silvana
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Sie hatte bis dahin nicht gewusst, dass es sich bei der Liebe auf den ersten Blick nicht nur um ein hübsches sehnsuchtsverheißendes Märchenbild handelt, das in der Fantasie zum glücklichen zweisames Leben bis an ein Ende führt. Liebe schien ihr mehr eine biologisch nützliche Steuerung zu sein, die letztlich dem Fortbestand der Menschheit dient, weil die hormonellen Auswirkungen Paarungsbereitschaft auslösen. Außerdem wirke Liebe im Nebeneffekt einsamkeitsabweisend, gemeinschaftsbildend und im Idealfall persönlichkeitserweiternd. So also schätzte Klara die Lage rund um die Liebe ein und war guten Mutes, denn sie befand sich in einem Stadium, wo sie noch genügend Zeit hatte, bevor ihre biologische Uhr ticken würde.
Dieses Zeitfenster wollte sie gut nützen um einen hervorragend passenden Vater für ihre zukünftigen Kinder zu finden, der dem Mädchen Desiré und dem Buben Angelo ebenso hervorragendes Erbgut inklusive herausragende Fürsorge mit auf dem Weg geben sollte. Er müsste auch ihr ein guter Partner sein, aber das fand sie kaum erwähnenswert, weil es ihr doch Grundvoraussetzung und Selbstverständlichkeit war.
Und dann kam diese schicksalhafte unvermutete Begegnung, eine dunkle Gestalt und besagter Blick mitten in ein tiefes Blau, der Sie wie hypnotisch einsog, als würde sie in dieser fremden Gestalt versinken, sich in ihr auflösen und gleichzeitig zur Vollendung gelangen. Später beschrieb sie es als eine Art von Erwachen, als hätte sie bis dahin geschlafen und würde sich erst jetzt bewusst, dass sie lebt, dass sie fühlt, dass sie ist.
Die Begegnung fand mitten im Kreis ihrer ArbeitskollegInnen statt, dauerte vielleicht eine dreiviertel Stunde und gleich im Anschluss daran vertraute sie sich einer Kollegin an, mit der sich bereits so etwas wie der zarte Beginn einer Freundschaft abgezeichnet hatte, so jemand wie dieser Herr Doppler, der könne ihr Freund, ihr Mann sein.
Sie wunderte sich selbst woher diese Worte kamen, aber sie bargen eine tiefe Wahrheit, die frei von jedem Zweifel war. Noch legte sie dennoch den Schleier der Vernunft über ihre Worte, Konjunktiv, „könne“, und nicht zu vergessen dieses „wie“ ein kleines Wort, das die Dringlichkeit dieser Liebe auf den ersten Blick ein wenig relativierte und nur eine Möglichkeit in Betracht zog.
Jetzt, viele Jahre später würde sie euch von der absoluten Gewissheit erzählen, von der sie nach diesem blauen Blickblitz erfasst wurde. Ab diesem Moment suchte sie seine Nähe, wann immer er wieder seinen Geschäften an ihrem Arbeitsplatz nachgehen musste. Schon nach wenigen Begegnungen verabredeten sie sich auf einen Kaffee, sozusagen als Nachbesprechung für die Gemeinsamkeiten in der Arbeit, nach einer halben Stunde waren sie beim Du Klara und Klaus, da waren sogar die Anfangsbuchstaben ein Zeichen der Zusammengehörigkeit und weitere zwei Stunden später lud sie ihn ein in ihre kleine Single-Mansardenwohnung, hell, praktisch, funktional nur das Bett war im Hinblick auf ihre Zukunftspläne etwas größer konzipiert und erfüllte ebenso wie Klaus genau ihre Erwartungen: kuschelig und doch raumgebend.
Sie tauschten Zärtlichkeiten, süße Worte und ihre Telefonnummern aus und der strahlende Klaus mit der Seele in seinen Augen verließ sie schweren Herzens weit nach Mitternacht, denn er hatte noch eine zweistündige Heimreise vor sich, wenn er am gleichen Tag morgens zur Arbeit erscheinen wollte.
Diese Märchenprinzliebe in der sich Klara geliebt wie nie zuvor fühlte, brachte es mit sich, dass alle Liebesschnulzen, die Klara bis dahin verabscheut hatte, eine unendliche Bedeutung und Wahrheit verkündeten, sie waren genau aus ihren tief empfundenen Gefühlszutaten entstanden, spiegelten ihr Innenleben und rührten sie zu Tränen, wenn die Sehnsucht nach ihrem entfernten Klaus zu lodern begann.
