Meine Aphrodite

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GerRey

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In Tagen wie diesen sehen wir die Literatur oft seltsame Blüten ziehen. Lautstark schieben sich Meinungsmacher in den Vordergrund, die das Wesen zu diktieren gedenken. Es sei statistisch erwiesen, dass der moderne Leser Sätze, die sich in mehr als zwei Nebensätzen zersplitterten, nicht zu fassen vermöge. Also stolpert man in kurzen Sätzen durch die Trivialität, vergleicht sich mit den Größen dieses Genres (die damit gutes Geld verdienen!) und meint, einen beachtenswerten Beitrag geleistet zu haben. So nebenbei wähnt man sich insgeheim auch in die Ruhmeshallen hoher Dichtkunst; man pflegt ja eine gewisse Verwandtschaft.
So ist um den Futtertrog der Trivialliteratur immer sehr viel Gegacker. Als jemand, der in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sozialisiert worden ist, denke ich noch mit Schaudern an das emporkommen der Disco-Generation zurück. Um meinen Musikgeschmack damals zu retten, musste ich ein Stück auf dem Weg zurückgehen und landete natürlich u. a. bei dem Musik-Festival von Woodstock. Eingedenk dessen, wandte ich mich nun ebenso in der Literatur ein paar Schritte zurück, fand eine alte Ästhetik und untersuchte sie ein wenig, um Teile davon mit meiner eigenen zu verknüpfen - kurz:
Ein Experiment.

GerRey, 2022


Βασιλική


Ich bemühte mich um keine Freunde, schon lange nicht mehr. Aber ihr Freund wollte ich sein. Und mit diesem Stolz kam auch die Qual: Wer wollte nicht ihr Freund sein? Der Anblick, sie mit einem Fremden lachen zu sehen, machte mich traurig. Es gab nichts, was mich mehr zerstören konnte. Sie war eine Aphrodite, die mit ihrem Eros, jene, die sich ihrer Schönheit tief ergaben, schirmend und hütend überschaute.

Ihr Leuchten, dieses magische Leuchten in ihren Augen - nur mich sollte es erwärmen! Jede Faser ihres Anblicks hatte ich tief in mich eingeatmet. Ihre verständnislosen Blicke, die sie zwischen mir und der Welt hin und her warf, erheiterten mich, nahmen mich für sie in tiefer Verehrung ein.


Thought of you as my mountaintop
Thought of you as my peak
Thought of you as everything
I've had, but couldn't keep
I've had, but couldn't keep

Linger on your pale blue eyes
Linger on your pale blue eyes

(“Pale Blue Eyes” -
Velvet Underground)

So huldigte ich meiner Göttin.

Als alter Bock Tragos flammte ich auf dem Altar der Liebe im Glauben an die Früchte und den Segen dieser Natur, ohne die feindseligen Elemente des Winters zu bedenken, die raue Eiszeit, die zwischen uns ausbrach, weil ich ihr mehr sein wollte, und die alles Lebendige und Frohe, das die Phantasie in die Wirklichkeit sinnierte, erstarren ließ.

Und dann stand da plötzlich nur noch Hass in ihren Augen. So kalt wie es an den Polen der Erde nicht sein konnte. Und dieser Hass galt mir. Ich sah ihn nicht nur aus ihren schönen Augen gegen mich fahren, sondern spürte ihn auch tief in meinem Herzen.

Ich wand mich und jammerte: What the hell is wrong with you? I love you!

Gibt es Hoffnung auf Frühling?

Wenn ja, betrinke ich mich inzwischen mit Wein - bei Dionysos! -, um ein anderer zu werden, einer, der mich lediglich mimt in einem erspielten Schmerz. Und der auch den verlorenen Sinn zu Unsinn verkehren kann. Und möge er darin so gut sein wie Arion von Lesbos - “der Töne Meister”, wie ihn einst ein Vortragender zu nennen pflegte -, den die Delphine aus dem Meer retteten, wohin die Räuber ihn geworfen hatten, als sie ihm den hohen Lohn des Sanges raubten.
 



 
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