Wer bin ich?
Wer bin ich, dass ich jetzt hier stehe und nicht weiß, wie es weitergehen soll? Auf einem Hügel stehe ich und lausche den Elementen: Der Wind - die Luft - lässt mich im Zentrum eines Tornados stehen. Der Boden - die Erde - vibriert und zittert unter meinen Füßen. In der Ferne höre ich das Meer - das Wasser - mit all seiner Kraft rauschen. Die Wärme - das Feuer - umlodert und schützt mich zugleich. Sie alle sagen mir, dass ich nicht aufgeben soll...das ich stark bin, alles zu schaffen, wenn ich es nur will...sie geben mir Halt und Stück für Stück kann ich loslassen...und werde eins mit ihnen…
Wer war ich?
Ein kleines Mädchen immer im Kontakt mit den Elementen...immer auf der Suche nach Abenteuern...immer nur dem Meer entgegen mit dem Wind im Haar...oft saß sie stundenlang auf den Klippen...gab sich ganz den Elementen hin...rannte durch den Wald, spürte die Erde unter ihren Füßen. ..ihre Mutter nannte sie liebevoll einen kleinen Wildfang, wenn sie wieder mit zerrissenen Kleidern, roten Wangen und Schnittwunden auf den Armen nach Hause kam...der Vater hatte sie immer auf die Felder mitgenommen, wo sie ihm half, die Ernte für das neue Jahr zu säen... Geschwister hatte sie keine...ihre Eltern liebten ihr einziges Kind abgöttisch...niemals wäre es dem Mädchen in den Sinn gekommen, ihren Eltern nicht für alles zu danken…
Wer werde ich sein?
Die Elemente haben mich nicht verlassen...auch wenn ich sonst alleine bin, kann ich mich doch immer noch auf sie verlassen...ich lebe mein Leben, aber aus dem abenteuerlustigen, kleinen Mädchen ist nun eine Frau geworden...immer noch steckt das Abenteuer in mir und der Wind verführt mich dazu, mit ihm zu rennen...aber ich darf diesem Drängen nicht nachgeben...noch nicht....bald werde ich frei sein und dann entscheide ich...im Wasser tauchen.. in der Erde versinken...im Feuer verglühen...und ich werde wieder Herr über mein Leben sein…
1. Kapitel
Eines Tages sollte es passieren, dass ihr Vater bei einem Unfall auf dem Feld sein Leben verlor. Die genauen Umstände sollte sie nie erfahren. Die Männer des Dorfes hatten ihn auf einer Bahre in ihr Haus gebracht. Ihre Mutter war weinend neben ihm zusammengebrochen. Trotz ihrer fast 16 Jahre war die Tochter des Hauses noch nie dem Tod begegnet, sodass sie nicht verstand, wieso ihr Vater nicht aufstand und seine Frau in die Arme nahm um sie zu trösten. Erst sehr viel später verstand sie, dass er nie mehr wiederkommen würde...
