M e m o r y
'Error in 14', meldete der Computer. Wieso in vierzehn? überlegte er. Bevor er den Cursor betätigte, stand er auf und drehte die Langspielplatte um. 'Memories', gesungen von seiner Lieblingssängerin Barbra Streisand.
Wenn zu Hause wenigstens alles in Ordnung wäre! Wo er auf dem besten Weg war, beruflich wieder Fuß zu fassen.
Seitdem sein Arbeitgeber die alte EDV-Anlage durch die momentan schnellste und modernste ersetzt hatte, war die Einleitung von Rationalisierungsmaßnahmen nur die konsequente Folge.
Er machte sich nichts vor: Den Unterschied zwischen 'Soll' und 'Haben' kennen andere auch, und für die Aufstellung der Bilanz gibt es Steuerberater, die nicht 'betriebsblind' sind und außerdem legale oder illegale Tricks kennen - die ihm nicht zugänglich waren, - um Steuern zu vermeiden!
Notgedrungen musste er den Aufhebungsvertrag, mit entsprechender Abfindung, unterschreiben. - Trotzdem lag das größere Problem im privaten Bereich! Dabei lebten sie wie andere Durchschnittsfamilien auch. Als die Söhne auszogen, hatte seine Frau die Stellung als Sekretärin wieder aufgenommen. Nach einem anstrengenden Arbeitstag: Berieselung durch das Fernsehen, manchmal auch ein Buch oder ein Hörspiel, seltener Kino oder Theater. Für seine Frau einmal in der Woche Jazz-Gymnastik, für ihn zweimal im Monat Bowling. - So ging es einige Monate, bis er eines Abends ihren Brief fand. Ein paar erklärende, nicht unfreundliche Zeilen mit dem aber alles verändernden Schlusssatz:
"...du erreichst mich vorläufig unter der Adresse meiner Mutter in der Haubachstraße 103."
Seitdem saß er allein in der großen Wohnung und übte den Dialog mit dem Computer. Aber die Konzentration war nicht mehr da, weil die Motivation fehlte! - Für wen lohnte es sich jetzt noch?
Den Dialog hätten sie in ihrer Ehe gebraucht. Sie hätten sich größere Mühe geben, mehr aufeinander eingehen müssen!
Ob sie es den Jungs schon mitgeteilt hatte? Der eine leistete gerade seinen Wehrdienst ab, der andere studierte in Münster.
Aber nicht etwa Informatik, wie er seinem Sohn geraten hatte, sondern Germanistik und Romanistik. (Wo so viele Germanisten als Taxifahrer arbeiten mussten!) - Sein Ableger, der ebenfalls die Augen vor der Realität verschloss!
Er selbst hatte sich zu sehr auf die bestandene Bilanzbuchhalter-Prüfung verlassen. Doch die technische Entwicklung war nicht aufzuhalten! Außerdem waren die Umsätze nicht mehr zu steigern; der Profit nur durch Reduzierung der Kosten, sprich Personalabbau, zu halten oder zu erhöhen.
Einige Male hatte er sich beworben, jedoch nur Absagen erhalten. Das nächste Bewerbungsschreiben mit tabellarischem Lebenslauf würde er ausdrucken. Obwohl er früher wegen seiner
einwandfreien Zahlen gelobt wurde, stolz war auf seine gleichmäßige und gut leserliche, beinahe feminin wirkende Handschrift!
"Ich bin sechsundvierzig Jahre jung und dynamisch..." begann er seine Bewerbungen. Aber die Grafologen ließen sich nicht täuschen! Was die herausfanden, war sicherlich das Gegenteil:
Führungsschwäche und Resignation!
Er hatte zwar das Lehrbuch 'EDV FÜR EINSTEIGER' vor sich, doch wie konnte er das jetzt noch begreifen, wo er sich eher wie ein 'Aussteiger' fühlte?!
"...touch me, it´s so easy to leave me...", schluchzte die Streisand, dass es ihm kalt über den Rücken lief.
Sein Blick wanderte zur Fotografie in Postkartengröße:
Seine Frau und die beiden Söhne in Badeanzügen am Nordseestrand. Die Jungen überragten die Mutter bereits. Es war ein Bild vom letzten gemeinsamen Urlaub. - Bloß nicht sentimental werden!!!
Er versuchte sich schnell wieder auf das Buch zu konzentrieren, bediente die Tastatur bis zur nächsten Fehlermeldung. 'OUT OF DATA!' leuchtete es auf. - Was bedeutete das nun wieder?
Einen kurzen Moment dachte er darüber nach. Dann fiel ihm etwas viel Wichtigeres ein: Seine Frau hatte im letzten Satz das Wort 'vorläufig' verwendet. - 'VORLÄUFIG', konnte das nicht auch - nach einigen Wochen der Besinnung - Rückkehr bedeuten?!
Plötzlich war er voller Hoffnung! Dem nächsten, fast schon übermütigem Gedanken folgend, legte er die CD mit dem 'Dialog-Programm' ein, tippte einige Buchstaben in die Tastatur und gab dann den Befehl: "SAY!"
Sofort ertönte die blecherne Roboterstimme aus dem Lautsprecher: "I am a Jobkiller, I am a Jobkiller, I am a Jobkiller, I am..."
