linda.kabeh
Mitglied
Die Türen des Fahrstuhls schlossen sich. Durch die gläsernen Scheiben konnte ich nach draußen auf die Straße sehen. Der Boden und das Geschehen auf den Straßen entfernten sich immer weiter. Das hektische Treiben der Stadt erinnerte mich stark an ein Labyrinth, indem die Insassen versuchten so schnell wie möglich zum Ausgang zu kommen. Womöglich waren manche auf einer Art Flucht. Es war bereits kurz nach achtzehn Uhr und ein Großteil der Menschen schien ihren lang ersehnten Feierabend zu genießen. Für mich ging dieser Abend erst richtig los. Ich hatte mich geschminkt, meine Haare zu Locken frisiert und mich gekleidet als würde ich zu einem hochrangigen Business Meeting gehen. Mein enges Kleid und meine hohen Schuhe ließen mich mindestens zehn Jahre älter wirken. Ich fühlte mich nicht wohl darin mit meinen siebzehn Jahren, aber ihm gefiel es. Er sagte immer zu mir, dass ich mit diesem Erscheinungsbild am besten den Erwartungshaltungen gegenüber Gästen entsprechen würde. Zumindest was das Aussehen betrifft. In Wirklichkeit fühlte ich mich allen hier so unterlegen. Ihm fühle ich mich besonders unterlegen. Der Fahrstuhl kam zum Stillstand und die Türen öffneten sich. Die Welt unter war mittlerweile sehr undeutlich zu erkennen. Langsam trat ich aus dem Fahrstuhl aus. Ich war es nicht gewohnt in hohen Schuhen zu laufen, aber je mehr ich seinen Wünschen und Vorstellungen folgte, desto mehr Geld würde er mir geben. Ich hätte niemals gedacht, dass ich eines Tages für Geld Dinge tun würde, die ich nicht mag, aber diese Chance hat sich mir geboten und ich finde ich sollte sie nutzen. Schließlich sollten diese Treffen nur einmalig im Monat stattfinden. Mit jedem Schritt den Gang entlang bekam ich weiche Knie. Es war jedes Mal eine Überwindung ihn zu treffen und ich fragte mich ständig, was ich eigentlich hier mache. Als ich am Zimmer ankam klopfte ich und es ertönte ein raues “Herein”. Schon in dem Moment als ich die Tür öffnete, zog der intensive Geruch von Whisky in meine Nase. Manchmal fragte ich mich, ob statt dem Wasser der Alkohol seine Lebensessenz war. Langsam betrat ich das große Hotelzimmer. Er stand vor dem Fenster mit dem Rücken zu mir. Seine dunklen Haare hatte er sich mit Gel nach hinten gekämmt.
“Du bist ganz schön spät dran”. Er sagte es sehr monoton, aber ich konnte mir vorstellen, dass er wütend die Lippen zusammen presste.
“Es tut mir Leid. Ich war noch ein neues Kleid einkaufen und musste mich noch umziehen. Es hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich wollte.”
Langsam drehte er sich um. Trotz seiner strengen Gesichtszügen war er ein attraktiver Mann. Mit seinem kritischen Blick musterte er mich von oben bis unten und nickte anerkennt.
“Du siehst toll aus. Wenn ich überlege, als ich dich das erste Mal traf hast du auf mich wie ein Mauerblümchen gewirkt. Jetzt wirkst du wie eine starke und selbstbewusste Frau.” Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel und er kam auf mich zu. Der Alkoholgeruch wurde stärker und ich hielt die Luft an, als er mich in den Arm nahm und mir einen Kuss auf die Wange gab. “Wie geht es dir? Wie war die Schule heute?” Ich musste zugeben, dass ich es nett fand, dass er sich nach meinem Leben erkundigte, aber alles erzählte ich ihm nicht. Ich fand, dass ich ihm gegenüber nicht verpflichtet war meine Lebensgeschichte zu offenbaren.
“Gut. Es gibt derzeit viel zu tun und die Vorbereitungen für die Abschlussprüfungen laufen. Es ist bald vorbei.”
“Hast du jetzt mittlerweile deinen Führerschein fertig gemacht? Schließlich habe ich dir das Geld dafür zur Verfügung gestellt.”
