Maria und der Bettler

texxxter

Mitglied
Marias Schicht war um 17 Uhr zu Ende. Eine dichte Wolkendecke überschattete diesen kühlen Tag im späten November. Sie stieg in ihren Fiat und schaltete ihren Lieblingssender ein. Die Arbeit heute war anstrengend gewesen. Sie leitete ein Projekt für betreutes Wohnen in Hamburg - Altona.
Zu den weniger angenehmen Aufgaben ihres Berufsalltags gehörte es, körperlich behinderten Menschen auf der Toilette zu helfen. Doch Maria verfügte nicht über ein ausgesprochen starkes Ekelgefühl. Im Großen und Ganzen liebte sie ihre Arbeit. Sie liebte sie vor allem deshalb, weil zu Hause sowieso niemand mehr auf sie wartete. Seit sie vor einem Jahr mit ihrem Freund Schluss gemacht hatte, lebte sie allein.
Bevor sie nach hause fuhr, wollte sie noch kurz bei Aldi vorbeischauen, um sich ein Nachtessen und eine Flasche Wein zu kaufen.
Mit einiger Mühe fand sie schließlich einen Parkplatz, der etwa 100m entfernt lag.



Während sie in Richtung der Aldi-Filiale lief, traf sie auf Dieter.
Seit sie hier zum Einkaufen ging, hatte sie ihn jedes mal hier sitzen sehen, eingewickelt in seine zerfranste Decke, neben sich eine halbleere Flasche Vodka stehen. Vor ihm lag ein Sammelhut. Die Ausbeute heute schien nicht gerade üppig zu sein. Maria entdeckte viele bronzene und vereinzelt auch goldene Cent-Münzen.
Da sie schon unzählige Male an Dieter vorbeigelaufen war, und ihm jedes Mal etwas seinen Hut gelegt hatte, waren sie irgendwann ins Gespräch gekommen.
Nun kannte sie Dieters gesamte Lebensgeschichte. Zuerst hatte seine Frau ihn verlassen, dann verfiel er der Alkoholsucht und bald darauf verlor er seinen Job als Bauingenieur . Da er zu dieser Zeit unter schweren Depressionen litt, waren ihm die vielen Gänge zum Amt, die Fortbildungsmaßnahmen und die Job-"Angebote" irgendwann zu viel geworden. Als Konsequenz waren ihm sämtliche Leistungen gestrichen worden und so landete er auf der Straße. Dort lebte er jetzt seit etwa sechs Jahren.


Instinktiv griff Maria in ihren Geldbeutel, um Dieter zumindest 2 Euro dazulassen. Verärgerst stellte sie fest, dass sich dort nur noch ein paar bronzene Cent-Münzen befanden.

"Schon okay, meine Liebe, musst ja nicht jeden Tag was für mich reinwerfen. Ich komm schon irgendwie durch", raunte Dieter mit kratziger Alkoholikerstimme.

Beschämt blickte Maria ihn an. Dieter wirkte immer so einsam, besonders heute. Immer schien er allein zu sein.
Da schoss ihr für eine Sekunde eine verrückte Idee durch den Kopf.
Doch schnell verdrängte sie den Gedanken und murmelte sogar halblaut "Nein, das geht nicht"

"Bis bald, Dieter, lass dich nicht unterkriegen", rief sie ihm zum Abschied hinterher.



Auf dem Nachhauseweg fiel es ihr schwer, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders.

"Vielleicht hätte ich es doch tun sollen", dachte sie mit einem Anflug von Reue. "Der arme Kerl hat doch bestimmt seit Jahren niemanden mehr gehabt"

Sie hielt an einer roten Ampel.

"Morgen tue ich es", dachte sie jetzt entschlossen.
"Ich werde ihn bei der Hand nehmen, mit ihm ins nächste Gebüsch verschwinden und dort dann mit ihm anstellen , was immer er sich von mir wünscht. Klar, Dieter roch ekelhaft nach altem Schweiß und Alkohol und seine Zähne waren sicherlich abstoßend. Doch ich glaube damit würde ich klar kommen, ich unterdrücke meinen Ekel jeden Tag bei der Arbeit. Und hier könnte ich wirklich was Gutes für jemanden tun.
Und soll da mal einer wagen, mich eine Schlampe zu nennen. Immerhin, mein Körper gehört mir, oder nicht?"


Die Ampel schaltete auf grün.

Maria drückte das Gaspedal voll durch und mit quietschenden Reifen verschwand der Fiat in der Dunkelheit.
 

Ofterdingen

Mitglied
Eine interessante Idee, auf diese Art Barmherzigkeit zu üben und wohl auch selber einen Lustgewinn zu haben.
An einigen Stellen wären Korrekturen angebracht:

Doch Maria verfügte nicht über ein ausgesprochen starkes Ekelgefühl. Im Großen und Ganzen liebte sie ihre Arbeit.
Doch Maria wurde nicht durch Ekelgefühle in ihrer Arbeit behindert. Im Großen und Ganzen liebte sie diese.

jedes mal
jedes Mal

nach hause
nach Hause

Seit sie hier zum Einkaufen ging, hatte sie ihn jedes mal hier sitzen sehen, eingewickelt in seine zerfranste Decke, neben sich eine halbleere Flasche Vodka stehen.
Seit sie hier zum Einkaufen ging, hatte sie ihn jedes mal hier sitzen sehen, eingewickelt in seine zerfranste Decke, neben sich eine halbleere Flasche Wodka.

viele bronzene und vereinzelt auch goldene Cent-Münzen.
viele kupferne und vereinzelt auch goldene Cent-Münzen.

Doch ich glaube damit würde ich klar kommen
Doch ich glaube, damit würde ich klarkommen
 

ahorn

Mitglied
Hallo texxxter,

hatte just fünf Minuten.


(Doch) Ekelgefühl behinderte Maria nicht in der Arbeit.
Geht auch ohne Passiv.

Bevor sie nach hause fuhr, wollte sie noch kurz bei Aldi vorbeischauen, um sich ein Nachtessen und eine Flasche Wein zu kaufen.
Bevor sie heim fuhr, wollte sie beim Discounter hineinschauen, um etwas für die Nacht zum Essen und eine Flasche Wein zu kaufen.
Dann trifft sie auch den Laden.

Während sie in Richtung der Aldi-Filiale lief, traf sie auf Dieter.
Auf dem Weg zum Discounter traf sie auf Dieter. Ich glaube nicht, dass sie läuft.

hatte sie ihn jedes mal hier sitzen sehen
sah sie ihn jedes Mal hier sitzen

Als Konsequenz waren ihm sämtliche Leistungen gestrichen worden und so landete er auf der Straße.
Als Konsequenz hatten sie ihm sämtliche Leistungen gestrichen und so landete er auf der Straße.

raunte Dieter mit kratziger Alkoholikerstimme (Das Raunen passt nicht zum Kratzen)
krächzte Dieter, in einer für einen Alkoholiker üblichen Stimme.

Auf dem Nachhauseweg fiel es ihr schwer, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.
Auf dem Heimweg fiel es ihr schwer, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.

"Der arme Kerl hat doch bestimmt seit Jahren niemanden mehr gehabt PUNKT"

"Morgen tue ich es", dachte sie jetzt entschlossen.

Maria drückte das Gaspedal voll durch und mit quietschenden Reifen verschwand der Fiat in der Dunkelheit.
Maria drückte das Gaspedal voll durch, (sodass) die Reifen quietschten, und sie verschwand mit ihrem Fiat in der Dunkelheit.

Gruß
Ahorn
 



 
Oben Unten