Manchmal geht er vorbei

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Manchmal geht er vorbei

„Ein Tau ist gerissen.“, murmelte der alte Frenzen immer wieder. „Ein Tau ist gerissen.“
„Ein Tau ist gerissen.“ Frenzen riss sich von seinem Stuhl hoch und sah wankend in die Runde. Mit seinen blutunterlaufenen Augen wirkte er wie ein trauriges Seeungeheuer, dem man die Zähne gezogen hatte. Er schob sich die verwaschene Schiffermütze in den schweißglänzenden Nacken und hob den riesigen Bierkrug in Richtung der ausdruckslos starrenden Matrosen.
„Auf den Heiermann!“, schrie Frenzen und trank den Krug bis zur Neige aus. Er wankte und einige jüngere Matrosen stürzten zu ihm und packten ihn bei den breiten, muskulösen Schultern.
Jarmosh drehte sich um und sah den jungen Matrosen, die ihm gegenüber saßen, in die unsicher umhersuchenden Augen.
„Er sagt, dass das Tau gerissen wäre.“, flüsterte Jarmosh und beugte sich ein wenig vor. Das Grinsen, das auf seinen Lippen lag, war das typische Jarmoshgrinsen, faltig, die Stellen, wo seine trockenen Lippen aufgeplatzt waren, waren weiß umrandet und salzverkrustet.
„Hey Hans, hattest du nicht Wache, als es passiert ist?“
Ein junger Mann mit blondem Haar sah Jarmosh plötzlich erschrocken an und riss seine Hände unter den Tisch, als wollte er sie vor den anderen verbergen.
„Warst mit am Tampen“, stellte Jarmosh fest. Sein Grinsen hatte sich auf das bloße Zeigen seiner weißen, aufeinander gepressten Zähne reduziert.
„Dann hast du´s gehört!“ Jarmosh schlug die Hände so laut zusammen, dass die jungen Männer erschrocken auffuhren.
„Den Knall! Das vergisst man nicht, wenn ein Tau reißt. Dieses Geräusch, wenn der Tampen „redet“, wenn er ächzt und ihn scheinbar nur noch der Wille zusammenhält. Man hängt an ihm, wie am eigenen Leben.“ Er nickte Hans aufmunternd zu.
„Und dann?“
„Dieses Geräusch…“, begann Hans mit zitternder Stimme.
„JA!“, sagte Jarmosh laut und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Wenn das Tampenende an einem vorbeirauscht und man den Luftzug im Gesicht spürt. Und man hat den Knall noch in den Ohren, während hinter einem einer zu schreien anfängt, als hätte man ihn mit einem Staken aufgespießt.“ Jarmoshs Grinsen wurde furchterregend breit.
„Ich hab Männer gesehen, die ein zerrissener Tampen mittendurch geschnitten hat und die wie Möwen mit den Armen ruderten, während ihr Oberkörper durch die Luft geschleudert wurde. Es heißt“, seine Augen wurden groß, „dass die Seele des Tampens versucht hat wieder in einen Menschen zu kommen.“
„Was für eine Seele?“, fragte Hans gleichzeitig erschrocken und neugierig.
„Die Seele, die in den Tampen geknüpft ist, natürlich“, sagte Jarmosh leise. Die jungen Männer beugten sich über den Tisch, um Jarmosh besser verstehen zu können.
Jarmosh drehte sich um, löste das Bändsel von seinem Stuhl, mit dem der Stuhl bei Sturm am Tisch festgezurrt wurde und hielt es den jungen Matrosen hin.
„Jeder Tampen wird mit der Seele eines Mannes geknüpft. Seht ihr die geteerten Enden?“ Vorsichtig rieb er die Stelle mit Damen und Zeigefinger. „Wenn es flüssig ist, ist es so heiß wie in der Hölle und die Seele verkriecht sich im Tampen. Aus Angst.“
Die jungen Männer schauten ungläubig.
„Hah!“, Jarmosh lachte laut auf. „Was denkt ihr denn, warum sich ein Tampen nicht einfach aufdreht, he?
Es ist die Seele, die sich darin windet und dreht und dreht! Sie dreht sich um sich selbst.“
„Also könnte man eine Seele befreien, in dem man einen Tampen zerschneidet?“, fragte Hans. Jarmoshs gewaltige Hand zuckte blitzschnell vor und packte Hans am Kragen.
„Einen Tampen zerschneiden?“ Seine Stimme war so hoch, dass sie fast brach.
„Niemand zerschneidet einen Tampen, mein Freund. Seilmacher zerschneiden Tampen. Bist du ein Seilmacher?“ Hans griff sich an den Hals, wo Jarmoshs Griff ihm die Kehle abschnürte.
Jarmosh ließ ihn genau so plötzlich los, wie er ihn gepackt hatte.
„Ein Seilmacher ist ein sonderbarer Mensch, sag ich euch. Es heißt, Seilmacher schließen einen Packt mit dem Teufel, bevor sie ihren ersten Tampen zerschneiden.
Man sagt dann, der Heiermann geht an ihnen vorbei.“
Jarmosh griff in seine Seemannshosen und ließ ein silbernes Fünf Mark Stück auf den Tisch fallen. „Soviel kostet ein Spiel mit dem Teufel. Und wenn du den Peis zahlst, dann sagt man, geht der Heiermann vorbei.“
„Und wenn man ihn nicht zahlt?“, fragte Hans und sah in die Gesichter der anderen, die ihre Münder bereits geöffnet hatten.

