Mal ein paar Worte über Angeber

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Hagen

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Mal ein paar Worte über Angeber

Ich gebe ab und an an und geb‘s ab und zu zu. Das Angeben machte ich so richtig dick, sozusagen faustdick.
Denn wer angibt, hat mehr vom Leben!
Dieses moderne Sprichwort stimmt genau so wenig wie die meisten Sprichwörter. Man denke nur an ‘Ehrlich währt am längsten‘, oder ‘Wer anderen eine Grube gräbt…‘, aber das nebenbei.
Bessere Kreise begnügen sich schließlich auch nicht mit 360 Grad.
Weshalb geben Angeber, und besonders ich als Taxifahrer, an?
Mit Vernunft ist dieser Frage nicht beizukommen, denn Angeberei spielt sich außerhalb des logischen Denkens ab. Aber dafür haben sicher die Psychoanalytiker, wie für alles, eine unanständige Erklärung: Angeberei ist eine Nervenkrankheit, die sich aus Größenwahn und Minderwertigkeitskomplex zusammensetzt.
Ich hingegen sehe das anders. Ein fortgeschrittener Angeber zelebriert und inszeniert sich selbst als den großen Star. Er macht jede Situation zu einer Show. Ein guter, kunstfertiger Angeber hat eine große Virtuosität darin entwickelt, seine eigenen Eigenschaften immer als die wahren und anstrebenswertesten Eigenschaften darzustellen, selbst wenn sie auf den ersten Blick nicht dazu taugen.
Es hat mir einfach Spaß gemacht, ein Spaß der nichts kostet und auch ein ganz klein wenig den Intellekt fordert. So warf ich im Kreis der Kollegen die Frage auf: „Die Lilo Wanders will nur mit mir fahren, kann die als Transvestit eigentlich das Frauennachttaxi benutzen?“
Da legten sich die Gesichter der Kollegen in arge Falten und ich trat meine nächste Fahrt an. Wenn ich wiederkam, warf ich gleich die nächste Frage auf: „Darf man einen Rettungswagen oder Feuerwehr, der unter Blaulicht fährt, eigentlich überholen?“
Oder eine der leichtesten Übungen kommt gut, allerdings auf einem Flug. Nachdem sich der Flugkapitän vorgestellt und allen Passagieren einen angenehmen Flug gewünscht hat, ist ein laut gemurmeltes: „Ach der schon wieder! Naja, fliegen kann der ja, aber beim Landen hapert’s ein wenig!“, ganz angebracht.
Nun ja, was dem Pfau sein Rad, ist dem Mann die Angeberei.
Es gibt aber auch noch Anfänger dieses Genres, Entwickelungspotential nach oben, welches ich bevorzugte, gibt es immer. Jeder kennt die Leute, die in der Straßenbahn mit lauter Stimme von der Reparatur ihres Wagens erzählen. So, als müssten sie sich entschuldigen, das sie ein ordinäres öffentliches Verkehrsmittel benutzen. Ostentativ fragen sie den Schaffner: „Was kostet denn so ein Fahrschein?“ Dabei haben sie eine Monatskarte in der Tasche.
Derartige Angeber sind der felsenfesten Überzeugung, dass der Mensch erst beim Autobesitzer anfängt und dass ein Auto Ausdruck der Intelligenz seines Besitzers ist. In Wirklichkeit ist meistens der Gesichtsausdruck eines solchen Autos intelligenter als der des Besitzers des besagten Kraftwagens. Das Kraftfahrzeug ist das Hauptangabemittel unserer so angebefreudigen Zeit. Nur Laien glauben, dass die Motorisierung dem Verkehr dient. Weit gefehlt, sie dient der Angabe, was von der Automobilindustrie nach Kräften gefördert wird!
Der Autohandel lebt zu mindestens zu fünfzig Prozent von dem Wunsch seiner Kunden, anzugeben. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Angeberei ist somit nicht zu unterschätzen. Wenn ein Auto nur zum Zwecke der Fortbewegung angeschafft würde, brauchte man frühestens nach fünf bis zehn Jahren einen neuen Wagen.
Aber kaum ist das jährliche neue Modell auf dem Markt und das Platzen des letzten Raten-Wechsels mühsam vermieden, muss man das neue und bessere haben; - sagt jedenfalls der Händler. Meistens hat ein überbezahlter Designer nur die Form des Schlusslichtes und die Kühlerattrappe verändert.
Den ‘alten‘ Wagen kauft dann für ein Spottgeld irgendein vernünftiger Mensch, der es nicht nötig hat, anzugeben.