Ihre Mutter verkraftete den Tod ihres geliebten Mannes nur sehr schwer. Oft stand sie in der kleinen Küche am Herd und starrte aus dem Fenster, als würde sie nur darauf warten, dass er hereinkam mit seinen schmutzigen Schuhen und einem Lächeln auf dem Gesicht. Lirael übernahm ab dann mit dem Knecht die schweren Aufgaben auf dem Feld. Abend für Abend fiel sie ermattet in ihr Bett und schlief oft vor dem Essen ein. Doch mit den Monaten gewöhnte sich ihr Körper daran - nur ihr Geist war immer wieder auf den Klippen bei den Elementen…
Nur ein paar Monate nach dem Tod ihres Vaters klopfte es an der Tür und ein Schatten fiel auf den Boden. Lirael kam gerade mit dem Karren vom Feld, als sie die offene Haustür sah. Es war der Verwalter des Herzoges. Seitdem der Vater gestorben war, waren der Knecht und Lirael mit der Arbeit nicht hinterhergekommen, sodass ihre Mutter die Steuern nicht mehr aufbringen konnte. Der Verwalter war ein hartherziger Mann, den das Leid der Familie nicht interessierte. „Der Herzog lässt euch ausrichten, dass ihr eure Schulden so schnell wie möglich ableisten sollt, sonst werdet ihr schon sehen, was ihr dreckiges Pack davon habt! In der majestätischen Küche werden immer zusätzliche Kräfte verlangt. Sein Angebot ist einmalig und ihr solltet es nutzen, wenn ihr nicht wie Diebe aus dem Land gejagt werden wollt.“ näselte er ihrer Mutter ins Gesicht, die aussah, als hätte ihr jemand eine Ohrfeige verpasst. Lirael stütze ihre Mutter, die aussah, als wenn sie jeden Moment in Ohnmacht fallen würde und führte sie auf einen Stuhl. Erst danach sah sie dem Verwalter ins Gesicht. „Meine Mutter und ich werden uns die nächsten Tage in der herzoglichen Küche vorstellen.“ sagte sie mit einem tiefen Knicks und schob ihn dann zur Tür hinaus. Die nächsten Tage, Wochen und Monate wurden für sie und ihre Mutter zur Qual. Die Arbeiten in der Küche waren anstrengend und beide waren den rauen Umgangston nicht gewöhnt. Dazu kam es, dass der Sohn des Herzogs seine Augen nicht von ihr lassen konnte. Sie hatte ihn mehrmals beim Essen bedienen müssen und jedes Mal waren seine eiskalten blauen Augen ihr gefolgt. Sie brauchte ihn nicht anzusehen, um diesen kalten Schauer auf ihrem Körper zu spüren. Er machte ihr Angst und so oft wie es nur irgendwie möglich war, ging sie ihm aus dem Weg. Bis auf einmal: sie war gerade auf dem Weg von der Küche in den Gesellentrakt, als er sie in einer dunklen Nische erwischte. Grob drückte er ihr die Hand auf den Mund und drückte sich fest an sie. \"Was für ein unvorsichtiges hübsches, junges Mädchen!\" säuselte er ihr leise ins Ohr, wenn er mit seiner Hand langsam unter ihren Rock kroch. Verzweifelt versuchte sie sich zu wehren, aber er hielt sie zu fest an die Wand gedrückt. \"Was soll das?\" zischte er ihr verärgert ins Ohr. \"Wenn du das Essen servierst, kannst du doch gar nicht genug von meinen Blicken haben und machst mich durch deine Bewegungen noch an und jetzt...willst du mich nicht?!\" Mit einem irren Blick in den Augen, nahm er ihr Oberteil in die Hände und zerriss es, sodass ihre Brüste frei zu sehen waren. In diesem Moment war er so abgelenkt, dass sie ihm ihr Knie in seine empfindlichsten Teile stoßen und wegrennen konnte. Die ganze Nacht lag sie zitternd vor Angst und Scham in ihrem Bett und horchte auf jedes Geräusch. Nachdem er sie in den nächsten Tagen ignorierte, entspannte sie sich und dachte Wochen später nicht mehr daran. Bis zu jenem Tag, an dem sich ihr Schicksal entscheiden sollte...
Der Herzog hatte sie und seine Mutter zu sich bestellen lassen. Lange ließ er sie vor seiner Tür stehen, um ihnen klarzumachen, wie wenig wert sie waren. Mit unsicheren Blicken sahen die beiden sich an, das schlimmste ahnend. Lirael hatte ihrer Mutter ein paar Tage danach von dem Vorfall erzählt. Diese hatte sie nur wortlos in den Arm genommen und getröstet, während sie heftige Weinkrämpfe geschüttelt hatten. „Hör zu, meine Tochter.“ Nachdem sie sich beruhigt hatte und ihre Tränen getrocknet waren, nahm ihre Mutter sie an der Hand und sah ihr fest in die Augen. „Du hast das richtige getan! Niemand kann dich zu etwas zwingen, was du nicht tun willst. Wahrscheinlich hätte er dich dann noch zu seiner Hure gemacht und du wärst dein Leben lang geschändet gewesen. Dein Vater wäre stolz auf dich!“ Mit einem wissenden Lächeln zog sie ihre Tochter an sich und schickte sie dann wieder an die Arbeit. Was sie Lirael nicht gezeigt hatte, war die Angst, die sie vor den Folgen hatte. Es war die Wahrheit gewesen, als sie ihr gesagt hatte, dass sie richtig gehandelt hatte, aber sie wusste genau, dass sich ein Herzogssohn so etwas nie auf sich sitzen lassen würde. Aber was geschehen war, war geschehen.
