Vielleicht hätte ich das Gedicht nicht unter der Rubrik "feste Formen" veröffentlichen sollen.
Ja, ich habe mich an der Struktur des Sonetts orientiert. Ich wollte versuchen meine Gedanken einmal in einem streng geregelten Gedicht zu ordnen. Doch während des Schreibens ist mir aufgefallen, dass ich mich nicht an die, meines Erachtens recht "konservative" Art des Sonetts, binden möchte.
Daher wollte ich bestimmte Regeln eines Sonetts missachten als eine Art "Trotzreaktion" - wenn man es so nennen möchte - aber auch als Zeichen der Verwirrtheit, welche mit meiner Hauptintention verbunden ist. Die Form sollte ihren eigenen kleinen Beitrag leisten, um zu zeigen, dass wir bestrebt sind stets zu hinterfragen und zu begreifen oder nicht zu begreifen. Unser immer wiederkehrendes Aufbegehren, unsere Verunsicherungen und Sorgen wollen beantwortet werden. Schon von Kindes Beinen an sind wir so gestrickt. (Daher auch die Anspielung auf ein Kinderlied zu Beginn). Oder wir wenden uns an die Religion, finden Antworten im Übersinnlichen, wenn wir nicht weiter wissen (worauf ebenfalls die erste Strophe anspielt).
So verhält es sich unser Leben lang. Wir stoßen ständig auf Dinge, die wir paradox finden, weil wir sie zunächst nicht verstehen. Das, was wir nicht kennen, hinterfragen wir und das, was wir kennen, kritisieren wir.
der Wald versperrt mein Blick
bis zur Lichtung reicht Kritik
Aber was sollen wir nun tun? Sollen wir Unbekanntes hinterfragen oder uns dem Glauben zuwenden? Wofür entscheiden wir uns persönlich?
Das lyrische Ich meines Gedichtes zwingt sich nicht zu einer Antwort. Es lässt sich von seinen Sehnsüchten hinreißen und geht seinen ersten Impulsen nach.
und dann singe ich leis'
das Lied vom Abendland
und schließe die Augen
Es lebt schlicht sein Leben und findet dadurch eine mögliche Antwort auf eine Frage, die weder "Richtig" noch "Falsch" zu unterscheiden vermag - der Grund für den Sinn des Lebens.
werde ewig glauben
und doch niemals verstehn'
was es heißt im Kreis zu geh'n
Das lyrische Ich akzeptiert, dass es nicht alles wissen kann. Es ist glücklich mit seinem Leben. So, wie es ist.
Ich bin dankbar für eure Kritik und konnte einiges für noch kommende lyrische Texte gewinnen. Dennoch möchte ich erwähnen, dass die Form nur einen kleinen Teil jedes Gedichtes ausmacht. Doch leider scheint die Form in diesem Fall die Aussagekraft meines Themas geschwächt zu haben. Nichts desto Trotz sollten nicht vergessen werden, dass das bedeutendste bei jeder Art von Text die Absicht ist, die dahinter steckt. Auf den Inhalt kommt es schließlich an.
Das Schöne an Gedichten ist ja, dass jeder sie anders Interpretieren kann. Jeder versteht es so, wie er es persönlich am besten findet.