Michail Sokolow - Mörderische Gefahr (Fall3)

Billyboy

Mitglied
MICHAIL SOKOLOW – MÖRDERISCHE GEFAHR
FOLGE 03 – ALTE FEINDE (AT)
VON MITRI SUCHOI
(Bearbeitung: Thorsten Wirth)

Prolog

Der Mann legte den Telefonhörer auf die Gabel und schloss die Augen. Trotz der geschlossenen Fenster hörte er den starken Verkehr, dessen unentwegtes Brummen scheinbar ruhelos von morgens bis abends herauf bis an seine Fenster im vierten Stock brandete.
Der Anruf hatte ihn verstimmt. Warum konnte sich dieser vertrottelte Alte nicht an die Absprachen halten, die sie zu ihrer eigenen Sicherheit getroffen hatten und rief hier an? Nicht genug, dass er sich dadurch auch gezwungen sah, zu handeln.
Der Mann öffnete die Augen wieder. Er wusste, was zu tun war und zog ein nicht registriertes Mobiltelefon aus der Tasche. Er drückte auf eine Nummer des Kurzwahlspeichers und lauschte dem Rufton. Als sich am anderen Ende jemand meldete, sagte der Mann nur: „ Adler? Heute Abend um acht in der Bar“ und legte gleich wieder auf. Auf den „Adler“ war Verlass, dass wusste er.
Sein Blick glitt durch das Fenster hinaus über den vielbefahrenen Platz. Gegenüber lag das Gebäude des Sportklubs „Dynamo“, in dessen Fenster sich die Mittagssonne spiegelte. Vielleicht sollte ich wieder mal zu einem Spiel gehen, überlegte er. Das letzte Spiel hatte er gesehen, als sie mit Beskow den russischen Pokal holten. Irgendwo hatte er auch die Gedenkmünze aufbewahrt, die nach dem Tod des alten Mannes ausgegeben worden war. Ein sentimentales Lächeln legte sich auf sein ansonsten hartes Gesicht.
Er richtete sich in seinem Sessel auf und schloss die Schublade ab. Dann verließ er sein Büro, ohne der Sekretärin Bescheid zu geben, wo er zu erreichen war.

1. Kapitel

Die Leiche war übel zugerichtet und hatte bereits ein paar Tage im Wald gelegen. Der kleine Mann im weißen Schutzanzug verstaute seine Utensilien in der Arzttasche und drehte sich zu Michail Sokolow um, der schweigend auf das sah, was von der Frau übrig geblieben war. „Der Leichnam weist zu viele Verletzungen auf, um schon jetzt eine mögliche Todesursache zu benennen“, erklärte Dr. Taras „Bulba“ Polian schließlich und strich sich über die Glatze. „Zahlreiche Schnitte und von Schlägen herrührende Wunden sind am ganzen Körper zu finden.“
„Schon was zum Todeszeitpunkt, Bulba?“, hakte der Hauptmann nach.
Der Kosake wog den kahlen Schädel hin und her. „Ich vermute, der Tod dürfte so vor etwa zwei oder drei Tagen eingetreten sein. Erst danach wurde sie hier wohl abgelegt. Mehr nach der Untersuchung.“ Der Mediziner, in Anbetracht der wirklich übel zugerichteten Frauenleiche einsilbiger als sonst, wandte sich ab und verließ die kleine Lichtung in Richtung seines Autos.
Hauptmann Sokolow trat einen Schritt zur Seite, um die Männer mit der Trage vorbei zu lassen. Schweigsam verfolgte er, wie das, was bis vor wenigen Tagen eine wunderschöne, junge Frau gewesen war, in den Sarg gehoben wurde.
„Die Tote kommt mir irgendwie bekannt vor“, raunte ihm sein Kollege Wladimir Koroljow zu. Der fünfundzwanzig jährige Ermittler im Rang eines Leutnants stellte sich neben seinen Kollegen Sokolow und betrachtete nachdenklich den Abtransport der Leiche.
„Die Birkenwälder rund um Moskau kommen mir immer mehr vor wie ein Friedhof“, sinnierte Michail Sokolow und wandte sich seinem Kollegen zu *. „Veranlasse alles Nötige, Befragungen in der Umgebung, Auswertung der Spuren und so weiter. Wir sehen uns nachher in der Petrowka.“ Er stapfte durch das Gras zum blauen Moskwitsch der Abteilung und öffnete den quietschenden Schlag.

Etwa zwei Stunden später saß das Kollektiv der Abteilung für schwere Gewaltkriminalität im Konferenzraum beisammen. Wera Belajewa hatte für Tee und Kaffee gesorgt und einen Papierstapel vor sich abgelegt. Die Auswerterin im Rang eines Oberleutnants, das „Gedächtnis“ der Abteilung, schaute in die kleine Runde. Neben Mischa Sokolow, genannt „der Falke“, waren Wladimir Koroljow und Hauptmann Pjotr Denissow anwesend.
Wera verteilte die Kopien und schenkte die Getränke ein, als die Tür ohne Klopfen geöffnet wurde und eine massige Gestalt mit knappem Gruß eintrat. Der „Alte“, wie der Abteilungsleiter Oberst Boris Kusnezow in seiner Abwesenheit tituliert wurde, nahm am Stirnende des Tisches Platz und schaute in die Runde.
„Ich habe die zuständige Untersuchungsführerin, die verehrte Tatjana Antonowna, hergebeten.“ Er starrte demonstrativ auf seine klobige Wostock-Armbanduhr und anschließend zur Tür. Wie auf Befehl wurde diese geöffnet und Tatjana Schirajewa, bekleidet mit einem schicken roten Kostüm, trat lächelnd ein.
„Da wir nun vollzählig sind, Genossen, können wir beginnen: Das weibliche Opfer, welches wir bei Lipki gefunden haben, konnte identifiziert werden. Es handelt sich um das anscheinend bekannte Model Swetlana Popowa, 23 Jahre alt.“
„Wußt´ ich’s doch!“, zischte Koroljow. „Sie kam mir gleich bekannt vor.“
„Setzen Sie uns ins Bild“, forderte Kusnezow den jungen Ermittler auf. „Wir sind mit diesen Dingen nicht so vertraut.“ Wie selbstverständlich bezog er alle anderen Anwesenden in diese Behauptung ein.
Wolodja Koroljow lehnte sich etwas zurück und referierte: „Die Popowa ist seit etwa drei Jahren ein Star im Model-Geschäft. Sie begann mit dem Modeln für ein paar Nachwuchsdesigner. Danach kamen wohl rasch Engegements für Chakurin und Salzew. Sie ist oft auf den Covern von Vogue, Po Svetu, Elle und so weiter. Und ein gern gesehener Gast auf allen Schicki-Micki-Partys der Stadt natürlich. Größere Skandale gab es allerdings nicht.“
Tatjana Schirajewa musterte den jungen Mann erstaunt. „Sie kennen sich ja gut aus in der Moskauer Modewelt.“
Der Leutnant errötete und murmelte etwas von wegen Schwester und Fernsehen.
Die Untersuchungsführerin schaute die übrigen Anwesenden der Reihe nach an und begann: „Kollege Koroljow hat Recht. Das dürfte in etwa das Wichtigste sein, was zur Popowa zu sagen wäre. Mit einer Ausnahme ...“ Sie schaute erneut in die Runde. Dann ergänzte sie: „Es heißt, sie habe ein Verhältnis mit Viktor Rjabow.“
„Der Falke“ hatte die Tragweite dieser Nachricht als erster verdaut. „Sie meinen DEN Viktor Rjabow? Den sogenannten businessman, Mafia-Paten und rechte Hand von „Onkel Tjoma“, dem Moskauer Oligarchen?“
Pjotr Denissow atmete hörbar aus, die Belajewa rückte ihren Spitzenkragen zurecht und Obert Kusnezow starrte in die Runde.
„Genossen, das wird eine schwierige Ermittlung. Einerseits habe ich nichts dagegen, diesen Halunken für einige Jahre ins Gefängnis zu stecken. Andererseits hat er ein paar sehr gute Freunde, von denen wir nur ahnen können, wie weit ihr Einfluss reicht. Schon Ermittlungen in die Richtung von Rjabow könnten sich als fast unmöglich herausstellen. Wir müssen hier sehr sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl vorgehen, bis wir handfeste Beweise gegen ihn oder seine Handlanger haben. Wir ermitteln natürlich in alle Richtungen und befragen Rjabow zunächst als Zeugen! Alles klar?“
Die Anwesenden nickten, der „Alte“ erhob sich, drückte der Schirajewa die Hand und verschwand wortlos durch die Tür. Die Untersuchungsführerin, bereits im Gehen begriffen, drehte sich noch einmal um und meinte ruhig: „Die Staatsanwaltschaft steht hinter Ihnen, soweit ich das überblicken kann. Ich werde versuchen, Ihnen den Rücken frei zu halten, soweit möglich. Aber bitte alles streng nach Vorschrift, keine Verhöre ohne mich. Sonst dreht uns ein gerissener Anwalt noch einen Strick daraus, ehe wir uns versehen.“ Sie lächelte den Polizisten aufmunternd zu. Eine lange Sekunde spürte Mischa ihren Blick auf sich gerichtet und hoffte, dass Tanja heute Abend Zeit haben würde, vorbei zu kommen. Soweit er wusste, befand sich ihr Mann gerade in Wladiwostock und wurde nicht vor Ende der Woche zurück erwartet. Schweigend stand er noch am Tisch, als die anderen den Konferenzraum bereits verlassen hatten.

