Hallo Marker,
ich habe deinen Text gelesen und mir gefällt die grundsätzliche Idee dahinter. Trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) habe ich eine ganze Reihe von Anmerkungen.
Während ich mich auf dem Kies hinfort bewege…
Dieser Satzteil passt in meinen Augen nicht so richtig, er ist nüchtern beschreibend und der Fokus liegt auf dem Erzähler, während die anderen beiden Satzteile erlebend sind und der Fokus jeweils auf den Gegenständen liegt: da wogt das Grün, da streichelt der Wind; warum knarzt dann nicht auch der Kies?
Unverhofft stehe ich dir gegenüber: einem wie aus dem Nichts materialisierten Engel aus weißem Marmor.
Dieser Satz ist für mich schief. Wenn der Engel aus Marmor ist, schließt das eine Materialisierung aus dem Nichts aus ebenso wie eine Statue, einen Schöpfer impliziert, denn seine materielle Gestalt ist aus Marmor und er ist das Produkt einer Tätigkeit. Wenn du damit das plötzliche Auftauchen im Blickfeld des Protagonistenunterstreichen willst, geht das für mich nicht aus dem Satz hervor.
„Die Abendsonne gießt ihr flüssiges Gold über deine Locken und Flügel und über deine Schulter mit der Memento-Mori-Inschrift.“
Der erste Satzteil ist für meinen Geschmack ein wenig abgenudelt, das flüssige Gold der Abendsonne ist unheimlich pathetisch und wohl schon bis zur Unendlichkeit in Texten aufgerufen worden. Beim zweiten Satzteil, der das klassische Memento-Mori Thema aufgreift, habe ich mich gefragt, ob das nicht besser hinter der Beschreibung der Kleidung aufgehoben wäre, da die Inschrift wohl auf das Gewand gestickt und nicht auf die nackte Schulter gemeißelt ist.
An ein paar Stellen fand ich den Text ein bisschen zu schwülstig: z.B. „scharfer Sternengeist zu lodern“ oder „vermöchtest du doch zu erwachen aus deinem steinernen Schlaf…deine Flügel über mich auszubreiten und mich mit himmlischer Liebe zu wärmen.“ Das ist aber mein subjektiver Eindruck, es gibt bestimmt auch Leute denen das gefällt.
Vielleicht aber müssten wir dann aneinander verbrennen, um am Ende zu Asche zu zerfallen
Auch hier rufst du in meinen Augen wieder ein sehr klassisches Motiv auf, indem du die Frage stellst, in wie weit der Mensch überhaupt gemacht wäre für eine Begegnung mit dem Göttlichen. Dabei verschenkst du aber finde ich die interessante Überlegung etwas. Sie würde deutlicher, wenn du nicht beide sondern nur den Protagonisten der Gefahr des Verbrennens aussetzen würdest. Das Göttliche wäre dem Einfluss des Menschen dahingehend entzogen, dass es obwohl dein Protagonist verbrennt, vollkommen unberührt bliebe. So wäre zum einen das Bild das du zeichnest runder, außerdem nähme die Gleichgültigkeit des lebenden Engels, die des marmornen Standbildes wieder auf.
Vielleicht helfen dir meine Eindrücke ja ein bisschen weiter.
Beste Grüße
Blumenberg