“Ja ich bin fertig.” Ich musste mich zusammenreißen nicht genervt mit meinen Augen zu rollen, aber es wäre unhöflich meinem Sponsor so gegenüber zu treten.
Er lächelte zu zufrieden, nickte anerkennend und ging zurück ans Fenster um eine Zigarre zu rauchen. Ohne sich umzudrehen sagte er beiläufig: “Trink ein Glas Wasser. Du siehst angespannt aus und ich möchte nicht, dass du dehydrierst. Dann können wir gern zur Sache kommen” Es war eine fürsorgliche Aussage, aber ich hasste er wie er in diesem Befehlston mit mir sprach. Da mir aber kein passender Konter einfiel, lief ich in die Küche und trank etwas Wasser. Es war vielleicht wirklich notwendig, bevor wir “zur Sache” kommen würden. Ein inneres Frösteln durchzog mich und ich atmete einmal tief ein und aus. In dem Moment als ich mich umdrehen wollte, hörte ich einen lauten Knall und vor lauter Schreck ließ ich mein Glas fallen. Im ersten Augenblick konnte ich nicht zuordnen, woher das Geräusch kam, realisierte aber, dass er umgefallen ist. Seine Zigarre lag unangezündet neben ihm. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Angst durchlief meinen ganzen Körper und unsicher näherte ich mich seinem leblosen Körper. Vorsichtig berührte ich ihn, um Puls, Herzschlag und Atmung zu kontrollieren. Es regte sich nichts. Ich war so hilflos und konnte nicht rational denken. Was sollte ich tun? Ich brachte es nicht über mich irgendwelche Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen aus Angst ich würde etwas falsch machen. Kurz hielt ich inne, atmete tief ein und aus, nahm sein Handy und wählte den Notruf. Die Konsequenzen für mich waren mir egal. Es war auch egal wie herablassend er mich teilweise behandelt hatte. Er brauchte Hilfe, also nannte ich dem Notruf das Hotel und das Zimmer und ging. In dem Moment fühlte ich mich leer.
Es hat mich nicht gewundert, dass die Polizei mich schnell ausfindig gemacht hatte. Die Nachrichten auf seinem Handy und die Sicherheitskameras im Hotel waren eindeutige Beweise dafür, dass wir im im regelmäßigen Kontakt zueinander standen. Mir war bewusst, dass es nicht leicht sein würde, meiner Mutter die ganze Geschichte zu erzählen. Ich konnte selbst nicht glauben wie alles so ablaufen konnte. Der Raum in dem ich mich befand, war kalt. Nicht nur von der Temperatur her, sondern ebenfalls von der farblichen Gestaltung. Ich kannte solche Räume aus einigen Filmen und Serien, die ich mal gesehen habe. Die Tür schwang auf und zwei Polizisten kamen herein. Sie setzten sich mir gegenüber und sahen mich mit einer seltsamen Mischung aus Bedauern und Neugierde an. Nach einer kurzen Stille räusperte sich der ältere Polizist und sprach: “Es tut mir Leid, dass ich Ihnen sagen muss, dass wir für Ihren Vater nichts mehr tun konnten. Die Todesursache ist noch nicht genau bekannt und wird mittels Autopsie festgestellt werden können.” Ich nickte langsam. Ehrlich gesagt, hatte ich nichts anderes erwartet. Bevor ich mit meinen Gedanken weiter schweifen konnte, stellte mir die andere Polizistin unvermittelt eine Frage: “Warum haben Sie heimlich Ihren Vater im Hotel getroffen?” Natürlich war mir bewusst, dass sie mich das fragen würden. Deshalb war ich in der Lage so gefasst wie möglich zu antworten. “Ich hatte immer gedacht, dass mein Vater nicht mehr lebt. Ich kann mich gut an ihn erinnern, als ich noch ein kleines KInd war. Eines Tages war er einfach weg. Meiner Mutter verhielt sich distanziert und wollte mir nicht sagen, was los war. Genau genommen weiß ich es bis heute nicht. Er hat mir versprochen es mir zu sagen, aber seiner Meinung war nie der richtige Zeitpunkt. Vor ungefähr einem Jahr schrieb er mir eine Nachricht, ob ich ihn im Hotel zum Reden treffen würde wollen und ich willigte ein. Es war eine Mischung aus Spannung und Angst und ich habe nicht darüber nachgedacht. Wir einigten uns, dass wir uns einmal im Monat treffen. Er fragte mich viel zu meiner Person und meiner Mutter und nach ungefähr einer Stunde bin ich auch immer wieder nach Hause gegangen. Im Gegenzug hat er mich