Am glücklichsten aber ist der Auto-Angeber, wenn er an einem Platz mit viel Publikum parken kann, zum Beispiel vor einer vollbesetzten Kaffeehausterrasse. Meister im effektvollen Aussteigen sind die Besitzer von Sportwagen mit vielen PS und noch mehr Leasingraten. Lässig werfen sie den Schlag zu und glauben, in den Gedanken des Publikums lesen zu können: „Oh, welch ein schöner, sportlicher, geschmackvoller, intelligenter und lebenstüchtiger Mann! Nur solche Menschen können einen so schönen Wagen fahren!“
Daran erkennt man den Anfänger, denn die Gedanken der Zuschauer bewegen sich auf einer ganz anderen Ebene. Leider erfährt der Anfänger nie, was die Leute wirklich denken, nämlich:
„So ein Affe!“
„Ekelhafter Angeber!“
„Bezahlt ist der sicher auch noch nicht!“, und so weiter. Für diese Anfänger ist das Auto ein Fortbewegungsmittel, das mit der Mischung von Treibstoff und Angeberei gefahren wird, Auto-Angeber sind nur so lange als harmlose Irre zu bezeichnen, wie sie die Angeberei auf das Ein- und Aussteigen beschränken. Zu gemeingefährlichen Irren werden sie aber, wenn sie mit ihrer Fahrweise angeben.
Was geht wohl in dem Hirn eines solchen Sportwagenfahrers vor, wenn er in einer Kurve Lastzüge überholt, entgegenkommende Fahrer zu Tode erschreckt und um ein Haar ins Jenseits befördert?
Diese ‘Angeber‘ gehörten eigentlich wegen mehrfach versuchten Totschlags in den Kasten, bevor sie andere in den Sarg bringen. Aber das wird die Autoindustrie nicht zulassen. Jeder zusammengefahrene Wagen öffnet den Markt für einen neu zu verkaufenden.
Die Angeberei ist für Dilettanten auf diesem Gebiet einer der rätselhaftesten ‘Nichtdenkvorgänge‘, die es gibt. Derartige Angeber glauben, durch ihr dummes Theater mehr darzustellen, als sie sind.
Irgendein General Sowieso-Witz (Zitzewitz war es nicht) hat den Imperativ geprägt: „Mehr sein als scheinen!“ Das klingt etwas komisch aus dem Munde einer Branche, die wie keine andere mit bunten Bändchen und glitzernden Blechstückchen Eindruck zu machen sucht.
Der französische Dichter Iean Giraudoux sagte: „Der Mensch ging ursprünglich auf allen vieren und hat sich nur aufgerichtet, um weniger Regen auf den Rücken zu bekommen und mehr Orden auf die Brust heften zu können.“
Das klingt überzeugend.
Aber kommen wir auf ‘das gehobene Angeben‘ zurück!
Diese Angeberei hat zwei Spielarten: Die ‘direkte‘ und die ‘indirekte‘, die ich bevorzugte.
Die direkte Methode soll unmittelbar auf den Gesprächspartner Eindruck machen und hat als angenehme Nebenwirkung die ‘indirekte‘, die auch die Umstehenden erfassen.
Als ich noch Taxi fuhr, habe ich das, wie gesagt, gerne gemacht, da ich immer und grundsätzlich eine Fahrt bekam, wenn ich bei Andrea im Bistro saß, um meine gesetzliche Pause zu absolvieren. Das ging per Handy, mein Chef gab mir die Fahrt und ich konnte ihn grinsen hören, wenn ich mit meinen Angebereien loslegte, weil die anderen Leute in dem Bistro ja nur hörten, was ich sagte: „Hab‘ gerade furchtbar viel zu tun. Nächste Woche nach Hollywood, Penelope, natürlich die Cruz, wer sonst?, will nur mit mir drehen. – Übrigens, da sagt doch neulich in New York die Cameron (Diaz, das merkt doch jeder) zu mir, „Hagen“, sagte sie, „deine Regieführung ist einfach brillant! Da sollte sich dieser Roland Emmerich mal eine Scheibe von abschneiden…“ Eigentlich bin ich ja Taxifahrer und ich liebe diesen Beruf. Aber ab und zu muss ich mal raus, mal wieder einen Film machen!“
Andrea grinste sich immer einen, aber wehe dem Mädchen am Nebentisch, wenn es ein interessiertes Gesicht macht! Sie wird gnadenlos in das ‘Gespräch‘ gezogen.
Wenn einer die nächste Woche entlang kam und meinte: „Ich dachte, du bist in Hollywood?“, konnte ich nur antworten: „Du kennst doch Penelope. Die hat es mal wieder übertrieben, mit ihrer Schlankheitskur. Jetzt liegt sie flach, für mindestens einen Monat. Naja, das Leben ist nicht anders, aber mein Boss war froh, dass ich hiergeblieben bin, ich kann ihn ja nicht dauernd hängen lassen, weil ich mal wieder Regie führen muss ... sind ja sonst alles Stümper in Hollywood.“
Und nun wird gewaltig angegeben, aber mit Bescheidenheit. Das ist die verlogenste Art der Angabe. Ich will sie nicht weiter ausspinnen, um unsere Politiker nicht zu beleidigen, und weil sie leicht schief gehen kann. Angebersteuern sind allerdings nicht zu befürchten; - die hohen Herren haben die Diskussion abgeblockt.
