Meine Liebe für Bruce Springsteen und ernsthafte Themen

Papiertiger

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Letztens waren Die Ärzte aus Berlin im Rahmen ihrer Tour in Hannover. Ich hätte ein Ticket bekommen können. 72 Euro oder so. Das ist die Band wert. Ich habe sie schon öfter live gesehen. Aber irgendwie konnte ich mich nicht dazu durchringen. Es mag an zwei Jahren Pandemie liegen und der gewonnenen Erkenntnis, dass mir Geld zu haben tatsächlich besser gefällt als so manches, was ich dafür früher leichtfertig gekauft hatte und was mich dann rasch genervt und gelangweilt hat. Aber ein Grund war es dann doch vor allem der mich vom Konzertbesuch abhielt: Die Ärzte machen vor allem Spaß-Pop-Punk. Lustige Texte. Gute Laune. Zwar auch Lieder, die ich wirklich sehr gefühlvoll finde wie „Teenager Liebe“ und „Wie es geht“, aber halt auch vieles was dann doch eher platt ist. Zu Bruce Springsteen wäre ich sofort gegangen. Weil der Amerikaner ist, bessere musikalische Qualität bietet und der Prophet im eigenen Land nichts zählt? Nicht unbedingt. Springsteens Musik begleitet mich seit Jahrzehnten. Er behandelt in drei Musik Themen, das es sich so intensiv und tiefgreifend, so bewegend und episch anfühlt als hätte man einen Film gesehen oder einen Roman gelesen. Ernste Themen. Tragische Helden. Entscheidungen, die ein ganzes Leben verändern können. Freude, Aufbruchsstimmung, Liebe, Schmerz. Alles fühlt sich echt und wahrhaftig an als sänge da einer, der das alles selbst erlebt hat. Das ist Musik, die Trost spendet, dazu anregt das eigene Leben zu überdenken, bessere Entscheidungen zu treffen, Fehler zu korrigieren, anderen Menschen besser zu verstehen. Springsteen lehrt Demut, Dankbarkeit, drückt aus, wie die USA sein können und wie sie sein sollten, nämlich besser, freier, gerechter und sozialer.

Humor ist super. Auch Albernheiten sind prima. Kunst besticht unter anderem durch ihre Vielfalt, es ist wie ein gigantisches Buffet, das niemals alle wird. Kunst ist konstruiert, durchdacht, strukturiert und ich liebe es, wenn ich nichts davon bemerke, wenn ich ein Werk genieße. Und ja, auch Ernsthaftigkeit, kann ein Genuss sein. „Nebraska“ ist ein Album über Verlierer, Verlust, zum Tode Verurteilte, aber es ist voller Hoffnung, es ist aufbauend und endet sogar buchstäblich „on a happy note“, nämlich mit dem sehr eingängigen, sarkastisch-fröhlichen „Reason to believe“.

Wenn ich schreibe, würde ich auch gerne, zumindest kurze Momente erschaffen, in denen es ernsthaft, wahrhaftig und bewegend ist und zwar auf eine natürliche, ehrliche Art und Weise. Nicht belehren, keine billigen Taschenspielertricks. Kein Kitsch, keine Heuchelei. Ernsthaft. Vielleicht sind das geradezu göttliche Momente, in denen wir ein tiefes Verständnis für die Welt und die Menschen, die Dinge und Lebewesen um uns herum entwickeln. Der Blick aufs große Ganze. Sozusagen ein Emporsteigen unseres Geistes gen Himmel, um uns und unser Leben dann für einen Moment aus der Vogelperspektive zu betrachten, Konflikte und Erlebnisse ins rechte Licht zu rücken. Die geradezu absurde Kürze unserer Leben zu begreifen und die Vielzahl an Optionen zu sehen, die wir eben doch Tag für Tag haben. All das geht ohne Nahtoderfahrung, fragwürdige Sekten und ganz sicher auch ohne Alkohol und andere Drogen. Alles Kopfsache. Ernsthaft.
 

petrasmiles

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Lieber Papiertiger,

volle Zustimmung, ich kam aus dem Nicken nicht raus :)
Schön, dass Du diese Gedanken mit uns geteilt hast.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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