Mein Leben mit Insta

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Leute, ich bin bei Insta! Und das mit 65, im Alter wo man sich schon mit der Farbe seines Sarges beschäftigen sollte. Der Grund dafür ist der Renteneintritt. Drei Jahre zuvor lag ich dem lieben Gott jeden Tag in den Ohren er solle doch bitte die Zeit voran schieben. Denn ich konnte, nachdem ich eine künstliche Hüfte trage und diese Probleme macht, meinen Lieblingsberuf nur noch unter Qualen erledigen. Nun war der große Tag da und mit ihm die Perspektivlosigkeit, die Einsamkeit und nicht zu vergessen, die Langeweile. Die Welt hat Corona! Dagegen war mein Problem nicht erwähnungswert. Aber es war da und ließ sich nicht weg atmen, so sehr ich es auch versuchte. Ich stürzte mich aufs Lesen. So lange das Bücherregal Lesestoff lieferte, war alles gut, aber auch diese Freude währte nur eine begrenzte Zeit. Dann backte und kochte ich , als gebe es keinen Morgen. Das Resultat; die Waage kletterte auf ungeahnte Höhe und das Portemonnaie schrumpfte zusehends. Normalerweise wäre jetzt die Zeit fürs Fitnessstudio gewesen, aber wie gesagt- Corona. Alle Unternehmungen, die im Ruhestand geplant waren, wurden durch den Lockdown unmöglich. Ich saß buchstäblich in der Falle, in der Falle der Aussichtslosigkeit. Ich verbrachte meine Tage im Bademantel, wankend aus der Küche ins Badezimmer und zurück. Eines Tages rutschte ich in der Küche aus, lag ungepflegt, Erdnüsse kauend, wie ein Maikäfer auf dem Rücken und schrie um Hilfe. Unser Nachbar, ein junger Mann, hatte meine Rufe gehört und half mir beim Aufstehen. Es war mir unendlich peinlich, ich überlegte die ganze Zeit ob er wohl meine Unterwäsche gesehen hatte? Denn dann wäre sein Interesse an Frauen für immer eliminiert gewesen.
Nun war ich entschlossen mein Leben zu ändern.
Am nächsten Morgen ging ich geduscht und zurechtgemacht nach Draußen. Ich war eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr an der frischen Luft gewesen und nahm mit Verwunderung ein paar vermummte Gestalten wahr. Die Menschen trugen Masken und sahen alle gleich aus. An der Bushaltestelle standen zwei Teenager und tippten fleißig auf ihren Handys herum.
,, Insta oder YouTube?“- fragte der Eine. ,,Insta“- war die Antwort. Insta, dann Insta dachte ich so bei mir und meldete mich an. Jetzt habe ich ein Ziel, ein festes Ritual, gehe jeden Morgen zwei Stunden auf Foto Jagd, lade anschließend die Bilder hoch und beantworte Kommentare, falls welche kommen. Man sagt Insta ist nichts echtes, gilt eher als Fake-News. Von Wegen, da passieren die dollste Dinge. Neulich hatte ein Follower (habe eine beachtliche Summe von 100 Followern)mich als seine Erbin auserkoren. Der Arme hatte nicht mehr lange zu leben, war kinderlos und besaß ein großes Vermögen, das er mir nun vermachen wollte. Mensch, was war ich froh! Doch am nächsten Tag prahlten meine restlichen 99 Follower auch mit einer Erbschaft. Seit dem hält sich meine Begeisterung bei Erbsachen in Grenzen.
Jetzt beschäftige ich mich mit Heiratsanträgen. Von wegen virtuelle Welt! Alles wie im echten Leben, erst Smalltalk, Komplimente, Fotoaustausch und dann wird ein Treffen vereinbart. Der letzte Schritt steht noch aus, man lässt sich Zeit. Habe einen feschen Herrn kennengelernt, einen Witwer, gut situiert, frisch im Geist und Körper, heiratswillig.
Habe zur Zeit viel zu tun, der Witwer ist ja nicht der einzige dem ich Zeit schenke, es sind noch ein paar andere Bewerber dabei . Man weiß ja nie.

Ab und zu sehe ich mir die Nachrichten an ( verfolge die Corona Einschränkungen) und da vernahm ich Folgendes; Ältere Menschen haben ein höheres Suchtpotenzial von den sozialen Medien abhängig zu werden, als jüngere. Das gibt mir zu denken. Weiß einer von euch ab wann man als Suchtkrank gilt?
 



 
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