2. Kapitel

Das Anwesen lag abseits der Straße und war durch eine hohe Mauer vor Blicken und Eindringlingen geschützt. Bei Ussowo an der Rubljowka ließ sich nieder, wer über genügend Geld und Einfluss verfügte, sich hier niederlassen zu können. Die gut ausgebaute und gesicherte Ausfallstraße hatten sie in einer halben Stunde passiert und Pjotr Denissow steuerte den blauen Moskwitsch auf eine durch ein schweres Stahltor versperrte Einfahrt zu. Die Polizisten nahmen die Kameras war, die per Funksteuerung in Richtung ihres Autos schwenkten. Das Grundstück Viktor Rjabows lag am Ende einer Stichstraße und wurde auf der anderen Seite – für den Betrachter nicht sichtbar - durch das Ufer der Moskwa begrenzt.
Aus einem massiven Pförtnerhaus trat ein schwer bewaffneter Mann mit Schutzweste.
„Kriminalpolizei. Wir haben einen Termin mit Ihrem Chef“, ließ sich Michail Sokolow vernehmen.
Der Wachmann trat näher an das klapprige Gefährt, warf einen abschätzigen Blick in das Wageninnere und bedeutete den Ermittlern, auszusteigen. Selbst neben den stehenden Beamten wirkte er wie der stolze Recke Nikanor neben zwei Bauernsöhnen. „Ihre Waffen, bitte!“
Die Hauptleute sahen sich an, dann zogen beide ihre Dienstpistolen aus dem Holster und überließen sie dem Wachmann. Nach einer kurzen Inspektion des Kofferraumes durften sie passieren. Das Stahltor hinter ihnen schloss sich fast geräuschlos.
Der Anblick, der sich ihnen bot, war beeindruckend: Vor ihnen erhob sich ein runder Springbrunnen, dessen Fontäne in Intervallen mehrere Meter in die Höhe schoss. Links und rechts davon begrenzten kunstvoll gestutzte Hecken einen sauber gepflasterten Weg. Hinter dem Brunnen begann das Haupthaus. Die Vorderfront wurde von einem riesigen Portal und zwei symmetrisch angeordneten Terrassen dominiert, die den Blick auf das eigentliche Gebäude allerdings nicht verbergen konnten. Ein weißer Palast – so musste man die etwa achtzig Meter breite Villa wohl nennen – erhob sich drei Stockwerke hoch.
Die Polizisten konnten ihr Erstaunen nur schwer verbergen, in all ihren Lebensjahren hatten sie ein solches Anwesen noch nicht gesehen. Pjotr Denissow stellte das Auto neben der rechten Veranda ab. Dann erklommen sie die Stufen zum Portal, dessen meisterhaft verzierte Holztür geöffnet wurde. Ein Zwillingsbruder des Torwächters nahm die Beamten in Empfang und führte sie durch die mit Marmor verkleidete Halle in einen weiteren großen Raum, an dessen Ende eine weiße Couch- und Sessellandschaft loungeartig angeordnet war. Bemüht, keine der zahlreichen Vasen oder Skulpturen zu berühren, die ringsum wie Beutestücke drapiert waren, durchquerten die Polizisten das Zimmer.
„Ich glaub, ich bin im falschen Film“, ließ sich Pjotr leise vernehmen. „Ist ja abgefahren, das alles hier.“ Sein Blick streifte über ein paar moderne Gemälde, die ihm irgendwie vertraut vorkamen.
Ehe Michail Sokolow antworten konnte, raschelte seitlich etwas und eine junge Frau im weißen Bademantel kam langsam auf sie zu. Mischa fielen als erstes die schwarzen Augen mit den seltsam kleinen Pupillen auf. Die Frau trug das blonde, feuchte Haar offen, durch den Schlitz des leicht geöffneten Mantels hindurch ahnte „Der Falke“, dass dessen Trägerin darunter nackt war.
Mit abwesendem Blick betrachtete die Frau die Polizisten und verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Hallo“, sagte sie dann. „Ihr seid von der Polizei?“ Ihrer fragenden Stimme nach schien sie dies kaum glauben zu können? „Ich bin Annuschka.“ Langsam schaute sie einem nach dem anderen ins Gesicht, dann hob sie die Arme leicht in die Höhe und streckte die Hände aus. „Wollt Ihr mich verhaften?“ Ihr Blick lief irgendwo ins Unendliche und schien dort zu verweilen.
„Warum sollten wir?“, fragte Sokolow erstaunt.
„Wer weiß? Vielleicht bin ich ein böses Mädchen?“ Sie kicherte, bis laut die Tür geöffnet wurde und ein mittelgroßer Mann in schwarzem Anzug eintrat.
„Anna!“, rief er und trat zu der Schönheit mit dem bleichen Gesicht. Er schüttelte sie. Hinter dem Mann hatte ein kräftiger Glatzkopf den Raum betreten. „Rustam, nimm Anna mit nach oben!“, befahl er dem Kahlkopf. Dann wandte er sich an die Polizisten und meinte entschuldigend: „Es tut mir Leid, meine Herren, Anna ist im Moment etwas neben sich. Die viele Arbeit, der Stress, die Partys ... Wenn Sie verstehen?“ Der Mann streckte die rechte Hand vor und wies auf die Ledersessel. „Bitte nehmen Sie Platz. Ach, ich vergaß mich vorzustellen. Viktor Rjabow. Aber das haben Sie sich bestimmt gedacht.“ Er nahm lächelnd Platz.
„Der Falke“ begann das Gespräch. „Vielen Dank für den raschen Empfang. Ich bin sicher, wir können das Problem schnell lösen.“
Rjabow nickte ungeduldig. „Ja, ich stehe der Staatsmacht zu Diensten, wenn ich helfen kann.“ Er schien sich über seine Worte selber zu amüsieren, denn ein leises Lächeln überzog sein scharf geschnittenes Gesicht.
„In welcher Beziehung standen Sie zu Swetlana Popowa?“
„Sie ist, sie war eines der Models, die gelegentlich für Anna arbeiten. Anna Poljakowa, sie haben sie eben kennen gelernt. Annuschka ist eine gefragte Modedesignerin.“ Rjabow lehnte sich zurück und musterte die beiden Polizisten.
Hauptmann Denissow schaute dem Hausherrn ins Gesicht, als er fragte: „Wie standen Sie zur Popowa? Wie gut kannten Sie sie?“
Rjabow verzog das Gesicht. „Sie haben es sowieso schon herausgefunden. Ich hatte mal was mit ihr. Das ist allerdings schon einige Zeit her!“ Er griff zu einer auf dem Marmortisch stehenden Karaffe, zog sich ein Glas heran und hob fragend die Brauen. Die Ermittler lehnten ab, während der Gastgeber sich einen großen Whisky genehmigte.
„Was sagt Ihre Lebensgefährtin Anna Poljakowa dazu? Sie ist doch Ihre Lebensgefährtin?“, schaltete Michail sich wieder in das Gespräch ein.
Der Geschäftsmann winkte ab. „Frauen“, meinte er nur. „Sie kriegt sich immer wieder ein. Sie weiß, was sie an mir hat.“ Er wies mit der Hand auf die Einrichtung. „Ich biete ihr Luxus, ich finanziere ihre Entwürfe. Gewiss“, er machte eine Kunstpause, „Sie ist selber inzwischen auch erfolgreich. Aber einen solchen Lebensstil könnte sie sich nicht leisten.“ Viktor Rjabow stand abrupt auf. Das Gespräch war in seinen Augen beendet. „Fragen Sie noch, was Sie fragen wollen. Aber schnell, meine Zeit ist kostbar.“
„Wann haben Sie Swetlana Popowa zuletzt gesehen oder von ihr gehört?“ Hauptmann Denissow hatte einen Notizblock hervorgezogen und notierte Rjabows Antworten.
„Vor ein paar Tagen war sie hier. Mittwoch, denke ich. Es ging um ein paar Änderungen an Entwürfen. Unwichtig. Ich selber habe sie nicht gesehen. Ich sagte, ja, es war eine kurze Beziehung.“ Er grinste.
„Wer könnte ein Motiv haben, die Popowa zu ermorden?“
„Keine Ahnung. Sie war mal mit so ´nem Jüngelchen zusammen, nervig eifersüchtig. Fragen Sie in der Agentur. Die kannten Sie besser.“ Er zog sein Smartphon aus der Tasche und scrollte darauf herum. Dann diktierte er Denissow eine Telefonnummer. „So, meine Herren. Wenn Sie das nächste Mal herkommen wollen, bringen Sie bitte einen Durchsuchungsbefehl mit. Ich habe meine Pflicht als Staatsbürger mehr als erfüllt.“
Die Tür wurde geöffnet und der Glatzkopf, der auf den Namen Rustam hörte, begleitete die Ermittler durch die riesige Marmorhalle zurück zum Eingangsportal.

„Hast du den Tennisplatz hinter dem Haus gesehen?“, fragte Pjotr seinen Kollegen, als sie ihre Waffen verstaut hatten und im Wagen saßen.
„Der Falke“ nickte. „Und auch den Hubschrauberlandeplatz. Und den Fuhrpark mit mehreren Oberklasse-Fahrzeugen. Das Grundstück allein muss diverse Millionen Wert sein, mein Lieber.“ Sokolow starrte nachdenklich durch die staubige Seitenscheibe.
„Mittwoch war die Popowa hier. Der Leibwächter, Rustam Sadikow, gibt an, sie habe das Gelände um drei Uhr nachmittags verlassen, nachdem sie sich mit Anna Poljakowa über ein paar Details der neuen Kollektion verständigt hatte“, referierte Denissow das Gehörte. „Laut Dr. Polian ist die Popowa am Mittwoch Abend oder am frühen Donnerstag Morgen gestorben. Wir müssen also herausfinden, ob sie nach drei noch jemand gesehen hat und wo.“ Nach eine kurzen Pause meinte er: „Und was hältst du von der Poljakowa? Ganz schön durchgeknallt, oder?“
Michail Sokolow nickte. „Das Gefühl habe ich auch. Sie könnte unter Drogen stehen. Vielleicht ist auch nur unglücklich, wer weiß?“ Er winkte ab und fuhr dann fort: “Du fährst nachher zur Agentur und hörst dich um. Versuch auch etwas über diesen Freund heraus zu finden. Ich werde mit Koroljow die Wohnung der Toten durchsuchen und dann bei Polian und der Kriminaltechnik nach ersten Ergebnissen fragen.“

Hinweis: Es handelt sich bei dem eingestellten Text um die ersten 2 Kapitel. Geplant sind etwa 8 Kapitel.
Für Rückmeldungen bin ich jederzeit dankbar.
Mehr von Michail Sokolow und seinen Kollegen gibt es z.B. bei
http://www.roegelsnap.de/unsereserien/michailsokolow/index.php
 

Billyboy

Mitglied
MICHAIL SOKOLOW – MÖRDERISCHE GEFAHR
FOLGE 03 – ALTE FEINDE (AT)
VON MITRI SUCHOI
(Bearbeitung: Thorsten Wirth)

Prolog

Der Mann legte den Telefonhörer auf die Gabel und schloss die Augen. Trotz der geschlossenen Fenster hörte er den starken Verkehr, dessen unentwegtes Brummen scheinbar ruhelos von morgens bis abends herauf bis an seine Fenster im vierten Stock brandete.
Der Anruf hatte ihn verstimmt. Warum konnte sich dieser vertrottelte Alte nicht an die Absprachen halten, die sie zu ihrer eigenen Sicherheit getroffen hatten und rief hier an? Nicht genug, dass er sich dadurch auch gezwungen sah, zu handeln.
Der Mann öffnete die Augen wieder. Er wusste, was zu tun war und zog ein nicht registriertes Mobiltelefon aus der Tasche. Er drückte auf eine Nummer des Kurzwahlspeichers und lauschte dem Rufton. Als sich am anderen Ende jemand meldete, sagte der Mann nur: „ Adler? Heute Abend um acht in der Bar“ und legte gleich wieder auf. Auf den „Adler“ war Verlass, dass wusste er.
Sein Blick glitt durch das Fenster hinaus über den vielbefahrenen Platz. Gegenüber lag das Gebäude des Sportklubs „Dynamo“, in dessen Fenster sich die Mittagssonne spiegelte. Vielleicht sollte ich wieder mal zu einem Spiel gehen, überlegte er. Das letzte Spiel hatte er gesehen, als sie mit Beskow den russischen Pokal holten. Irgendwo hatte er auch die Gedenkmünze aufbewahrt, die nach dem Tod des alten Mannes ausgegeben worden war. Ein sentimentales Lächeln legte sich auf sein ansonsten hartes Gesicht.
Er richtete sich in seinem Sessel auf und schloss die Schublade ab. Dann verließ er sein Büro, ohne der Sekretärin Bescheid zu geben, wo er zu erreichen war.

1. Kapitel

Die Leiche war übel zugerichtet und hatte bereits ein paar Tage im Wald gelegen. Der kleine Mann im weißen Schutzanzug verstaute seine Utensilien in der Arzttasche und drehte sich zu Michail Sokolow um, der schweigend auf das sah, was von der Frau übrig geblieben war. „Der Leichnam weist zu viele Verletzungen auf, um schon jetzt eine mögliche Todesursache zu benennen“, erklärte Dr. Taras „Bulba“ Polian schließlich und strich sich über die Glatze. „Zahlreiche Schnitte und von Schlägen herrührende Wunden sind am ganzen Körper zu finden.“
„Schon was zum Todeszeitpunkt, Bulba?“, hakte der Hauptmann nach.
Der Kosake wog den kahlen Schädel hin und her. „Ich vermute, der Tod dürfte so vor etwa zwei oder drei Tagen eingetreten sein. Erst danach wurde sie hier wohl abgelegt. Mehr nach der Untersuchung.“ Der Mediziner, in Anbetracht der wirklich übel zugerichteten Frauenleiche einsilbiger als sonst, wandte sich ab und verließ die kleine Lichtung in Richtung seines Autos.
Hauptmann Sokolow trat einen Schritt zur Seite, um die Männer mit der Trage vorbei zu lassen. Schweigsam verfolgte er, wie das, was bis vor wenigen Tagen eine wunderschöne, junge Frau gewesen war, in den Sarg gehoben wurde.
„Die Tote kommt mir irgendwie bekannt vor“, raunte ihm sein Kollege Wladimir Koroljow zu. Der fünfundzwanzig jährige Ermittler im Rang eines Leutnants stellte sich neben seinen Kollegen Sokolow und betrachtete nachdenklich den Abtransport der Leiche.
„Die Birkenwälder rund um Moskau kommen mir immer mehr vor wie ein Friedhof“, sinnierte Michail Sokolow und wandte sich seinem Kollegen zu *. „Veranlasse alles Nötige, Befragungen in der Umgebung, Auswertung der Spuren und so weiter. Wir sehen uns nachher in der Petrowka.“ Er stapfte durch das Gras zum blauen Moskwitsch der Abteilung und öffnete den quietschenden Schlag.

