewegung zurück, schwang seinen großen Hammer herum und traf ihn von unten her am Handgelenk, so daß es brach und er vor Schmerz schreiend seine Waffe fallen ließ.
Mit einem unglaublichen Satz sprang sein Gegner über die provisorische Mauer und versetzte ihm einen Stoß vor die Brust, der ihn von seinem Trittbrett fallen ließ.
Verzweifelt versuchte sich Rutger mit rudernden Armen noch auf den Beinen zu halten, doch er schaffte es nicht ganz sein Gleichgewicht zu behalten und stürzte schwer zu Boden.

Cain und Terron bekamen davon allerdings gar nichts mehr mit und hasteten so schnell sie es vermochten zurück zum Gasthof.
Das ganze Dorf schien wie ausgestorben in diesem Teil der Siedlung. Außer dem stetigen Prasseln des Regens war kein Geräusch zu hören.
Nicht einmal die schweren Stiefel der beiden konnten das laute Rauschen übertönen.
"Cain, was geschieht hier?!", rief sein großer Begleiter zu ihm herüber und versuchte sich mitten im Laufschritt das Gesicht mit der Hand etwas trocken zu wischen.
"Ich weiß es nicht und ich will es auch gar nicht wissen!", brüllte er zurück und bog mit einem schnellen Satz um eine weitere Hausecke herum.
Terron folgte ihm und donnerte prompt in ein großes hölzernes Wasserfaß, das in der Nähe der hiesigen kleinen Schmiede gestanden hatte.
Laut brüllte er dann, als sich viele kleine Holzsplitter in seine Waden bohrten, nachdem das gesamte Faß durch seine schiere Kraft einfach zerstrümmert wurde und der gesamte Inhalt von etlichen Litern Wasser sich über ihn ergoß.
Nicht das es bei diesem Wetter einen großartigen Unterschied gemacht hätte.
Fluchend bremste Cain ab und blickte zurück.
"Terron! Komm schon!", schrie er dann ungeduldig und machte eine geistige Notiz, daß er sich über dieses Missgeschick bei passender Gelegenheit noch lustig machen musste.
Sein großer Begleiter biss die Zähne zusammen und zupfte sich die größten Splitter so schnell es ging aus seinen knotigen Beinen, bevor er dann wortlos mit großen, für ihn jedoch leicht schmerzhaften Sätzen zu dem Dragoon aufschloß.
"Wie weit ist es noch?", brüllte er dann durch den Regen und Cain deutete an das hintere Ende der Straße: "Da hinten!", wonach der Hühne sich schon wieder in Bewegung setzen wollte, er jedoch abermals von Cain zurückgehalten wurde.
"Hörst du das?", fragte der Dragoon und musste erneut schreien um sich durch das donnernde Rauschen hindurch verständlich machen zu können.
Einige kurze Momente waren beide still und bis auf das Prasseln konnte der stämmige Barbar nichts weiter hören.
Doch dann erkannte er es auch.
Hufgetrappel.
"Weiter! Los!", schrie Cain und sprintete los.
Terron wunderte sich jedesmal wieder, wie sich der Dragoon in dieser ziemlich klobig wirkenden Ganzkörperrüstung so katzenartig bewegen konnte.
Fast als schien sie für ihn kaum ein Gewicht zu haben.
Er selbst hatte einmal, nachdem er seinen Begleiter natürlich um Erlaubnis gebeten hatte, versucht die Rüstung anzulegen.
Jedoch war seine Statur dafür nicht geeignet gewesen, was ihm aber auch im vornherein klar war. Das einzige, was ihn gewundert hatte, war das Gewicht gewesen.
Selbst er hatte sich doch arg anstrengen müssen um allein den Brustschutz vom Boden zu heben.
Entweder war Cain wesentlich stärker als er aussah, oder aber diese Rüstung beherbergte irgendeinen Trick, den er nur noch nicht erkannt hatte.