Und nun standen sie hier. Als der Herzog sie dann beide herein holen ließ, knickten Lirael die Beine fast weg vor Angst. Der Sohn des Herzogs stand neben dem Thron und lachte sie hämisch an. Ohne großes Federlesen, begann er ihr Leben und das ihrer Mutter systematisch zu zerstören. \"Nun Weib. Nicht genug, dass ihr nicht hart genug arbeitet und somit die Schulden deines Mannes bezahlen könntet - nein, deine unverschämte Tochter hat sich an meinen Sohn rangemacht und ihn schamlos verführen wollen. Wahrscheinlich hat sie sich Hoffnung gemacht, dass sie so ihrem armen Leben entfliehen kann und gleichzeitig an einen reichen Mann kommt! Das hattet ihr zwei Weibsbilder euch wohl so gedacht!\" Wutentbrannt stürzte der Herzog von seinem Thron, besann sich aber in der letzten Sekunde wieder. Räuspernd ging er um die beiden verängstigten Frauen herum. \"Nun, da eure wahren Machenschaften aufgedeckt sind, könnt ihr nicht mehr von mir erwarten, dass ich euch auf meiner Burg durchfüttere. Ihr habt es allein der Großzügigkeit meines Sohnes zu verdanken, der sich für euch eingesetzt hat, dass ich euch nicht wegen Verrates hängen lasse.\" Entsetzt schaute Lirael auf. Gerade noch so konnte sie in dem Gesicht des Sohnes ein hämisches Grinsen erkennen, bevor er betrübt die Augen niederschlug und den tief verletzten Sohn spielte. \"Oh lieber Gott!\" betete sie leise. \"Bitte lass es nicht wahr sein! Was haben wir nur getan, dass du uns jetzt so im Stich lässt!\" Aber Gott ließ keinen Blitz vom Himmel fahren oder tat sonst was um sie zu retten und als der grausame Mensch vor ihr verkündete, dass sie mit 20 Peitschenhieben aus dem Dorf verbannt werden sollte, verlor sie jeglichen Glauben an einen Gott.
Ihre Mutter war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen und nachdem sie erfuhr, dass sie aus ihrem Heimatdorf gejagt werden sollte, verlor sie das Bewusstsein. \"Mutter!\" rief Lirael erschrocken und nahm ihre Mutter in die Arme. Doch der Herzog nahm keine Rücksicht darauf und ließ die beiden in den Kerker werfen.
