Meine Geschichte

3,30 Stern(e) 3 Bewertungen

Happy End

Mitglied
Meine Geschichte:

Sonntags, im Stadtpark, kann man die Leute beim Entenfüttern beobachten; ältere Leute und Eltern mit Kindern, und ich kann Ihnen sagen, es gibt keinen besseren Ort um zu beschließen, eine Familie zu gründen. Am besten klappt es an einem richtig sonnigen Tag.
Ein knappes Jahr, nachdem uns genau das passiert war, meinem Mann und mir, waren wir verheiratet, und ich war schwanger.
Und schneller, als mein Bauch dick werden konnte, schlitterte ich in eine Krise, in der ich mich nicht traute, mit irgend jemandem über mein Unglück zu sprechen. War das, was ich bekommen hatte, nicht etwa haargenau das, was ich noch kurz vorher so sehr gewollt hatte?
Statt mich aber nun auf ein Kind zu freuen, saß ich tagsüber in unserer neuen Wohnung und guckte frisch gestrichene Wände an. Während mein Mann gutes Geld verdiente.
Es war einfach zum Heulen.
Aber was war los mit mir? Warum hatte ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben?
Okay, noch nie in meinem Leben war ich war in Australien gewesen, noch nie hatte ich...
Oh nein, keineswegs möchte ich hier den Eindruck aufkommen lassen, dass es mir auf irgendeinem Gebiet an nötigem Ehrgeiz gefehlt hätte... Mit dreizehn Jahren hatte ich, typisch für Mädchen in meinem Alter, die große Liebe gesucht. Romantic love - der Name eines Jungen, umrahmt von lila Tintenherzen, für die Ewigkeit in ein seidenes Tagebuch gekritzelt. Mein größter Erfolg zu dieser Zeit war es, wenn ich meinen Aufzeichnungen glauben darf, meiner besten Freundin den ersten Freund ausgespannt zu haben. Als sich ihre Eifersucht gelegt hatte, und uns solche Sachen zu langweilig wurden, begannen wir ein paar Jahre später zu kiffen, und auch anderen illegalen Substanzen gegenüber waren wir nicht abgeneigt, was nichts Ungewöhnliches war zu dieser Rock´n Roll Zeit, und nach wie vor galt die Devise, sich gegenseitig zu übertreffen und übertrumpfen. Diese aufregende Zeit habe ich in einem abschließbaren Tagebuch festgehalten, das bis heute im hintersten Winkel meines Kleiderschranks nach Patchouli müffelt; ich habe es mit der albernen Aufschrift „Christiane F.- Wir Kinder vom Schulklo 00“, versehen.
Und als ich mit neunzehn Jahren mit der Schule fertig war, entschied ich mich gegen den Willen meiner Eltern für eine Ausbildung zur Fotografin, und ob es nur Glück war, oder das Talent, das mir gefehlt hat um eine Starfotografin zu werden, als die ich mein restliches Leben verbringen wollte, interessiert mich schon lange nicht mehr.
Bis zur Erfindung des Smartphones hätte ich Kleinbildfilme verkaufen und Amateurfotoarbeiten eintüten müssen, mit immerhin einem, wenn auch mittelprächtigen, Abitur.
Mit ähnlichen Gedanken begann ich ein Studium - und brach es wieder ab. Als ich eines Tages in schlampigen Klamotten in der Mensa angestanden hatte, musterte mich ein blonder zwei Meter - Typ mit Poloshirt und Seitenscheitel (der typische Popper der späten 1980-er Jahre), und fragte mich:
„Und, was studierst du?“ (mit Betonung auf \'Du\')
„Ich? Äääh, Germanistik.“
„Auf Lehramt?“
„...Nee...“
„Wofür dann sonst?“ (sein Teint ließ auf Sylt tippen)
„Mal sehen. Äh, und was studierst du so?“
„BWL“, schnaubte er, und schlappte mit einem schwartigen Stück Fleisch auf dem Teller von dannen, so schnell ihn seine Mokassins trugen.
Wenn es an dieser Essensausgabe ein wenig länger gedauert hätte, hätte er mir mit Sicherheit einen Vortrag über die Verschwendung von Steuergeldern gehalten, wovon er in meinem Fall überzeugt zu sein schien - zumal zu dieser Zeit noch niemand von Studiengebühren sprach.
Noch nie in meinem Leben war ich mir dermaßen blöd vorgekommen.
