Mein verdammter Traumjob

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anbas

Mitglied
Mein verdammter Traumjob

Da sagte doch neulich jemand, ich hätte einen Traumjob. Sehr witzig, wirklich sehr, sehr witzig! Natürlich hat meine Arbeit auch mit Träumen zu tun, weil ich Euch diese schließlich bringe. Doch das ist bei Weitem nicht alles. In Wahrheit handelt es sich um eine verdammt harte Knochenarbeit, die keine Sau würdigt. Das mit dem Traumjob ist jedenfalls schon sehr lange her.

Aber was rege ich mich auf – kann ja keiner wissen, wie es bei mir aussieht. Woher auch? Die Zeit für Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und den ganzen Kram habe ich nicht. Okay, da sind meine regelmäßigen Fernsehauftritte – aber denkt nicht, dass diese dazu geführt haben, dass sich irgendjemand mal etwas intensiver mit meinem Job auseinandergesetzt hat. Nichts ist geschehen. Nichts, absolut nichts! Daher möchte ich heute mal etwas mehr über meine Arbeit berichten.

Im Grunde ist es immer dieselbe Schinderei: In Lichtgeschwindigkeit schleppe ich meinen Spezialsand mit mir herum, um ihn weltweit zu verteilen. Der Zeitdruck ist unglaublich. Schließlich muss ich in sämtlichen Zeitzonen pünktlich streuen. Zwischendurch habe ich dann in den unterschiedlichsten Masken meine Auftritte im Fernsehen. Da steckt auch Arbeit hinter. Doch das ist noch längst nicht alles. Was denkt Ihr denn, wo der ganze Sand herkommt? Aus der Sahara? Von der Nordsee? Oder etwa vom Mond? Nein, natürlich nicht – und im Baumarkt kann man ihn auch nicht kaufen. Dieser Sand ist eine Spezialanfertigung, die ich selber entwickelt habe. Das Rezept und die Zutaten sind natürlich geheim. Die Herstellung dauert dann einige Stunden und ist reine Handarbeit. Doch das ist auch noch längst nicht alles. Es gibt nämlich einige Millionen Menschen bei denen meine normale Schlafsandstreuung nicht wirkt. Um die kümmere ich mich dann in Einzelbehandlungen mit einer anderen Sandmischung. Und auch die muss natürlich noch während des Tages hergestellt werden. Das alles funktioniert nämlich nur, wenn der Sand frisch ist. Für mehrere Tage auf Vorrat zu produzieren, ist daher nicht möglich. Außerdem hätte ich gar nicht die Zeit dafür.

Das alles geschieht zwischen den einzelnen Streuungen. Wie ich schon sagte, bewege ich mich fast rund um die Uhr in Lichtgeschwindigkeit. Zum Erholen bleibt da kaum Zeit. Das Wort "Sekundenschlaf" hat bei mir eine ganz andere Bedeutung als bei Euch.

Seit Jahrtausenden geht das schon so. – Ja, seit Jahrtausenden! Und eben nicht erst, seit ich im Fernsehen auftrete und dadurch bekannter geworden bin. Ich arbeite beinahe vierundzwanzig Stunden am Tag. Durch die Zunahme der Weltbevölkerung ist die Arbeit noch schwerer geworden. Es gibt immer mehr Menschen, die auf meine normale Schlafsandmischung nicht reagieren. Ich komme gar nicht mehr damit hinterher, all jene, die es nötig haben, einzeln zu versorgen. Darum hat die Zahl der Menschen mit Schlafstörungen auch so extrem zugenommen. Tut mir wirklich leid, aber ich bin nun mal ein Ein-Mann-Betrieb. Ich habe weder einen Betriebsrat noch eine Gewerkschaft hinter mir, und auch sonst niemanden, der mich entlasten könnte.

Die einzige größere Pause habe ich in den Zeitzonen, in denen gerade Vollmond ist. Dort mache ich nur die normale Sandausstreuung und keine Einzelbehandlungen. Dann gönne ich mir auch mal eine größere Mütze voll Schlaf. Doch das reicht kaum noch aus, um mich wirklich zu regenerieren. Oft bin ich so durch den Wind, dass ich selber nicht einschlafen kann. Immer häufiger benötige ich meinen eigenen Sand, um wenigstens ein wenig dösen zu können.

Das alles ist doch der pure Wahnsinn! Irgendwann werde ich noch zu meinem besten Kunden. Wenn das so weitergeht, steuere ich geradewegs auf ein Burnout zu. Aber was soll ich machen? Alles hinschmeißen? Mich krankschreiben lassen? Ich habe doch noch nicht mal die Zeit, um zum Arzt zu gehen. Außerdem, wer würde dann meinen Job machen? Soll die ganze Menschheit wochenlang nicht schlafen? Das würde tödlich enden! Nein, die Verantwortung kann und will ich nicht übernehmen.