„Dann geht er nicht vorbei.“ Jarmosh steckte das Fünf Mark Stück zurück in seine Hosen, nahm das Bändsel und befestigte es wieder am Stuhl.
Als er aufstand, hörte er auf zu grinsen und sah plötzlich nachdenklich auf Hans herab.
„Zeig mal deine Hände.“, sagte er. Hans zeigte ihm die Hand, mit der er sich eben an den Hals gegriffen hatte.
„Die andere“, befahl Jarmosh und packte seinen linken Arm und riss die Hand unter dem Tisch hervor. Ein roter Striemen leuchtete quer über den gesamten Unterarm.
„Da hat mich der Tampen getroffen, als …“ Hans schwieg und sah auf den Boden.
„Du meinst, als der Tampen gerissen ist und Frenzens Sohn die Strömung in die Tiefe gezogen hat.“
„Ja, als er gerissen ist.“, sagte Hans.
Jarmosh lächelte.
„Und warum hat sich die Seele dann nicht deinen Arm geholt?“


Das Zwischendeck der Petula wiegte sich im Nachtsturm. Wie Donner brausten die Wogen des Meeres gegen die hölzernen Außenwände. Vom Oberdeck hörte man nur das leise, aufgeregte Schlagen von Matrosenfüßen, deren harte Korksohlen auf die Planken trommelten.
Hans tastete nach der Öllampe, als ihn ein unerwarteter, einzelner Schritt herumfahren ließ.
„Wer ist da?“ Hans´ Hände zitterten. Das leise Prasseln, von auf den Boden fallenden Streichhölzern, ließ Panik in ihm aufsteigen. Im Dunkeln versuchte er die Reibefläche der Streichholzschachtel zu erfühlen. Ein leise Ratschen, dann ein Lichtschein, der Hans´ Gesicht in ein helles, gelbes Licht tauchte.
„Wer ist da?“, fragte Hans lauter und hielt das brennende Streichholz an den Docht der Öllampe. Langsam breitete sich das heller werdende Licht von ihm aus und zog lange Schatten in den mit über- und ineinander gestapelten Taurollen überfüllten Lagerraum.
Hans kniff die Augen zusammen. Er schwenkte die Lampe hin und her, um die Ecken, die teilweise im Schatten lagen, auszuleuchten.
„Wenn jemand da ist, sollte er rauskommen und mir dabei helfen, meine Arbeit zu erledigen und nicht wie ein arbeitsfauler Schwede in dunklen Ecken rumlungern.“
Wieder und wieder drehte Hans sich um und schwenkte die Lampe hin und her. Sein Blick begann langsam, sich zu entspannen.
„Vielleicht sollte er mir dabei helfen, dieses verdammte Tau zu finden.“, sagte er wie zu sich selbst und kicherte. Zielsicher ging er in Richtung des vorderen Schotts und stellte die Öllampe auf den Boden. Irgendwo hier mussten sie das Tau verstaut haben. Er packte ein paar schlecht festgezurrte Tautrommeln und warf sie achtlos neben sich auf den Boden.
DA! Hans stöhnte erleichtert auf. Das musste es sein. Das Tau war schon etwas älter und hatte eine Farbe von grünem Moos angenommen. Dass Hanftaue irgendwann anfingen zu schimmeln war eigentlich nichts Besonderes. Hans nahm das Tau in die Hände und ließ es langsam durch seine Handfläche gleiten.
„Was, ich kann dich nicht verstehen.“, rief er leise und tat so, als würde er an dem Tau ziehen.
„Ja, halt dich gut fest!“ Lachend schüttelte Hans den Kopf. „Sir, Kaptän Frenzen, Sir, am Besten Sie holen die anderen. Ich halte hier so lange die Stellung.“ Hans hörte auf zu lachen, als ihm das Ende des Taus in die Hände kam. Er befühlte es mit den Fingern und konnte sehr genau die Fläche erfühlen, wo er das Tau mit dem Messer angeschnitten hatte.
Ein lautes Seufzen ließ Hans herumfahren. Polternd fiel das Tau zu Boden.
„Ich wusste, dass irgendwer die Leute hier beklaut.“, sagte Jarmosh und trat aus dem Schatten hervor. Das Grinsen, das er noch am Vormittag auf den Lippen gehabt hatte, war wie weggeblasen.
„Und weißt du, wer mich drauf gebracht hat?“
Hans starrte ihn schweigend an.
„Du.
Du hast allen so die Ohren voll geheult, dass sie dir dein Messer geklaut hätten. Dein Messer.“
Jarmosh schüttelte den Kopf.
„Sie klauen dir vielleicht dein Geld, Junge, aber nicht dein Messer. Keiner macht das. Und dann die Sache mit dem gerissenen Tampen. Er ist schimmlig, was? Wahrscheinlich wäre er wirklich irgendwann gerissen. Weißt du noch, wie ich dir von dem Knall erzählt habe, wenn ein Tampen reißt? So einen Knall vergisst man nicht, hab ich gesagt.“ Jarmosh griff an seinen Gürtel und zog sein Schiffermesser heraus. Langsam klappte er die Klinge aus dem Holzgriff.
„Weißt du, ich habe keinen Knall gehört und ich war an Achtern, hinten im Verladedeck. Komisch was, keine zwanzig Meter weg. Und dann der Striemen auf deinem Arm. Ich sollte dir deinen Arm brechen, damit du weißt, wie es ist, wenn ein gerissener Tampen dich trifft.“
Hans machte plötzlich einen hastigen Schritt nach vorn.
„Jarmosh, hinter dir!“
Jarmosh lächelte. „So einfach nicht, mein Junge.“, sagte er und umfasste den Griff des Schiffermessers so fest, dass die Knöchel seiner Hand weiß und leuchtend hervortraten.
Er wollte gerade einen Schritt nach vorn machen, als ihn das dicke, knotige Ende eines Taus direkt am Hinterkopf traf. Mit einem leisen Stöhnen sackte Jarmosh zu Boden.

