Marikati

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sohalt

Mitglied
Wer weiß, sagte Marikati, vielleicht ist es kein Zufall, dass wir uns hier begegnen, dass du hier nicht fünf Minuten später lang gekommen bist und nicht fünf Minuten früher. Vielleicht will dir das Schicksal damit etwas sagen.


Durch sie nämlich. Marikati ist wohl so was wie ein Medium. Sie hatte mich vor der Uni abgepasst, um mir zu verkünden, dass sie mir etwas Wichtiges mitzuteilen hätte. Da wusste ich ihren Namen noch nicht, ich hatte sie nie zuvor gesehen. Sie war 2 Köpfe kleiner als ich, sie hatte große, dunkle Augen, ein altersloses, herzförmiges Gesicht und eine Warze am Haaransatz und redete in einem singenden Tonfall auf mich ein. Sie behauptete, in meinen Augen lesen zu können. Dass da ein Unglück wäre hinter der Zufriedenheit, eine Blockade, ein Ziel, dass ich einfach nicht erreiche, ein großer Druck. Sie wüsste, was ich ändern muss.
Ich glaubte ihr kein Wort und fragte mich, wie ich ihr erklären sollte, warum ich dann immer noch bei ihr stand.
Meine Vorlesung begann in 5 Minuten.
-Ich muss weg, und außerdem, was willst du überhaupt, mir irgendwelche Tarot-Karten andrehn, oder was?
An die Karten glaube sie selbst nicht, nein, sie würde mir erst meine Vergangenheit erzählen, dann könnte ich selbst entscheiden, wie viel ich ihr geben will. Es klang nach einem fairen Deal.
Ich lese sonst nicht mal Horoskope.
Ich wusste, dass mich die kleine Wahrsagerin für dumm verkaufen wollte, aber mir war es egal. Ich brauchte einen Grund, um Statistik zu schwänzen, und außerdem war da diese Stimme in meinem Kopf, die mich beständig aufhusste: Komm schon, mach mal was Irrationales, Rational ist langweilig – los!

Ich schleppte sie also in ein Café 2 Straßen weiter und hörte mir an, was sie zu sagen hatte. Dazwischen stellte ich ihr einige Fragen, wie sie hieß, wo sie herkam, wie sie zu diesem Beruf gekommen wäre und worin genau er eigentlich bestände. Und was der Spaß kosten sollte, natürlich. Ich erfuhr, dass man das Wahrsagen nicht lernen kann: Marikati hatte es von ihrer Großmutter geerbt. Ihr Vater war Grieche, ihre Mutter Italienerin, als Marikati 9 war, hatte sie ihre Begabung entdeckt, sie sagte nicht nur die Zukunft voraus, sie half anderen Leuten, das war ihr Beruf. Sie lebte nicht in dieser Stadt, sie war nur heute hier, wegen einer krebskranken Frau. Gewöhnlich gaben ihr die Leute 30 Euro, aber ich sollte mir erst anhören, was sie zu meiner Vergangenheit zu sagen hätte, dann würden wir weitersehen.
30 Euro sind mir sowieso zu teuer, dachte ich, aber lass sie ruhig raten, mal schauen, ob sie’s trifft.
Ich lud sie auf ein Getränk ein, sie bestellte sich einen kleinen Schwarzen. Du musst mir jetzt in die Augen schauen, sagte sie.
Sie haute gleich bei der Einleitung so kräftig daneben, dass ich sagte, tut mir leid, schon verspielt. Aber ich ließ sie trotzdem noch ein wenig weiter erzählen. Sie sprach sehr leise und sehr schnell.
Es muss nicht unbedingt sein, dass sie mich für dumm verkaufen will, dachte ich, auch wenn sie vielleicht nicht einmal selbst daran glaubt. Sie hat einfach nur eine gute Menschenkenntnis, sie hat gesehen, dass ich unsicher bin, und nicht weiß, was werden soll und sie will mir jetzt erzählen, wie alles gut wird, damit ich mich besser fühle.
Und sie deckt mich ein mit ihren Sing-Sang, sie hüllte mich armes, anfälliges, waidwundes Ding in einen Kokon aus tröstlichen Zukunftsvorhersagen, alles wird gut, du wirst lange leben (warum schreie ich so erschrocken „Nein!“ als sie mich fragt, ob ich wissen will wie lange genau, wenn ich ihr doch sowieso nicht glaube?), ich werden einen Mann haben, und 2 Kinder, nie reich sein, aber zufrieden, ist das nicht das liebe, kleine Leben, dass wir uns alle wünschen, gelegentlich? Da ist jemand, der dich liebt, er weiß nur noch nicht, ob du die Richtige bist, du fühlst dich einsam, aber du bist es gar nicht.
Ich überlegte mir, dass ich eigentlich doch in Statistik gehen sollte, noch würde es sich auszahlen. Das, was Marikati da erzählte, war vielleicht interessanter als die Rechenregeln für Standardabweichungen, aber im Gegensatz dazu nicht klausurrelevant. Und dann dachte ich mir, dass es mir eigentlich doch nicht egal war, für dumm verkauft zu werden. Eigentlich hasste ich es. Nicht die Leute, die es versuchten, das fand ich legitim. Es gibt nichts, was so sehr danach schreit, ausgenützt zu werden, wie Dummheit. Nein, ich hatte nichts gegen die kleine Wahrsagerin persönlich, aber ich hielt es keine Sekunde mehr neben ihr aus.