Es war ein strahlender Sommermorgen und auf Befehl des Herzogs musste das ganze Dorf und Umgebung zu sehen, wie Lirael und ihre Mutter bestraft wurden. Ein Gemurmel ging durch die Reihen. Jeder kannte die beiden und konnte sich nicht vorstellen, dass an den Vorwürfen auch nur ein Wort stimmen sollte. Lirael hatte vor dem Herzog um das Gesuch gebeten, dass sie die Strafe ihrer Mutter auf sich nehmen dürfte, welches aber kaltblütig abgelehnt wurde. Über die nächsten Minuten danach wusste sie so gut wie nichts mehr. Sie erinnerte sich nur daran, dass sie mit nackten Rücken auf den Boden knien musste und auf den Schmerz wartete. Und sie musste nicht lange warten. Die nächsten Minuten waren eine reinste Qual für sie - das Gefühl der Peitsche auf ihrem Rücken, das anschließende Brennen und die Demütigung. All das würde sie wohl nie wieder in ihrem Leben vergessen können. Nach 20 Hieben brach sie erschöpft zusammen, nicht mehr fähig auch nur einen klaren Gedanken mehr zu fassen. Das einzige, was durch den Nebel drang, der sich in ihrem Kopf breit gemacht hatte, waren die Schmerzensschreie ihrer Mutter. Müde hob sie den Kopf und suchte die Blicke ihrer Mutter. Gemeinsam gaben sie sich die Kraft und den Willen, dass durchzustehen. Der Herzog hatte es den Einwohnern auf Strafe verboten, den beiden zu helfen. Zwar waren sie nicht vogelfrei, aber sie waren für ihr Leben gebrandmarkt und alles nur, weil sie den Sohn des Herzogs zurückgewiesen hatte. Die nächsten Tage verbrachten sie und ihre Mutter wie im Rausch. Ihre alten Nachbarn hatten sich ihrer angenommen und die Wunden auf ihrem Rücken gepflegt. Lirael war noch jung und es war abzusehen, dass sie nur wenige Narben auf ihrem jungen Rücken hinterlassen würden, aber um ihre Mutter sah es nicht gut aus. Sie hatte schon zu viel Leid und Trauer ertragen müssen, sodass Lirael wenige Tage nach dem Unglück die Augen ihrer geliebten Mutter verschloss. Trauer oder Schmerz fühlte sie nicht mehr, sie war wie betäubt und weinen konnte sie schon lange nicht mehr. Sie übergab ihre Mutter dem Feuer und verstreute ihre Asche im Meer, da sie wusste, dass ihre Mutter ihre Freiheit genauso geliebt hatte, wie sie. Nachdem sie den Nachbarn all ihr letztes Hab und Gut als Dankeschön hinterlassen hatte, verließ sie den Ort ihrer Kindheit und schaute nie wieder zurück.
Fortsetzung folgt...
								Wer bin ich, dass ich jetzt hier stehe und nicht weiß, wie es weitergehen soll? Auf einem Hügel stehe ich und lausche den Elementen: Der Wind - die Luft - lässt mich im Zentrum eines Tornados stehen. Der Boden - die Erde - vibriert und zittert unter meinen Füßen. In der Ferne höre ich das Meer - das Wasser - mit all seiner Kraft rauschen. Die Wärme - das Feuer - umlodert und schützt mich zugleich. Sie alle sagen mir, dass ich nicht aufgeben soll...das ich stark bin, alles zu schaffen, wenn ich es nur will...sie geben mir Halt und Stück für Stück kann ich loslassen...und werde eins mit ihnen…
Wer war ich?
Ein kleines Mädchen immer im Kontakt mit den Elementen...immer auf der Suche nach Abenteuern...immer nur dem Meer entgegen mit dem Wind im Haar...oft saß sie stundenlang auf den Klippen...gab sich ganz den Elementen hin...rannte durch den Wald, spürte die Erde unter ihren Füßen. ..ihre Mutter nannte sie liebevoll einen kleinen Wildfang, wenn sie wieder mit zerrissenen Kleidern, roten Wangen und Schnittwunden auf den Armen nach Hause kam...der Vater hatte sie immer auf die Felder mitgenommen, wo sie ihm half, die Ernte für das neue Jahr zu säen... Geschwister hatte sie keine...ihre Eltern liebten ihr einziges Kind abgöttisch...niemals wäre es dem Mädchen in den Sinn gekommen, ihren Eltern nicht für alles zu danken…
Wer werde ich sein?