„Er wollte mich umbringen.“, sagte Hans und klaubte unsicher die Öllampe von Boden auf. Die Gestalt, die Jarmosh mit dem Tauende niedergeschlagen hatte, stand im Schatten der großen Tampenrollen und bewegte sich nicht.
„Bist du das, Jens?“, fragte Hans und hielt die Öllampe hoch, um den Schatten auszuleuchten.
Je höher er die Lampe hob, desto mehr konnte er erkennen, dass die Gestalt unüblicherweise keine Schiffskleidung trug. Seine Hosen waren grün. Das Grün erinnerte Hans an die Farbe von schimmligen Tauen. Hans hielt die Lampe höher und ging einen Schritt vor. Die Gestalt hielt nicht nur das kurze Ende eines Tampens sondern auch einen metallisch glänzenden Gegenstand in den Händen.
„Was ist das?“, fragte er. „Sind das Dornen?“
Die Gestalt antwortete nicht.
Hans blieb stehen.
„Du bist doch Jens,
oder?“

Jarmosh erwachte schreiend. Durch das Bordfenster schien ihm die warme Morgensonne ins Gesicht. Ein alter Matrose mit einem goldenen Nasenring hielt ihm einen schmutzigen, feuchten Lappen hin. Seine raue, tiefe Stimme verursachte bei Jarmosh Kopfschmerzen.
„Na Jim, seltsame Nacht, was?“
Jarmosh richtete sich auf und schob sich stöhnend den feuchten Lappen in den Nacken.
„Ja.“, antwortete er und sah gedankenverloren auf das Meer hinaus.
Der alte Matrose mit dem Nasenring nickte und kniff die Augen zusammen, als er Jarmoshs Blick folgte. Sein ganzes Gesicht wurde zu einer einzigen, wettergegerbten Faltenlandschaft.
„Du sollst dich beim Alten melden, wenn du wieder klar schiff bist.“, sagte er nach einer Weile.
Jarmosh nickte und schlug die raue Filzdecke zurück. Seine Beine fühlten sich seltsam schwer und ungelenkig an. Von Oberdeck hörte er die Schiffsglocke die mit drei Doppelschlägen sechs Glasen anzeigte.
Die Wache war fast vorbei.

