Hallo Kaetzchen,
eine zarte Prosa, die Wärme ausstrahlt, aber sich meiner Meinung nach leider auch ein wenig im Abstrakten verliert. Die Lektüre ließ mich deshalb etwas ratlos zurück. Aber Schritt für Schritt:
"Durch das kleine Fenster des Dachbodens verirrte sich ein Lichtstrahl und beleuchtete
für kurze Zeit einen alten,
ergrauten Karton
wie ein Fingerzeig in die Vergangenheit."
Es mag kleinlich von mir sein, aber die markierten Satzteile sind für mich für eine Kurzprosa, die ja als Genre auch von ihrer Verdichtung lebt, nicht bedeutend und könnten ersatzlos gestrichen werden. Ich finde, sie halten den Text nur auf.
"Ich barg ihn aus dem Durcheinander von Gerümpel und nahm ihn mit.
Was mag in der Kiste den Dornröschenschlaf halten? Ein wenig zitterten meine Finger, als ich behutsam die
Schatztruhe öffnete und meinen
Blick hinein senkte."
Ich verstehe, warum du von einer
Schatztruhe schreibst, allerdings weiß ich als Leser ja bisher nur von einem alten Karton, ob sich dieser als Schatztruhe entpuppt, wird sich ja noch zeigen. Ich würde deshalb eine weniger euphorische Vokabel wählen.
"Meine Augen weiteten sich beim Anblick der
Kostbarkeiten, den Zeugen alter Zeiten. Ich fischte lichtgeschriebene Kärtchen heraus und breitete sie auf dem Tisch aus."
Ich würde hier die Reihenfolge der beiden Sätze tauschen, da ich als Leser gar nicht begreifen kann, um welche
Zeugen alter Zeiten es sich auf einmal handelt. Wenn du aber zuerst die Kärtchen erwähntest, wäre es für mich logischer.
"Nebeneinander und untereinander angeordnet sahen sie aus
wie kleine Fensterchen, die sich mir öffneten und Einblicke gewährten. Wundersame Einblicke, teilweise mir unbekannte Einblicke. Es war, als hätte ich ein Buch geöffnet, um mir seine Geschichten zu erobern."
Das kann ich mir gut vorstellen und finde gerade den ersten Satz auch ganz schön.
"Die interessanten Kunstwerke waren
trotz gebrochener Ecken und Risse auf ganz eigene Weise
ungewöhnlich authentisch."
Ich finde es nicht logisch, dass kaputte Ecken und Risse Authentizität untergraben könnten. Das Gegenteil ist doch eher der Fall. Also nicht
trotz, sondern eher
wegen wäre meiner Meinung nach hier passender.
"Ich fühlte mich wie auf einer Zeitreise und stand plötzlich mir selbst gegenüber.
Das Kind lächelte mich glücklich an und ließ mich teilhaben an seinen schönsten Erlebnisse."
Das Kind kommt meiner Ansicht nach zu plötzlich zum Vorschein, die Story hat diese Wendung in meinen Augen nicht so gut vorbereitet. Um es abzuschwächen, könnte man den unbestimmten Artikel verwenden, also:
ein Kind.
ein kleiner Fehler: Erlebnisse
n
"Irgendwann kehrte ich die vielen Jahre zurück in die Gegenwart."
Willkommen zurück
Ich hoffe, du kannst mit meinen Gedanken etwas anfangen und nimmst meine Kritik nicht persönlich.
Liebe Grüße
Frodomir