Etwa zwei Stunden später saß das Kollektiv der Abteilung für schwere Gewaltkriminalität im Konferenzraum beisammen. Wera Belajewa hatte für Tee und Kaffee gesorgt und einen Papierstapel vor sich abgelegt. Die Auswerterin im Rang eines Oberleutnants, das „Gedächtnis“ der Abteilung, schaute in die kleine Runde. Neben Mischa Sokolow, genannt „der Falke“, waren Wladimir Koroljow und Hauptmann Pjotr Denissow anwesend.
Wera verteilte die Kopien und schenkte die Getränke ein, als die Tür ohne Klopfen geöffnet wurde und eine massige Gestalt mit knappem Gruß eintrat. Der „Alte“, wie der Abteilungsleiter Oberst Boris Kusnezow in seiner Abwesenheit tituliert wurde, nahm am Stirnende des Tisches Platz und schaute in die Runde.
„Ich habe die zuständige Untersuchungsführerin, die verehrte Tatjana Antonowna, hergebeten.“ Er starrte demonstrativ auf seine klobige Wostock-Armbanduhr und anschließend zur Tür. Wie auf Befehl wurde diese geöffnet und Tatjana Schirajewa, bekleidet mit einem schicken roten Kostüm, trat lächelnd ein.
„Da wir nun vollzählig sind, Genossen, können wir beginnen: Das weibliche Opfer, welches wir bei Lipki gefunden haben, konnte identifiziert werden. Es handelt sich um das anscheinend bekannte Model Swetlana Popowa, 23 Jahre alt.“
„Wußt´ ich’s doch!“, zischte Koroljow. „Sie kam mir gleich bekannt vor.“
„Setzen Sie uns ins Bild“, forderte Kusnezow den jungen Ermittler auf. „Wir sind mit diesen Dingen nicht so vertraut.“ Wie selbstverständlich bezog er alle anderen Anwesenden in diese Behauptung ein.
Wolodja Koroljow lehnte sich etwas zurück und referierte: „Die Popowa ist seit etwa drei Jahren ein Star im Model-Geschäft. Sie begann mit dem Modeln für ein paar Nachwuchsdesigner. Danach kamen wohl rasch Engegements für Chakurin und Salzew. Sie ist oft auf den Covern von Vogue, Po Svetu, Elle und so weiter. Und ein gern gesehener Gast auf allen Schicki-Micki-Partys der Stadt natürlich. Größere Skandale gab es allerdings nicht.“
Tatjana Schirajewa musterte den jungen Mann erstaunt. „Sie kennen sich ja gut aus in der Moskauer Modewelt.“
Der Leutnant errötete und murmelte etwas von wegen Schwester und Fernsehen.
Die Untersuchungsführerin schaute die übrigen Anwesenden der Reihe nach an und begann: „Kollege Koroljow hat Recht. Das dürfte in etwa das Wichtigste sein, was zur Popowa zu sagen wäre. Mit einer Ausnahme ...“ Sie schaute erneut in die Runde. Dann ergänzte sie: „Es heißt, sie habe ein Verhältnis mit Viktor Rjabow.“
„Der Falke“ hatte die Tragweite dieser Nachricht als erster verdaut. „Sie meinen DEN Viktor Rjabow? Den sogenannten businessman, Mafia-Paten und rechte Hand von „Onkel Tjoma“, dem Moskauer Oligarchen?“
Pjotr Denissow atmete hörbar aus, die Belajewa rückte ihren Spitzenkragen zurecht und Obert Kusnezow starrte in die Runde.
„Genossen, das wird eine schwierige Ermittlung. Einerseits habe ich nichts dagegen, diesen Halunken für einige Jahre ins Gefängnis zu stecken. Andererseits hat er ein paar sehr gute Freunde, von denen wir nur ahnen können, wie weit ihr Einfluss reicht. Schon Ermittlungen in die Richtung von Rjabow könnten sich als fast unmöglich herausstellen. Wir müssen hier sehr sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl vorgehen, bis wir handfeste Beweise gegen ihn oder seine Handlanger haben. Wir ermitteln natürlich in alle Richtungen und befragen Rjabow zunächst als Zeugen! Alles klar?“
Die Anwesenden nickten, der „Alte“ erhob sich, drückte der Schirajewa die Hand und verschwand wortlos durch die Tür. Die Untersuchungsführerin, bereits im Gehen begriffen, drehte sich noch einmal um und meinte ruhig: „Die Staatsanwaltschaft steht hinter Ihnen, soweit ich das überblicken kann. Ich werde versuchen, Ihnen den Rücken frei zu halten, soweit möglich. Aber bitte alles streng nach Vorschrift, keine Verhöre ohne mich. Sonst dreht uns ein gerissener Anwalt noch einen Strick daraus, ehe wir uns versehen.“ Sie lächelte den Polizisten aufmunternd zu. Eine lange Sekunde spürte Mischa ihren Blick auf sich gerichtet und hoffte, dass Tanja heute Abend Zeit haben würde, vorbei zu kommen. Soweit er wusste, befand sich ihr Mann gerade in Wladiwostock und wurde nicht vor Ende der Woche zurück erwartet. Schweigend stand er noch am Tisch, als die anderen den Konferenzraum bereits verlassen hatten.

2. Kapitel

Das Anwesen lag abseits der Straße und war durch eine hohe Mauer vor Blicken und Eindringlingen geschützt. Bei Ussowo an der Rubljowka ließ sich nieder, wer über genügend Geld und Einfluss verfügte, sich hier niederlassen zu können. Die gut ausgebaute und gesicherte Ausfallstraße hatten sie in einer halben Stunde passiert und Pjotr Denissow steuerte den blauen Moskwitsch auf eine durch ein schweres Stahltor versperrte Einfahrt zu. Die Polizisten nahmen die Kameras war, die per Funksteuerung in Richtung ihres Autos schwenkten. Das Grundstück Viktor Rjabows lag am Ende einer Stichstraße und wurde auf der anderen Seite – für den Betrachter nicht sichtbar - durch das Ufer der Moskwa begrenzt.
Aus einem massiven Pförtnerhaus trat ein schwer bewaffneter Mann mit Schutzweste.
„Kriminalpolizei. Wir haben einen Termin mit Ihrem Chef“, ließ sich Michail Sokolow vernehmen.
Der Wachmann trat näher an das klapprige Gefährt, warf einen abschätzigen Blick in das Wageninnere und bedeutete den Ermittlern, auszusteigen. Selbst neben den stehenden Beamten wirkte er wie der stolze Recke Nikanor neben zwei Bauernsöhnen. „Ihre Waffen, bitte!“
Die Hauptleute sahen sich an, dann zogen beide ihre Dienstpistolen aus dem Holster und überließen sie dem Wachmann. Nach einer kurzen Inspektion des Kofferraumes durften sie passieren. Das Stahltor hinter ihnen schloss sich fast geräuschlos.
Der Anblick, der sich ihnen bot, war beeindruckend: Vor ihnen erhob sich ein runder Springbrunnen, dessen Fontäne in Intervallen mehrere Meter in die Höhe schoss. Links und rechts davon begrenzten kunstvoll gestutzte Hecken einen sauber gepflasterten Weg. Hinter dem Brunnen begann das Haupthaus. Die Vorderfront wurde von einem riesigen Portal und zwei symmetrisch angeordneten Terrassen dominiert, die den Blick auf das eigentliche Gebäude allerdings nicht verbergen konnten. Ein weißer Palast – so musste man die etwa achtzig Meter breite Villa wohl nennen – erhob sich drei Stockwerke hoch.
Die Polizisten konnten ihr Erstaunen nur schwer verbergen, in all ihren Lebensjahren hatten sie ein solches Anwesen noch nicht gesehen. Pjotr Denissow stellte das Auto neben der rechten Veranda ab. Dann erklommen sie die Stufen zum Portal, dessen meisterhaft verzierte Holztür geöffnet wurde. Ein Zwillingsbruder des Torwächters nahm die Beamten in Empfang und führte sie durch die mit Marmor verkleidete Halle in einen weiteren großen Raum, an dessen Ende eine weiße Couch- und Sessellandschaft loungeartig angeordnet war. Bemüht, keine der zahlreichen Vasen oder Skulpturen zu berühren, die ringsum wie Beutestücke drapiert waren, durchquerten die Polizisten das Zimmer.
„Ich glaub, ich bin im falschen Film“, ließ sich Pjotr leise vernehmen. „Ist ja abgefahren, das alles hier.“ Sein Blick streifte über ein paar moderne Gemälde, die ihm irgendwie vertraut vorkamen.
Ehe Michail Sokolow antworten konnte, raschelte seitlich etwas und eine junge Frau im weißen Bademantel kam langsam auf sie zu. Mischa fielen als erstes die schwarzen Augen mit den seltsam kleinen Pupillen auf. Die Frau trug das blonde, feuchte Haar offen, durch den Schlitz des leicht geöffneten Mantels hindurch ahnte „Der Falke“, dass dessen Trägerin darunter nackt war.
Mit abwesendem Blick betrachtete die Frau die Polizisten und verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Hallo“, sagte sie dann. „Ihr seid von der Polizei?“ Ihrer fragenden Stimme nach schien sie dies kaum glauben zu können? „Ich bin Annuschka.“ Langsam schaute sie einem nach dem anderen ins Gesicht, dann hob sie die Arme leicht in die Höhe und streckte die Hände aus. „Wollt Ihr mich verhaften?“ Ihr Blick lief irgendwo ins Unendliche und schien dort zu verweilen.
„Warum sollten wir?“, fragte Sokolow erstaunt.
„Wer weiß? Vielleicht bin ich ein böses Mädchen?“ Sie kicherte, bis laut die Tür geöffnet wurde und ein mittelgroßer Mann in schwarzem Anzug eintrat.
„Anna!“, rief er und trat zu der Schönheit mit dem bleichen Gesicht. Er schüttelte sie. Hinter dem Mann hatte ein kräftiger Glatzkopf den Raum betreten. „Rustam, nimm Anna mit nach oben!“, befahl er dem Kahlkopf. Dann wandte er sich an die Polizisten und meinte entschuldigend: „Es tut mir Leid, meine Herren, Anna ist im Moment etwas neben sich. Die viele Arbeit, der Stress, die Partys ... Wenn Sie verstehen?“ Der Mann streckte die rechte Hand vor und wies auf die Ledersessel. „Bitte nehmen Sie Platz. Ach, ich vergaß mich vorzustellen. Viktor Rjabow. Aber das haben Sie sich bestimmt gedacht.“ Er nahm lächelnd Platz.
„Der Falke“ begann das Gespräch. „Vielen Dank für den raschen Empfang. Ich bin sicher, wir können das Problem schnell lösen.“
Rjabow nickte ungeduldig. „Ja, ich stehe der Staatsmacht zu Diensten, wenn ich helfen kann.“ Er schien sich über seine Worte selber zu amüsieren, denn ein leises Lächeln überzog sein scharf geschnittenes Gesicht.
„In welcher Beziehung standen Sie zu Swetlana Popowa?“
„Sie ist, sie war eines der Models, die gelegentlich für Anna arbeiten. Anna Poljakowa, sie haben sie eben kennen gelernt. Annuschka ist eine gefragte Modedesignerin.“ Rjabow lehnte sich zurück und musterte die beiden Polizisten.
Hauptmann Denissow schaute dem Hausherrn ins Gesicht, als er fragte: „Wie standen Sie zur Popowa? Wie gut kannten Sie sie?“
Rjabow verzog das Gesicht. „Sie haben es sowieso schon herausgefunden. Ich hatte mal was mit ihr. Das ist allerdings schon einige Zeit her!“ Er griff zu einer auf dem Marmortisch stehenden Karaffe, zog sich ein Glas heran und hob fragend die Brauen. Die Ermittler lehnten ab, während der Gastgeber sich einen großen Whisky genehmigte.
„Was sagt Ihre Lebensgefährtin Anna Poljakowa dazu? Sie ist doch Ihre Lebensgefährtin?“, schaltete Michail sich wieder in das Gespräch ein.
Der Geschäftsmann winkte ab. „Frauen“, meinte er nur. „Sie kriegt sich immer wieder ein. Sie weiß, was sie an mir hat.“ Er wies mit der Hand auf die Einrichtung. „Ich biete ihr Luxus, ich finanziere ihre Entwürfe. Gewiss“, er machte eine Kunstpause, „Sie ist selber inzwischen auch erfolgreich. Aber einen solchen Lebensstil könnte sie sich nicht leisten.“ Viktor Rjabow stand abrupt auf. Das Gespräch war in seinen Augen beendet. „Fragen Sie noch, was Sie fragen wollen. Aber schnell, meine Zeit ist kostbar.“
„Wann haben Sie Swetlana Popowa zuletzt gesehen oder von ihr gehört?“ Hauptmann Denissow hatte einen Notizblock hervorgezogen und notierte Rjabows Antworten.
„Vor ein paar Tagen war sie hier. Mittwoch, denke ich. Es ging um ein paar Änderungen an Entwürfen. Unwichtig. Ich selber habe sie nicht gesehen. Ich sagte, ja, es war eine kurze Beziehung.“ Er grinste.
„Wer könnte ein Motiv haben, die Popowa zu ermorden?“
„Keine Ahnung. Sie war mal mit so ´nem Jüngelchen zusammen, nervig eifersüchtig. Fragen Sie in der Agentur. Die kannten Sie besser.“ Er zog sein Smartphon aus der Tasche und scrollte darauf herum. Dann diktierte er Denissow eine Telefonnummer. „So, meine Herren. Wenn Sie das nächste Mal herkommen wollen, bringen Sie bitte einen Durchsuchungsbefehl mit. Ich habe meine Pflicht als Staatsbürger mehr als erfüllt.“
Die Tür wurde geöffnet und der Glatzkopf, der auf den Namen Rustam hörte, begleitete die Ermittler durch die riesige Marmorhalle zurück zum Eingangsportal.