In der Kajüte des Kapitäns roch es nach Erde und nach schimmligem Holz. Frenzen lag mit dem Gesicht zur Wand in seiner Koje und schien erschöpft und in sich zusammengesunken.
Jarmosh ging vorsichtig zum Fenster und öffnete es. Mit geschlossenen Augen atmete er tief die frische Seeluft ein und seufzte. Fast hätte Jarmosh gelächelt.
„Du warst heute Nacht unten bei den Tauen.“ Frenzen stand plötzlich hinter Jarmosh und legte ihm väterlich die Hand auf die Schulter.
„Jawohl.“ Jarmosh drehte sich um und aus dem Griff des Kaptäns los und nahm Haltung an.
„Hast du da den Hans gesehen?“
„Ich habe mehr als das gesehen.“
Frenzen nickte.
„Wir haben den Hans heute Morgen gefunden. Achtern im Verladedeck.“
„Hat er was gesagt, der Hund?“ Jarmoshs Augen funkelten vor Wut.
„Nein, er hing da bei den Achterleinen.“, sagte der Kaptän leise und ließ ein Tauende durch seine Finger gleiten. „Irgendwer hat ihn da mit einem Tau aufgeknüpft.“
„Wer?“ Jarmosh war keinerlei Trauer anzumerken.
„Ich dachte du könntest mir das vielleicht sagen.“ Der Kaptän legte den Griff eines Schiffermessers vor Jarmosh auf den Tisch.
„Das haben wir bei dem Hans gefunden.“
Jarmosh zuckte erschrocken zusammen. Erst wurde sein Gesicht bleich, dann entspannte er sich und nahm wieder hab acht an.
„Das Messer gehört dem Matrosen Jarmosh, Herr Kaptän.“
Frenzen nickte, nahm das Messer und steckte es Jarmosh in die Jackentasche.
„Der Hans war ein verdammter Dieb.“, sagte er ruhig. „Und einige von uns haben das gewusst.“
Jarmosh wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
„Ja“, sagte er schließlich.
Aus dem Augenwinkel sah Jarmosh, wie der Kapitän das Tauende auf den Tisch legte und langsam seine Seejacke vom Haken nahm.
„Die Wache ist bald vorbei. Dann woll´n wir den Hans über Bord werfen.“ Frenzen schluckte.
„Wie es sich gehört.“, sagte er leise. Hastig zog er seine Jacke an, ging zur Tür und riss sie auf.
„Wie es sich gehört.“, stieß er laut zwischen den Zähnen hervor. Dann verschwand er auf dem Flur.

Jarmosh blieb noch einen Augenblick auf hab acht, dann entspannte er sich. Langsam wanderte sein Blick über den Tisch der Kapitänskajüte und blieb an dem liegen gebliebenen Tauende haften. Jarmosh schloss die Augen und atmete die frische Meeresluft ein.
Dann verließ auch er die Kajüte.
Als eine große Woge von fast zwei Meter Höhe die Petula traf, fielen in der Kantine unter Deck mehrere Stühle zu Boden und der Koch gab dem Küchenjungen eine schallende Ohrfeige, weil er vergessen hatte, die Stühle an den Tischen festzuzurren.
In der Kajüte des Kapitäns rollte ein kurzes, aber sehr starkes Tauende vom Tisch und hinterließ darauf eine schmale, lang gezogene Spur von frischem Teer.

An Deck schlug man ein Glasen nach Beginn der Wache.
„Soll ich dir noch mal die Geschichte vom Heiermann erzählen?“, fragte Jarmosh und stützte seine Ellenbogen auf der Reling auf. Der alte Matrose mit dem Nasenring stand hinter ihm und schwieg.
„In jedes Tau ist eine Seele geknüpft. Deshalb dreht sich ein Tau auch nie auf.
Weil sich die Seele darin dreht und dreht und dreht.“ Jarmosh schloss die Augen.
„Sie haben heute Morgen den Hans gefunden.“, sagte der alte Matrose mit dem Nasenring.
„Jemand hat ein Tau genommen und ihn bei den Achterleinen aufgeknüpft.“
Jarmosh nickte.
„Das war aber nicht alles.“, sagte der alte Matrose.
„Jemand hat ihm mit einem Marlspieker die Brust aufgerissen.“ Der alte Matrose schüttelte den Kopf. „Als wollte er ein Tau spleißen.“
„Werden Marlspieker nicht benutzt, um Taue aufzutrennen?“, fragte Jarmosh plötzlich.
„Man nennt es spleißen.“, sagte der alte Matrose.
„Außerdem hab ich mir das Tau mal genauer angesehen.“
Jarmosh griff sich gedankenverloren in die Tasche seiner Seemannshose.
„Ein Stück fehlte.“
„Wie eine Trophäe.“, sagte Jarmosh und zog das Fünf Mark Stück aus der Hosentasche.
Er sah es eine Weile an, dann warf er es in hohem Bogen über Bord.
„Damit er vorbeigeht.“, sagte der alte Matrose hinter ihm.