Die Elemente haben mich nicht verlassen...auch wenn ich sonst alleine bin, kann ich mich doch immer noch auf sie verlassen...ich lebe mein Leben, aber aus dem abenteuerlustigen, kleinen Mädchen ist nun eine Frau geworden...immer noch steckt das Abenteuer in mir und der Wind verführt mich dazu, mit ihm zu rennen...aber ich darf diesem Drängen nicht nachgeben...noch nicht....bald werde ich frei sein und dann entscheide ich...im Wasser tauchen.. in der Erde versinken...im Feuer verglühen...und ich werde wieder Herr über mein Leben sein…
1. Kapitel
Eines Tages sollte es passieren, dass ihr Vater bei einem Unfall auf dem Feld sein Leben verlor. Die genauen Umstände sollte sie nie erfahren. Die Männer des Dorfes hatten ihn auf einer Bahre in ihr Haus gebracht. Ihre Mutter war weinend neben ihm zusammengebrochen. Trotz ihrer fast 16 Jahre war die Tochter des Hauses noch nie dem Tod begegnet, sodass sie nicht verstand, wieso ihr Vater nicht aufstand und seine Frau in die Arme nahm um sie zu trösten. Erst sehr viel später verstand sie, dass er nie mehr wiederkommen würde...
Ihre Mutter verkraftete den Tod ihres geliebten Mannes nur sehr schwer. Oft stand sie in der kleinen Küche am Herd und starrte aus dem Fenster, als würde sie nur darauf warten, dass er hereinkam mit seinen schmutzigen Schuhen und einem Lächeln auf dem Gesicht. Lirael übernahm ab dann mit dem Knecht die schweren Aufgaben auf dem Feld. Abend für Abend fiel sie ermattet in ihr Bett und schlief oft vor dem Essen ein. Doch mit den Monaten gewöhnte sich ihr Körper daran - nur ihr Geist war immer wieder auf den Klippen bei den Elementen…
Nur ein paar Monate nach dem Tod ihres Vaters klopfte es an der Tür und ein Schatten fiel auf den Boden. Lirael kam gerade mit dem Karren vom Feld, als sie die offene Haustür sah. Es war der Verwalter des Herzoges. Seitdem der Vater gestorben war, waren der Knecht und Lirael mit der Arbeit nicht hinterhergekommen, sodass ihre Mutter die Steuern nicht mehr aufbringen konnte. Der Verwalter war ein hartherziger Mann, den das Leid der Familie nicht interessierte. „Der Herzog lässt euch ausrichten, dass ihr eure Schulden so schnell wie möglich ableisten sollt, sonst werdet ihr schon sehen, was ihr dreckiges Pack davon habt! In der majestätischen Küche werden immer zusätzliche Kräfte verlangt. Sein Angebot ist einmalig und ihr solltet es nutzen, wenn ihr nicht wie Diebe aus dem Land gejagt werden wollt.“ näselte er ihrer Mutter ins Gesicht, die aussah, als hätte ihr jemand eine Ohrfeige verpasst. Lirael stütze ihre Mutter, die aussah, als wenn sie jeden Moment in Ohnmacht fallen würde und führte sie auf einen Stuhl. Erst danach sah sie dem Verwalter ins Gesicht. „Meine Mutter und ich werden uns die nächsten Tage in der herzoglichen Küche vorstellen.“ sagte sie mit einem tiefen Knicks und schob ihn dann zur Tür hinaus. Die nächsten Tage, Wochen und Monate wurden für sie und ihre Mutter zur Qual. Die Arbeiten in der Küche waren anstrengend und beide waren den rauen Umgangston nicht gewöhnt. Dazu kam es, dass der Sohn des Herzogs seine Augen nicht von ihr lassen konnte. Sie hatte ihn mehrmals beim Essen bedienen müssen und jedes Mal waren seine eiskalten blauen Augen ihr gefolgt. Sie brauchte ihn nicht anzusehen, um diesen kalten Schauer auf ihrem Körper zu spüren. Er machte ihr Angst und so oft wie es nur irgendwie möglich war, ging sie ihm aus dem Weg. Bis auf einmal: sie war gerade auf dem Weg von der Küche in den Gesellentrakt, als er sie in einer dunklen Nische erwischte. Grob drückte er ihr die Hand auf den Mund und drückte sich fest an sie. \"Was für ein unvorsichtiges hübsches, junges Mädchen!\" säuselte er ihr leise ins Ohr, wenn er mit seiner Hand langsam unter ihren Rock kroch. Verzweifelt versuchte sie sich zu wehren, aber er hielt sie zu fest an die Wand gedrückt. \"Was soll das?\" zischte er ihr verärgert ins Ohr. \"Wenn du das Essen servierst, kannst du doch gar nicht genug von meinen Blicken haben und machst mich durch deine Bewegungen noch an und jetzt...willst du mich nicht?!\" Mit einem irren Blick in den Augen, nahm er ihr Oberteil in die Hände und zerriss es, sodass ihre Brüste frei zu sehen waren. In diesem Moment war er so abgelenkt, dass sie ihm ihr Knie in seine empfindlichsten Teile stoßen und wegrennen konnte. Die ganze Nacht lag sie zitternd vor Angst und Scham in ihrem Bett und horchte auf jedes Geräusch. Nachdem er sie in den nächsten Tagen ignorierte, entspannte sie sich und dachte Wochen später nicht mehr daran. Bis zu jenem Tag, an dem sich ihr Schicksal entscheiden sollte...
