Melissa

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nikko_rosko

Mitglied
Dieser Morgen begann ungewöhnlich. Meine Schwester kam mich zu besuchen.
Meine ältere Schwester.
Das bedeutet nicht, dass ich zwei Schwestern habe, eine ältere und eine jüngere. Ich habe nur eine Schwester und sie ist etwas älter als ich. Entschuldigen Sie mein Deutsch, ich habe ausländische Wurzeln und spreche nicht sehr gut. Meine Schwester spricht gut.

Meistens ist es anders, ich besuche sie, weil sie in eine sehr schöne Wohnzone wohnt. Wissen Sie, wo gibt es viele Blumen, Springbrunnen, Statuen und so was anderes. Sogar Hunde und Bäume werden dort geschnitten. Ich glaube, wenn du dort ein wenig verweilst, werden sie dir auch die Haare schneiden. Hoffentlich nur die Haare. Mir gefällt es dort sehr gut und deshalb bitte ich sie meistens um einen Besuch. Und besuchte ich sie abends nach der Arbeit.

Aber es ist eine gute Idee, morgens zu Besuch gehen. Meine Schwester ist schlau und hat kluge Ideen, wie zum Beispiel einen morgendlichen Besuch. Abends sind die Gastgeber meistens müde, sie gähnen, alle sich langweilen. Aber wenn du morgens zu Besuch kommst, wird dies nicht passieren. Die Gastgeber werden sich riesig freuen, Morgengäste zu haben. Deshalb war ich sehr froh, dass meine Schwester mich morgens besuchen kam. Ich selbst kann morgens nicht zu Besuch kommen, weil ich Frühschichten habe.

Meine Schwester ist sehr begabt. Im Allgemeinen sind natürlich alle Menschen auf der Welt begabt. Jeder kennt das. Selbst ich bin auch begabt. Aber meine Schwester ist nur bloß “begabt”, während ich bin “alternative begabt”. Schon was anderes. Also gingen wir auf unterschiedliche Schulen. Meine war in der Nähe, also konnte ich dorthin laufen, aber ihre Schule war weit entfernt und sie fuhr zu Schule mit der Straßenbahn. Ich beneidete sie ein wenig, weil sie jeden Tag zweimal mit der Straßenbahn fuhr. Hin und zurück.

Ich mochte meine Schule und erinnere mich immer mit einem Lächeln an diese Zeiten. Wir haben viel gescherzt und gelacht, auch im Unterricht. Jetzt ist das Leben nicht mehr so lustig und sorglos, aber wir wurden in der Schule davor gewarnt, also bin ich nicht überrascht.

Ich habe mich sehr gefreut, dass meine Schwester mich besuchen kam. Bei dieser Gelegenheit habe ich sogar Toast mit Butter und Käse gemacht und auch gekochte Eier. Ich weiß, dass meine Schwester Butter und Käsetoast zum Frühstück mag, und ich mag gekochte Eier. Daher habe ich fairerweise alles getan, damit wir beide gerne zusammen frühstücken könnten. Wir haben viel mit ihr geredet und gelacht, wie in unsere Kinderzeiten.

Da mich meine Schwester besuchen kam und wir viel gescherzt und gelacht haben, bin ich mit der Straßenbahn zur Arbeit gefahren und nicht wie immer zu Fuß. Um nicht zu spät kommen, denn ich komme nie zu spät. Bei der Arbeit mache ich alles richtig und man schätzt mich dort. Ich arbeite in Altersheim und das ist der beste Job, den man bekommen kann. Ich liebe es, mit Menschen zu unterhalten, und das ist alles, was du dort tust. Es ist auch gut, bei der Polizei zu arbeiten, weil man dort auch viel mit Leuten kommunizieren muss, aber ich wurde dort nicht eingeladen. Wenn ich mich aber entscheiden müsste, würde ich trotzdem Altersheim wählen, weil es fair ist. Schließlich werde auch ich einmal alt und pflegebedürftig.