„Hast du den Tennisplatz hinter dem Haus gesehen?“, fragte Pjotr seinen Kollegen, als sie ihre Waffen verstaut hatten und im Wagen saßen.
„Der Falke“ nickte. „Und auch den Hubschrauberlandeplatz. Und den Fuhrpark mit mehreren Oberklasse-Fahrzeugen. Das Grundstück allein muss diverse Millionen Wert sein, mein Lieber.“ Sokolow starrte nachdenklich durch die staubige Seitenscheibe.
„Mittwoch war die Popowa hier. Der Leibwächter, Rustam Sadikow, gibt an, sie habe das Gelände um drei Uhr nachmittags verlassen, nachdem sie sich mit Anna Poljakowa über ein paar Details der neuen Kollektion verständigt hatte“, referierte Denissow das Gehörte. „Laut Dr. Polian ist die Popowa am Mittwoch Abend oder am frühen Donnerstag Morgen gestorben. Wir müssen also herausfinden, ob sie nach drei noch jemand gesehen hat und wo.“ Nach eine kurzen Pause meinte er: „Und was hältst du von der Poljakowa? Ganz schön durchgeknallt, oder?“
Michail Sokolow nickte. „Das Gefühl habe ich auch. Sie könnte unter Drogen stehen. Vielleicht ist auch nur unglücklich, wer weiß?“ Er winkte ab und fuhr dann fort: “Du fährst nachher zur Agentur und hörst dich um. Versuch auch etwas über diesen Freund heraus zu finden. Ich werde mit Koroljow die Wohnung der Toten durchsuchen und dann bei Polian und der Kriminaltechnik nach ersten Ergebnissen fragen.“

Hinweis: Es handelt sich bei dem eingestellten Text um die ersten 2 Kapitel. Geplant sind etwa 8 Kapitel.
Für Rückmeldungen bin ich jederzeit dankbar.
 

jon

Mitglied
Durchaus routiniert wirkender Stil, beim Überfliegen hab ich keine "grundsätzlichen Fehler" gesehen.
Ich weiß, dass das Ganze "russisch" klingen soll, eine gewisse Satzlänge gehört da wohl dazu. Andererseits hast du neben dem "russischen Autor" aber auch noch einen "deutschen Bearbeiter" (ein Text-Profi?) eingeführt und der sollte bei aller "Klangtreue" doch ab und zu auf handlichere Sätze setzen. Das würde ein effektiveres Spiel mit dem Satzrhythmus erlauben. Auch die Häufung der und-Konstruktionen erzeugt bei mir einen eher unbeholfenen als professionellen Eindruck. Unterstreich mal alle Sätze, wo zwei Verben mit und verknüpft sind – das ist fast der ganze Text! (Das ist kein richtig großes Problem, nur das größte, das mir auffiel.)

Details:


Der Anruf hatte ihn verstimmt. Warum konnte sich dieser vertrottelte Alte nicht an die Absprachen halten, die sie zu ihrer eigenen Sicherheit getroffen hatten und rief hier an? Nicht genug, dass er sich dadurch auch gezwungen sah, zu handeln.
Den letzten Satz verstehe ich nicht. Erstens: "Nicht genug" verlangt immer auch ein "auch noch" (Nicht genug damit, dass der Kaffee viel zu dünn war, auch die Brötchen waren ungenießbar.). Zweitens: Worauf bezieht sich das "auch"? Und wer muss handeln?
Komma nach "getroffen hatten"


Der Mann öffnete die Augen wieder. Er wusste, was zu tun war und zog ein nicht registriertes Mobiltelefon aus der Tasche. Er drückte auf eine Nummer des Kurzwahlspeichers und lauschte dem Rufton. Als sich am anderen Ende jemand meldete, sagte der Mann nur: „ Adler? Heute Abend um acht in der Bar“ und legte gleich wieder auf. Auf den „Adler“ war Verlass, dass wusste er.
Komma nach "wusste"
Kein Leerzeichen vor „Adler"
das wusste er

Das letzte Spiel hatte er gesehen, als sie mit Beskow den russischen Pokal holten.
„geholt hatten“. Klingt komisch, ist aber so ;)

Er richtete sich in seinem Sessel auf und schloss die Schublade ab.
MOOOMENT! Er sitzt, lümmelte vor dem Aufrichten gewissermaßen sogar? Und dabei sah er beim aus dem Fenster schauen IM 4. STOCK den Platz und das Gebäude gegenüber??


Die Leiche war übel zugerichtet und hatte bereits ein paar Tage im Wald gelegen.
Zeitkauderwelsch: Das "im Wald liegen" fand bei dieser Formulierung vor dem Zurichten statt. Ich vermute aber: „Die Leiche war übel zugerichtet worden und lag bereits ein paar Tag im Wald (was ihren Zustand nicht verbessert hatte)." oder „Die Leiche war übel zugerichtet und lag bereits ein paar Tage im Wald." (der Zusammenhang bleibt offen).


Der kleine Mann im weißen Schutzanzug verstaute seine Utensilien in der Arzttasche und drehte sich zu Michail Sokolow um, der schweigend auf das sah, was von der Frau übrig geblieben war
.
Merke: Es sind quasi nur noch Fleischbrocken.

„Der Leichnam weist zu viele Verletzungen auf, um schon jetzt eine mögliche Todesursache zu benennen“, erklärte Dr. Taras „Bulba“ Polian schließlich und strich sich über die Glatze. „Zahlreiche Schnitte und von Schlägen herrührende Wunden sind am ganzen Körper zu finden.“
Das Wort "schließlich" steht am Ende (Schluss) einer Kette anderer Vorgänge. (Anton nahm den Eimer, füllt ihn mit Sand und trug ihn zur Grube, in die hinein der den Eimer entleerte. Das wiederholte er mehrmals. Schließlich brachte er noch eine Schicht Mutterboden auf den Sand in der Grube auf und warf Samen darauf breit. "Bald ist Gras über die Sache gewachsen", kicherte er.) Hier hätten es also eine Reihe Dinge sein müssen, die Bulba tut.
Sachlich: Schnitte mag der Fachmann eventuell an der Leiche nach mehreren Tagen im Wald noch erkennen, aber Wunden von Schlägen?? Was ist mit Fraßspuren?


Der Kosake wog den kahlen Schädel hin und her.
Er wiegte den Kopf hin und her. (Er wog das Mehl ab.)
Tod vor drei Tagen und da lag sie (im Erzähljetzt) schon "mehrere Tage" im Wald??

Schweigsam verfolgte er, wie das, was bis vor wenigen Tagen eine wunderschöne, junge Frau gewesen war, in den Sarg gehoben wurde.
Schweigend verfolgte er es.
Merke: Er weiß also, dass sie jung und schön war. Er weiß also, wer das ist. Und das hat er an den (siehe oben!) Fleischbrocken erkannt?? Oder ist das ein schon ein Hinweis auf Mörder und/oder Involvierte?

„Die Tote kommt mir irgendwie bekannt vor“, raunte ihm sein Kollege Wladimir Koroljow zu. Der fünfundzwanzig jährige Ermittler im Rang eines Leutnants stellte sich neben seinen Kollegen Sokolow und betrachtete nachdenklich den Abtransport der Leiche.
fünfundzwanzigjährige
Dopplung "Kollege"
Auch hier: Von der Leiche ist kaum was übrig, aber sie kommt ihm bekannt vor? (Und das ist ganz sicher kein Hinweis auf Täter und Verstrickte!)


„Die Birkenwälder rund um Moskau kommen mir immer mehr vor wie ein Friedhof“, sinnierte Michail Sokolow und wandte sich seinem Kollegen zu *. „Veranlasse alles Nötige, Befragungen in der Umgebung, Auswertung der Spuren und so weiter. Wir sehen uns nachher in der Petrowka.“ Er stapfte durch das Gras zum blauen Moskwitsch der Abteilung und öffnete den quietschenden Schlag.
Das Sternchen ist ein Tippfehler, oder?
… und nochmal "Kollege"
Er muss die Spurenauswertung VERANLASSEN? Er muss die Befragung veranlassen (Leut losschicken), ja, aber die Spurenauswertung? Meinst du die Spurensicherung (weil die SpuSi noch nicht vor Ort ist?)
Das mit dem Friedhof ist recht kryptisch. Wie kommt Sokolow darauf?


Die Auswerterin im Rang eines Oberleutnants, das „Gedächtnis“ der Abteilung, schaute in die kleine Runde. Neben Mischa Sokolow, genannt „der Falke“, waren Wladimir Koroljow und Hauptmann Pjotr Denissow anwesend.
Was ist den eine „Auswerterin“?
Oben steht (richtigerweise) „Adler" (nicht "der/den Adler"), also sollte hier auch der „Falke“ und nicht „der Falke“ stehen. Unten steht ja dann auch wieder der „Alte“ und nicht „der Alte“

Wera verteilte die Kopien
Kopien wovon? Nach nur drei Stunden, in denen die Ermittlungen gerade erst angelaufen sind.

Wera verteilte die Kopien und schenkte die Getränke ein, als die Tür ohne Klopfen geöffnet wurde und eine massige Gestalt mit knappem Gruß eintrat.
Das Wort "als" zeigt Gleichzeitigkeit. Jemand kann eintreten, als sie gerade getränke ausschenkt ODER als die gerade die Kopien verteilt, denn sie wird ja nicht beides zugleich tun.

„Ich habe die zuständige Untersuchungsführerin, die verehrte Tatjana Antonowna, hergebeten.“ Er starrte demonstrativ auf seine klobige Wostock-Armbanduhr und anschließend zur Tür. Wie auf Befehl wurde diese geöffnet und Tatjana Schirajewa, bekleidet mit einem schicken roten Kostüm, trat lächelnd ein.
Öhöm: Ich weiß ja, dass Russen (zumindest im Klischee) zu "verehrte/r Frau/Herr XY" neigen, aber auch in deren Abwesenheit? Oder weiß der „Alte“, dass die Frau draußen mithört? Warum schaut er dann auf die Uhr??

„Da wir nun vollzählig sind, Genossen, können wir beginnen: Das weibliche Opfer, welches wir bei Lipki gefunden haben, konnte identifiziert werden. Es handelt sich um das anscheinend bekannte Model Swetlana Popowa, 23 Jahre alt.“
Ging ja schnell! ;)
"anscheinend bekannt" – gute Formulierung zum Charakterisieren des „Alten"

„Wußt´ ich’s doch!“, zischte Koroljow. „Sie kam mir gleich bekannt vor.“
Wusst'

„Setzen Sie uns ins Bild“, forderte Kusnezow den jungen Ermittler auf. „Wir sind mit diesen Dingen nicht so vertraut.“ Wie selbstverständlich bezog er alle anderen Anwesenden in diese Behauptung ein.
Ins Bild worüber? ich dachte beimlesen sofort "über den Fall", aber warum sollten "wir" damit "nicht so vertraut" sein??

„Der Falke“ hatte die Tragweite dieser Nachricht als erster verdaut. „Sie meinen DEN Viktor Rjabow? Den sogenannten businessman, Mafia-Paten und rechte Hand von „Onkel Tjoma“, dem Moskauer Oligarchen?“
Das ist nicht "verdaut", das ist noch „dranrumkauen“. Wie wenn man auf etwas kaut, um am Geschmack zu prüfen, ob man (z.B.) tatsächlich Huhn im Mund hat. Dieses Nachfragen wäre die richtige Reaktion VOR dem Verdauen:

Sie schaute erneut in die Runde. Dann ergänzte sie: „Es heißt, sie habe ein Verhältnis mit Viktor Rjabow.“
„Mit DEM Viktor Rjabow?", entfuhr es Sokolow. „Dem sogenannten businessman, dem Mafia-Paten? Der rechten Hand von „Onkel Tjoma“, dem Moskauer Oligarchen?“
Sie nickte.
Pjotr Denissow atmete hörbar aus …

PS: Nach dem Bild, dass ich bis jetzt von Sokolow habe, dürfte eher Koroljow damit rausplatzen.: Sokolow erfasste als erster die Tragweite. Koroljow brauchte länger: „mit DEM RjaboW?", fragt er nach. „Dem …

Onkel Tjoma (innerhalb der Rede) nur in halbe Anführungsstriche setzen

„Genossen, das wird eine schwierige Ermittlung. Einerseits habe ich nichts dagegen, diesen Halunken für einige Jahre ins Gefängnis zu stecken. Andererseits hat er ein paar sehr gute Freunde, von denen wir nur ahnen können, wie weit ihr Einfluss reicht. Schon Ermittlungen in die Richtung von Rjabow könnten sich als fast unmöglich herausstellen. Wir müssen hier sehr sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl vorgehen, bis wir handfeste Beweise gegen ihn oder seine Handlanger haben. Wir ermitteln natürlich in alle Richtungen und befragen Rjabow zunächst als Zeugen! Alles klar?“
Klingt, als habe er es schon gewusst.
Und: Verdammt kurzer Auftritt des „Alten" - ist der immer so in Hektik?