Der Herzog hatte sie und seine Mutter zu sich bestellen lassen. Lange ließ er sie vor seiner Tür stehen, um ihnen klarzumachen, wie wenig wert sie waren. Mit unsicheren Blicken sahen die beiden sich an, das schlimmste ahnend. Lirael hatte ihrer Mutter ein paar Tage danach von dem Vorfall erzählt. Diese hatte sie nur wortlos in den Arm genommen und getröstet, während sie heftige Weinkrämpfe geschüttelt hatten. „Hör zu, meine Tochter.“ Nachdem sie sich beruhigt hatte und ihre Tränen getrocknet waren, nahm ihre Mutter sie an der Hand und sah ihr fest in die Augen. „Du hast das richtige getan! Niemand kann dich zu etwas zwingen, was du nicht tun willst. Wahrscheinlich hätte er dich dann noch zu seiner Hure gemacht und du wärst dein Leben lang geschändet gewesen. Dein Vater wäre stolz auf dich!“ Mit einem wissenden Lächeln zog sie ihre Tochter an sich und schickte sie dann wieder an die Arbeit. Was sie Lirael nicht gezeigt hatte, war die Angst, die sie vor den Folgen hatte. Es war die Wahrheit gewesen, als sie ihr gesagt hatte, dass sie richtig gehandelt hatte, aber sie wusste genau, dass sich ein Herzogssohn so etwas nie auf sich sitzen lassen würde. Aber was geschehen war, war geschehen.
Und nun standen sie hier. Als der Herzog sie dann beide herein holen ließ, knickten Lirael die Beine fast weg vor Angst. Der Sohn des Herzogs stand neben dem Thron und lachte sie hämisch an. Ohne großes Federlesen, begann er ihr Leben und das ihrer Mutter systematisch zu zerstören. \"Nun Weib. Nicht genug, dass ihr nicht hart genug arbeitet und somit die Schulden deines Mannes bezahlen könntet - nein, deine unverschämte Tochter hat sich an meinen Sohn rangemacht und ihn schamlos verführen wollen. Wahrscheinlich hat sie sich Hoffnung gemacht, dass sie so ihrem armen Leben entfliehen kann und gleichzeitig an einen reichen Mann kommt! Das hattet ihr zwei Weibsbilder euch wohl so gedacht!\" Wutentbrannt stürzte der Herzog von seinem Thron, besann sich aber in der letzten Sekunde wieder. Räuspernd ging er um die beiden verängstigten Frauen herum. \"Nun, da eure wahren Machenschaften aufgedeckt sind, könnt ihr nicht mehr von mir erwarten, dass ich euch auf meiner Burg durchfüttere. Ihr habt es allein der Großzügigkeit meines Sohnes zu verdanken, der sich für euch eingesetzt hat, dass ich euch nicht wegen Verrates hängen lasse.\" Entsetzt schaute Lirael auf. Gerade noch so konnte sie in dem Gesicht des Sohnes ein hämisches Grinsen erkennen, bevor er betrübt die Augen niederschlug und den tief verletzten Sohn spielte. \"Oh lieber Gott!\" betete sie leise. \"Bitte lass es nicht wahr sein! Was haben wir nur getan, dass du uns jetzt so im Stich lässt!\" Aber Gott ließ keinen Blitz vom Himmel fahren oder tat sonst was um sie zu retten und als der grausame Mensch vor ihr verkündete, dass sie mit 20 Peitschenhieben aus dem Dorf verbannt werden sollte, verlor sie jeglichen Glauben an einen Gott.