Und bald ging ich also statt zur Uni zweimal die Woche zu einem Wickelkurs...
Heute, fast zwanzig Jahre später, bin ich froh, zur richtigen Zeit in meinem Leben zwei Kinder bekommen zu haben, im eigenen Haus zu wohnen, in einem Teilzeitjob arbeiten zu können, und immer noch mit dem selben Mann verheiratet zu sein.
Unseren letzten Urlaub haben wir übrigens in Australien verbracht.
Und sonst? Meine Akademikereltern haben mir niemals verziehen, dass ich ihnen als einziges Kind eine Karriere schuldig geblieben bin, und meine Schwiegermutter hasst mich dafür, dass ich keine dreistöckigen Torten backen kann. Und dann sind da noch ein paar \'nette\' Kolleginnen, die tagtäglich kein Verständnis für jemanden haben, der nicht bereit ist, sich von montags bis freitags mindestens acht Stunden lang seinen Hintern auf einem ergonomisch geformten Bürostuhl platt zu sitzen und abends \'Bauer sucht Frau\' zu gucken. Aber vier Stunden in der Firma reichen mir völlig, mittags gehe ich nach Hause, auch wenn meine Kinder inzwischen allein die Haustür aufschließen und sich eine Pizza heiß machen könnten. Ich koche ihnen ein gesundes Mittagessen und danach widme ich mich in aller Ruhe meiner Bügelwäsche oder dem Blumenbeet in unserem Vorgarten. Und abends schlafe ich meistens gleich nach den Nachrichten auf dem Sofa ein. Neben meinem Mann.
Das Alles hört sich ganz nach glücklicher Familie an?
Nach dem langweiligen Leben einer spießigen Klobrillenputzerin?
Na bravo – Sie haben´s endlich kapiert...
„Und worum geht’s hier eigentlich?“, wollen Sie jetzt wissen, bevor Sie sich die Fußnägel lackieren gehen.
„Wird hier gleich vom wöchentlichen Hausputz die Rede sein?“
„Von verlorengegangenen Socken in der 60- Grad-Wäsche?“
„Von Eiern in Senfsoße?“
Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich Fragen dieser Art momentan nur mit „Jein“ beantworten kann.
Und wovon könnte hier sonst noch die Rede sein?
Nein, auch um einem \'Lover\' geht es nicht in meinem grundsoliden Leben, weil es schlichtweg keinen gibt und keinen geben wird. Die, mit denen manche Kolleginnen am Montagmorgen im Büro ganz gerne angeben, entpuppen sich oft schon gegen Ende der Woche als Nervensägen, Kotzbrocken oder verkappte Psychopathen, mit denen man letzten Endes doch weitaus mehr Ärger als Spaß haben dürfte. Dieser uralte Vergleich zwischen Männern und Klobrillen in öffentlichen Toiletten: - entweder sie sind besetzt oder beschissen - im Alter von über vierzig Jahren stimmt der mit meinen Erfahrungen und Beobachtungen nahezu hundertprozentig überein, das kann ich Ihnen versichern.
Ein paar Beispiele gefällig?
- Wenn dir ganz unerwartet ein gut aussehender Kerl einen Blumenstrauß ins Büro schickt (wie es einer Kollegin neulich passiert ist), nachdem du ihn, als er noch der Freund deiner besten Freundin war, mal zwei Sekunden zu lange angeguckt hast, dann kannst du drauf wetten, dass deine Freundin mittlerweile aus guten Gründen beschlossen hat, sich diesen Herrn vom Hals zu schaffen und/ oder zu diesem Zeitpunkt völlig pleite ist und er sich von ihr hat aushalten lassen.
- Der Monteur mit dem angegrauten Schnauzbart, der neulich meine Waschmaschine repariert hat (altersbedingter Kalkschaden), ließ währenddessen über den Rand seiner Lesebrille vertrauenswürdig durchblicken, dass er nicht nur für defekte Haushaltsgeräte zwei sehr geschickte Hände hätte...
Nein Danke – ICH HABE KEINEN BEDARF!
Und auch Folgendes habe ich mir nicht ausgedacht:
- Eine dreifache Mutti - seit über zwanzig Jahren (glücklich) verheiratet - speckt kurz vor den Wechseljahren fünfzehn Kilo ab, zieht sich einen Minirock an und fängt in der Firma einen heißen Flirt mit dem Hausmeister an.
Ich selbst habe allerdings nicht vor, mich auf solche Weise lächerlich zu machen.