"Verflucht!", brüllte der Dragoon und riss den Barbaren aus seiner kurzen Überlegung.
Gehetzt sahen sich die beiden um, nachdem sie hinter sich ein lautes: "Hier sind sie!" vernommen hatten.
Durch den Regenschleier hindurch konnten sie schemenhafte Gestalten auf hohen Pferden erkennen, die ausnahmslos alle mit Schwert und Schild bewaffnet waren.
Terron blieb gerade noch genug Zeit sich unter dem ersten Hieb weg zu ducken, als auch schon zwei der Reiter heran waren und versuchten sich zwischen die beiden zu drängen.
Ein lauter Schmerzensschrei überzeugte den Barbaren davon, daß sich Cains Reiter wohl mittlerweile denken musste, daß das eine schlechte Idee gewesen war.
Mitten im Laufen warf sich der stämmige Hühne dann herum und donnerte mit seiner mächtigen Schulter gegen den Brustkorb des Pferdes seines Reiters.
Schmerzerfüllt wieherte es auf und stieg mit den Vorderhufen in die Höhe, so daß er unter ihm hindurchtauchen und seinem Gefährten folgen konnte.
Es folgte ein keuchender und überraschter Laut, der wiederum gefolgt wurde von einem Geräusch, daß sich so anhörte, als würden 80 Kilo Lebendgewicht aus etwa eineinhalb Metern Höhe auf harten Erdboden stürzten.
Cain wirbelte in diesem Moment gerade seinen Speer herum und blickte sich suchend um. Als er Terron durch den Regen auf sich zukommen sah, verfolgt von noch weiteren Reitern, wandte er sich um rannte los.
Wieder sprinteten die beiden durch den undurchsichtigen Regenschleier und das Hufgetrappel hinter ihnen kam immer näher.
Laute Rufe hallten über die Straße, als sie die Eingangstür des Singvogels erreichten.
Mit einem lauten Schrei zuckte Shasanastaya zusammen und selbst Camaun rutschte das Herz bis in die Hose, als die beiden abgekämpften Krieger urplötzlich durch den Eingang brachen und vor Nässe triefend vor ihnen standen.
"W...", wollte Camaun schon ansetzen, als ihn ein: "Halt die Klappe!", seitens Cain zum schweigen brachte.
Der Barbar hatte sofort nach einem herumstehenden Stuhl gegriffen und versuchte diesen irgendwie so unter den Türgriff zu klemmen, daß er sie somit blockieren konnte.
Doch leider war in diesem Zimmer jeder Stuhl für ein so geartetes Unterfangen einfach viel zu klein.
Ein weiterer Blick verriet dem dunkelhaarigen Hühnen, daß er nicht einmal die Tische dafür verwenden konnte, da diese schlicht einfach wegrutschen würden, sollte jemand von außen gegen die Tür drücken.
Fluchend riss er daraufhin selbige auf, hämmerte zweimal kräftig gegen die äußere Klinke und brachte sie somit zum zerbrechen.
Darauf hin warf er die Tür ins Schloß und folgte Cain, der mittlerweile schon Shasanastaya gepackt hatte und Richtung Obergeschoss rannte.
Camaun schien irgendwie niemand zu beachten, aber er beschloß, daß es wohl besser sei, den Dreien zu folgen.
Als er am oberen Ende der Treppe stand, ließ ihn ein splitterndes Geräusch herumfahren.
Ein großer, breitschultriger Mann mit einem verbissenen Gesichtsausdruck, dessen Antlitz von einem kurzen schwarzen Vollbart eingerahmt wurde, hatte die Tür aufgebrochen und sah sich suchend um.
Camaun gefror bis ins Mark als ihn der Blick des Mannes in dem Kettenhemd fixierte und er mit seinem Schwert auf ihn deutete.