Die alten Leute sind sehr freundlich, sie bringen mir die Sprache bei. Einige von ihnen sind lustig und andere traurig.

Herr Dietrich ist meistens traurig. Er erzählt mir allerlei Geschichten aus seiner Jugend. Als er jung war, war es noch das 21. Jahrhundert, so alt ist er. Er flog mit Flugzeugen in verschiedene Länder und reiste viel. Er war in Ländern, in denen Bananen direkt auf Bäumen wachsen, und er war in Ländern, in denen Spucke auf dem Weg zu Boden gefriert. Beides kann ich mir nur schwer vorstellen. Er verspricht mir eines Tages zu erzählen, wie sich Uruguay und Paraguay unterscheiden. Ich glaube, das sind die Länder. Höchstwahrscheinlich wachsen Bananen auf Bäumen in einem Land und in dem anderen gefriert Spucke auf dem Weg zum Boden, aber ich erzähle ihm nichts davon, weil er die Intrige behalten möchte und ich das Spiel nicht verderben will.

Und er fuhr auch echte Autos und hatte viele davon, aber nicht gleichzeitig, sondern nacheinander. Sowie auch Frauen. Er aß auch echtes Fleisch. Ich glaube es nicht, aber das sagt er wirklich. Früher war es wahrscheinlich kein Verbrechen. Und er hatte viele Sachen – er liebte schöne Sachen. Einmal in Rom angekommen, kaufte er in eine Laden mehrere Hosen, mehrere Hemden, drei Pullover, zwei Hüte, neue Schuhe auf einmal und wollte gerade gehen, als der ältere Ladenbesitzer ihm noch einen Mantel anzog. Und dann versammelten sich alle Verkäufer um ihn, fingen an, ihre Hände zu falten und zueinander zu sagen:

„Wie aus dem Gesicht geschnitten Alberto Sordi“.

Dann kaufte er auch der Mantel. Und er fragt mich: „Weißt du vielleicht, wer Alberto Sordi ist?“. Ich weiß nicht. Dann seufzt er und sagt, er wisse es auch nicht. Hat sich nicht damals erkundigt, vergieß es zu fragen. Und nun erinnert er sich darum.

Ich glaube, ich weiß, warum er so traurig ist – schließlich hat er in seiner Jugend so viele Dinge getan, die der Natur geschadet haben, und jetzt quält ihn sein Gewissen.

Und Frau Schönberg ist meistens fröhlich. Sie fragt mich nach allem draußen. Kürzlich fragte sie mich, welches Buch ich lese. Ich erwiderte, dass ich ein Buch über Carlson lese, der auf dem Dach wohnt. Das Smartphone hat es mir empfohlen und es weiß, wer und was gelesen werden muss, und setzt Punkte, wenn er es richtig liest.

“Oh, ich habe es auch gelesen, als ich ein kleines Mädchen war”, sagte sie, “Warum, glaubst du, hat Carlson auf dem Dach gewohnt?”

“Wahrscheinlich, weil er kein Geld für eine Hypothek hatte und in Zone C wohnte”, antwortete ich.

Und Frau Schönberg lachte und sagte, er wohne auf dem Dach, weil er ein Romantiker sei. In jenen Jahren, in denen dieses Buch geschrieben wurde, schien es den Menschen, dass ihnen nur Gutes bevorstand. Man kann sich zum Beispiel einen Propeller an den Arsch anheften (Frau Schönberg drückt sich immer stark aus), und der Mensch fliegt. Oder befestige einen Propeller an einem Auto und es fliegt. In wissenschaftlichen Zeitschriften wurden solche Artikel geschrieben und Bilder dazu gedruckt. Aber es stellte sich heraus, dass dies entweder unmöglich oder sehr teuer ist. Außerdem gibt es dann eben in der Luft den gleichen Flohmarkt wie am Boden, und es ändert sich nichts.