Aber wie oft muss ich Ihnen eigentlich NOCH sagen, dass Sie diesen MIST hier eigentlich gar nicht LESEN wollen?
Sowas macht Sie doch höchstens DEPRESSIV!
Und unter guter UNTERHALTUNG versehen Sie mit gutem Recht etwas ANDERES als DAS hier!

Und wenn Sie jetzt wirklich glauben sollten, dass mir das Gefühl, dass das Leben mir etwas schuldig geblieben ist, während meiner fast zwanzigjährigen Ehe abhanden gekommen ist, dann ist das natürlich auch nicht ganz richtig. Natürlich habe ich im Alter von über vierzig Jahren schon hin und wieder über eine Botox- Flatrate bei einem erfahrenen Hautarzt nachgedacht: Ab und zu ein Spritzchen gegen die erschlaffenden Mundwinkel, wenn mir danach zumute wäre. Nur ganz für mich selbst natürlich, um weiterhin so zufrieden in den Spiegel blicken zu können wie bisher.
Denn in Würde zu altern, wie man so sagt - kann man das wirklich?
Und, da wir gerade beim Thema sind: ein klein wenig abnehmen sollte ich auch bis zum Sommerurlaub. Besonders um die Hüften herum, damit man mich laut einer charmanten Äußerung meiner Tochter im Badeanzug nicht mit einer professionellen Kugelstoßerin verwechselt.
Und bei einem Blick in den Spiegel kann ich nicht ernsthaft abstreiten, dass sich mein Busen, mein Bauch und mein Arsch in letzter Zeit ein gutes Stück näher gekommen sind.
„Mülltonnenmäßig, Mama“, wie sich mein Sohn diesbezüglich ausdrückt.

Beim Aldi gab es diese \'Körperfettwaagen\' im Angebot, hatte ich morgens in der Zeitung gesehen. Bei dem Wort \'Körperfett\', überlegte ich, als ich im Büro saß, wird doch endlich mal nicht um den heißen Brei herumgeredet. Denn zu viel \'Körperfett\' - das ist doch genau das Problem, wenn man zu dick ist. Man hätte den Dingern ja auch einen kundenfreundlichen Namen geben können.
\'Körper-Fett\' hört sich so nach Fleisch - und Wurstwarenabteilung an, weniger nach Badezimmer. Aber bestimmt, das wurde mir während der Arbeit klar, wäre dafür das Abnehmen mit Hilfe einer solchen \'Körperfettwaage\' geradezu ein Kinderspiel - wenn man eine hätte. Man tippt seine Eckdaten in ein Display ein, stellte ich mir vor, stellt sich drauf, und die Körperfettwaage sagt einem ganz genau, was man tun soll. Wie ein Navigationsgerät im Auto etwa: „Bitte verlieren Sie umgehend Viertausendachthundertzweiundsechzig Gramm Körperfett!\"
Und als gut gemeinte Warnung gleich hinterher: „Oder Ihnen drohen ein Herzinfarkt, Plattfüße und Cellulitis...“.
Das wäre doch endlich mal eine klare Ansage!, dachte ich mir.
Und der Rest ginge dann ganz von selbst.