Die Untersuchungsführerin, bereits im Gehen begriffen, drehte sich noch einmal um und meinte ruhig: „Die Staatsanwaltschaft steht hinter Ihnen, soweit ich das überblicken kann. Ich werde versuchen, Ihnen den Rücken frei zu halten, soweit möglich. Aber bitte alles streng nach Vorschrift, keine Verhöre ohne mich. Sonst dreht uns ein gerissener Anwalt noch einen Strick daraus, ehe wir uns versehen.“
MOOOMENT! Ich habe offenbar einen falschen Begriff von "Untersuchungsführerin" – sollte die nicht wenigstens zwei, drei weitere Worte mit den Leuten wechseln, die sie Unteruschungen anstellen, die sie führen soll?

Schweigend stand er noch am Tisch, als die anderen den Konferenzraum bereits verlassen hatten.
AAHHHH! Nicht nur die Chefs verdröseln sich einfach, auch die Leute, die zusammen (!) den Fall bearbeiten sollen, reden nicht miteinander???!!


Das Anwesen lag abseits der Straße und war durch eine hohe Mauer vor Blicken und Eindringlingen geschützt. Bei Ussowo an der Rubljowka ließ sich nieder, wer über genügend Geld und Einfluss verfügte, sich hier niederlassen zu können.
Dopplung niederlassen

Die gut ausgebaute und gesicherte Ausfallstraße hatten sie in einer halben Stunde passiert
eine Straße passieren = von einer Seite auf die andere gehen. Dafür braucht man keine halbe Stunde.

Die Polizisten nahmen die Kameras war, die per Funksteuerung in Richtung ihres Autos schwenkten.
nahmen wahr
Woran sehen sie, dass sie per Funk gesteuert werden?
Wer sind "die Polizisten"? Einer ist Denissow (Fahrer) und wenn soll der Leser sonst noch sehen?

Das Grundstück Viktor Rjabows lag am Ende einer Stichstraße und wurde auf der anderen Seite – für den Betrachter nicht sichtbar - durch das Ufer der Moskwa begrenzt.
Wenn es nicht zu sehen ist, muss der Leser eine Info kriegen, woher „der Betrachter" es dann weiß.

Selbst neben den stehenden Beamten wirkte er wie der stolze Recke Nikanor neben zwei Bauernsöhnen.
MOOOMENT! Es war keien rede davon, dass der Mann „reckenhaft" wirkte (und das auch neben den Beamten tut). Und wieso "sogar"? Wirken die Beamten denn so stattlich, dass ein "nur beinahe Recke" neben ihnen abstinken sollte??

Die Hauptleute sahen sich an, dann zogen beide ihre Dienstpistolen aus dem Holster und überließen sie dem Wachmann.
Was sind Hauptleute?
Die geben ihre Dienstwaffen einfach so ab? Mein je, das sind ja Zustände! (Gute Lagebeschreibung!)

Der Anblick, der sich ihnen bot, war beeindruckend: Vor ihnen erhob sich ein runder Springbrunnen, dessen Fontäne in Intervallen mehrere Meter in die Höhe schoss. Links und rechts davon begrenzten kunstvoll gestutzte Hecken einen sauber gepflasterten Weg. Hinter dem Brunnen begann das Haupthaus.
Ich ahne, was du siehts, aber schreiben tust du: Direkt hinter dem Tor ist der Brunnen (das Auto passte aber noch zwischenTor und Brunne, oder?), rechts und links davon sind Hecken. Hecken begrenzen EINEN Weg (links und rechts vom Brunnen??). Direkt hinter dem Brunnen ist das Haus – das ist ja ein kurzer Weg! Was machen die denn normalerweise mit den Autos, wenn sie durchs Tor reingefahren sind?

Hinter dem Brunnen begann das Haupthaus. Die Vorderfront wurde von einem riesigen Portal und zwei symmetrisch angeordneten Terrassen dominiert, die den Blick auf das eigentliche Gebäude allerdings nicht verbergen konnten.
Wie: Das Haus
?
Wieso sollten Terrassen auch ein Gebäude verbergen können?
Was ist das "eigentliche Gebäude"?
… hier weiß ich nun wirklich nicht mehr, was du siehst.

Die Polizisten konnten ihr Erstaunen nur schwer verbergen, in all ihren Lebensjahren hatten sie ein solches Anwesen noch nicht gesehen. Pjotr Denissow stellte das Auto neben der rechten Veranda ab.
Eh … sie sind grade erst durch Tor gekommen und staunen noch. Und plötzlich sind sie mit dem Auto neben der Veranda …

Sein Blick streifte über ein paar moderne Gemälde, die ihm irgendwie vertraut vorkamen.
Er kann sagen „Das kommt mir irgendwie vertraut vor", der Autor aber muss wissen, „wie“ vertraut sie ihm vorkommen. Vage vertraut, sehr vertraut? Jedenfalls nicht "irgendwie" vertraut".

Ehe Michail Sokolow antworten konnte,
Ach, DER ist der zweite Mann! Gut, das auch endlich zu erfahren. Nein im ernst: Am Anfang des Kapitels einfach erwähnen, wer im Auto sitzt und der Leser braucht keine Rästel zu raten.

raschelte seitlich etwas und eine junge Frau im weißen Bademantel kam langsam auf sie zu.
Ein Bademantel, der raschelt … Sehr unwahrscheinlich!

Mischa fielen als erstes die schwarzen Augen mit den seltsam kleinen Pupillen auf.
A, daher der Name! Ein Blick wie ein Falke! Er sieht in schwarzen Augen die schwarzen Pupillen! (Unwahrscheinlich.)

Die Frau trug das blonde, feuchte Haar offen, durch den Schlitz des leicht geöffneten Mantels hindurch ahnte „Der Falke“, dass dessen Trägerin darunter nackt war.
der „Falke"
… ehrlich gesagt nervt das langsam. Dieser „Kriegername" oder was immer das ist, sollte entweder wie ein normaler Spitzname (wie Bulba) immer verwendet werden oder nur in den Situationen, in denen Sokolow in seiner Eigenschaft/Funktion als „Krieger" agiert.

Mit abwesendem Blick betrachtete die Frau die Polizisten und verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Hallo“, sagte sie dann. „Ihr seid von der Polizei?“ Ihrer fragenden Stimme nach schien sie dies kaum glauben zu können?
kein Fragezeichen nach "können"
Na klar hat sie eine fragende Stumme - sie fragt ja! Einfach "ihrer Stimme nach" oder "es klang, als würde sie es nicjt glauben."

Ihr Blick lief irgendwo ins Unendliche und schien dort zu verweilen.
Wieso? Ich meine: Klar, sie ist high, aber warum driftet sie ausgerechnet in dem Moment ab, als sie das tun? (Zumal sie ja gar nicht abdriftet, wie die kommenden Reaktionen zeigen.)

Hinter dem Mann hatte ein kräftiger Glatzkopf den Raum betreten. „Rustam, nimm Anna mit nach oben!“, befahl er dem Kahlkopf.
Bezugsproblem: Ein Glatzkopf tritt ein. Er (der Glatzkopf) sagt etwas zum Kahlkopf. – ?

Der Mann streckte die rechte Hand vor und wies auf die Ledersessel. „Bitte nehmen Sie Platz. Ach, ich vergaß mich vorzustellen. Viktor Rjabow. Aber das haben Sie sich bestimmt gedacht.“ Er nahm lächelnd Platz.
Komma nach „vergaß"
Dopplung „Platz nehmen"

Rjabow nickte ungeduldig. „Ja, ich stehe der Staatsmacht zu Diensten, wenn ich helfen kann.“ Er schien sich über seine Worte selber zu amüsieren, denn ein leises Lächeln überzog sein scharf geschnittenes Gesicht.
Entweder er amüsiert sich 8und kosten die Lage aus) ODER er ist ungeduldig.

Anna Poljakowa, sie haben sie eben kennen gelernt. Annuschka ist eine gefragte Modedesignerin.“ Rjabow lehnte sich zurück und musterte die beiden Polizisten.
Sie
Jemand, der auf etwas lauert oder unsicher ist, mustert den anderen. Rjabow ist in seiner Machtposition viiiiiel zu souverän für so eine Geste. Der weiß, ihm kann niemand was.

Hauptmann Denissow schaute dem Hausherrn ins Gesicht, als er fragte: „Wie standen Sie zur Popowa? Wie gut kannten Sie sie?“
Rjabow verzog das Gesicht. „Sie haben es sowieso schon herausgefunden. Ich hatte mal was mit ihr. Das ist allerdings schon einige Zeit her!“ Er griff zu einer auf dem Marmortisch stehenden Karaffe, zog sich ein Glas heran und hob fragend die Brauen. Die Ermittler lehnten ab, während der Gastgeber sich einen großen Whisky genehmigte.
Ganz ähnlich: Denissow provoziert. Und Rjabow zeigt tatsächlich eine Reaktion? Das erinnert mich nicht an einen Mafia-Paten oder sowas. Ich sehe ihn eher leicht süffisant oder demonstrativ gelassen.

Viktor Rjabow stand abrupt auf. Das Gespräch war in seinen Augen beendet. „Fragen Sie noch, was Sie fragen wollen. Aber schnell, meine Zeit ist kostbar."
Nein, das sehe ich nicht. Er macht Anstalten, aufzustehen, ja, aber zu seinem Image gehört „Höflichkeit, solange es geht". und noch muss er sich nicht "verteidigen". Erst wenn die Polizisten weiterfragen, greift er zu diesem Mittel. Das nächste wäre dann der direkt Rauswurf.
Der Erklärsatz ist überflüssig und wirft ein Point-of-View-Problem auf.

„Wann haben Sie Swetlana Popowa zuletzt gesehen oder von ihr gehört?“ Hauptmann Denissow hatte einen Notizblock hervorgezogen und notierte Rjabows Antworten.
Merke: die Polizsiten bleiben sitzen!

„Vor ein paar Tagen war sie hier. Mittwoch, denke ich. Es ging um ein paar Änderungen an Entwürfen. Unwichtig. Ich selber habe sie nicht gesehen. Ich sagte, ja, es war eine kurze Beziehung.“ Er grinste.
Rjabow hat unmissvertsändlich mitgeteilt (durch das Aufstehen), dass die beiden gefälligst zu gehen haben. Die gehen aber nicht nur nicht, die bleiben sogar sitzen! Der grinst da nicht mehr, glaub mir!

Die Tür wurde geöffnet und der Glatzkopf, der auf den Namen Rustam hörte, begleitete die Ermittler durch die riesige Marmorhalle zurück zum Eingangsportal.
… aber sie sethen vorher noch auf, oder? Nein im Ernst: Es ist gut, wenn du vor deinem geistigen Auge sieht, was abläuft, aber Leser kann nur das sehen, was du ihm zeigst. Wenn du zeigst, dass sich einer hinsetzt, dann sitzt er. Und zwar solange, bis du zeigst, dass er wieder aufsteht.



„Hast du den Tennisplatz hinter dem Haus gesehen?“, fragte Pjotr seinen Kollegen, als sie ihre Waffen verstaut hatten und im Wagen saßen.
„Der Falke“ nickte. „Und auch den Hubschrauberlandeplatz. Und den Fuhrpark mit mehreren Oberklasse-Fahrzeugen. Das Grundstück allein muss diverse Millionen Wert sein, mein Lieber.“ Sokolow starrte nachdenklich durch die staubige Seitenscheibe.
Der Übergang per Sprung ist gut, aber ich frage mich schon, warum der Kahlkopf die beiden über das ganze Gelände geführt hat, wo sie all das sehen konnten, was von vorn (bei der Ankunft) nicht zu sehen war.
„divers“ = „verschieden“, nicht „mehrere"
Erst redet Sokolow recht locker-kumpelig, dann starrt(!) er plötzlich nachdenklich – das passt nicht zusammen.