„Ja.“, sagte Jarmosh.
„Damit er vorbeigeht.“

Hinter ihnen sah man die jungen Matrosen, wie sie sich gegen die Vorleine stemmten.
„HOLT EIN!“, hörte man den Maat schreien.
„Los, ihr faules Pack, holt sie ein!“
Auf dem Vordeck stand der Kapitän und hielt ein kurzes Stück Tau in seinen braungebrannten Händen. Wenn man genauer hinsah, hätte man meinen können, dass das Tau sich zu bewegen schien.
Frenzen presste das Tauende gegen seine Brust und unter Tränen spürte er, wie das Tau in seinen Händen kaum spürbar zuckte. Mal schien es, als würden sich die Fasern zusammendrehen, dann wieder, als würden sich die Fasern lösen.
„Es ist gut.“, flüsterte Frenzen und streichelte das, was jetzt in dem Tau war.

„Es ist gut.“


Ende


Bändsel: dünnes und kurzes Ende. Kleine Tauwerksenden zum Festbinden von Segeln, Persennings, Bootshaken, Pützen und anderes

Heiermann: umgangssprachlich für Fünf Mark Stück

Marlspieker: Der Marlspieker ( Stahlpriem )ist ein dornartiges Handwerkzeug aus Stahl, das zum Spleißen und Marlen verwendet wird.
 
Hallo Marcus,

schönes Seemansgarn hat du uns da erzählt, eine wirklich hintergründige Art an Horror.

Aber an der Stelle wo Jarmosh und Hans zum entscheidenden Showdown zusammentreffen, könnte der Gruseleffekt ein wenig mehr erhöht werden, da fehlt ein wenig die Gänsehaut, die gehört doch zu dem Seemansgarn dazu.

Zur Idee in Bezug auf die Fingerübung gibt es nichts zu meckern, sauber gemacht.

Bis bald,
Michael
 
Hi Micha,
da hast du Recht, der Part des Showdowns geht in der Geschichte unter. Schade. Hat aber seinen Grund. Mir lag einfach zu viel an der Idee. Dieser Heiermann, der als mystische Firgur auftaucht, ähnlich wie der Klabautermann oder auch (Scarlett wird das verstehen) wie der Mann mit dem Haken, hat eine so große Phaszination auf mich ausgeübt, daß ich das Finale wie einen "kleinen, haarigen Bock übersprang" - wenn du weißt, was ich meine.
Dafür fand ich einfach den Schluss zu klasse, wirklich mystisch, wie Jarmosh dieses Fünf Mark Stück in die See wirft, in dem festen Glauben, daß dadurch sein Kaptän gerettet werden könnte - nicht nur vor seinem (vielleicht?) moralischen Fehlverhalten, sondern, oder gerade vor dem ersten oder vielleicht zweiten(?) Eingreifen des Heíermanns?

Jedenfalls fand ich den Schluss sehr stimmig. Bin am Überlegen, die Geschichte an Land zu verlegen.
Jedenfalls hast du Recht, wenn du sagst, daß das "Finale" der Knackpunkt der Geschichte ist und stärker in den Vordergrund gehoben werden muss, um die Gruseligkeit noch stärker lesbar zu machen.

Ich glaube, die Geschichte hat ein schönes Potential und ich glaube, ich bin ein wenig stolz, daß du den Begriff "Seemannsgarn" benuntzt hast.

Was kann es Schönres geben,
als ECHTES GARN ZU SPINNEN!
Ich glaube, das gilt für jedes Genre.

Gruss, Marcus
 

Nick

Mitglied
Hallo Marcus! Dir ist eine dichte, atmosphärische Gruselgeschichte gelungen — vielen Dank dafür! Ich hatte beim Lesen viel Spaß! “Manchmal geht er vorbei” gehört dringend in eine Sammlung von Seemanns-Grusel. Viele Grüße!
 



 
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