Und der Dank für das alles? Fehlanzeige! Oder glaubt Ihr ernsthaft, dass die paar Lieder, Geschichten und Abhandlungen, die über mich geschrieben wurden, ausreichen, um meinen Einsatz auch nur annähernd zu würdigen? Bei Weitem nicht! Und dieses Gedudel "Sandmann, lieber Sandmann …" kann ich schon lange nicht mehr hören. Kotzen könnte ich, wenn das abgespielt wird. Aber ich lasse mir nichts anmerken, auch das gehört zu meiner Arbeit.

Also hört mir bloß auf damit, dass ich einen Traumjob habe! Überlegt Euch lieber mal, wie Ihr mich entlasten könnt. Nehmt mehr Schlaftabletten oder solch Zeug. Das würde schon helfen. Je weniger Einzelfallbehandlungen ich habe, umso besser geht es mir. Und dann hätte ich vielleicht irgendwann tatsächlich wieder einen Traumjob.
 
A

Alberta

Gast
Hey, das wollte ich Dir immer schonmal sagen: Du machst`n guten Job! Ährlich!
Bei Deinen vielen Kunden weißt Du sicher nicht, wer ich bin: Ich bin die, die für Dich abends immer das Licht dimmt. Und die CD einlegt. Mit der schönen Meditationsmusik...manchmal auch mit besprochenen, geführten Meditationen. Und wenn ich Deine Stimme auf der CD höre:"Ich mache es mir nun einmal ganz bequem..." - dann bin ich jedesmal ganz hin und weg.
Ich mag Dich. Sehr sogar.
Eigentlich schon immer...doch als kleines Mädchen hatte ich Angst vor Dir. Vor der Dunkelheit. Dem Grauen unterm Bett oder hinterm Schrank...dann habe ich immer laut gesungen: "Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht so weit, ich geh` noch nicht zur Abendruh, schließe nicht die Augen zu...!"
Und Du bist trotzdem gekommen.
Danke.
 
A

Alberta

Gast
Falls Du den "anonymen Dreier" meinst, der spukt bei mir auch immer rum: Einfach ignorieren und fröhlich weitermachen!;)
 

anbas

Mitglied
Noch 'ne 5 und noch 'ne 9 ...

So unterschiedlich sind die Geschmäcker und die Wertungsmaßstäbe ;).

Ich danke für die Stimmabgaben, freue mich natürlich mehr über die 9 als über die 5 :D.

... und was die anonyme 3 betrifft, liebe Alberta, so geistern, glaube ich, mehrere hier herum, die sich schlechte Wertungen nur anonym zu vergeben trauen.

LG

A
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo A.,
hat mir gut gefallen, dein Textlein!
Die rastlose Sprechweise des Protagonisten spiegelt die Fülle seiner Aufgaben wider.

Es gibt nämlich einige Millionen Menschen[red],[/red] bei denen meine normale Schlafsandstreuung nicht wirkt.
lg wüstenrose
 

anbas

Mitglied
Mein verdammter Traumjob

Da sagte doch neulich jemand, ich hätte einen Traumjob. Sehr witzig, wirklich sehr, sehr witzig! Natürlich hat meine Arbeit auch mit Träumen zu tun, weil ich Euch diese schließlich bringe. Doch das ist bei Weitem nicht alles. In Wahrheit handelt es sich um eine verdammt harte Knochenarbeit, die keine Sau würdigt. Das mit dem Traumjob ist jedenfalls schon sehr lange her.

Aber was rege ich mich auf – kann ja keiner wissen, wie es bei mir aussieht. Woher auch? Die Zeit für Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und den ganzen Kram habe ich nicht. Okay, da sind meine regelmäßigen Fernsehauftritte – aber denkt nicht, dass diese dazu geführt haben, dass sich irgendjemand mal etwas intensiver mit meinem Job auseinandergesetzt hat. Nichts ist geschehen. Nichts, absolut nichts! Daher möchte ich heute mal etwas mehr über meine Arbeit berichten.