Fernbeziehung, tägliche Telefonate, Liebesbriefe, lyrische Gedichte folgten, bis nach einigen rosaroten Wochen sich ein Fragezeichen einschlich und dieses Fragezeichen legte zunehmend eine Spur zu einem Gedanken: da stimmt irgendetwas nicht. Sie konnte es nicht gleich benennen, sie erklärte sich selbst für verrückt, sie wollte nicht, dass dieser Gedanke sich zu einem Wort oder zu einem Bild verfestigte, sie zweifelte an ihrer Liebesfähigkeit , sie küsste ihn wenn sie sich trafen mit aller Inbrunst zu der sie fähig war – dennoch wachte sie eines Morgens auf, als er wieder in der Nacht aufgebrochen war um rechtzeitig zur Arbeit zu gelangen und konnte diesen Gedanken nicht mehr wegdrängen. Sie durfte Klaus ja nicht besuchen, weil er bei seinen Eltern wohnte wie er sagte und sie ihnen erst vorstellen wollte, wenn sie sich der Beziehung sicher wären. Was aber, wenn Klaus, ihr Klaus eine Beziehung hat, vielleicht sogar eine Ehefrau?
Auch wenn sie sich für ihr Misstrauen verachtete, sie wurde diesen Gedanken nicht mehr los und jedes Telefonat, jeder Brief, jedes Wort, jeder Besuch, jede Berührung wurden in dieser Hinsicht abgewogen, bis sie es nach mehreren Wochen endlich über ihre Lippen brachte: „Sag Klaus, bist du eigentlich verheiratet?“
Erstaunt, aber keineswegs erschrocken fragte er sie erst, wie sie zu so einem Gedanken käme, wo er doch nur sie liebe. Nach langem Hin und Her, wahrscheinlich, weil sie sich nicht mit irgendwelchen Gegenfragen oder Liebesgesten ablenken ließ, kam das Geständnis. Ja,er lebe bei den Eltern, weil seine Ehe schon seit langem zerrüttet sei, seine Frau sich aber nicht scheiden lasse und er deshalb darauf warte, bis sie es sich doch anders überlege und er sei froh, dass er nun endlich nichts mehr vor ihr verbergen müsse, weil er so riesige Angst gehabt hätte sie, Klara, seine Traumfrau, seine Liebe des Lebens zu verlieren und das würde er nie verkraften.
Er weinte viel, beschwor sie ihm zu verzeihen, zeigte ihr dann auch ein Bild seiner Tochter, wegen der er nicht mehr Druck auf seine Frau machen könne, weil er so gut wie möglich Rücksicht nehmen müsse, damit seine Frau – labil und leidend wie sie immer schon war - nicht völlig zusammenbreche.
So gerne wollte Klara wieder zurück in ihre rosarote Liebeswolke, so gerne nahm sie ihm jedes Wort, das er ihr reichte an, so gerne wollte sie in einem Liebesrausch versinken, dass sie nun schon zum zweiten Mal, seit sie Klaus kannte, alle ihre Einstellungen, ihre Sicht auf die Welt -zumindest auf die Welt der Liebe - wieder veränderte.
Liebe bedeutete nun, dass sie genau das aushalten müsse, dass sie geduldig sein müsse wie er, dass sie ihm vertraute, weil er seine Situation am besten einschätzen konnte, dass es galt, diese Prüfung zu bestehen, weil sonst diese Liebe keinen Bestand im Leben hätte.
Nachdem sie wiederum einige Monate mit dieser neuen Einstellung und dem ehrlichen Klaus verbracht hatte, der nun zwar öfter, dafür aber für eine viel kürzere Zeitspanne kam, und seine Liebesbeteuerungen ihren Schmerz nicht mehr beruhigten und seine Bewunderung für ihre Stärke nicht zu ihrem Gefühl passte, dass sie sich nämlich kraftlos und ohnmächtig vorkam, da war es wieder ein Morgen, an dem sie noch etwas schlaftrunken erkannte, was ihr die Energie raubte und sie streichfähig wie geschmolzene Butter machte: Sie hatte die Freiheit in der Liebe verloren.
Während sie genauer darüber nachdachte, merkte sie, dass sie diese Freiheit nur ganz am Anfang dieser Beziehung mit Klaus gespürt hatte. Sie war eigentlich nur in ihrem Kopf frei gewesen, in der Begegnung mit ihm gab es immer Grenzen, die er mitgebracht hatte. Erst war es die Arbeit, wegen der er nicht länger bleiben konnte, die unbesuchbaren Eltern und die Sicherheit der Liebe waren behindernd und dann auch noch Frau und Kind und zu erprobende Liebesfähigkeit.