'Was mich nicht umbringt, macht mich härter!' (Nietzsche)
'Error in 14', meldete der Computer. Wieso in vierzehn? überlegte er. Bevor er den Cursor betätigte, stand er auf und drehte die Langspielplatte um. 'Memories', gesungen von seiner Lieblingssängerin Barbra Streisand.
Wenn zu Hause wenigstens alles in Ordnung wäre! Wo er auf dem besten Weg war, beruflich wieder Fuß zu fassen.
Seitdem sein Arbeitgeber die alte EDV-Anlage durch die momentan schnellste und modernste ersetzt hatte, war die Einleitung von Rationalisierungsmaßnahmen nur die konsequente Folge.
Er machte sich nichts vor: Den Unterschied zwischen 'Soll' und 'Haben' kennen andere auch, und für die Aufstellung der Bilanz gibt es Steuerberater, die nicht 'betriebsblind' sind und außerdem legale oder illegale Tricks kennen - die ihm nicht zugänglich waren, - um Steuern zu vermeiden!
Notgedrungen musste er den Aufhebungsvertrag, mit entsprechender Abfindung, unterschreiben. - Trotzdem lag das größere Problem im privaten Bereich! Dabei lebten sie wie andere Durchschnittsfamilien auch. Als die Söhne auszogen, hatte seine Frau die Stellung als Sekretärin wieder aufgenommen. Nach einem anstrengenden Arbeitstag: Berieselung durch das Fernsehen, manchmal auch ein Buch oder ein Hörspiel, seltener Kino oder Theater. Für seine Frau einmal in der Woche Jazz-Gymnastik, für ihn zweimal im Monat Bowling. - So ging es einige Monate, bis er eines Abends ihren Brief fand. Ein paar erklärende, nicht unfreundliche Zeilen mit dem aber alles verändernden Schlusssatz:
"...du erreichst mich vorläufig unter der Adresse meiner Mutter in der Haubachstraße 103."
Seitdem saß er allein in der großen Wohnung und übte den Dialog mit dem Computer. Aber die Konzentration war nicht mehr da, weil die Motivation fehlte! - Für wen lohnte es sich jetzt noch?
Den Dialog hätten sie in ihrer Ehe gebraucht. Sie hätten sich größere Mühe geben, mehr aufeinander eingehen müssen!
Ob sie es den Jungs schon mitgeteilt hatte? Der eine leistete gerade seinen Wehrdienst ab, der andere studierte in Münster.
Aber nicht etwa Informatik, wie er seinem Sohn geraten hatte, sondern Germanistik und Romanistik. (Wo so viele Germanisten als Taxifahrer arbeiten mussten!) - Sein Ableger, der ebenfalls die Augen vor der Realität verschloss!
Er selbst hatte sich zu sehr auf die bestandene Bilanzbuchhalter-Prüfung verlassen. Doch die technische Entwicklung war nicht aufzuhalten! Außerdem waren die Umsätze nicht mehr zu steigern; der Profit nur durch Reduzierung der Kosten, sprich Personalabbau, zu halten oder zu erhöhen.
Einige Male hatte er sich beworben, jedoch nur Absagen erhalten. Das nächste Bewerbungsschreiben mit tabellarischem Lebenslauf würde er ausdrucken. Obwohl er früher wegen seiner
einwandfreien Zahlen gelobt wurde, stolz war auf seine gleichmäßige und gut leserliche, beinahe feminin wirkende Handschrift!
"Ich bin sechsundvierzig Jahre jung und dynamisch..." begann er seine Bewerbungen. Aber die Grafologen ließen sich nicht täuschen! Was die herausfanden, war sicherlich das Gegenteil:
Führungsschwäche und Resignation!
Er hatte zwar das Lehrbuch 'EDV FÜR EINSTEIGER' vor sich, doch wie konnte er das jetzt noch begreifen, wo er sich eher wie ein 'Aussteiger' fühlte?!
"...touch me, it´s so easy to leave me...", schluchzte die Streisand, dass es ihm kalt über den Rücken lief.
Sein Blick wanderte zur Fotografie in Postkartengröße:
Seine Frau und die beiden Söhne in Badeanzügen am Nordseestrand. Die Jungen überragten die Mutter bereits. Es war ein Bild vom letzten gemeinsamen Urlaub. - Bloß nicht sentimental werden!!!
Er versuchte sich schnell wieder auf das Buch zu konzentrieren, bediente die Tastatur bis zur nächsten Fehlermeldung. 'OUT OF DATA!' leuchtete es auf. - Was bedeutete das nun wieder?
Einen kurzen Moment dachte er darüber nach. Dann fiel ihm etwas viel Wichtigeres ein: Seine Frau hatte im letzten Satz das Wort 'vorläufig' verwendet. - 'VORLÄUFIG', konnte das nicht auch - nach einigen Wochen der Besinnung - Rückkehr bedeuten?!
Plötzlich war er voller Hoffnung! Dem nächsten, fast schon übermütigem Gedanken folgend, legte er die CD mit dem 'Dialog-Programm' ein, tippte einige Buchstaben in die Tastatur und gab dann den Befehl: "SAY!"
Sofort ertönte die blecherne Roboterstimme aus dem Lautsprecher: "I am a Jobkiller, I am a Jobkiller, I am a Jobkiller, I am..."
'Was mich nicht umbringt, macht mich härter!' (Nietzsche)