Meditation (Sonett)

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sufnus

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Meditation (Sonett)

Die Nacht der Zeit sucht sich ein Bild
des Schlafs: Gedankenemissionen
im Traum (im Stern) zur Welt verfüllt,
ein Wimpernschlag prägt aus Äonen,

die ihre Spur durch Nebelkammern
vor keiner Mächte Dasein ziehn,
uns die Momente, deren Klammern
(dem Mitteilbarem kaum entliehn)

sich wieder schließen und dem Licht
die Schuldigkeit zu existieren
als Restwert lassen, bis im Nicht-

begreifen wir den Sinnstrahl spüren
und, wenn der Niemalsschlaf uns bricht,
in die Unendlichkeit verlieren.
 

Scal

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Hallo sufnus!

Oh! Ungewöhnliches, fürwahr! Erstaunliches!
Die Nacht der Zeit (die lebendige Wirklichkeit der Anwesenheit des Denkens, zunächst noch ohne Inhalt), sie sucht, hebt an, nach jenem Bild zu tasten, wo sie (wo dieses Denken) west, sie sucht nach ihrem (seinem) eigenen Schlaf. Will ihn wachen.
Und begegnet sogleich den sterntraumtrunkenen Gedankenemissionen, den Weltfüllnissen ...

Bis hierher.
Dein Gedicht erschließt sich wohl nur durch einen kontemplativen Nachvollzug. Ihm sind Sinnstrahlspürnisse einverwoben.

Ich erinnere mich an einen Bewusstseinsphänomenologen und Philosophen, der sein Leben in den Dienst des kontemplativen Forschens gestellt hatte (und den ich sehr schätzte). Er stellte die Frage: "Wann haben sie zuletzt etwas wirklich Neues gedacht?"
Vielleicht könnte man ihm antworten: In der Lyrik wird manchmal Neues gedacht, weil sie, ausgestattet mit Intuitionsfühlern, forschend nach neuen Gedankenpfaden Ausschau hält, und das so Erblickte dann zur Sprache bringt. Wie hier, zum Beispiel.

Lieben Gruß
Scal
 

sufnus

Mitglied
Hey Scal!

Deine Kommentare sind wirklich äußerst anregend und verdienen es, achtsam und in mehrmaliger Annäherung gelesen zu werden! :)

Um Deine Anmerkungen von hinten aufzurollen: Das unerhörte Ereignis, etwas neues, etwas bis dato nicht Gedachtes zu denken, ist wirklich eine der ganz zentralen Denkherausforderungen, vor die ich einen menschliches Gehirn gestellt sehe.

Als eine ultimative Aufgabe, nämlich in dem Sinne, etwas zu denken, was sonst noch kein anderer Mensch, auch nicht ansatzweise, gedacht hat, gehört das für mich zu den Proben menschlichen Geistes, bei denen gar nicht sicher ist, ob sie überhaupt lösbar sind. Denn selbst die originellsten Vorstellungen, die je von Künstlern, Wissenschaftlern, Technikern oder Träumern entwickelt wurden, lassen sich in eine lange Ahnenreihe ähnlicher Denkansätze eingliedern.

Mir scheint jedoch, bereits die weitaus bescheidenere Forderung, nämlich im Erwachsenenalter, ja selbst in der späten Jugend, noch einen (grundsätzlichen) Gedanken zu denken, den man selbst so bis dato noch nicht gedacht hat, bereits gleichermaßen verlockend wie schwer erfüllbar.

Als Kindern ist uns solches noch mit Leichtigkeit gelungen, weil wir aus dem Fundus unserer umfassenden Ignoranz schöpfen konnten. Je häufiger wir aber etwas zum ersten Mal gedacht haben (um es bald darauf zum zweiten, dritten, x-ten mal zu denken) desto enger wird der Spielraum. Der Erwachsene denkt eigentlich immer nur bereits ausgiebig zuvor Gedachtes (und wer sich hier besser dünkt, den habe ich im Verdacht in dieser Hinsicht ein besonders hoffnungsloser Fall zu sein).

Du siehst, wie weit ich, dank Deiner wunderbaren Stichworte, von meinem Gedicht abschweife.
Ja... Abschweifigkeit, Faselungen, Gedankenkonfetti... und zuletzt, mit so vielen Worten wie immer auch nötig, zur Stille durchbrechen, wenn schon leider nicht zum neuen Gedanken!

Danke für Deine Beflügelungen!

S.
 



 
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