finanziell unterstützt. Sein größter Wunsch war es allerdings, dass unsere Treffen diskret blieben und niemand etwas davon erfährt.” Ich musste kurz Pause machen, um meinen Kloß im Hals zu unterdrücken. “Wissen Sie: ich habe ihn vermisst und ich wusste nicht wie er an meine Handynummer kam und woher er soviel Geld verdient hatte. Es kam jedoch alles anders, als ich es mir erhofft hatte. Er hat nie von sich selbst erzählt und mich irgendwie nicht an sich ran gelassen. Stattdessen war ich diejenige, die im Mittelpunkt stand und seine Fragen beantwortet hat. Ich würde nur zu gern wissen, was er all die Jahre gemacht hat.” Die Polizisten nickten und gaben ein Zeichen durch den Einwegspiegel durch. Im nächsten Moment wurde meine Mutter in den Raum geführt. Sie sah zu Boden und flüsterte leise: “Ich denke diese Frage kann ich dir beantworten.”
“Du bist ganz schön spät dran”. Er sagte es sehr monoton, aber ich konnte mir vorstellen, dass er wütend die Lippen zusammen presste.
“Es tut mir Leid. Ich war noch ein neues Kleid einkaufen und musste mich noch umziehen. Es hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich wollte.”
Langsam drehte er sich um. Trotz seiner strengen Gesichtszügen war er ein attraktiver Mann. Mit seinem kritischen Blick musterte er mich von oben bis unten und nickte anerkennt.
“Du siehst toll aus. Wenn ich überlege, als ich dich das erste Mal traf hast du auf mich wie ein Mauerblümchen gewirkt. Jetzt wirkst du wie eine starke und selbstbewusste Frau.” Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel und er kam auf mich zu. Der Alkoholgeruch wurde stärker und ich hielt die Luft an, als er mich in den Arm nahm und mir einen Kuss auf die Wange gab. “Wie geht es dir? Wie war die Schule heute?” Ich musste zugeben, dass ich es nett fand, dass er sich nach meinem Leben erkundigte, aber alles erzählte ich ihm nicht. Ich fand, dass ich ihm gegenüber nicht verpflichtet war meine Lebensgeschichte zu offenbaren.
“Gut. Es gibt derzeit viel zu tun und die Vorbereitungen für die Abschlussprüfungen laufen. Es ist bald vorbei.”
“Hast du jetzt mittlerweile deinen Führerschein fertig gemacht? Schließlich habe ich dir das Geld dafür zur Verfügung gestellt.”
“Ja ich bin fertig.” Ich musste mich zusammenreißen nicht genervt mit meinen Augen zu rollen, aber es wäre unhöflich meinem Sponsor so gegenüber zu treten.
Er lächelte zu zufrieden, nickte anerkennend und ging zurück ans Fenster um eine Zigarre zu rauchen. Ohne sich umzudrehen sagte er beiläufig: “Trink ein Glas Wasser. Du siehst angespannt aus und ich möchte nicht, dass du dehydrierst. Dann können wir gern zur Sache kommen” Es war eine fürsorgliche Aussage, aber ich hasste er wie er in diesem Befehlston mit mir sprach. Da mir aber kein passender Konter einfiel, lief ich in die Küche und trank etwas Wasser. Es war vielleicht wirklich notwendig, bevor wir “zur Sache” kommen würden. Ein inneres Frösteln durchzog mich und ich atmete einmal tief ein und aus. In dem Moment als ich mich umdrehen wollte, hörte ich einen lauten Knall und vor lauter Schreck ließ ich mein Glas fallen. Im ersten Augenblick konnte ich nicht zuordnen, woher das Geräusch kam, realisierte aber, dass er umgefallen ist. Seine Zigarre lag unangezündet neben ihm. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Angst durchlief meinen ganzen Körper und unsicher näherte ich mich seinem leblosen Körper. Vorsichtig berührte ich ihn, um Puls, Herzschlag und Atmung zu kontrollieren. Es regte sich nichts. Ich war so hilflos und konnte nicht rational denken. Was sollte ich tun? Ich brachte es nicht über mich irgendwelche Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen aus Angst ich würde etwas falsch machen. Kurz hielt ich inne, atmete tief ein und aus, nahm sein Handy und wählte den Notruf. Die Konsequenzen für mich waren mir egal. Es war auch egal wie herablassend er mich teilweise behandelt hatte. Er brauchte Hilfe, also nannte ich dem Notruf das Hotel und das Zimmer und ging. In dem Moment fühlte ich mich leer.