Aber sie, Klara, sie hatte sich voll auf ihn eingelassen, Einstellungen geändert, sich angepasst und ihre Liebe in einen Käfig gesperrt. Wenn er sich Zeit nehmen konnte wurde die Türe dieses Gefängnisses für wenige Stunden geöffnet. Aber ihre Liebe konnte sich nicht mehr entfalten, sie hatte ihr Feuer verloren und war nur mehr ein Schatten, der vergeblich danach trachtete aus dieser Warteposition erlöst zu werden. Warten, bis die Liebe morgen oder in einer Woche oder in einem Monat oder einem Jahr oder… wieder die Freiheit erlangt.
Diese Erkenntnis traf sie mit voller Wucht und als ob sich diese unsichtbare Käfigtür geöffnet hätte, plötzlich sprudelten wieder Ideen und belebten den grauen Morgen von Klara.
Um neun Uhr öffnete das Blumengeschäft und Klara war die erste Kundin an diesem Tag, denn sie hatte schon vor der verschlossenen Türe gewartet. Sie bestellte einen riesigen Blumenstrauß mit dunkelroten Rosen wählte sorgfältig ein passendes Billett mit zwei schnäbelnden Turteltauben aus und diktierte der Verkäuferin den Text : Mein geliebter Schatz, nun sind wir schon so lange zusammen und jeder Augenblick mit dir, jede Nacht hat mir sehr viel bedeutet. Ich liebe dich und denke für uns beide wird es Zeit für eine Entscheidung. Daher mache ich dir heute einen Heiratsantrag und freue mich auf unser nächstes Treffen am Freitagabend. Wenn du mich noch heute anrufen magst, dann musst du es unter folgender Nummer 043456781 probieren, denn ich habe jetzt ein neues Telefon. Ich küsse dich Klara.
Eine Woche später bekam Klara die erwartete Antwort. Klaus rief aus einer Telefonzelle an, wohl damit seine Frau keinen Anruf nachverfolgen konnte und beklagte sich bitterlich über diesen Blumenstrauß, den seine Frau entgegengenommen hatte und die jetzt zur Scheidung bereit sei. Daß er zu Hause einen Riesenwirbel mit seiner Frau bekommen hatte, wusste sie schon von ihr persönlich, denn - und auch das hatte Klara erwartet - Theresa hatte noch am selben Tag bei ihr angerufen und alles über die vermeintlichen Dienstreisen ihres Mannes erfahren. In einem Punkt waren sich die beiden Frauen schließlich einig: Klaus Doppler hatte ab diesem Tag weder Frau noch Geliebte.
Dieses Zeitfenster wollte sie gut nützen um einen hervorragend passenden Vater für ihre zukünftigen Kinder zu finden, der dem Mädchen Desiré und dem Buben Angelo ebenso hervorragendes Erbgut inklusive herausragende Fürsorge mit auf dem Weg geben sollte. Er müsste auch ihr ein guter Partner sein, aber das fand sie kaum erwähnenswert, weil es ihr doch Grundvoraussetzung und Selbstverständlichkeit war.
Und dann kam diese schicksalhafte unvermutete Begegnung, eine dunkle Gestalt und besagter Blick mitten in ein tiefes Blau, der Sie wie hypnotisch einsog, als würde sie in dieser fremden Gestalt versinken, sich in ihr auflösen und gleichzeitig zur Vollendung gelangen. Später beschrieb sie es als eine Art von Erwachen, als hätte sie bis dahin geschlafen und würde sich erst jetzt bewusst, dass sie lebt, dass sie fühlt, dass sie ist.
Die Begegnung fand mitten im Kreis ihrer ArbeitskollegInnen statt, dauerte vielleicht eine dreiviertel Stunde und gleich im Anschluss daran vertraute sie sich einer Kollegin an, mit der sich bereits so etwas wie der zarte Beginn einer Freundschaft abgezeichnet hatte, so jemand wie dieser Herr Doppler, der könne ihr Freund, ihr Mann sein.
Sie wunderte sich selbst woher diese Worte kamen, aber sie bargen eine tiefe Wahrheit, die frei von jedem Zweifel war. Noch legte sie dennoch den Schleier der Vernunft über ihre Worte, Konjunktiv, „könne“, und nicht zu vergessen dieses „wie“ ein kleines Wort, das die Dringlichkeit dieser Liebe auf den ersten Blick ein wenig relativierte und nur eine Möglichkeit in Betracht zog.
