Magische Meerschweinchen und hübsche Häschen

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VeraL

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Da verwechselt man einmal Zitronendrops und Lakritzbonbons und schon ist das ganze Leben verpfuscht. Maximilian von Grünberg war auf dem Weg zu seiner ersten Arbeitsstelle und hing seinen trübsinnigen Gedanken nach. Drei Tage war seine Abschlussprüfung als MWHWUF (Mitarbeiter für wundersame Haus- und Wildtiere mit unglaublichen Fähigkeiten) her, bei der alle wichtigen Arbeitgeber anwesend waren, um die besten Absolventen gleich abzuwerben. Er hatte auf eine Stelle auf einem Gestüt für fliegende Rentiere in Lappland gehofft oder auf einer Farm für feuerspeiende Kängurus in Australien. Aber dann hatte er bei der entscheidenden Präsentation den bolivianischen Lamas, die direkt gefärbte Wolle mit Muster liefern sollten, Lakritzbonbons gegeben. Statt die Farben zu verfeinern wie es Zitronendrops getan hätten, wuchs die Lamawolle davon astronomisch schnell durch das ganze Gehege bis zu den Kängurus, die in Panik gerieten und alles in Brand setzten. Drei Lamas wurden verletzt und Maximilian blieb nur ein Job, den keiner haben wollte. So betrat er Frau Jansens Laden für magische Meerschweinchen, hübsche Häschen und andere harmlose Kleintiere.

Gubio blickte durch die Gitterstäbe seines Käfigs auf die Eingangstür des Ladens. Heute sollte der neue Mitarbeiter anfangen. Gubios Nase kribbelte und er schnüffelte nervös. Er hoffte auf einen unfähigen MWHWUF, der sein Vorhaben nicht durchkreuzen würde. Doch statt des neuen Mitarbeiters betrat eine Kundin den Laden. Gubio knipste seinen Meerschweinchenzauber für eine extra Portion Niedlichkeit an und blickte die Frau mit seinen treuen schwarzen Knopfaugen an. Neben ihm glänzten die Felle der anderen possierlichen Tierchen besonders schön, die Augen strahlten noch größer und die Näschen schnüffelten. Die Kundin stieß ein freudiges Quieken aus und streichelte Nevio, den kleinen weißen Hasen, der ein angewidertes Gesicht machte, als die Dame gerade nicht hinsah.

Drei Stunden später blickte Maximilian zum gefühlt 2000-mal auf die Uhr. Die Kunden des Ladens von Frau Jansen wussten magische Tiere nicht zu schätzen. Sie wollten einfach nur etwas Niedliches, Pflegeleichtes zum Kuscheln. Die Renner waren kleine Hasen, die ihren Käfig selbst reinigen konnten. Was für eine Verschwendung von Magie. Da hätte er auch Buchhalter werden können. Er starrte gelangweilt auf den Käfig mit den Meerschweinchen.

Gubio betrachtete den neuen Mitarbeiter und knabberte an seiner Möhre. Der Typ schien genauso unfähig zu sein wie die anderen Absolventen der Akademie für magische Tierwesen, die schon hier gearbeitet hatten. Aber zur Sicherheit ließ Gubio seine Magie aufleuchten und scannte die Gedanken des jungen Mannes. Was für ein langweiliger Mensch. Er hätte auch Buchhalter werden können. Gubio mümmelte zufrieden. War das der Moment, auf den sie gewartet hatten? Ja, sie würden ihren Plan gleich heute Abend in die Tat umsetzen.

Noch eine Stunde, dann hatte er endlich Feierabend. Frau Jansen hatte ihm ab dem Nachmittag den Laden überlassen, aber dadurch war der Job nicht spannender geworden. Und seit es dunkel geworden war, kamen auch keine Kunden mehr. Er schaute aus dem Fenster auf die menschenleere Straße, als sein Nacken anfing zu kribbeln. Normalerweise war das ein Zeichen, dass gerade Magie in seiner Nähe ausgeübt wurde, aber als er sich umdrehte, bemerkte er nichts Auffälliges. Obwohl. Irgendetwas schien im Käfig der Meerschweinchen vor sich zu gehen. Sie schienen sich zusammenzurotten, als würden sie etwas besprechen. Nein, das war doch lächerlich. Sein gelangweiltes Gehirn dachte sich schon Dinge aus. Er beschloss, die Tiere zu füttern und den Laden ein paar Minuten früher zu schließen.

Die Käfigtür wurde geöffnet und Gubios Puls beschleunigte sich. Dieser freche Mitarbeiter hatte die Fütterungszeit vorverlegt. Jetzt musste es schnell gehen. Gubio brachte sich in Position und als der junge Mann gerade die Salatblätter in den Käfig legte, biss Gubio ihm beherzt in den Finger und ließ seine Magie durch dessen Adern pulsieren. Maximilian verdrehte die Augen und sank ohnmächtig zu Boden. Eins nach dem anderen kletterten die niedlichen Meerschweinchen aus dem Käfig und folgten Gubio aus dem Laden.