„Mittwoch war die Popowa hier. Der Leibwächter, Rustam Sadikow, gibt an, sie habe das Gelände um drei Uhr nachmittags verlassen, nachdem sie sich mit Anna Poljakowa über ein paar Details der neuen Kollektion verständigt hatte“, referierte Denissow das Gehörte.
MOOOOMENT! Wo und wann hat er das gehört? Ich habe nichts gesehen, was auf irgendein Gespräch mit dem Leibwächter hindeutet!


Nach eine kurzen Pause meinte er: „Und was hältst du von der Poljakowa? Ganz schön durchgeknallt, oder?“
Weil sie high war? Das ist noch weit entfernt von „durchgeknallt“, erst recht von "ganz schön druchgeknallt".

Michail Sokolow nickte. „Das Gefühl habe ich auch. Sie könnte unter Drogen stehen. Vielleicht ist auch nur unglücklich, wer weiß?“
Das meinst du jetzt nicht ernst, oder? Sie KÖNNTE unter Drogen stehen? Und selbst wenn sich Sokolow nicht sicher ist, wie um Himmels willen kommt er auf die Alternative "unglücklich"? Seit wann sieht das ähnlich aus??


Fazit dieser Detailarbeit: Ich sehe ein Problem(chen) bei Spiel der Figuren. Sie verhalten sich etwas zu marionettenhaft, so zu sehr auf deine Plot-Absicht abgerichtet. Der Plot ist aber „nur" der Rahmen, in dem sie sich bewegen. Stell dir vor, du wärst Schauspieler und würdest die Figuren spielen. Spür in dir die momentane Verfassung der Figur und reagiere entsprechend! Wenn das nicht zum Plot-Detail passt, ändere das Plot-Detail!
 

Billyboy

Mitglied
MICHAIL SOKOLOW – MÖRDERISCHE GEFAHR
FOLGE 03 – ALTE FEINDE (AT)
VON MITRI SUCHOI
(Bearbeitung: Thorsten Wirth)

Prolog

Der Mann legte den Telefonhörer auf die Gabel und schloss die Augen. Trotz der geschlossenen Fenster hörte er den starken Verkehr, dessen unentwegtes Brummen scheinbar ruhelos von morgens bis abends herauf bis an seine Fenster im vierten Stock brandete.
Der Anruf hatte ihn verstimmt. Warum konnte sich dieser vertrottelte Alte nicht an die Absprachen halten, die sie zu ihrer eigenen Sicherheit getroffen hatten? Warum rief der hier an? Nicht genug, dass auch er sich dadurch gezwungen sah, zu handeln.
Der Mann öffnete die Augen wieder. Er wusste, was zu tun war und zog ein nicht registriertes Mobiltelefon aus der Tasche. Er drückte auf eine Nummer des Kurzwahlspeichers und lauschte dem Rufton. Als sich am anderen Ende jemand meldete, sagte der Mann nur: „Adler? Heute Abend um acht in der Bar!“ Sofort legte er auf. Auf den „Adler“ war Verlass, das wusste er.
Sein Blick glitt durch das Fenster hinaus über den vielbefahrenen Platz. Gegenüber lag das Gebäude des Sportklubs „Dynamo“, in dessen Fenster sich die Mittagssonne spiegelte. Vielleicht sollte ich wieder mal zu einem Spiel gehen, überlegte er. Das letzte Spiel hatte er gesehen, als sie mit Beskow den russischen Pokal geholt hatten. Irgendwo musste noch die Gedenkmünze sein, die nach dem Tod des alten Mannes ausgegeben worden war. Ein sentimentales Lächeln legte sich auf sein ansonsten hartes Gesicht.
Entschlossen erhob er sich aus seinem Sessel und schloss die Schublade ab. Dann verließ er sein Büro, ohne der Sekretärin Bescheid zu geben, wo er zu erreichen war.

1. Kapitel

Die Leiche war übel zugerichtet und lag bereits ein paar Tage im Wald. Der kleine Mann im weißen Schutzanzug verstaute seine Utensilien in der Arzttasche und drehte sich zu Michail Sokolow um, der schweigend auf das sah, was von der Frau übrig geblieben war. „Der Leichnam weist zu viele Verletzungen auf, um schon jetzt eine mögliche Todesursache zu benennen“, erklärte Dr. Taras „Bulba“ Polian schließlich und strich sich über die Glatze. „Zahlreiche Schnitte und Wunden sind am ganzen Körper zu finden. Lediglich das Gesicht ist weitgehend verschont.“
„Schon was zum Todeszeitpunkt, Bulba?“, hakte der Hauptmann nach.
Der Kosake wiegte den kahlen Schädel hin und her. „Ich vermute, der Tod dürfte so vor etwa zwei oder drei Tagen eingetreten sein. Abgelegt wurde sie hier sicher erst später. Mehr nach der Untersuchung.“ Der Mediziner, in Anbetracht der wirklich übel zugerichteten Frauenleiche einsilbiger als sonst, wandte sich ab und verließ die kleine Lichtung in Richtung seines Autos.
Hauptmann Sokolow trat einen Schritt zur Seite, um die Männer mit der Trage vorbei zu lassen. Schweigsam verfolgte er, wie das, was bis vor wenigen Tagen eine wunderschöne, junge Frau gewesen war, in den Sarg gehoben wurde.
„Die Tote kommt mir irgendwie bekannt vor“, raunte ihm sein Kollege Wladimir Koroljow zu. Der fünfundzwanzigjährige Ermittler im Rang eines Leutnants stellte sich neben seinen Vorgesetzten und betrachtete nachdenklich den Abtransport der Leiche.
„Die Birkenwälder rund um Moskau kommen mir immer mehr vor wie ein Friedhof“, sinnierte Michail Sokolow und wandte sich dem Leutnant zu *. „Veranlasse alles Nötige, insbesondere die Befragungen der Umgebung und an den Ausfallstrassen und so weiter. Wir sehen uns nachher in der Petrowka.“ Er stapfte durch das Gras zum blauen Moskwitsch der Abteilung und öffnete den quietschenden Schlag.

Etwa vier Stunden später saß das Kollektiv der Abteilung für schwere Gewaltkriminalität im Konferenzraum beisammen. Wera Belajewa hatte für Tee und Kaffee gesorgt und einen Papierstapel vor sich abgelegt. Die Auswerterin im Rang eines Oberleutnants, das „Gedächtnis“ der Abteilung, schaute in die kleine Runde. Neben Mischa Sokolow, genannt „Der Falke“, waren Leutnant Wladimir Koroljow und Hauptmann Pjotr Denissow anwesend.
Wera verteilte die Kopien der ersten Untersuchungsergebnisse. Sie schenkte die Getränke ein, als die Tür ohne Klopfen geöffnet wurde und eine massige Gestalt mit knappem Gruß eintrat. Der „Alte“, wie der Abteilungsleiter Oberst Boris Kusnezow in seiner Abwesenheit tituliert wurde, nahm am Stirnende des Tisches Platz und schaute in die Runde.
„Ich habe die zuständige Untersuchungsführerin, die verehrte Tatjana Antonowna, hergebeten.“ Er starrte demonstrativ auf seine klobige Wostock-Armbanduhr und anschließend zur Tür. Wie auf Befehl wurde diese geöffnet und Tatjana Schirajewa, bekleidet mit einem schicken roten Kostüm, trat lächelnd ein.
„Da wir nun vollzählig sind, Genossen, können wir beginnen: Das weibliche Opfer, welches wir bei Lipki gefunden haben, konnte identifiziert werden. Es handelt sich um das anscheinend bekannte Model Swetlana Popowa, 23 Jahre alt. Wegen einer Jugendstrafe waren ihre Fingerabdrücke in der Kartei.“
„Wusst´ ich’s doch!“, zischte Koroljow. „Sie kam mir gleich bekannt vor.“
„Setzen Sie uns über das Mädchen ins Bild“, forderte Kusnezow den jungen Ermittler auf. „Wir sind mit diesen Modedingen nicht so vertraut.“ Wie selbstverständlich bezog er alle anderen Anwesenden in diese Behauptung ein.
Wolodja Koroljow lehnte sich etwas zurück und referierte: „Die Popowa ist seit etwa drei Jahren ein Star im Model-Geschäft. Sie begann mit dem Modeln für ein paar Nachwuchsdesigner. Danach kamen wohl rasch Engegements für Chakurin und Salzew. Sie ist oft auf den Covern von Vogue, Po Svetu, Elle und so weiter. Und ein gern gesehener Gast auf allen Schicki-Micki-Partys der Stadt natürlich. Größere Skandale gab es allerdings nicht.“
Tatjana Schirajewa musterte den jungen Mann erstaunt. „Sie kennen sich ja gut aus in der Moskauer Modewelt.“
Der Leutnant errötete und murmelte etwas von wegen Schwester und Fernsehen.
Die Untersuchungsführerin schaute die übrigen Anwesenden der Reihe nach an und begann: „Kollege Koroljow hat Recht. Das dürfte in etwa das Wichtigste sein, was zur Popowa zu sagen wäre. Mit einer Ausnahme ...“ Sie schaute erneut in die Runde. Dann ergänzte sie: „Es heißt, sie habe ein Verhältnis mit Viktor Rjabow.“
Sokolow erfasste als erster die Tragweite. Koroljow brauchte länger: „mit DEM Rjabow?", fragt er nach. „Dem sogenannten businessmen, Mafia-Paten und rechte Hand von „Onkel Tjoma“, dem Moskauer Oligarchen?“
Pjotr Denissow atmete hörbar aus, die Belajewa rückte ihren Spitzenkragen zurecht und Obert Kusnezow starrte in die Runde.
„Genossen, das wird eine schwierige Ermittlung. Einerseits habe ich nichts dagegen, diesen Halunken für einige Jahre ins Gefängnis zu stecken, wenn er für diese Sache verantwortlich ist. Andererseits hat er ein paar sehr gute Freunde, von denen wir nur ahnen können, wie weit ihr Einfluss reicht. Schon Ermittlungen in die Richtung von Rjabow könnten sich als fast unmöglich herausstellen. Wir müssen hier sehr sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl vorgehen, bis wir handfeste Beweise gegen ihn oder seine Handlanger haben. Wir ermitteln natürlich in alle Richtungen und befragen Rjabow zunächst als Zeugen! Alles klar?“ Die Anwesenden nickten. Er gab Hauptmann Sokolow zu verstehen, dass dieser übernehmen sollte.
Der „Alte“ erhob sich, drückte der Schirajewa die Hand und verschwand wortlos durch die Tür. Sie besprachen das weitere Vorgehen. Zunächst sollte Rjabow formlos befragt werden. Anschließend würde die Wohnung der Toten untersucht werden. Die Untersuchungsführerin, bereits im Gehen begriffen, drehte sich noch einmal um. Sie meinte ruhig: „Die Staatsanwaltschaft steht hinter Ihnen, soweit ich das überblicken kann. Ich werde versuchen, Ihnen den Rücken frei zu halten, soweit möglich. Aber bitte alles streng nach Vorschrift, keine Verhöre ohne mich. Sonst dreht uns ein gerissener Anwalt noch einen Strick daraus, ehe wir uns versehen.“ Sie lächelte den Polizisten aufmunternd zu. Eine lange Sekunde spürte Mischa ihren Blick auf sich gerichtet und hoffte, dass Tanja heute Abend Zeit haben würde, vorbei zu kommen. Soweit er wusste, befand sich ihr Mann gerade in Wladiwostock und wurde nicht vor Ende der Woche zurück erwartet. Schweigend stand er noch am Tisch, als die anderen den Konferenzraum bereits verlassen hatten.