Natürlich HABE ich geblinkt, schon als der andere rausgefahren ist.
Und als es gekracht hat, war rechts von uns dieser Panzer, ziemlich nah an uns dran. Drin saß ein Typ, der mich angeglotzt und die Zähne gefletscht hat, bevor er einen Gang einlegte und einen halben Meter rückwärts fuhr. Als er raussprang, hat er den Kopf geschüttelt und geflucht und sein Handy gezückt, mit dem er zu fotografieren angefangen hat. Und als auch ich mich endlich aus dem Auto getraut habe, hat er sich gar nicht erst die Mühe gemacht mich zu grüßen, sondern hat mir umstandslos mitgeteilt, dass ich die Schuld an dem Unfall hätte. Und da er keine Zeit hätte, sagte er, sich mit zu unterhalten, sollte ich ihm sofort meine Unterlagen geben.
Als er zur Seite trat, um noch ein paar weitere Fotos zu schießen, konnte auch ich den Schaden an unseren Autos in Augenschein nehmen, und das war die fußballgroße Beule in meiner Beifahrertür und die lächerliche Schramme an der Stoßstange seines Panzers. Noch bevor ich dazu kam, ein Wort zu erwidern, bremste ein Radfahrer vor meiner Kühlerhaube und lüftete eine Kapuze über seinem Lockenkopf. Er begrüßte uns freundlich und sagte, dass er an der Ampel gestanden und von dort aus gesehen hätte, was passiert sei. Und genau das muss wohl im selben Moment dem SUV- Fahrer klar geworden sein, der aus seiner Jacke eine Brieftasche, und aus dieser einen Schein zog, den er, bevor ich kapierte, was los war, zusammenrollte und dem Lockenkopf mit einem Grinsen entgegstreckte. Als der dann ohne zu zögern seine Hand danach ausstreckte, konnte ich nicht erkennen, ob es sich, wie ich annehme, um einen Geldschein gehandelt hat, und auch nicht, welche Farbe der gehabt hätte.
Aber als Herr Zähnefletscher sein Portemonnaie wieder in seiner Jackentasche verstauen wollte, fiel ihm sein Handy herunter.
„Wer beim Rückwärtsfahren nicht aufpasst, hat seinen Führerschein wohl in der Lotterie gewonnen und nicht in der Fahrschule gemacht!“, blaffte er, bückte sich und hob es auf.
Es war in eine Pfütze gefallen.
Wie bitte? Wer war rückwärts gefahren? Er selber? Der Radfahrer?
Es dauerte ein Weilchen, bis ich kapierte, was er meinte.
Ich sollte rückwärts aus der Parklücke gekommen sein, in die ich gerade hatte reinfahren wollen. Und dabei nicht nach hinten geguckt haben. Der junge Mann, unser \'Zeuge\', sagte kein weiteres Wort, wich grinsend meinem fragenden Blick aus, schwang sich auf sein Rad und war blitzschnell verschwunden. Was meinem Unfallpartner nur recht zu sein schien. Und jetzt? Auch ich hatte ein Handy dabei und hätte, wenn ich die Nummer gewusst hätte, die Polizei angerufen. Aber ich hätte die 110 wählen müssen. Oder die 112? Und darf man das bei einem läppischen Auffahrunfall? Auch meinen Mann hätte ich anrufen können.
Hätte...
„Darf ich mal?“, fragte ich, schob den Herrn beiseite und begann selbst Fotos zu machen. Zur Sicherheit notierte ich mir die Autonummer seines SUV.
„Und jetzt“, blaffte ich, als ich fertig war „hätte ICH gern IHRE Papiere, sonst werde ich die Polizei rufen.“
Wir tauschten unsere Personalausweise, ich notierte mir seinen Namen und er sich meinen.
„Wer rückwärts fährt und nicht nach hinten guckt...“, fing er nochmal an, und ich unterbrach ihn:
„Ja klar, der spießt sich dem anderen auf die Stoßstange und holt sich dabei eine Beule in der Tür!“, sagte ich, was ich zwar nicht für ausgeschlossen, aber für einigermaßen unwahrscheinlich hielt.
„Das sieht die Polizei bestimmt genauso!“
Jetzt fummelte er sein I- Phone aus seiner Jackentasche.
„Dann bin ICH es, der hier die Polizei ruft!“, schnaufte er.
„Tun Sie das!“, antwortete ich: „Wenn Ihr I-Phone eine Unterwasserkamera hat, ist ein läppischer Telefonanruf sicher kein Problem, nachdem es ein kleines Bad genommen hat. Und Ihre Fotos sind sicher auch spitzenmäßig.“
„Grmmmmpf!“.

„Mama, Mama, wie lange dauert es noch? Ich habe Hunger!“.
Die Chance auf einen Cheeseburger lässt sich mein Sohn selbst dann nicht entgehen, wenn er eine halbe Stunde vorher einen gut gefüllten Teller Spaghetti verputzt hat, was der Grund dafür war, dass er auf der Rückbank unseres Autos saß.
\"Klar doch, - einen Burger könnte ich jetzt auch vertragen...\"
Die Körperfettwaagen beim Aldi waren längst ausverkauft, als wir ankamen.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Ein Willkommen im grünen Wohnzimmer der Leselupe. Ich wünsche Dir viel Freude am Schreiben und konstruktive Kritiken von engagierten Lesern.

Es grüßt der Ironbiber
 

Happy End

Mitglied
Meine Geschichte:

Sonntags, im Stadtpark, kann man die Leute beim Entenfüttern beobachten; ältere Leute und Eltern mit Kindern, und ich kann Ihnen sagen, es gibt keinen besseren Ort um zu beschließen, eine Familie zu gründen. Am besten klappt es an einem richtig sonnigen Tag.
Ein knappes Jahr, nachdem uns genau das passiert war, meinem Mann und mir, waren wir verheiratet, und ich war schwanger.
Und schneller, als mein Bauch dick werden konnte, schlitterte ich in eine Krise, in der ich mich nicht traute, mit irgend jemandem über mein Unglück zu sprechen. War das, was ich bekommen hatte, nicht etwa haargenau das, was ich noch kurz vorher so sehr gewollt hatte?
Statt mich aber nun auf ein Kind zu freuen, saß ich tagsüber in unserer neuen Wohnung und guckte frisch gestrichene Wände an. Während mein Mann gutes Geld verdiente.
Es war einfach zum Heulen.
Aber was war los mit mir? Warum hatte ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben?
Okay, noch nie in meinem Leben war ich war in Australien gewesen, noch nie hatte ich...
Oh nein, keineswegs möchte ich hier den Eindruck aufkommen lassen, dass es mir auf irgendeinem Gebiet an nötigem Ehrgeiz gefehlt hätte... Mit dreizehn Jahren hatte ich, typisch für Mädchen in meinem Alter, die große Liebe gesucht. Romantic love - der Name eines Jungen, umrahmt von lila Tintenherzen, für die Ewigkeit in ein seidenes Tagebuch gekritzelt. Mein größter Erfolg zu dieser Zeit war es, wenn ich meinen Aufzeichnungen glauben darf, meiner besten Freundin den ersten Freund ausgespannt zu haben. Als sich ihre Eifersucht gelegt hatte, und uns solche Sachen zu langweilig wurden, begannen wir ein paar Jahre später zu kiffen, und auch anderen illegalen Substanzen gegenüber waren wir nicht abgeneigt, was nichts Ungewöhnliches war zu dieser Rock´n Roll Zeit, und nach wie vor galt die Devise, sich gegenseitig zu übertreffen und übertrumpfen. Diese aufregende Zeit habe ich in einem abschließbaren Tagebuch festgehalten, das bis heute im hintersten Winkel meines Kleiderschranks nach Patchouli müffelt; ich habe es mit der albernen Aufschrift „Christiane F.- Wir Kinder vom Schulklo 00“, versehen.
Und als ich mit neunzehn Jahren mit der Schule fertig war, entschied ich mich gegen den Willen meiner Eltern für eine Ausbildung zur Fotografin, und ob es nur Glück war, oder das Talent, das mir gefehlt hat um eine Starfotografin zu werden, als die ich mein restliches Leben verbringen wollte, interessiert mich schon lange nicht mehr.
Bis zur Erfindung des Smartphones hätte ich Kleinbildfilme verkaufen und Amateurfotoarbeiten eintüten müssen, mit immerhin einem, wenn auch mittelprächtigen, Abitur.
Mit ähnlichen Gedanken begann ich ein Studium - und brach es wieder ab. Als ich eines Tages in schlampigen Klamotten in der Mensa angestanden hatte, musterte mich ein blonder zwei Meter - Typ mit Poloshirt und Seitenscheitel (der typische Popper der späten 1980-er Jahre), und fragte mich:
„Und, was studierst du?“ (mit Betonung auf \'Du\')
„Ich? Äääh, Germanistik.“
„Auf Lehramt?“
„...Nee...“
„Wofür dann sonst?“ (sein Teint ließ auf Sylt tippen)
„Mal sehen. Äh, und was studierst du so?“
„BWL“, schnaubte er, und schlappte mit einem schwartigen Stück Fleisch auf dem Teller von dannen, so schnell ihn seine Mokassins trugen.
Wenn es an dieser Essensausgabe ein wenig länger gedauert hätte, hätte er mir mit Sicherheit einen Vortrag über die Verschwendung von Steuergeldern gehalten, wovon er in meinem Fall überzeugt zu sein schien - zumal zu dieser Zeit noch niemand von Studiengebühren sprach.
Noch nie in meinem Leben war ich mir dermaßen blöd vorgekommen.
Und bald ging ich also statt zur Uni zweimal die Woche zu einem Wickelkurs...
Heute, fast zwanzig Jahre später, bin ich froh, zur richtigen Zeit in meinem Leben zwei Kinder bekommen zu haben, im eigenen Haus zu wohnen, in einem Teilzeitjob arbeiten zu können, und immer noch mit dem selben Mann verheiratet zu sein.
Unseren letzten Urlaub haben wir übrigens in Australien verbracht.
Und sonst? Meine Akademikereltern haben mir niemals verziehen, dass ich ihnen als einziges Kind eine Karriere schuldig geblieben bin, und meine Schwiegermutter hasst mich dafür, dass ich keine dreistöckigen Torten backen kann. Und dann sind da noch ein paar \'nette\' Kolleginnen, die tagtäglich kein Verständnis für jemanden haben, der nicht bereit ist, sich von montags bis freitags mindestens acht Stunden lang seinen Hintern auf einem ergonomisch geformten Bürostuhl platt zu sitzen und abends \'Bauer sucht Frau\' zu gucken. Aber vier Stunden in der Firma reichen mir völlig, mittags gehe ich nach Hause, auch wenn meine Kinder inzwischen allein die Haustür aufschließen und sich eine Pizza heiß machen könnten. Ich koche ihnen ein gesundes Mittagessen und danach widme ich mich in aller Ruhe meiner Bügelwäsche oder dem Blumenbeet in unserem Vorgarten. Und abends schlafe ich meistens gleich nach den Nachrichten auf dem Sofa ein. Neben meinem Mann.
Das Alles hört sich ganz nach glücklicher Familie an?
Nach dem langweiligen Leben einer spießigen Klobrillenputzerin?
Na bravo – Sie haben´s endlich kapiert...
„Und worum geht’s hier eigentlich?“, wollen Sie jetzt wissen, bevor Sie sich die Fußnägel lackieren gehen.
„Wird hier gleich vom wöchentlichen Hausputz die Rede sein?“
„Von verlorengegangenen Socken in der 60- Grad-Wäsche?“
„Von Eiern in Senfsoße?“
Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich Fragen dieser Art momentan nur mit „Jein“ beantworten kann.
Und wovon könnte hier sonst noch die Rede sein?
Nein, auch um einem \'Lover\' geht es nicht in meinem grundsoliden Leben, weil es schlichtweg keinen gibt und keinen geben wird. Die, mit denen manche Kolleginnen am Montagmorgen im Büro ganz gerne angeben, entpuppen sich oft schon gegen Ende der Woche als Nervensägen, Kotzbrocken oder verkappte Psychopathen, mit denen man letzten Endes doch weitaus mehr Ärger als Spaß haben dürfte. Dieser uralte Vergleich zwischen Männern und Klobrillen in öffentlichen Toiletten: - entweder sie sind besetzt oder beschissen - im Alter von über vierzig Jahren stimmt der mit meinen Erfahrungen und Beobachtungen nahezu hundertprozentig überein, das kann ich Ihnen versichern.
Ein paar Beispiele gefällig?
- Wenn dir ganz unerwartet ein gut aussehender Kerl einen Blumenstrauß ins Büro schickt (wie es einer Kollegin neulich passiert ist), nachdem du ihn, als er noch der Freund deiner besten Freundin war, mal zwei Sekunden zu lange angeguckt hast, dann kannst du drauf wetten, dass deine Freundin mittlerweile aus guten Gründen beschlossen hat, sich diesen Herrn vom Hals zu schaffen und/ oder zu diesem Zeitpunkt völlig pleite ist und er sich von ihr hat aushalten lassen.
- Der Monteur mit dem angegrauten Schnauzbart, der neulich meine Waschmaschine repariert hat (altersbedingter Kalkschaden), ließ währenddessen über den Rand seiner Lesebrille vertrauenswürdig durchblicken, dass er nicht nur für defekte Haushaltsgeräte zwei sehr geschickte Hände hätte...
Nein Danke – ICH HABE KEINEN BEDARF!
Und auch Folgendes habe ich mir nicht ausgedacht:
- Eine dreifache Mutti - seit über zwanzig Jahren (glücklich) verheiratet - speckt kurz vor den Wechseljahren fünfzehn Kilo ab, zieht sich einen Minirock an und fängt in der Firma einen heißen Flirt mit dem Hausmeister an.
Ich selbst habe allerdings nicht vor, mich auf solche Weise lächerlich zu machen.