Jetzt, viele Jahre später würde sie euch von der absoluten Gewissheit erzählen, von der sie nach diesem blauen Blickblitz erfasst wurde. Ab diesem Moment suchte sie seine Nähe, wann immer er wieder seinen Geschäften an ihrem Arbeitsplatz nachgehen musste. Schon nach wenigen Begegnungen verabredeten sie sich auf einen Kaffee, sozusagen als Nachbesprechung für die Gemeinsamkeiten in der Arbeit, nach einer halben Stunde waren sie beim Du Klara und Klaus, da waren sogar die Anfangsbuchstaben ein Zeichen der Zusammengehörigkeit und weitere zwei Stunden später lud sie ihn ein in ihre kleine Single-Mansardenwohnung, hell, praktisch, funktional nur das Bett war im Hinblick auf ihre Zukunftspläne etwas größer konzipiert und erfüllte ebenso wie Klaus genau ihre Erwartungen: kuschelig und doch raumgebend.
Sie tauschten Zärtlichkeiten, süße Worte und ihre Telefonnummern aus und der strahlende Klaus mit der Seele in seinen Augen verließ sie schweren Herzens weit nach Mitternacht, denn er hatte noch eine zweistündige Heimreise vor sich, wenn er am gleichen Tag morgens zur Arbeit erscheinen wollte.
Diese Märchenprinzliebe in der sich Klara geliebt wie nie zuvor fühlte, brachte es mit sich, dass alle Liebesschnulzen, die Klara bis dahin verabscheut hatte, eine unendliche Bedeutung und Wahrheit verkündeten, sie waren genau aus ihren tief empfundenen Gefühlszutaten entstanden, spiegelten ihr Innenleben und rührten sie zu Tränen, wenn die Sehnsucht nach ihrem entfernten Klaus zu lodern begann.
Fernbeziehung, tägliche Telefonate, Liebesbriefe, lyrische Gedichte folgten, bis nach einigen rosaroten Wochen sich ein Fragezeichen einschlich und dieses Fragezeichen legte zunehmend eine Spur zu einem Gedanken: da stimmt irgendetwas nicht. Sie konnte es nicht gleich benennen, sie erklärte sich selbst für verrückt, sie wollte nicht, dass dieser Gedanke sich zu einem Wort oder zu einem Bild verfestigte, sie zweifelte an ihrer Liebesfähigkeit , sie küsste ihn wenn sie sich trafen mit aller Inbrunst zu der sie fähig war – dennoch wachte sie eines Morgens auf, als er wieder in der Nacht aufgebrochen war um rechtzeitig zur Arbeit zu gelangen und konnte diesen Gedanken nicht mehr wegdrängen. Sie durfte Klaus ja nicht besuchen, weil er bei seinen Eltern wohnte wie er sagte und sie ihnen erst vorstellen wollte, wenn sie sich der Beziehung sicher wären. Was aber, wenn Klaus, ihr Klaus eine Beziehung hat, vielleicht sogar eine Ehefrau?
Auch wenn sie sich für ihr Misstrauen verachtete, sie wurde diesen Gedanken nicht mehr los und jedes Telefonat, jeder Brief, jedes Wort, jeder Besuch, jede Berührung wurden in dieser Hinsicht abgewogen, bis sie es nach mehreren Wochen endlich über ihre Lippen brachte: „Sag Klaus, bist du eigentlich verheiratet?“
Erstaunt, aber keineswegs erschrocken fragte er sie erst, wie sie zu so einem Gedanken käme, wo er doch nur sie liebe. Nach langem Hin und Her, wahrscheinlich, weil sie sich nicht mit irgendwelchen Gegenfragen oder Liebesgesten ablenken ließ, kam das Geständnis. Ja,er lebe bei den Eltern, weil seine Ehe schon seit langem zerrüttet sei, seine Frau sich aber nicht scheiden lasse und er deshalb darauf warte, bis sie es sich doch anders überlege und er sei froh, dass er nun endlich nichts mehr vor ihr verbergen müsse, weil er so riesige Angst gehabt hätte sie, Klara, seine Traumfrau, seine Liebe des Lebens zu verlieren und das würde er nie verkraften.
Er weinte viel, beschwor sie ihm zu verzeihen, zeigte ihr dann auch ein Bild seiner Tochter, wegen der er nicht mehr Druck auf seine Frau machen könne, weil er so gut wie möglich Rücksicht nehmen müsse, damit seine Frau – labil und leidend wie sie immer schon war - nicht völlig zusammenbreche.