2. Kapitel

Das Anwesen lag abseits der Straße und war durch eine hohe Mauer vor Blicken und Eindringlingen geschützt. Bei Ussowo an der Rubljowka ließ sich nieder, wer über genügend Geld und Einfluss verfügte, sich hier ansiedeln zu können. Für die gut ausgebaute und gesicherte Ausfallstraße hatten sie gut eine halbe Stunde benötigt. Pjotr Denissow steuerte den blauen Moskwitsch auf eine durch ein schweres Stahltor versperrte Einfahrt zu. Die Polizisten nahmen die Kameras war, die offenbar per Funksteuerung in Richtung ihres Autos schwenkten. Das Grundstück Viktor Rjabows lag am Ende einer Stichstraße und wurde auf der anderen Seite – für den Betrachter nicht sichtbar - durch das Ufer der Moskwa begrenzt.
Aus einem massiven Pförtnerhaus trat ein schwer bewaffneter Hühne mit Schutzweste.
„Kriminalpolizei. Wir haben einen Termin mit Ihrem Chef“, ließ sich Michail Sokolow vernehmen.
Der Wachmann trat näher an das klapprige Gefährt, warf einen abschätzigen Blick in das Wageninnere und bedeutete den Ermittlern, auszusteigen. Neben den stattlichen Beamten wirkte er wie der stolze Recke Nikanor neben zwei Bauernsöhnen. „Ihre Waffen, bitte!“
Die Hauptleute sahen sich an, dann zogen beide ihre Dienstpistolen aus dem Holster und überließen sie dem Wachmann. Nach einer kurzen Inspektion des Kofferraumes durften sie passieren. Das Stahltor hinter ihnen schloss sich fast geräuschlos.
Der Anblick, der sich ihnen bot, war beeindruckend: Wenige Meter vor ihnen erhob sich ein runder Springbrunnen, dessen Fontäne in Intervallen mehrere Meter in die Höhe schoss. Dahinter begrenzten kunstvoll gestutzte Hecken einen sauber gepflasterten Weg, an dessen Ende sich das Haupthaus befand. Die Vorderfront wurde von einem riesigen Portal und zwei symmetrisch angeordneten Terrassen dominiert. Ein weißer Palast – so musste man die etwa achtzig Meter breite Villa wohl nennen – erhob sich drei Stockwerke hoch.
Die Polizisten konnten ihr Erstaunen nur schwer verbergen, in all ihren Lebensjahren hatten sie ein solches Anwesen noch nicht gesehen. Pjotr Denissow ließ das Auto neben der rechten Veranda ausrollen. Sie stiegen aus. Dann erklommen sie die Stufen zum Portal. Die meisterhaft verzierte Holztür, die nun geöffnet wurde, erwies sich von innen aus massivem Stahl gefertigt. Ein Zwillingsbruder des Torwächters nahm die Beamten in Empfang und führte sie durch die mit Marmor verkleidete Halle in einen weiteren großen Raum, an dessen Ende eine weiße Couch- und Sessellandschaft loungeartig angeordnet war. Bemüht, keine der zahlreichen Vasen oder Skulpturen zu berühren, die ringsum wie Beutestücke drapiert waren, durchquerten die Polizisten das Zimmer.
„Ich glaub, ich bin im falschen Film“, ließ sich Pjotr leise vernehmen. „Ist ja abgefahren, das alles hier.“ Sein Blick streifte über die Kunstwerke. „Aber er hätte sich ruhig eine heile Skulptur leisten können“, frotzelte der Polizist, als er neben einer weiß-gelblich schimmernden Statue stehen blieb, der ein Arm fehlte.
Ehe Michail Sokolow antworten konnte, raschelte seitlich etwas. Eine junge Frau in einem alabasterfarbenen seidenen Hausmantel kam langsam auf sie zu. Mischa fielen als erstes die schwarzen-blauen Augen mit den seltsam kleinen Pupillen auf. Die Frau trug das blonde, feuchte Haar offen, durch den Schlitz des leicht geöffneten Mantels hindurch ahnte „Der Falke“, dass dessen Trägerin darunter nackt war.
Mit abwesendem Blick betrachtete die Frau die Polizisten und verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Hallo“, sagte sie dann. „Das ist Statuario - Marmor.“ Sie wies auf die schlanke Skulptur. „Teuer, sagt Viktor. Ihr seid von der Polizei?“, wechselte sie unvermittelt das Thema. Ihrer fragenden Stimme nach schien sie dies kaum glauben zu können? „Ich bin Annuschka.“ Langsam schaute sie einem nach dem anderen ins Gesicht, dann hob sie die Arme leicht in die Höhe und streckte die Hände aus. „Wollt Ihr mich verhaften?“ Ihr Blick lief irgendwo ins Unendliche und schien dort zu verweilen.
„Warum sollten wir?“, fragte Sokolow erstaunt.
„Wer weiß? Vielleicht bin ich ein böses Mädchen?“ Sie kicherte, bis laut die Tür geöffnet wurde und ein mittelgroßer Mann in schwarzem Maßanzug eintrat.
„Anna!“, rief er und trat zu der Schönheit mit dem bleichen Gesicht. Er schüttelte sie. Hinter dem Mann hatte ein kräftiger Glatzkopf den Raum betreten. „Rustam, nimm Anna mit nach oben!“, befahl der Anzugträger dem Kahlkopf. Dann wandte er sich an die Polizisten und meinte entschuldigend: „Es tut mir Leid, meine Herren, Anna ist im Moment etwas neben sich. Die viele Arbeit, der Stress, die Partys ... Wenn Sie verstehen?“ Der Mann streckte die rechte Hand vor und wies auf die Ledersessel. „Bitte nehmen Sie Platz. Ach, ich vergaß, mich vorzustellen. Viktor Rjabow. Aber das haben Sie sich bestimmt gedacht.“ Er setzte sich.
„Der Falke“ begann das Gespräch. „Vielen Dank für den raschen Empfang. Ich bin sicher, wir können das Problem schnell lösen.“
Rjabow nickte. „Ja, ich stehe der Staatsmacht zu Diensten, wenn ich helfen kann.“ Er schien sich über seine Worte selber zu amüsieren, denn ein leises Lächeln überzog sein scharf geschnittenes Gesicht.
„In welcher Beziehung standen Sie zu Swetlana Popowa?“
„Sie ist, sie war eines der Models, die gelegentlich für Anna arbeiten. Anna Poljakowa, Sie haben sie eben kennen gelernt. Annuschka ist eine gefragte Modedesignerin.“ Rjabow lehnte sich zurück und musterte die beiden Polizisten.
Hauptmann Denissow schaute dem Hausherrn ins Gesicht, als er fragte: „Wie standen Sie zur Popowa? Wie gut kannten Sie sie?“
Rjabow verzog das Gesicht zu einem süffisanten Grinsen. „Sie haben es doch schon herausgefunden. Ich hatte mal was mit ihr. Das ist allerdings schon einige Zeit her!“ Er griff zu einer auf dem Marmortisch stehenden Karaffe, zog sich ein Glas heran und hob fragend die Brauen. Die Ermittler lehnten ab, während der Gastgeber sich einen großen Whisky genehmigte.
„Was sagt Ihre Lebensgefährtin Anna Poljakowa dazu? Sie ist doch Ihre Lebensgefährtin?“, schaltete Michail sich wieder in das Gespräch ein.
Der Geschäftsmann winkte ab. „Frauen“, meinte er nur. „Sie kriegt sich immer wieder ein. Sie weiß, was sie an mir hat.“ Er wies mit der Hand auf die Einrichtung. „Ich biete ihr Luxus, ich finanziere ihre Entwürfe. Gewiss“, er machte eine Kunstpause, „Sie ist selber inzwischen auch erfolgreich. Aber einen solchen Lebensstil könnte sie sich nicht leisten.“ Viktor Rjabow sah auf die Uhr. „Fragen Sie, was Sie noch fragen wollen. Aber schnell, meine Zeit ist kostbar.“
„Wann haben Sie Swetlana Popowa zuletzt gesehen oder von ihr gehört?“ Hauptmann Denissow hatte einen Notizblock hervorgezogen und notierte Rjabows Antworten.
„Vor ein paar Tagen war sie hier. Mittwoch, denke ich. Es ging um ein paar Änderungen an Entwürfen. Unwichtig. Ich selber habe sie nicht gesehen. Ich sagte, ja, es war eine kurze Beziehung.“ Er grinste.
„Wer könnte ein Motiv haben, die Popowa zu ermorden?“
„Keine Ahnung. Sie war mal mit so ´nem Jüngelchen zusammen, nervig eifersüchtig. Fragen Sie in der Agentur. Die kannten Sie besser.“ Er zog sein Smartphon aus der Tasche und scrollte darauf herum. Dann diktierte er Denissow eine Telefonnummer. „So, meine Herren. Wenn Sie das nächste Mal herkommen wollen, bringen Sie bitte einen Durchsuchungsbefehl mit. Ich habe meine Pflicht als Staatsbürger mehr als erfüllt.“ Die Männer erhoben sich.
Die Tür wurde geöffnet und der Glatzkopf, der auf den Namen Rustam hörte, begleitete die Ermittler durch die riesige Marmorhalle zurück zum Eingangsportal. Eine gute Gelegenheit, dem Bodyguard auf den Zahn zu fühlen, entschied Mischa Sokolow in Gedanken.

„Hast du den Tennisplatz hinter dem Haus gesehen?“, fragte Pjotr seinen Kollegen, als sie ihre Waffen verstaut hatten und im Wagen saßen.
„Der Falke“ nickte. „Und auch den Hubschrauberlandeplatz. Und den Fuhrpark mit mehreren Oberklasse-Fahrzeugen. Das Grundstück allein muss einige Millionen Wert sein, mein Lieber.“ Sokolow starrte durch die staubige Seitenscheibe.
„Mittwoch war die Popowa hier. Der Leibwächter, Rustam Sadikow, gibt an, sie habe das Gelände um drei Uhr nachmittags verlassen, nachdem sie sich mit Anna Poljakowa über ein paar Details der neuen Kollektion verständigt hatte“, referierte Denissow das Gehörte. „Laut Dr. Polian ist die Popowa am Mittwoch Abend gestorben. Wir müssen also herausfinden, ob sie nach drei noch jemand gesehen hat und wo.“ Nach eine kurzen Pause meinte er: „Und was hältst du von der Poljakowa? Ganz schön eigenartig, oder?“
Michail Sokolow nickte. „Das Gefühl habe ich auch. Sie dürfte unter Drogen stehen.“ Er winkte ab und fuhr dann fort: “Du fährst nachher zur Agentur und hörst dich um. Versuch auch etwas über diesen Freund heraus zu finden. Ich werde mit Koroljow die Wohnung der Toten durchsuchen und dann bei Polian und der Kriminaltechnik nach ersten Ergebnissen fragen.“


Hinweis: Es handelt sich bei dem eingestellten Text um die ersten 2 Kapitel. Geplant sind etwa 8 Kapitel.
Für Rückmeldungen bin ich jederzeit dankbar.
 

Billyboy

Mitglied
Hallo jon,

ich habe deine Anmerkungen aufmerksam gelesen und die Stellen überarbeitet, an denen ich deine Hinweise nachvollziehen konnte. Das war relativ oft der Fall.
Einige wenige Stellen habe ich allerdings unverändert gelassen, weil ich es so, wie es ist, gelungen finde.

Ich bin dir in jedem Fall schon jetzt sehr dankbar für die Tipps! Gerade die Charakteristik der Figur des Rjabow hast du zu Recht kritisiert.
Auf die erfolgten Änderungen gehe ich jetzt nicht näher ein.

Adler und Falke: In meiner Geschichte besitzen die Namen oft eine gewisse Bedeutung. Ich spiele mit ihnen. Sokolow ist russisch und bedeutet Falke. Daher hat er den Spitznamen "Der Falke". Ich habe das jetzt konsequent mit Artikel versehen.
Ich versuche, diese Bezeichnung nicht zu oft zu verwenden, weil sie in der Tat etwas ermüdend wirkt. Habe auch schon ein oder zwei weggestrichen. Die Bezeichnungen (Sokolow, Mischa, Falke etc. sollen sich möglichst abwechseln.

Eine Auswerterin ist eine Polizistin im Innendienst, die die Ermittlungen gewissermaßen koordiniert, die Ergebnisse der Untersuchungen abgleicht, Analysen erstellt etc. Ich weiß nicht, ob das in der Realität so ist. Ich hab das allerdings den Büchern der russischen Krimi-Autorin Alexandra Marinina entnommen, die zuvor Major der Kriminalmiliz war.

Zur Frage, wer im Auto sitzt vor dem Grundstück Rjabows. Möglicherweise ist dir entgangen, daß Sokolow namentlich bereits vorher erwähnt wird.

Aus einem massiven Pförtnerhaus trat ein schwer bewaffneter Hühne mit Schutzweste.
„Kriminalpolizei. Wir haben einen Termin mit Ihrem Chef“, ließ sich Michail Sokolow vernehmen.


Dies war auch in der ersten Fassung schon so. Ich finde es gut, manchmal erst ein oder zwei Sätze später zu sagen, wer da agiert (wenn es die Handlung nicht behindert).

zum Grundstück: Sie haben halt beim Hinausgehen den einen oder anderen Blick werfen können. Um die Geschichte nicht endlos auszudehnen (ich habe ein paar Zeilenvorgaben), muß ich mal nen kleinen, hoffentlich unwichtigen Sprung machen.