"20 Mann! Umstellt das Haus! Der Rest kommt mit mir!", brüllte er dann ohne seine Augen von Camaun abzuwenden.
Dieser jedoch wirbelte panisch herum und rannte Terron hinterher, der gerade im Begriff war eine weitere Treppe nach oben zu nehmen.
"Wer sind die Kerle?!", fragte er keuchend, doch er bekam keine Antwort, als er hinter dem Barbaren die Treppe in den zweiten Stock hinauf stürzte.
Oben angekommen, sah er Cain, wie er gerade die Luke zum Dachboden aus der Decke herunter zog.
Camaun war im ersten Moment wirklich erstaunt, hier eine solche Konstruktion vorzufinden, denn die Leiter nach oben war in der Luke selbst mit eingebaut und konnte bequem herausgezogen werden.
Shasanastaya sah sich gehetzt nach ihrem Vertrauten um, doch Cain stieß sie schon im nächsten Augenblick unsanft die Treppe nach oben.
"Beweg dich!", hämmerte sich Terrons Stimme in das Bewußtsein des jungen Mannes und mit einem langen Satz sprang er selbst nach vorne.
Fast wäre er gestürzt, doch der Barbar stüzte ihn und schob ihn darauf mit energischen Stößen die Stufen hinauf. Ein kurzer Blick zurück und der Hühne erkannte mit Schrecken, daß schon der erste Verfolger hinter ihnen war.
Gehetzt nahm er immer drei Stufen auf einmal, doch er war nicht schnell genug.
Mit einem lauten Brüllen drehte er sich herum und knallte dem schwarzbärtigen Soldaten seine Faust ins Gesicht, so daß dieser bewußtlos rücklings die Treppe wieder hinunter fiel.
Jedoch hatte er es dennoch irgendwie fertig gebracht dem Barbaren sein Schwert tief in die rechte Wade zu schlagen, so daß dieser verbissen seine Augen zusammenkniff und als er oben war, die Dachluke mit beiden Händen langsam zurückzog.
Cain stand hinter ihm und stieß seinen Speer in die Lücke, die immer kleiner wurde, als ein weiterer Verfolger versuchte Terron von seinem Unterfangen abzubringen.
Wahrscheinlich bereute er das bis an sein Lebensende, denn der grünlich metallene Speer traf auf Widerstand und mit einem mal waren die Hände von der eingezogenen Treppe verschwunden.
Mit einem lauten Pochen schnappte die Luke ein und die vier Gefährten fanden sich unvermittlet in einem großen Dachboden wieder, der erstaunlich leer zu sein schien.
Allein einige größere Kisten und Kästen am anderen Ende des Raumes waren das einzige Inventar hier drinn.
"Was ist hier los?!", schrie Shasanastaya plötzlich mit schriller Stimme, doch die beiden Krieger sahen sich ohne ein Wort zu sagen konzentriert um.
"Dort!", meinte der Dragoon dann plötzlich und deutete auf eine der hölzernen Wände des Dachbodens, worauf ihn Terron ansah und fragte: "Bist du sicher?"
Lächelnd gab dieser zurück: "Das werden wir herausfinden."
Ohne ein weiteres Wort holte der Barbar mit seiner großen Axt aus und begann damit diese Seite des Dachbodens dem Erdboden gleich zu machen.
Innerhalb von Sekunden klaffte ein mannsgroßes Loch in der Wand, durch das der Dragoon dann hindurchblickte.
"Das sollte klappen.", murmelte er dann und trat noch einige Schritte zurück, so daß sein Begleiter das Loch vollends vergößern konnte.
"Vertraut mir, meine Dame.", sagte Cain dann in einem beruhigenden Tonfall zu Camauns Vertrauten, bevor er seinen Speer zurück in seinen Rückenschaft steckte und Shasanastaya vom Boden in seine Arme hob.
Sie blickte ihn nur mit aufgerissenen und verständnisslosen Augen an.
