Meister

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WackyWorld

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Der Friedhof roch nach Erde. Simon hockte vor dem Grab seiner Großmutter. Die kühle Luft strich ihm sanft durch das Haar, während er in Gedanken versunken die Blumen niederlegte.

Die Wolken verdunkelten sich am Himmel und hüllten den Friedhof in ein schummriges Zwielicht, als Simon plötzlich ein seltsames Geräusch vernahm. Es war wie das Knacken von Knochen, gefolgt von einem feuchten Schmatzen.

Woher kam dieses Geräusch?

Simon schaute sich um. Nichts.

Da war es wieder. Das Schmatzen.

Simon richtete sich auf. Sein Blick wanderte über die Gräber. Niemand war zu sehen.

War Herr Schubert, der Totengräber, um diese Zeit noch unterwegs? Es klang nach seinen Stiefeln, die durch den Matsch wateten. Doch Moment mal? Matsch? Es hatte seit Tagen nicht geregnet.

Sein Handy piepte. Eine Nachricht seiner Tochter. Wo er denn bliebe. Er wollte eine Antwort tippen, da sah er es.

Am Ende der Friedhosfmauer hockte eine groteske Kreatur über etwas, das Simon nicht identifzieren konnte. Die abscheuliche Kreatur besaß langes, verfilztes Haar, das wie ein Schleier aus Verwesung von ihrem Haupt hing. Auf dem Kopf prangten groteske, gehörnte Auswüchse, die sich auf perverse Weise verkrümmten und verschlungenen.

Simon taumelte beim Versuch, sich rückwärts gehend zu entfernen. Die Bestie drehte ihren Kopf. Das Wesen hatte einen Gesichtsausdruck wie aus einem Alptraum.

Er schrie.

Simon konnte nicht anders, als an die Geschichten zu denken, die er als Kind von Wendigos gehört hatte – jene grauenvollen Monster, die Menschenfleisch fraßen und die Seelen derer raubten, die ihnen begegneten.

Er rannte.

Sein Herz trommelte in seiner Brust. Als er das Eingangstor erreicht hatte, sah er eine menschliche Gestalt. Herr Schubert. Ein Glück.

„Herr Schubert“, rief Simon.
Keine Reaktion.
Simon drehte sich um. Der Wendigo war nicht zu sehen.

„Herr Schubert, dort hinten ist ein ..ein Grabräuber.“
Er schämte sich dafür, Herrn Schubert möglicherweise in den Tod zu schicken, aber sein eigenes Leben war ihm im Moment wichtiger.
Simon stand jetzt direkt vor dem Totengräber. Dieser war grauenhaft entstellt. Ganze Areale seines Oberkörpers waren angefressen, die Kehle durchgebissen wie ein Apfel. Tief in dieser alten, vertrockneten Wunde sah man Knochen- und Knorpelreste.
„Meister, ich habe ihn“, rief das Wesen, das mal Herr Schubert war und hielt Simon am Arm fest.

Dieser schlug in Panik um sich. Es gelang ihm, sich zu befreien.

Er rannte und rannte. Bloß weg von hier.

An seinem Fahrzeug angekommen, sah er ein kleines Mädchen, das anscheinend auf den Friedhof zusteuerte.

„Hey, du darfst da auf keinen Fall hingehen, hörst du? Dreh um, lauf weg!“, schrie Simon dem Kind entgegen.

Es reagierte nicht.

Simon griff nach seinem Handy und schaltete die Taschenlampe ein. Was er dann sah, ließ ihn vor Angst zusammenzucken. Das lange, stumpfe Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht. An einer Stelle hatte sie sich selbst eine ganze Handvoll davon ausgerissen, doch die Wunde blutete nicht, schien ihr nicht das Geringste auszumachen. Kleine Maden krochen darin herum, fraßen sich durch das faulende Fleisch. Auch die Kleider waren zerrissen, ihre Bluse zerfetzt.

Simon schrie erneut auf.

„Meister, hier ist er.“ Schrie das Mädchen mit einer Stimme, die so tief war, wie die eines Mannes mit einer Brust vom Format einer Regentonne.

Simon konnte nicht ins Auto also blieb ihm nichts anderes übrig, also weiter zu rennen. Und das tat er auch. Sein Herz wummerte, sein T-Shirt war vom Schweiß durchtränkt.

Die Polizeistation, dachte er, die war nur noch 2 Straßen entfernt. Er musste durchhalten, durfte nicht schlapp machen. Er bereute es, wieder mit dem Rauchen angefangen zu haben.

Hinter ihm hörte er ein Kreischen. Er drehte sich nicht um. Rannte weiter.

Dann sah er die Lichter der Polizeiwache. Er hatte es geschafft.

Er drückte auf den Klingelknopf. Einmal. Zweimal. Dann ertönten Schritte aus dem Inneren des Gebäudes. Die Wache war besetzt, ein Glück!

Die Tür öffnete sich.

Simon erstarrte.