So gerne wollte Klara wieder zurück in ihre rosarote Liebeswolke, so gerne nahm sie ihm jedes Wort, das er ihr reichte an, so gerne wollte sie in einem Liebesrausch versinken, dass sie nun schon zum zweiten Mal, seit sie Klaus kannte, alle ihre Einstellungen, ihre Sicht auf die Welt -zumindest auf die Welt der Liebe - wieder veränderte.
Liebe bedeutete nun, dass sie genau das aushalten müsse, dass sie geduldig sein müsse wie er, dass sie ihm vertraute, weil er seine Situation am besten einschätzen konnte, dass es galt, diese Prüfung zu bestehen, weil sonst diese Liebe keinen Bestand im Leben hätte.
Nachdem sie wiederum einige Monate mit dieser neuen Einstellung und dem ehrlichen Klaus verbracht hatte, der nun zwar öfter, dafür aber für eine viel kürzere Zeitspanne kam, und seine Liebesbeteuerungen ihren Schmerz nicht mehr beruhigten und seine Bewunderung für ihre Stärke nicht zu ihrem Gefühl passte, dass sie sich nämlich kraftlos und ohnmächtig vorkam, da war es wieder ein Morgen, an dem sie noch etwas schlaftrunken erkannte, was ihr die Energie raubte und sie streichfähig wie geschmolzene Butter machte: Sie hatte die Freiheit in der Liebe verloren.
Während sie genauer darüber nachdachte, merkte sie, dass sie diese Freiheit nur ganz am Anfang dieser Beziehung mit Klaus gespürt hatte. Sie war eigentlich nur in ihrem Kopf frei gewesen, in der Begegnung mit ihm gab es immer Grenzen, die er mitgebracht hatte. Erst war es die Arbeit, wegen der er nicht länger bleiben konnte, die unbesuchbaren Eltern und die Sicherheit der Liebe waren behindernd und dann auch noch Frau und Kind und zu erprobende Liebesfähigkeit.
Aber sie, Klara, sie hatte sich voll auf ihn eingelassen, Einstellungen geändert, sich angepasst und ihre Liebe in einen Käfig gesperrt. Wenn er sich Zeit nehmen konnte wurde die Türe dieses Gefängnisses für wenige Stunden geöffnet. Aber ihre Liebe konnte sich nicht mehr entfalten, sie hatte ihr Feuer verloren und war nur mehr ein Schatten, der vergeblich danach trachtete aus dieser Warteposition erlöst zu werden. Warten, bis die Liebe morgen oder in einer Woche oder in einem Monat oder einem Jahr oder… wieder die Freiheit erlangt.
Diese Erkenntnis traf sie mit voller Wucht und als ob sich diese unsichtbare Käfigtür geöffnet hätte, plötzlich sprudelten wieder Ideen und belebten den grauen Morgen von Klara.
Um neun Uhr öffnete das Blumengeschäft und Klara war die erste Kundin an diesem Tag, denn sie hatte schon vor der verschlossenen Türe gewartet. Sie bestellte einen riesigen Blumenstrauß mit dunkelroten Rosen wählte sorgfältig ein passendes Billett mit zwei schnäbelnden Turteltauben aus und diktierte der Verkäuferin den Text : Mein geliebter Schatz, nun sind wir schon so lange zusammen und jeder Augenblick mit dir, jede Nacht hat mir sehr viel bedeutet. Ich liebe dich und denke für uns beide wird es Zeit für eine Entscheidung. Daher mache ich dir heute einen Heiratsantrag und freue mich auf unser nächstes Treffen am Freitagabend. Wenn du mich noch heute anrufen magst, dann musst du es unter folgender Nummer 043456781 probieren, denn ich habe jetzt ein neues Telefon. Ich küsse dich Klara.
Eine Woche später bekam Klara die erwartete Antwort. Klaus rief aus einer Telefonzelle an, wohl damit seine Frau keinen Anruf nachverfolgen konnte und beklagte sich bitterlich über diesen Blumenstrauß, den seine Frau entgegengenommen hatte und die jetzt zur Scheidung bereit sei. Daß er zu Hause einen Riesenwirbel mit seiner Frau bekommen hatte, wusste sie schon von ihr persönlich, denn - und auch das hatte Klara erwartet - Theresa hatte noch am selben Tag bei ihr angerufen und alles über die vermeintlichen Dienstreisen ihres Mannes erfahren. In einem Punkt waren sich die beiden Frauen schließlich einig: Klaus Doppler hatte ab diesem Tag weder Frau noch Geliebte.