Aber wie oft muss ich Ihnen eigentlich NOCH sagen, dass Sie diesen MIST hier eigentlich gar nicht LESEN wollen?
Sowas macht Sie doch höchstens DEPRESSIV!
Und unter guter UNTERHALTUNG versehen Sie mit gutem Recht etwas ANDERES als DAS hier!

Und wenn Sie jetzt wirklich glauben sollten, dass mir das Gefühl, dass das Leben mir etwas schuldig geblieben ist, während meiner fast zwanzigjährigen Ehe abhanden gekommen ist, dann ist das natürlich auch nicht ganz richtig. Natürlich habe ich im Alter von über vierzig Jahren schon hin und wieder über eine Botox- Flatrate bei einem erfahrenen Hautarzt nachgedacht: Ab und zu ein Spritzchen gegen die erschlaffenden Mundwinkel, wenn mir danach zumute wäre. Nur ganz für mich selbst natürlich, um weiterhin so zufrieden in den Spiegel blicken zu können wie bisher.
Denn in Würde zu altern, wie man so sagt - kann man das wirklich?
Und, da wir gerade beim Thema sind: ein klein wenig abnehmen sollte ich auch bis zum Sommerurlaub. Besonders um die Hüften herum, damit man mich laut einer charmanten Äußerung meiner Tochter im Badeanzug nicht mit einer professionellen Kugelstoßerin verwechselt.
Und bei einem Blick in den Spiegel kann ich nicht ernsthaft abstreiten, dass sich mein Busen, mein Bauch und mein Arsch in letzter Zeit ein gutes Stück näher gekommen sind.
„Mülltonnenmäßig, Mama“, wie sich mein Sohn diesbezüglich ausdrückt.