Das ist mir, ehrlich gesagt, auch schon passiert, denn wie sagte Manfred Hinrich schon ganz richtig: Spuckst du große Töne, denk an den Gegenwind!
Ich fuhr damals noch mit meiner Ex-Frau Mittelaltermärkte und hatte schon mächtig Überstunden auf meinem Konto. Da fragte ich meinen Boss, ob ich die wohl am Freitag vielleicht mal abfeiern könnte. „Naja“, meinte mein Boss in seiner unendlichen Großzügigkeit, „das wird sich machen lassen. – Was haben Sie denn großartiges vor, am Wochenende?“
Dass ich bei Mittelaltermärkten mitmachte, wurde von meinem Boss nicht sonderlich gerne gesehen, weil ich Montags auf der Arbeit immer einen dezent verschlafenen Eindruck ausübte, und so antwortete ich in der mir angeborenen Bescheidenheit: „Ich will nach Prora, wir haben da wieder ein Ehemaligentreffen; - von der Stasi-Führungsakademie.“
Unsere Sekretärin tauchte erst mal unter den Schreibtisch ab und mein Boss brüllte los. Ich wusste damals noch nicht, dass er der DDR entwichen war, weil er kein sonderlich gutes Verhältnis zur Stasi hatte. Die nächste Gehaltserhöhung konnte ich also knicken.
Naja, Schwamm drüber.
Ich komme nun zu der Angeberei mit angeblich guten Beziehungen zu hohen Persönlichkeiten. Diese Angabe ist eine Klasse für sich, weil man sich den einen oder anderen Namen einprägen muss!“
Meister auf diesem Gebiet war ein bekannter, mit mir befreundeter Journalist. Er hatte nur eine Geschichte und pflegte diese im Restaurant über sechs Tische weg zu erzählen, oder im Theater über bis zu zehn Sitzreihen, während der Vorhang hochging. Seine hochgradig bewährte Geschichte, die ich natürlich erbarmungslos weiterentwickelt und verfeinert habe, damals noch mit George Dawelyou Bush, aber Präsidenten sind ja austauschbar, ist folgende:
„Also ich sitze da so mit Zbigniew Kazimierz Brzeziński, also ich sitze mit Zbigniew Kazimierz in Baraks Vorzimmer, also Barack Obama“, kleine Pause mit schnellem Seitenblick, ob auch genügend Leute zuhören“, und sage: „Also Zbigniew“, sage ich also, „was ihr da macht, ist außenpolitischer Blödsinn! Dass Israel keinen Luftangriff auf den Iran unternehmen solle, ist ja wohl klar! Ihr seid keine machtlosen kleinen Babys. Sie müssen aber über den Luftraum im Irak fliegen. Werdet ihr nur dasitzen und zuschauen? Und so weiter, ich kürze mal etwas ab, - So und so müsst ihr das machen!“
Darauf geht Zbigniew Kazimierz Brzeziński nachdenklich zu Barak rein, und ich höre durch die offene Tür, wie er zu Barack sagt: „Also, Mister President, my Friend Hagen sagt eben, wir sollen das so und so machen, and I think he's right.“
Man beachte den geschickten, fremdsprachigen Schlenker am Schluss, der alles beweist, der ist nämlich von mir. Der Journalist bezeichnete mich daraufhin als ‘Schmock‘ und beendete die Freundschaft.
Nun ja, so ist das Leben, aber an dieser Stelle spätestens drängt sich die Frage auf: „Geben Frauen eigentlich gar nicht an?“
Sie geben natürlich auch an, aber mit ganz anderen, viel subtileren Mitteln. Frauen versuchen, vor allem mit äußeren Reizen Eindruck zu machen, und betonen diese Reize auf jede nur mögliche Art.
Das ist dem Manne nun wirklich unmöglich.
Stattdessen gibt er an, mehr oder weniger cool.
 

HajoBe

Mitglied
Hallo,
ein wirklich amüsanter und gern gelesener Text, der mit Augenzwinkern dem Leser im "richtigen Leben" manches Schmunzeln auf die erstaunten Züge zaubert…
LG HajoBe
 

Hagen

Mitglied
Vielen Dank, Herr Doktor Berger
für die Beschäftigung mit meinem Text.
Ich hoffen nur, Sie sind kein Psychiater, denn dann hätte ich wirklich die Arschkarte gezogen, mit meinem Text, aber jetzt habe ich die Angeberei ja nicht mehr nötig.
Eigentlich wollte ich mich ja zurückziehen, als Rentner, um für Hape Kerkeling mal wieder in Ruhe als Ghostwriter ein Buch schreiben, aber da wird wieder nichts draus, denn ich muss los, wieder mal eben die Welt retten, denn Angela (die Merkel natürlich) hat eben angerufen, sie kommt mal wieder mit diesem Putin nicht klar.

Also dann, wir lesen uns!
Yours Hagen

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Egal was schief geht,
tue so als wäre es Absicht!
 



 
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