Als Maximilian erwachte, brummte ihm der Schädel. Wieso lag er auf dem Boden? Er richtete sich auf und erstarrte. Der Käfig war leer. Ein kleines Meerschweinchen hatte ihn überwältigt. Sogar die dämlichen Häschen schienen ihn auszulachen. Er stöhnte auf. Wo konnten die kleinen Biester nur hin sein? Er musste sie einfangen, bevor Frau Jansen etwas merkte oder schlimmer, bevor einer seiner Studienkollegen davon erfuhr. Dann würde er sich nirgendwo mehr blicken lassen können. Er sah sich im Laden nach Hinweisen um. Die hübschen Häschen blickten ihn mit leicht schiefgelegtem Kopf an, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Schluss damit. Die steckten doch alle unter einer Decke. Es war Zeit, seine eigene Magie anzuwenden.

Gubio und seine Freunde hoppelten unbemerkt durch die geöffnete Tür in das Gebäude. Ein kleines Mädchen hatte sie netterweise in ihrem Fahrradkorb mitgenommen und genau dort ausgesetzt, wo sie hinwollten. Natürlich nicht ganz freiwillig. Gubio war zufrieden, doch da empfing er eine dringende telepathische Nachricht von Nevio. „Was willst du denn?“
„Seid vorsichtig. Der neue Mitarbeiter ist nicht so harmlos wie er tut. Er hat sich Lotta geschnappt und ihre Gedanken gescannt. Er weiß, was ihr vorhabt und ist auf dem Weg zu euch.“
So ein Mist. Gubio fluchte.


Maximilian fluchte ebenfalls, als er an der Universität aus dem Bus stieg. Er folgte den Hinweisschildern zur medizinischen Fakultät. Vor dem Gebäude blieb er stehen. Wie sollte er erklären, was er dort wollte? Er konnte schlecht zum Pförtner gehen und sagen: „Entschuldigung, ich muss dringend in ihr Hochsicherheitslabor, meine Meerschweinchen sind entlaufen und wollen ihre Labormäuse befreien, weil sie gegen Tierversuche sind.“ Es war einfach nicht sein Tag. Doch dann hatte er eine Idee. Er hatte immer noch seinen Studentenausweis. Er zeigte ihm den Pförtner: „Guten Abend, ich soll hier die Mäuse für Professor Voskuhl von der Akademie für magische Tierwesen abholen. Wo finde ich das Labor?“

Da vorne war die Tür zum Labor. Sie hatten es fast geschafft. Gubio keuchte vor Anstrengung. Warum mussten die Flure hier nur so verdammt lang sein? Er fühlte mental in den Raum hinein. Sehr gut, da waren keine Menschen nur verzweifelte Nagetiere. Es konnte losgehen. Da hörte Gubio Schritte im Flur. Er drehte sich um und erblickte Maximilian.

Er hätte leiser laufen sollen. Jetzt hatten die blöden Viecher ihn gehört und hoppelten weg von der Labortür. Maximilian beschleunigte seine Schritte. Eigentlich waren sie zu langsam für ihn, aber er wollte auf alles vorbereitet sein. Wer weiß, vielleicht konnten die Biester auch noch fliegen?

Gubio und die anderen rannten so schnell sie konnten, aber sie hatten keine Chance. Dieser blöde Mensch hatte einfach die längeren Beine und hatte sie fast eingeholt. Gubio hechelte. Er bekam kaum noch Luft. Er wollte gerade einen letzten verzweifelten Versuch unternehmen und einen Niedlichkeitsschock auf Maximilian abfeuern, als ihn dessen Lähmungszauber traf und außer Gefecht setzte. Traurig blickte er mit seinen schwarzen Augen zu dem Menschen auf, der über ihm stand. Das war das Todesurteil für die Mäuse. Mit letzter Kraft legte er alle Magie, die er noch hatte, in diesen Blick.

Maximilian betrachtete das Meerschweinchen. Er war stinkwütend. Wie konnte so ein kleines Tier so viel Ärger machen? Das konnte ihn seine Lizenz kosten. Doch dann spürte er, wie sein Herz schmolz und er musste an die armen kleinen Mäuse in dem Labor denken. Er hörte sich selbst sagen: „Ach, was soll‘s? Kommt mit, wir retten die Mäuse und dann gibt es eine extra Portion Leckerlis für alle.“
 
Hallo Vera,

wie machst Du das bloß? Deinen Geschichten wohnt stets eine Leichtigkeit inne, dass es einfach Spaß macht, sie zu lesen. Mit Magie lässt sich alles machen, die muss niemand erklären, sie ist einfach da und funktioniert.

Liebe Grüße,
 

VeraL

Mitglied
Hallo Rainer Zufall,
vielen herzlichen Dank für deine Worte. Ich freue mich, dass dir meine Geschichten gefallen.
Viele Grüße
Vera
 

molly

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MWHWUF (Mitarbeiter für wundersame Haus- und Wildtiere mit unglaublichen Fähigkeiten):D

Hallo Vera,
mir hat Deine magische Geschichte auch gut gefallen.
LIebe Grüße
molly
 



 
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