meditation

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]meditation


kampf bis aufs messer der zähne
streit bis aufs blut deiner zunge
platzt dir die saite die sehne
springt dir die flut in die lunge

gehts um dein leben und sterben
aus deinem tod frisch geboren
von diesen mords-wettbewerben
auf zu erstehn ungeschoren

denken dich götter im stillen
sprießen symphonisch gestaltet
sanft kreisen durch ihren willen
blüten symmetrisch verfaltet

sehn dich die künstler phantastisch
paßgenau scherengeschnitten
blätter-geschicht periphrastisch
fragend: sag hast du gelitten?

wird nicht die richterin lachen
dunkel geheim kühl und ernst?
liest sie papier-flache sachen
schmunzelt – wenn du dich entfernst
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
GrüßDich, HerbertH!

Es ist gewiß etwas ungewöhnlich, unter so einem Titel wie "Meditation" so eine Seelenschlacht zu lesen.

Es ist andererseits eine Erfahrungstatsache, eine alte und häufige, bekannte wenn auch nicht immer thematisierte -
daß das innere Arbeiten an den Seelenkräften Kriege aufdeckt, von denen die in der physischen Welt nur ein Schatten zu sein scheinen. Vor allem die Selbstüberschätzung, abgesehen von Zorn und Selbstmitleid ("hast du gelitten?"), muß mit Humor bewältigt werden.

Eine richtige Meditation ist eine Art Todesdurchgang, und "la mort" erscheint nicht nur dem Cocteau-Orpheus als coole bürokratische Richterin, sondern auch - hier - dem lyrischen Ich, dessen Gedichte (es scheint ja ein Dichter zu sein?) sie beschmunzelt.

grusz, hansz
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

Kein Zweifel, dass es hier ums Dichten geht. Die Schlacht - eindrucksvoll und unterhaltsam.

Sehr gern gelesen

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, danke Tula,

so les ichs selber auch am liebsten: daß die Kriege als "papierflache Sachen" beschmunzelt werden. Wobei die Doppeldeutigkeit "unausgemacht" ist, ob (oder daß) die Richterin so eine untiefe Lektorin eines Verlags ist, der Deine Lyrik nicht druckt ("Wir machen nur ein Buch pro Jahr und haben schon auf drei Jahre vorausgeplant"), also das Papier auf ihrem Schreibtisch, oder Lieder wie halt dieses hier, die das brave Meditationskonzept protestantischer Kanzelprediger und katholischer Seelsorger in den Papierkorb hauen.

Und hier, in der Leselupe, hat James gerade die Ustrarisa heiliggesprochen und mir an den Hals gewünscht. Damit hat er so mancher menopausierenden Tante aus der Seele gesprochen. Vielleicht auch mir, ich sehe da was beim Eintauchen in die Seelenlandschaft aufblinken ...

grusz, hansz
 

James Blond

Mitglied
Der neue Reich-Ranicki?

Und hier, in der Leselupe, hat James gerade die Ustrarisa heiliggesprochen und mir an den Hals gewünscht.
Sehr gut, dass ich hier nun endlich zum Papst befördert wurde ... :D

Ich werde mich bemühen, dem neuen Amt gerecht zu werden und bereite neben weiteren Heiligsprechungen auch einen Bannfluch für alle Abtrünningen der einen reinen poetischen Wahrheit vor. Mögen die höllischen Heerscharen postmenopausaler Reimerinnen über die aberlyrischen Ketzer herfallen und ihre zerstückelten Pamphlete in alle Himmelsrichtungen zerstreuen!

Nicht gedacht soll ihrer werden -
nicht im Himmel, nicht auf Erden!


:D
JB
 

James Blond

Mitglied
Hmm - Meditation als innerer Seelenkrieg?

Nun ja, wenn's denn sein soll ...

Bloß: Was hat die Physiologie von Zähnen, Zunge, Lunge und Sehnen damit zu schaffen? Geht's vielleicht doch eher um Phonetik als um Seele, um das Geräusch der Sprache?

Mir scheint genau dieses auch in den folgenden Kriegsstrophen der Fall: Das daktylische Geräusch besiegt das Wort, den Satz, den Sinn. Unklar bleibt nicht allein die Syntax, wenn Verse mit einer Conditio beginnen, der dann nichts folgt - außer einem finalen Schmunzeln der Richterin.

Die erhoffte Reinkarnation des Papiertigers misslingt, muss misslingen, wenn die "Widergeburt" (hier mit Absicht ohne "e") doch nur die bekannten Automatismen reproduziert: Der narzisstische Masochist weckt als literarischer Flagellat eher Belustigung als Mitleid, geschweige denn Betroffenheit. Sportlich gesehen ist dies ja ein schöner Erfolg, wenn ein Krieg sich in Gelächter löst, lyrisch bleibt's eine schwere Niederlage: Man ...

"schmunzelt – wenn du dich entfernst"

:)

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
GrüßDich, James Blind!

Es ist gewiß etwas ungewöhnlich, unter so einem Titel wie "Meditation" so eine Seelenschlacht zu lesen.

Es ist andererseits eine Erfahrungstatsache, eine alte und häufige, bekannte wenn auch nicht immer thematisierte -
daß das innere Arbeiten an den Seelenkräften Kriege aufdeckt, von denen die in der physischen Welt nur ein Schatten zu sein scheinen. Vor allem die Selbstüberschätzung, abgesehen von Zorn und Selbstmitleid ("hast du gelitten?"), muß mit Humor bewältigt werden.

Eine richtige Meditation ist eine Art Todesdurchgang, und "la mort" erscheint nicht nur dem Cocteau-Orpheus als coole bürokratische Richterin, sondern auch - hier - dem lyrischen Ich, dessen Gedichte (es scheint ja ein Dichter zu sein?) sie beschmunzelt.

grusz, hansz
 

James Blond

Mitglied
Mein lieber Mondnein,

so blind, dass ich die vorangehenden Kommentare übersehe, bin ich aber noch nicht! ;)

Mir scheint, du verstehst meine Einwände nicht, wenn du genau das wiederholst, worauf sich meine Kritik bezog. Oder willst sie nicht verstehen.

Ich habe ja mich nicht gegen innere Seelenschlachten ausgesprochen und gegen Selbstironie schon gar nicht, auch keinen Anstoß an dem Titel genommen, sondern allein daran, dass zur Darstellung seelischer Kämpfe Physiologisches wie Sehne, Zähne, Zunge und Lunge herangezogen werden, die mehr auf das Sprechen als auf das Denken abzielen. Dass diese hier nur ein Schatten eines inneren Kampfes sein sollen, erschließt sich mir nicht.

Ebenso berührt und irritiert mich der "Todesdurchgang" einer "richtigen Meditation" weniger als der Hinweis auf den Cocteau-Orpheus und seine Todesrichterin. Hast du den Film wirklich gesehen? Da gibt es nämlich keine coole bürokratische Richterin, sondern eine "Prinzessin des Todes", die sich in den Protagonisten verliebt und sich am Ende für ihn opfert.

Ich will damit nur sagen: Es kommt nicht rüber, was du vermitteln willst. Ich sehe hier weder Seelenschlachten noch Selbstironie im Werke, dafür daktylische Aufzählungen, hingeworfene Satzbrocken die (für mich) kein Ganzes ergeben. Hinzu kommt der Daktylus, der mit seiner tänzelnden Leichtigkeit nicht den Eindruck einer harten Seelenschlacht vermittelt, eher schon auf ein Schattenboxen oder Spiegelfechten hindeutet.

Grüße
JB
 



 
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