Es hat mich nicht gewundert, dass die Polizei mich schnell ausfindig gemacht hatte. Die Nachrichten auf seinem Handy und die Sicherheitskameras im Hotel waren eindeutige Beweise dafür, dass wir im im regelmäßigen Kontakt zueinander standen. Mir war bewusst, dass es nicht leicht sein würde, meiner Mutter die ganze Geschichte zu erzählen. Ich konnte selbst nicht glauben wie alles so ablaufen konnte. Der Raum in dem ich mich befand, war kalt. Nicht nur von der Temperatur her, sondern ebenfalls von der farblichen Gestaltung. Ich kannte solche Räume aus einigen Filmen und Serien, die ich mal gesehen habe. Die Tür schwang auf und zwei Polizisten kamen herein. Sie setzten sich mir gegenüber und sahen mich mit einer seltsamen Mischung aus Bedauern und Neugierde an. Nach einer kurzen Stille räusperte sich der ältere Polizist und sprach: “Es tut mir Leid, dass ich Ihnen sagen muss, dass wir für Ihren Vater nichts mehr tun konnten. Die Todesursache ist noch nicht genau bekannt und wird mittels Autopsie festgestellt werden können.” Ich nickte langsam. Ehrlich gesagt, hatte ich nichts anderes erwartet. Bevor ich mit meinen Gedanken weiter schweifen konnte, stellte mir die andere Polizistin unvermittelt eine Frage: “Warum haben Sie heimlich Ihren Vater im Hotel getroffen?” Natürlich war mir bewusst, dass sie mich das fragen würden. Deshalb war ich in der Lage so gefasst wie möglich zu antworten. “Ich hatte immer gedacht, dass mein Vater nicht mehr lebt. Ich kann mich gut an ihn erinnern, als ich noch ein kleines KInd war. Eines Tages war er einfach weg. Meiner Mutter verhielt sich distanziert und wollte mir nicht sagen, was los war. Genau genommen weiß ich es bis heute nicht. Er hat mir versprochen es mir zu sagen, aber seiner Meinung war nie der richtige Zeitpunkt. Vor ungefähr einem Jahr schrieb er mir eine Nachricht, ob ich ihn im Hotel zum Reden treffen würde wollen und ich willigte ein. Es war eine Mischung aus Spannung und Angst und ich habe nicht darüber nachgedacht. Wir einigten uns, dass wir uns einmal im Monat treffen. Er fragte mich viel zu meiner Person und meiner Mutter und nach ungefähr einer Stunde bin ich auch immer wieder nach Hause gegangen. Im Gegenzug hat er mich finanziell unterstützt. Sein größter Wunsch war es allerdings, dass unsere Treffen diskret blieben und niemand etwas davon erfährt.” Ich musste kurz Pause machen, um meinen Kloß im Hals zu unterdrücken. “Wissen Sie: ich habe ihn vermisst und ich wusste nicht wie er an meine Handynummer kam und woher er soviel Geld verdient hatte. Es kam jedoch alles anders, als ich es mir erhofft hatte. Er hat nie von sich selbst erzählt und mich irgendwie nicht an sich ran gelassen. Stattdessen war ich diejenige, die im Mittelpunkt stand und seine Fragen beantwortet hat. Ich würde nur zu gern wissen, was er all die Jahre gemacht hat.” Die Polizisten nickten und gaben ein Zeichen durch den Einwegspiegel durch. Im nächsten Moment wurde meine Mutter in den Raum geführt. Sie sah zu Boden und flüsterte leise: “Ich denke diese Frage kann ich dir beantworten.”