Woran man auch immer sich Propeller steckt, sagt Frau Schönberg, die Menschen bleiben gleich. Sie denken immer, dass der Progress ihnen nur Gutes bringt. Carlson war also so ein Romantiker.

Ich verstehe Frau Schönberg nicht immer. Progress ist doch ja immer gut. So wurde es uns in der Schule beigebracht.

Nach der Arbeit hatte ich ein Date mit Melissa im Café “Elephant”. Mein Smartphone hat sie mir ausgewählt. Der Computer wählt für uns die am besten geeigneten Personen aus. Er ist wirklich sehr schlau.
Dazu muss er natürlich alles über uns wissen, um uns die besten Freunde, die besten Geschäfte, die besten Waren, die besten Bücher zu finden, die wir lesen müssen. Es macht das Leben sehr einfach, denn ohne dieses wüsste ich nicht, was ich tun soll. Daher sammelt er alle Informationen über uns und wir sollten ihn nicht stören, sondern ihm nur dabei helfen. Um uns besser zu helfen. Meine Schule war vielleicht nicht die entfernteste, aber auch solche grundlegenden Dinge wurden darin gut erklärt.

Die Leute wissen nicht, was sie wollen. Zum Beispiel über Dating. Natürlich wollen alle Männer die besten Frauen der Welt, und Frauen wollen die besten Männer. Aber es gibt nicht genug davon für alle, und der Computer findet, was am besten zu uns passt. Melissa war perfekt für mich. Sie hatte goldene Augen und goldenes Haar und eine goldene Stimme. Sie sah aus, als wäre sie aus Gold. Aber vor allem war sie freundlich. Und ich fühle diese Dinge. Einmal in der Schule fragte uns eine Lehrerin, wen wir für unsere zukünftigen Ehegatten gerne hätten – jemanden, der schön, oder klug oder freundlich ist? Manche sagten „schön“, manche „klug“, manche wollten alle drei Dinge auf einmal, und ich wählte „freundlich“. Die Lehrerin sagte mir, dass ich nicht sehr ambitiös bin.
Ich finde es nicht gut, dass mir etwas fehlt, aber ich weiß nicht, wo ich es herbekomme.

Melissa tat es sehr leid, dass sie in einer Latzhose und einem Arbeitshemd kam, weil sie gerade von der Arbeit. Und ich habe es nicht einmal bemerkt, weil ich ihr nur in die Augen gesehen und ihrer Stimme gelauscht habe. Ich bin auch gerade von der Arbeit gekommen, weil uns der Computer so zugeteilt hat. Geht es um die Kleidung?

Ich hatte keine Kalorien mehr, um etwas anderes als Kräutertee ohne Zucker zu bestellen, weil ich morgens Eier gegessen und meine erlaubten Kalorien erschöpft hatte. Und es ist sehr gut, dass es eine Kalorienbeschränkung gibt. Denn der Computer achtet darauf, dass wir gesund sind, uns nicht überessen und nur vollwertige vegetarische Kost zu uns nehmen. Deshalb erlaubt er uns keine Dummheiten, piepst, wenn wir etwas Falsches bestellen wollen, und es wird unmöglich zu bestellen.

Melissa wollte mir Kaffee mit Zucker bestellen, so wie ich mag, weil sie viele Kalorien auf Lager hat. Sie ist sehr sparsam.

Aber ich glaubte, sie hatte Mitleid mit mir.

Früher habe ich in klugen Büchern gelesen, die der Computer mir empfiehlt, über die Liebe, aber ich wusste nicht, was das war. Aber jetzt finde ich es, als Mitleid. Liebe ist, wenn es mit jemandem Mitleid haben. Ich hatte Mitleid mit Melissa, weil sie Mitleid mit mir hatte, und ich habe nichts von ihr genommen.
Es ist wunderlich, dass Menschen sich lieben, wenn sie nichts voneinander wollen.
Ich muss darüber nachdenken, wenn ich Zeit habe.

