Meinesgleichen

anemone

Mitglied
Ich wäre ein sonderbares Kind, sagte man mir in meiner Jugend. Wie konnten sie das behaupten? Diese Behauptung entbehrte jeglicher Grundlage. Na gut, ich gebe es zu, hartnäckig zu sein. Das ist wohl kein Verbrechen, oder? Und dass ich den Sachen auf den Grund gehe, was spricht dagegen?

Mutter hätte es mir nicht immer wieder sagen müssen: „Kind, gib nur acht darauf, dass du nicht ausgerechnet einen ebensolchen Albino heiratest, wie du einer bist. Es werden weiße, rotäugige Kaninchen dabei herauskommen!“
Nein, ich suchte nicht krampfhaft nach einer Albino-Gattin. Sie lief mir nur so über den Weg, nachdem ich in der Zeitung annonciert hatte: „Hübscher Albino, Mitte 20, sucht ebensolche Partnerin!“
Es war nicht schwer, sie zu erkennen, glich sie mir doch in allen optischen Feinheiten bis auf’s Haar. Sie hieß Lucy und trug eine getönte Sonnenbrille wie ich.
Lucy wollte vorläufig keine Kinder, doch gleich beim ersten Akt gingen mit mir die Pferde durch: Ich sah nur Kaninchen vor meinem geistigen Auge und so kam, was kommen musste: Ich fühlte mich wie ein bis zum Anschlag gespannter Bogen: In neun Monaten sollte es nun soweit sein!
Es kribbelte mir in den Fingern. Immer wieder wollte ich Lucy’s Bauch betasten.
Ich meine, man müsste es doch spüren, wenn sich vierbeinige Kaninchen in ihrem Bauch befänden und jedesmal, wenn Lucy von der Ultraschall-Untersuchung zurück kam, brachte sie mir ein Foto mit.
„Ach mein kleiner, verrückter Harry!“ sagte sie nur zu mir und strich mir über die weiße Haarpracht, wenn ich laut Überlegungen anstellte, wo diese vier Karnickel denn einen Schlafplatz finden würden.
Schade, aus den Ultraschall-Bildern konnte ich beim besten Willen nichts erkennen. Ich brauchte ein Stethoskop und fand zufällig eins auf dem Trödelmarkt. Anfangs ließ Lucy es über sich ergehen, wenn ich jeden Morgen, noch bevor ich ins Geschäft ging ihren Bauch abhörte und –tastete. Vier kleine Pfoten, das musste man doch spüren! Doch ja, einen Herzschlag konnte ich hören und Lucy freute sich, wenn ich ihn wiederholte, so dass auch sie ihn nachvollziehen konnte.
Die Fotos, die sie vom Arztbesuch mitbrachte waren schon immer deutlicher, doch für mich nicht deutlich genug. Ich erkannte darauf ein Kaninchen, wenn nicht sogar zwei und wie oft fragte ich Lucy: „Bist du sicher, dass es nicht zwei sind?“ Verärgert sah sie mich jedesmal an und sagte: „Ganz sicher!“ Ja und dann sagte ich nichts mehr. Ich ließ mir meine Enttäuschung nicht anmerken.
Ja und bald ist es soweit: Lucy erwartet ihre Jungen, heute oder morgen! Mensch bin ich aufgeregt!
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
prust,

kicher, lach! das ist ja genau so wie in der geschichte, wo das kind absichtlich nicht den teller leer isst, um zu sehen, ob es am anderen tag wirklich regnet! mach mal so weiter. ganz lieb grüßt
 



 
Oben Unten