Beim Aldi gab es diese \'Körperfettwaagen\' im Angebot, hatte ich morgens in der Zeitung gesehen. Bei dem Wort \'Körperfett\', überlegte ich, als ich im Büro saß, wird doch endlich mal nicht um den heißen Brei herumgeredet. Denn zu viel \'Körperfett\' - das ist doch genau das Problem, wenn man zu dick ist. Man hätte den Dingern ja auch einen kundenfreundlichen Namen geben können.
\'Körper-Fett\' hört sich so nach Fleisch - und Wurstwarenabteilung an, weniger nach Badezimmer. Aber bestimmt, das wurde mir während der Arbeit klar, wäre dafür das Abnehmen mit Hilfe einer solchen \'Körperfettwaage\' geradezu ein Kinderspiel - wenn man eine hätte. Man tippt seine Eckdaten in ein Display ein, stellte ich mir vor, stellt sich drauf, und die Körperfettwaage sagt einem ganz genau, was man tun soll. Wie ein Navigationsgerät im Auto etwa: „Bitte verlieren Sie umgehend Viertausendachthundertzweiundsechzig Gramm Körperfett!\"
Und als gut gemeinte Warnung gleich hinterher: „Oder Ihnen drohen ein Herzinfarkt, Plattfüße und Cellulitis...“.
Das wäre doch endlich mal eine klare Ansage!, dachte ich mir.
Und der Rest ginge dann ganz von selbst.

Natürlich HABE ich geblinkt, schon als der andere rausgefahren ist.
Und als es gekracht hat, war rechts von uns dieser Panzer, ziemlich nah an uns dran. Drin saß ein Typ, der mich angeglotzt und die Zähne gefletscht hat, bevor er einen Gang einlegte und einen halben Meter rückwärts fuhr. Als er raussprang, hat er den Kopf geschüttelt und geflucht und sein Handy gezückt, mit dem er zu fotografieren angefangen hat. Und als auch ich mich endlich aus dem Auto getraut habe, hat er sich gar nicht erst die Mühe gemacht mich zu grüßen, sondern hat mir umstandslos mitgeteilt, dass ich die Schuld an dem Unfall hätte. Und da er keine Zeit hätte, sagte er, sich mit zu unterhalten, sollte ich ihm sofort meine Unterlagen geben.
Als er zur Seite trat, um noch ein paar weitere Fotos zu schießen, konnte auch ich den Schaden an unseren Autos in Augenschein nehmen, und das war die fußballgroße Beule in meiner Beifahrertür und die lächerliche Schramme an der Stoßstange seines Panzers. Noch bevor ich dazu kam, ein Wort zu erwidern, bremste ein Radfahrer vor meiner Kühlerhaube und lüftete eine Kapuze über seinem Lockenkopf. Er begrüßte uns freundlich und sagte, dass er an der Ampel gestanden und von dort aus gesehen hätte, was passiert sei. Und genau das muss wohl im selben Moment dem SUV- Fahrer klar geworden sein, der aus seiner Jacke eine Brieftasche, und aus dieser einen Schein zog, den er, bevor ich kapierte, was los war, zusammenrollte und dem Lockenkopf mit einem Grinsen entgegstreckte. Als der dann ohne zu zögern seine Hand danach ausstreckte, konnte ich nicht erkennen, ob es sich, wie ich annehme, um einen Geldschein gehandelt hat, und auch nicht, welche Farbe der gehabt hätte.
Aber als Herr Zähnefletscher sein Portemonnaie wieder in seiner Jackentasche verstauen wollte, fiel ihm sein Handy herunter.
„Wer beim Rückwärtsfahren nicht aufpasst, hat seinen Führerschein wohl in der Lotterie gewonnen und nicht in der Fahrschule gemacht!“, blaffte er, bückte sich und hob es auf.
Es war in eine Pfütze gefallen.
Wie bitte? Wer war rückwärts gefahren? Er selber? Der Radfahrer?
Es dauerte ein Weilchen, bis ich kapierte, was er meinte.
Ich sollte rückwärts aus der Parklücke gekommen sein, in die ich gerade hatte reinfahren wollen. Und dabei nicht nach hinten geguckt haben. Der junge Mann, unser \'Zeuge\', sagte kein weiteres Wort, wich grinsend meinem fragenden Blick aus, schwang sich auf sein Rad und war blitzschnell verschwunden. Was meinem Unfallpartner nur recht zu sein schien. Und jetzt? Auch ich hatte ein Handy dabei und hätte, wenn ich die Nummer gewusst hätte, die Polizei angerufen. Aber ich hätte die 110 wählen müssen. Oder die 112? Und darf man das bei einem läppischen Auffahrunfall? Auch meinen Mann hätte ich anrufen können.
Hätte...
„Darf ich mal?“, fragte ich, schob den Herrn beiseite und begann selbst Fotos zu machen. Zur Sicherheit notierte ich mir die Autonummer seines SUV.
„Und jetzt“, blaffte ich, als ich fertig war „hätte ICH gern IHRE Papiere, sonst werde ich die Polizei rufen.“
Wir tauschten unsere Personalausweise, ich notierte mir seinen Namen und er sich meinen.
„Wer rückwärts fährt und nicht nach hinten guckt...“, fing er nochmal an, und ich unterbrach ihn:
„Ja klar, der spießt sich dem anderen auf die Stoßstange und holt sich dabei eine Beule in der Tür!“, sagte ich, was ich zwar nicht für ausgeschlossen, aber für einigermaßen unwahrscheinlich hielt.
„Das sieht die Polizei bestimmt genauso!“
Jetzt fummelte er sein I- Phone aus seiner Jackentasche.
„Dann bin ICH es, der hier die Polizei ruft!“, schnaufte er.
„Tun Sie das!“, antwortete ich: „Wenn Ihr I- Phone eine Unterwasserkamera hat, ist ein läppischer Telefonanruf sicher auch kein Problem, nachdem es ein kleines Bad genommen hat. Und die Fotos sind spitzenmäßig.“
„Grmmmmpf!“.