Wir hatten eine gute Zeit, plauderten über dies und das und verabredeten uns später.
Wann später? Dies ist eine komische Frage. „Später“ kann sehr lang sein. Du kannst es nur erfahren, wenn es soweit ist. Aber, dann wird es „jetzt“, sodass man sagen kann, dass „später“ nie kommt. Ich kann dieses Problem noch nicht lösen. Wann „später“ kommt, wenn es beim Ankam eigentlich schon „jetzt“ ist und gar nicht „später“.

Alle Mädchen, mit denen ich ein Date habe, haben "später" gesagt, und es ist noch nie einmal gekommen.

Dann bin ich nach Hause zurückgekehrt. Ich wohne allein. Ich habe nicht einmal eine Katze. Denn Haustiere erfordern Verantwortung und sind daher teuer. Um ein Haustier zu haben, muss man Steuern zahlen und so viel Geld habe ich nicht. Und muss man noch dazu sie füttern, behandeln und schneiden. Meine Schwester bot an, mir eine Katze zu kaufen und alle Ausgaben zu bezahlen, damit ich nicht so einsam wäre, aber ich sagte, dass ich nicht einsam sei und nichts von ihr nahm. Ich liebe sie und will von ihr nichts nehmen.

Abends ging ich spazieren. Schließlich bin ich morgens mit der Straßenbahn gefahren und hatte nicht genug Schritte. Es sollten 10.000 sein, aber ich hatte weniger. Es ist sehr gut, dass der Computer uns beobachtet und uns sagt, wenn wir Schritte verpassen. Das macht Menschen dünn und gesund. Und er kann berechnen, wie viele Schritte wir heute noch gehen müssen, und eine Route bauen. Dies ist eine sehr nützliche Funktion. Ohne sie wüssten wir nicht, wohin wir gehen sollten. Wir würden auf einigen zu langen oder falschen Straßen gehen. Oder wir könnten versehentlich die Sperrzone betreten und dann können wir eine Geldstrafe zahlen. Ich habe ein paar Mal eine Geldstrafe bezahlt, als ich versehentlich ohne Einladung Zonen betrat, wie Zone A, wo meine Schwester wohnt. Ich weiß, dass das ohne einen elektronischen Pass nicht geht, aber ich habe es aus Versehen gemacht. Ich gebe den städtischen Diensten die Schuld, sie haben irgendwo bei der Planung der Absperrungen Fehler gemacht und sich nicht gut um Leute wie ich gekümmert, die nicht immer verstehen, wohin sie gehen. Daher baue ich immer eine Route auf meinem Smartphone.

Und bevor ich ins Bett gehe, lese ich Carlson, der auf dem Dach wohnt. Ich wollte wissen, was ist...

Was? Warum wurden meine Schritte nicht von meinem Smartphone gezählt? Ich habe das Gerät zu Hause vergessen, als ich spazieren ging. Ich bin nicht sehr klug…

Ja, meine Schwester ist Programmiererin…

Worüber haben wir heute Morgen gesprochen? Darüber, wie gut wir leben. Und wir empfehlen allem…

Habe ich so einen Frauenschuh gesehen? Nein…

Ich weiß nicht, woher in meinem Hause ein zweites Einzelstück des gleichen Schuhs erscheinen hat. Es könnte von früheren Bewohnern übrig geblieben sein. Gibt es überhaupt solchen Glasschuhe? Es muss sehr unbequem sein, in solchen zu laufen…

Habe ich jemals diese Person wie auf dem Foto gesehen, das Sie mir zeigen? Nein, niemals. Er muss ein sehr reicher und edler Mann sein, seinen Haaren und seiner Kleidung nach zu urteilen…

Ich verstehe, dass das Vermissen einer Person ein sehr schweres Verbrechen ist. Das ist doch keine Katze…

Ich weiß nicht, wo Melissa am Abend nach unserem Date war…

Ich weiß nicht, wo Melissa jetzt ist…

Ich weiß nicht, warum Sie nach ihr suchen, Herren Polizisten…

Ich bin nicht sehr klug…
 
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