Bevor Camaun wusste, was geschah, sprintete der Dragoon auch schon los und war mit einem großen Satz durch das Loch in der Wand verschwunden.
"Was...?", würgte der verwirrte junge Mann hervor und schritt langsam zu der klaffenden Lücke in der Holzwand um hindurch blicken zu können.
Cain war mit Shasanastaya im Arm offensichtlich knapp vier Meter auf das Flachdach eines Nachbarhauses gesprungen, daß von Camauns Position aus vielleicht zwei Meter tiefer lag.
"Das schaffe ich niemals!", brüllte er dann in Richtung Terron, doch dieser stand gerade gebückt am anderen Ende des Raumes und hielt sich mit schmerzhaft verzogenem Gesicht sein rechtes Bein.
"Tragen kann ich dich nicht!", herrschte ihn der Barbar an und fügte ein: "Und nun geh aus dem Weg!", hinzu.
Fassungslos beobachtete er den verletzten Hühnen, wie er trotz seines blutenden Beins Anlauf nahm und ebenfalls mit einem weiten Satz draußen im Regen verschwand.
Als er ihm hinterher blickte, konnte er Cain und Shasanastaya am gegenüberliegenden Hausdach wild nach ihm winken sehen.
Terron selbst donnerte hart neben den Beiden auf dem steinernen Hausdach auf und rollte sich schwer zur Seite, wobei er sich dann mit geschlossenen Augen sein verletztes Bein hielt.
"Scheiße, scheiße, scheiße...", murmelte Camaun und stellte sich an die gleiche Stelle, von der auch der Barbar Anlauf genommen hatte.
Er konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören und fühlte förmlich wie das Adrenalin durch seinen Körper strömte.
Und er hatte Angst.
Wahnsinnige Angst.
Die kleine Stimme in seinem Kopf, die ihm zuflüsterte, daß er keine Angst haben brauchte, wurde von dem Sturmwind und dem Gebrüll der jetzigen Situation schlichtweg niedergetrampelt.
Keuchend stand er einige lange Momente leicht nach vorn gebeugt da und überlegte fiebernd, ob er diesen Satz schaffen könnte.
Lachend warf sich ihm die Sinnfrage nach den schulischen Sportfesten in seinen Geist, wobei er gequält die Augen verdrehte.
Hätte er doch nur ein wenig mehr Sport getrieben...
Aber es half alles nicht, es...
Mit einem donnernden Krachen öffnete sich die kleine Dachluke und die Leiter in ihr schnappte heraus.
Camaun wäre in diesem Moment am liebsten gestorben, doch nachdem er ein letztes Mal durchgeatmet hatte, sprintete er los.
Kurz vor der Kante kam er ein klein wenig ins Straucheln, da der Regen den Holzboden mittlerweile schon völlig durchnäßt hatte, doch er legte all seine Kraft und Verzweiflung in diesem Sprung.
Wie in Zeitlupe schien er eine halbe Ewigkeit über der Straße in einem hohen Bogen durch den Regen zu fliegen.
Er hatte das Gefühl, daß die schweren Tropfen ihn immer weiter nach unten drücken wollten, so daß er nie auf der anderen Seite ankam, während sie grausam stetig auf ihn nieder prasselten.
Unter ihm war nur eine wirbelnde Masse aus dunklen Schatten und spitzen Speeren niedergehender Wasserbahnen.
Er konnte Cain irgendetwas rufen hören und sah Shasanastayas panikerfüllte Augen.
Sah Terron, wie er sich nach vorne warf und die Hand nach ihm ausstreckte.
Sah das Blut seiner Wunde, wie es sich mit dem Wasser des Himmels vermischte.
Erkannte seine eigene Hand, wie sie nach vorne zuckte um die des Barbaren zu erreichen.
Das letzte was er spürte, war wie er die ausgestreckte Pranke des Hühnen streifte und verfehlte...
 



 
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