Der Polizist hatte nur noch eine Gesichtshälfte.

Simon sprang zurück.

Das Wesen in Uniform folgte ihm. Maden fielen ihm aus Rachen und einer leeren Augenhöhle. Sein Kopf wirkte klein, weil ein Teil bereits fehlte, Haare hatte er nur noch wenige Büschel. Stattdessen wimmelten weiße Maden über seinen Schädel, gruben in Haut und Fleisch herum.

Simon roch den entsetzlichen Gestank, den der verwesende Körper von sich gab.

„Meister, hier ist er!“, rief das Scheusal, das einmal ein Mensch war.

Simon drehte sich um und rannte.

Er fragte sich allmählich, ob er den Verstand verloren hatte. Es gab nur noch einen Ort, an dem er sich sicher fühlte. Zuhause.

An der Kreuzung hinter der Wache entdeckte er ein umgekipptes Fahrrad. Er sprang auf und begann wie wild in die Pedalen zu treten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte er sein Zuhause.

Er ließ das Fahrrad auf der Straße liegen und schloss die Wohnungstür auf.

Als er seine Eltern und seine Tochter am Tisch sitzen sah, überkam ihn ein Gefühl von Erleichterung und Schutz. In diesem Moment vergaß er die Schrecken, die er gerade erlebt hatte, und empfand eine tiefe Dankbarkeit für die Geborgenheit, die seine Familie ihm bot.

„Simon, was ist los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen“, sagte seine Mutter besorgt und stand auf, um ihn zu umarmen.

Simon zögerte einen Moment, bevor er antwortete. Sollte er ihnen von dem Grauen erzählen, das er auf dem Friedhof gesehen hatte? Oder sollte er ihnen die verstörenden Details ersparen und ihnen lediglich von einem unheimlichen Zwischenfall berichten?

Während er in den liebevollen Armen seiner Mutter stand und das Lachen seiner Tochter hörte, entschied Simon, dass es besser war, die Wahrheit für sich zu behalten.

Doch kaum hatte er diese Entscheidung getroffen, spürte er plötzlich eine eisige Hand auf seiner Schulter. Er blickte auf und sah in die leeren Augen seines Vaters, der ein schiefes Grinsen auf den Lippen trug. Ehe er sich versah, wurde Simon von seiner Familie auf den Tisch gedrückt und mit starken Seilen festgeschnallt. Entsetzen und Verwirrung übermannten ihn.

Seine Tochter kicherte, während sie an einem Seil zog, und rief dann mit einer Stimme, die nicht mehr ihre eigene zu sein schien: „Meister, er ist bereit!“

Die Tür öffnete sich knarrend, und das entstellte Scheusal, das Simon auf dem Friedhof gesehen hatte, trat in den Raum. Ein zufriedenes Knurren ertönte, bevor sich die dolchartigen Zähne durch Simons Brust bohrten.
 

Schreibfan

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Also für mich funktioniert die Geschichte. Schade, dass sie so lange unkommentiert blieb. Nur hätte ich vllt die Hauptfigur nicht Simon genannt. Ich kann es nicht genau erklären, aber Simon ist für mich ein Name, den ich eher mit einer Geschichte über Alltagsgeschehen als über übernatürlichen Horror verbinden würde.
LG Schreibfan
 

rainer Genuss

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hallo WW
die großen Zeilenabstände erschweren m.M. das Lesen
Erinnert mich an die "Dämonenkiller"- Heftchen meiner Jugend. Mich würden deine Beweggründe für das Genre Horror interessieren.
Salute Ra
 

WackyWorld

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War mal ein Versuch, aber ich glaube, ich ticke zu satirisch. Horror entgleitet mir zu sehr. Ich bleib auch ab jetzt bei meinen Leisten. Schusterjunge schreibt Satire. Das kann er. Den Rest kann er nich ;)
 

John Goodman

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Auch wenn der Text nicht die Voraussetzung für das Horrorgenre erfüllt, so habe ich ihn trotzdem gern gelesen.
Handwerklich ist er solide geschrieben, bis auf die viel zu großen Zeilenabstände, hat es kaum meinen Lesefluss gestört.
Leider kam keine nennenswerte Spannung auf, weil für mein Verständnis das Geschehen nicht nah genug an deinem Protagonisten dran war.
Und auch die eine oder andere Beschreibung ließ mich eher schmunzeln als gruseln. Denn der Horror lebt vom Ungewissen.
Mit einigen Anpassungen könnte man sogar den Text zu einer Horrorkomödie umfunktionieren.
Dort würde er im neuen Glanz erstrahlen.


Gruß

JG
 

WackyWorld

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" Und auch die eine oder andere Beschreibung ließ mich eher schmunzeln als gruseln " - Haste zu 100 % Recht. Ich habe zu viel Schalk im Nacken und / oder Blut, der schimmert immer durch. Lass auch Horror jetzt stecken. Bleib bei Satire.
 



 
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