„Mama, Mama, wie lange dauert es noch? Ich habe Hunger!“.
Die Chance auf einen Cheeseburger lässt sich mein Sohn selbst dann nicht entgehen, wenn er eine halbe Stunde vorher einen gut gefüllten Teller Spaghetti verputzt hat, was der Grund dafür war, dass er auf der Rückbank unseres Autos saß.
\"Klar doch, - einen Burger könnte ich jetzt auch vertragen...\", antwortete ich.
Die Körperfettwaagen beim Aldi waren längst ausverkauft, als wir ankamen.
 
A

Architheutis

Gast
Hallo und Willkommen Happy End,

Dein Schreibsstil gefällt mir. Er ist sehr flüssig, enthält so gut wie keine Textüberfrachtungen. Hier bekommt man sicheres Handwerk geboten. Allein die vielen // irritieren mich: Kann sich um einen Formatierungsfehler handeln?

Der Inhalt hingegen spricht mich nicht so an. Hier werden mir zuviele Allgemeinplätze bedient, irgendwie passiert nichts. Oder nicht genug. Ich fragte mich bei jedem Absatz, warum ich das jetzt unbedingt lesen musste; wo will die Geschichte eigentlich hin?

Und schneller, als mein Bauch dick werden konnte, schlitterte ich in eine Krise, in der ich mich nicht traute, mit irgend jemandem über mein Unglück zu sprechen.
Welche Krise? Wo finde ich die im Text wieder?

Ja, es soll wohl absichtlich normal gehalten werden, um das Schöne im Normalen zu sehen. Dagegen kann man nichts einwenden, das eignet sich schon für eine Geschichte. Mir fehlt hier der rote Faden. Mir ist das aber auch zu sehr biographisch und daher zu direkt. Ich wünschte mir hier, dass das, was gesagt werden soll, in Bilder verschlüselt wird, idealerweise in einem humoristischen und/oder satirischen Gewand. Auch in dieser Hinsicht wäre mehr rauszuholen gewesen.

Kein schlechter Start, aber ausbaufähig. Weiterhin viel Erfolg hier! ;-)

Lieben Gruß,
Archi
 

Happy End

Mitglied
Hallo Architheutis,

danke für die Beschäftigung mit meinem Text und für den "flüssigen Schreibstil", den Du mir bescheinigst.
Inhaltlich gefällt er dir nicht so, und vielleicht sind meine psychologischen und sozialkritischen Beobachtungen (wofür ich sie halte), wirklich nur Allgemeinplätze.
In Zukunft werde ich sie genauer überdenken.
Ohne hier biographisch allzu sehr die Hose runterlassen zu wollen: die Krise meiner Protagonistin lässt sich mit ihrem beruflichen Scheitern erklären, so war es zu jener Zeit meines Wissens zum Beispiel nicht möglich, an einer deutschen Universität das Fach "Kreatives Schreiben" zu belegen.

Grüße,
Happy End
 



 
Oben Unten