Ihre Mutter war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen und nachdem sie erfuhr, dass sie aus ihrem Heimatdorf gejagt werden sollte, verlor sie das Bewusstsein. \"Mutter!\" rief Lirael erschrocken und nahm ihre Mutter in die Arme. Doch der Herzog nahm keine Rücksicht darauf und ließ die beiden in den Kerker werfen.
Es war ein strahlender Sommermorgen und auf Befehl des Herzogs musste das ganze Dorf und Umgebung zu sehen, wie Lirael und ihre Mutter bestraft wurden. Ein Gemurmel ging durch die Reihen. Jeder kannte die beiden und konnte sich nicht vorstellen, dass an den Vorwürfen auch nur ein Wort stimmen sollte. Lirael hatte vor dem Herzog um das Gesuch gebeten, dass sie die Strafe ihrer Mutter auf sich nehmen dürfte, welches aber kaltblütig abgelehnt wurde. Über die nächsten Minuten danach wusste sie so gut wie nichts mehr. Sie erinnerte sich nur daran, dass sie mit nackten Rücken auf den Boden knien musste und auf den Schmerz wartete. Und sie musste nicht lange warten. Die nächsten Minuten waren eine reinste Qual für sie - das Gefühl der Peitsche auf ihrem Rücken, das anschließende Brennen und die Demütigung. All das würde sie wohl nie wieder in ihrem Leben vergessen können. Nach 20 Hieben brach sie erschöpft zusammen, nicht mehr fähig auch nur einen klaren Gedanken mehr zu fassen. Das einzige, was durch den Nebel drang, der sich in ihrem Kopf breit gemacht hatte, waren die Schmerzensschreie ihrer Mutter. Müde hob sie den Kopf und suchte die Blicke ihrer Mutter. Gemeinsam gaben sie sich die Kraft und den Willen, dass durchzustehen. Der Herzog hatte es den Einwohnern auf Strafe verboten, den beiden zu helfen. Zwar waren sie nicht vogelfrei, aber sie waren für ihr Leben gebrandmarkt und alles nur, weil sie den Sohn des Herzogs zurückgewiesen hatte. Die nächsten Tage verbrachten sie und ihre Mutter wie im Rausch. Ihre alten Nachbarn hatten sich ihrer angenommen und die Wunden auf ihrem Rücken gepflegt. Lirael war noch jung und es war abzusehen, dass sie nur wenige Narben auf ihrem jungen Rücken hinterlassen würden, aber um ihre Mutter sah es nicht gut aus. Sie hatte schon zu viel Leid und Trauer ertragen müssen, sodass Lirael wenige Tage nach dem Unglück die Augen ihrer geliebten Mutter verschloss. Trauer oder Schmerz fühlte sie nicht mehr, sie war wie betäubt und weinen konnte sie schon lange nicht mehr. Sie übergab ihre Mutter dem Feuer und verstreute ihre Asche im Meer, da sie wusste, dass ihre Mutter ihre Freiheit genauso geliebt hatte, wie sie. Nachdem sie den Nachbarn all ihr letztes Hab und Gut als Dankeschön hinterlassen hatte, verließ sie den Ort ihrer Kindheit und schaute nie wieder zurück.
Fortsetzung folgt...