Ich ging, ohne sie zu bezahlen. Sie war nicht beleidigt, eher traurig. Wenn du mir nicht glaubst, kann ich nichts machen, sagte sie.

Als ich im Hörsaal saß, bereute ich es schon wieder. Es hätte so viele andere Dinge gegeben, die man mit ihr bereden hätte können: Ob man mit der Wahrsagerei seinen Lebensunterhalt verdienen kann, wie die Leute durchschnittlich auf sie reagieren, woher sie den Mut nimmt, wildfremde Leute auf der Straße anzusprechen. Und wie sie so lebt. Es wäre bestimmt spannend gewesen, sie, die sie sonst immer nur anderen Leuten über deren Leben erzählt, über ihr eigenes Leben erzählen zu lassen. Einen Moment spielte ich sogar mit dem Gedanken, dass ich nachher selbst versuchen hätte können, ihr die Zukunft vorherzusagen. Und eins, eins hätte mich wirklich brennend interessiert: Wieso sie mich ausgesucht hatte.

Zuerst war mir das überhaupt kein Rätsel gewesen, die Körpersprache verrät viel über einen Menschen, gerade die Unsicherheit, die ihn zum geeigneten Opfer für Hokus-Pokus macht. Und da ich genau gar nicht darauf achte, wie mein Auftreten auf andere wirkt, verrät meine mich wahrscheinlich eins zu eins.

Aber dann dachte ich darüber nach. Eines nämlich war seltsam: Gerade in diesem Moment, in dem mich Marikati angesprochen hatte, war ich außergewöhnlich zuversichtlich. Ich war gerade mit 2 Studienkolleginnen, W. und N. in der Mensa essen gewesen, wir hatten viel gelacht und ich dachte daran, wie gern ich die beiden eigentlich hatte. Was beschwerst du dich überhaupt, sagte ich mir, noch funktionieren die Verdrängungsmechanismen tadellos und der Rest klappt doch wunderbar. Es war warm und hell und bald Wochenende und selbst in der Stadt roch es nach Gras. Drohende Freibadsaison hin oder her, ich liebe den Frühling, dachte ich.

Schon lange war ich nicht mehr so beschwingt gegangen
 
B

Blackmail

Gast
Ich bin wirklich enttäuscht wenn nicht gerade empört... das war ein echt geiler Vorspiel ohne Sex... ich fühle mich von dir voll verarscht...

Gesichte? Kurzgeschichte? Das ist keine Gesichte mein Freund, das lediglich eine Bestandsaufnahme...

na ja du kannst das sicher besser...
BLACKMAIL
 

sohalt

Mitglied
Stimmt. Es mangelt tatsächlich etwas an Action. Wahrscheinlich das falsche Unterforum.

lg
deine FreundIN
sohalt
 
X

xzar

Gast
hallo sohalt,

also mir fehlt hier was. der schluss kommt ohne logischen zusammenhang. er rundet die geschichte nicht ab. hat es dich einfach nicht mehr gefreut weiter zu schreiben? dabei hat die geschichte was, finde ich, und du schreibst auch flüssig und angenehm lesbar.

mach doch noch was draus.

lg
co
 



 
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