Im Grunde ist es immer dieselbe Schinderei: In Lichtgeschwindigkeit schleppe ich meinen Spezialsand mit mir herum, um ihn weltweit zu verteilen. Der Zeitdruck ist unglaublich. Schließlich muss ich in sämtlichen Zeitzonen pünktlich streuen. Zwischendurch habe ich dann in den unterschiedlichsten Masken meine Auftritte im Fernsehen. Da steckt auch Arbeit hinter. Doch das ist noch längst nicht alles. Was denkt Ihr denn, wo der ganze Sand herkommt? Aus der Sahara? Von der Nordsee? Oder etwa vom Mond? Nein, natürlich nicht – und im Baumarkt kann man ihn auch nicht kaufen. Dieser Sand ist eine Spezialanfertigung, die ich selber entwickelt habe. Das Rezept und die Zutaten sind natürlich geheim. Die Herstellung dauert dann einige Stunden und ist reine Handarbeit. Doch das ist auch noch längst nicht alles. Es gibt nämlich einige Millionen Menschen, bei denen meine normale Schlafsandstreuung nicht wirkt. Um die kümmere ich mich dann in Einzelbehandlungen mit einer anderen Sandmischung. Und auch die muss natürlich noch während des Tages hergestellt werden. Das alles funktioniert nämlich nur, wenn der Sand frisch ist. Für mehrere Tage auf Vorrat zu produzieren, ist daher nicht möglich. Außerdem hätte ich gar nicht die Zeit dafür.

Das alles geschieht zwischen den einzelnen Streuungen. Wie ich schon sagte, bewege ich mich fast rund um die Uhr in Lichtgeschwindigkeit. Zum Erholen bleibt da kaum Zeit. Das Wort "Sekundenschlaf" hat bei mir eine ganz andere Bedeutung als bei Euch.

Seit Jahrtausenden geht das schon so. – Ja, seit Jahrtausenden! Und eben nicht erst, seit ich im Fernsehen auftrete und dadurch bekannter geworden bin. Ich arbeite beinahe vierundzwanzig Stunden am Tag. Durch die Zunahme der Weltbevölkerung ist die Arbeit noch schwerer geworden. Es gibt immer mehr Menschen, die auf meine normale Schlafsandmischung nicht reagieren. Ich komme gar nicht mehr damit hinterher, all jene, die es nötig haben, einzeln zu versorgen. Darum hat die Zahl der Menschen mit Schlafstörungen auch so extrem zugenommen. Tut mir wirklich leid, aber ich bin nun mal ein Ein-Mann-Betrieb. Ich habe weder einen Betriebsrat noch eine Gewerkschaft hinter mir, und auch sonst niemanden, der mich entlasten könnte.

Die einzige größere Pause habe ich in den Zeitzonen, in denen gerade Vollmond ist. Dort mache ich nur die normale Sandausstreuung und keine Einzelbehandlungen. Dann gönne ich mir auch mal eine größere Mütze voll Schlaf. Doch das reicht kaum noch aus, um mich wirklich zu regenerieren. Oft bin ich so durch den Wind, dass ich selber nicht einschlafen kann. Immer häufiger benötige ich meinen eigenen Sand, um wenigstens ein wenig dösen zu können.

Das alles ist doch der pure Wahnsinn! Irgendwann werde ich noch zu meinem besten Kunden. Wenn das so weitergeht, steuere ich geradewegs auf ein Burnout zu. Aber was soll ich machen? Alles hinschmeißen? Mich krankschreiben lassen? Ich habe doch noch nicht mal die Zeit, um zum Arzt zu gehen. Außerdem, wer würde dann meinen Job machen? Soll die ganze Menschheit wochenlang nicht schlafen? Das würde tödlich enden! Nein, die Verantwortung kann und will ich nicht übernehmen.

Und der Dank für das alles? Fehlanzeige! Oder glaubt Ihr ernsthaft, dass die paar Lieder, Geschichten und Abhandlungen, die über mich geschrieben wurden, ausreichen, um meinen Einsatz auch nur annähernd zu würdigen? Bei Weitem nicht! Und dieses Gedudel "Sandmann, lieber Sandmann …" kann ich schon lange nicht mehr hören. Kotzen könnte ich, wenn das abgespielt wird. Aber ich lasse mir nichts anmerken, auch das gehört zu meiner Arbeit.

Also hört mir bloß auf damit, dass ich einen Traumjob habe! Überlegt Euch lieber mal, wie Ihr mich entlasten könnt. Nehmt mehr Schlaftabletten oder solch Zeug. Das würde schon helfen. Je weniger Einzelfallbehandlungen ich habe, umso besser geht es mir. Und dann hätte ich vielleicht irgendwann tatsächlich wieder einen Traumjob.
 

anbas

Mitglied
Hallo wüstenrose,

Die rastlose Sprechweise des Protagonisten spiegelt die Fülle seiner Aufgaben wider.
So sollte es auch sein - bin sogar beim Schreiben fast außer Atem gekommen :D.
Danke für Deine Rückmeldung, das nachgereichte Komma und die Wertung!

LG

A
 

anbas

Mitglied
So, der Wettberwerb ist vorüber. Nun kann der Text aus der Anonymität geholt werden ;).

Habe gesehen, dass da noch mal anonyme 6 Punkte gegeben wurden. Vielen Dank dafür!

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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