Hauptleute ist die Mehrzahl von Hauptmann.

Ich freue mich schon auf die nächsten Tipps, insbesondere zu den weiteren Kapiteln. Die werden rasch folgen.
 

Billyboy

Mitglied
MICHAIL SOKOLOW – MÖRDERISCHE GEFAHR
FOLGE 03 – ALTE FEINDE (AT)
VON MITRI SUCHOI
(Bearbeitung: Thorsten Wirth)

Prolog

Der Mann legte den Telefonhörer auf die Gabel und schloss die Augen. Trotz der geschlossenen Fenster hörte er den starken Verkehr, dessen unentwegtes Brummen scheinbar ruhelos von morgens bis abends herauf bis an seine Fenster im vierten Stock brandete.
Der Anruf hatte ihn verstimmt. Warum konnte sich dieser vertrottelte Alte nicht an die Absprachen halten, die sie zu ihrer eigenen Sicherheit getroffen hatten? Warum rief der hier an? Nicht genug, dass auch er sich dadurch gezwungen sah, zu handeln.
Der Mann öffnete die Augen wieder. Er wusste, was zu tun war und zog ein nicht registriertes Mobiltelefon aus der Tasche. Er drückte auf eine Nummer des Kurzwahlspeichers und lauschte dem Rufton. Als sich am anderen Ende jemand meldete, sagte der Mann nur: „Adler? Heute Abend um acht in der Bar!“ Sofort legte er auf. Auf den „Adler“ war Verlass, das wusste er.
Sein Blick glitt durch das Fenster hinaus über den vielbefahrenen Platz. Gegenüber lag das Gebäude des Sportklubs „Dynamo“, in dessen Fenster sich die Mittagssonne spiegelte. Vielleicht sollte ich wieder mal zu einem Spiel gehen, überlegte er. Das letzte Spiel hatte er gesehen, als sie mit Beskow den russischen Pokal geholt hatten. Irgendwo musste noch die Gedenkmünze sein, die nach dem Tod des alten Mannes ausgegeben worden war. Ein sentimentales Lächeln legte sich auf sein ansonsten hartes Gesicht.
Entschlossen erhob er sich aus seinem Sessel und schloss die Schublade ab. Dann verließ er sein Büro, ohne der Sekretärin Bescheid zu geben, wo er zu erreichen war.

1. Kapitel

Die Leiche war übel zugerichtet und lag bereits ein paar Tage im Wald. Der kleine Mann im weißen Schutzanzug verstaute seine Utensilien in der Arzttasche und drehte sich zu Michail Sokolow um, der schweigend auf das sah, was von der Frau übrig geblieben war. „Der Leichnam weist zu viele Verletzungen auf, um schon jetzt eine mögliche Todesursache zu benennen“, erklärte Dr. Taras „Bulba“ Polian schließlich und strich sich über die Glatze. „Zahlreiche Schnitte und Wunden sind am ganzen Körper zu finden. Lediglich das Gesicht ist weitgehend verschont.“
„Schon was zum Todeszeitpunkt, Bulba?“, hakte der Hauptmann nach.
Der Kosake wiegte den kahlen Schädel hin und her. „Ich vermute, der Tod dürfte so vor etwa zwei oder drei Tagen eingetreten sein. Abgelegt wurde sie hier sicher erst später. Mehr nach der Untersuchung.“ Der Mediziner, in Anbetracht der wirklich übel zugerichteten Frauenleiche einsilbiger als sonst, wandte sich ab und verließ die kleine Lichtung in Richtung seines Autos.
Hauptmann Sokolow trat einen Schritt zur Seite, um die Männer mit der Trage vorbei zu lassen. Schweigsam verfolgte er, wie das, was bis vor wenigen Tagen eine wunderschöne, junge Frau gewesen war, in den Sarg gehoben wurde.
„Die Tote kommt mir irgendwie bekannt vor“, raunte ihm sein Kollege Wladimir Koroljow zu. Der fünfundzwanzigjährige Ermittler im Rang eines Leutnants stellte sich neben seinen Vorgesetzten und betrachtete nachdenklich den Abtransport der Leiche.
„Die Birkenwälder rund um Moskau kommen mir immer mehr vor wie ein Friedhof“, sinnierte Michail Sokolow und wandte sich dem Leutnant zu*. „Veranlasse alles Nötige, insbesondere die Befragungen in der Umgebung, an den Ausfallstrassen und so weiter. Wir sehen uns nachher in der Petrowka.“ Er stapfte durch das Gras zum blauen Moskwitsch der Abteilung und öffnete den quietschenden Schlag.

Etwa vier Stunden später saß das Kollektiv der Abteilung für schwere Gewaltkriminalität im Konferenzraum beisammen. Wera Belajewa hatte für Tee und Kaffee gesorgt und einen Papierstapel vor sich abgelegt. Die Auswerterin im Rang eines Oberleutnants, das „Gedächtnis“ der Abteilung, schaute in die kleine Runde. Neben Mischa Sokolow, genannt „Der Falke“, waren Leutnant Wladimir Koroljow und Hauptmann Pjotr Denissow anwesend.
Wera verteilte die Kopien der ersten Untersuchungsergebnisse. Sie schenkte die Getränke ein, als die Tür ohne Klopfen geöffnet wurde und eine massige Gestalt mit knappem Gruß eintrat. Der „Alte“, wie der Abteilungsleiter Oberst Boris Kusnezow in seiner Abwesenheit tituliert wurde, nahm am Stirnende des Tisches Platz und schaute in die Runde.
„Ich habe die zuständige Untersuchungsführerin, die verehrte Tatjana Antonowna, hergebeten.“ Er starrte demonstrativ auf seine klobige Wostock-Armbanduhr und anschließend zur Tür. Wie auf Befehl wurde diese geöffnet und Tatjana Schirajewa, bekleidet mit einem schicken roten Kostüm, trat lächelnd ein.
„Da wir nun vollzählig sind, Genossen, können wir beginnen: Das weibliche Opfer, welches wir bei Lipki gefunden haben, konnte identifiziert werden. Es handelt sich um das anscheinend bekannte Model Swetlana Popowa, 23 Jahre alt. Wegen einer Jugendstrafe waren ihre Fingerabdrücke in der Kartei.“
„Wusst´ ich’s doch!“, zischte Koroljow. „Sie kam mir gleich bekannt vor.“
„Setzen Sie uns über das Mädchen ins Bild“, forderte Kusnezow den jungen Ermittler auf. „Wir sind mit diesen Modedingen nicht so vertraut.“ Wie selbstverständlich bezog er alle anderen Anwesenden in diese Behauptung ein.
Wolodja Koroljow lehnte sich etwas zurück und referierte: „Die Popowa ist seit etwa drei Jahren ein Star im Model-Geschäft. Sie begann mit dem Modeln für ein paar Nachwuchsdesigner. Danach kamen wohl rasch Engegements für Chakurin und Salzew. Sie ist oft auf den Covern von Vogue, Po Svetu, Elle und so weiter. Und ein gern gesehener Gast auf allen Schicki-Micki-Partys der Stadt natürlich. Größere Skandale gab es allerdings nicht.“
Tatjana Schirajewa musterte den jungen Mann erstaunt. „Sie kennen sich ja gut aus in der Moskauer Modewelt.“
Der Leutnant errötete und murmelte etwas von wegen Schwester und Fernsehen.
Die Untersuchungsführerin schaute die übrigen Anwesenden der Reihe nach an und begann: „Kollege Koroljow hat Recht. Das dürfte in etwa das Wichtigste sein, was zur Popowa zu sagen wäre. Mit einer Ausnahme ...“ Sie schaute erneut in die Runde. Dann ergänzte sie: „Es heißt, sie habe ein Verhältnis mit Viktor Rjabow.“
Sokolow erfasste als erster die Tragweite. Koroljow brauchte länger: „Mit DEM Rjabow?", fragt er nach. „Dem sogenannten businessmen, Mafia-Paten und rechte Hand von „Onkel Tjoma“, dem Moskauer Oligarchen?“
Pjotr Denissow atmete hörbar aus, die Belajewa rückte ihren Spitzenkragen zurecht und Obert Kusnezow starrte in die Runde.
„Genossen, das wird eine schwierige Ermittlung. Einerseits habe ich nichts dagegen, diesen Halunken für einige Jahre ins Gefängnis zu stecken, wenn er für diese Sache verantwortlich ist. Andererseits hat er ein paar sehr gute Freunde, von denen wir nur ahnen können, wie weit ihr Einfluss reicht. Schon Ermittlungen in die Richtung von Rjabow könnten sich als fast unmöglich herausstellen. Wir müssen hier sehr sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl vorgehen, bis wir handfeste Beweise gegen ihn oder seine Handlanger haben. Wir ermitteln natürlich in alle Richtungen und befragen Rjabow zunächst als Zeugen! Alles klar?“ Die Anwesenden nickten. Er gab Hauptmann Sokolow zu verstehen, dass dieser übernehmen sollte.
Der „Alte“ erhob sich, drückte der Schirajewa die Hand und verschwand wortlos durch die Tür. Sie besprachen das weitere Vorgehen. Zunächst sollte Rjabow formlos befragt werden. Anschließend würden sie die Wohnung der Toten in Augenschein nehmen. Die Untersuchungsführerin, bereits im Gehen begriffen, drehte sich noch einmal um. Sie meinte ruhig: „Die Staatsanwaltschaft steht hinter Ihnen, soweit ich das überblicken kann. Ich werde versuchen, Ihnen den Rücken frei zu halten, soweit möglich. Aber bitte alles streng nach Vorschrift, keine Verhöre ohne mich. Sonst dreht uns ein gerissener Anwalt noch einen Strick daraus, ehe wir uns versehen.“ Sie lächelte den Polizisten aufmunternd zu. Eine lange Sekunde spürte Mischa ihren Blick auf sich gerichtet und hoffte, dass Tanja heute Abend Zeit haben würde, vorbei zu kommen. Soweit er wusste, befand sich ihr Mann gerade in Wladiwostock und wurde nicht vor Ende der Woche zurück erwartet. Schweigend stand er noch am Tisch, als die anderen den Konferenzraum bereits verlassen hatten.

2. Kapitel

Das Anwesen lag abseits der Straße und war durch eine hohe Mauer vor Blicken und Eindringlingen geschützt. Bei Ussowo an der Rubljowka ließ sich nieder, wer über genügend Geld und Einfluss verfügte, sich hier ansiedeln zu können. Für die gut ausgebaute und gesicherte Ausfallstraße hatten sie gut eine halbe Stunde benötigt. Pjotr Denissow steuerte den blauen Moskwitsch auf eine durch ein schweres Stahltor versperrte Einfahrt zu. Die Polizisten nahmen die Kameras war, die offenbar per Funksteuerung in Richtung ihres Autos schwenkten. Das Grundstück Viktor Rjabows lag am Ende einer Stichstraße und wurde auf der anderen Seite – für den Betrachter nicht sichtbar - durch das Ufer der Moskwa begrenzt.
Aus einem massiven Pförtnerhaus trat ein schwer bewaffneter Hühne mit Schutzweste.
„Kriminalpolizei. Wir haben einen Termin mit Ihrem Chef“, ließ sich Michail Sokolow vernehmen.
Der Wachmann trat näher an das klapprige Gefährt, warf einen abschätzigen Blick in das Wageninnere und bedeutete den Ermittlern, auszusteigen. Neben den stattlichen Beamten wirkte er wie der stolze Recke Nikanor neben zwei Bauernsöhnen. „Ihre Waffen, bitte!“
Die Hauptleute sahen sich an, dann zogen beide ihre Dienstpistolen aus dem Holster und überließen sie dem Wachmann. Nach einer kurzen Inspektion des Kofferraumes durften sie passieren. Das Stahltor hinter ihnen schloss sich fast geräuschlos.
Der Anblick, der sich ihnen bot, war beeindruckend: Wenige Meter vor ihnen erhob sich ein runder Springbrunnen, dessen Fontäne in Intervallen mehrere Meter in die Höhe schoss. Dahinter begrenzten kunstvoll gestutzte Hecken einen sauber gepflasterten Weg, an dessen Ende sich das Haupthaus befand. Die Vorderfront wurde von einem riesigen Portal und zwei symmetrisch angeordneten Terrassen dominiert. Ein weißer Palast – so musste man die etwa achtzig Meter breite Villa wohl nennen – erhob sich drei Stockwerke hoch.
Die Polizisten konnten ihr Erstaunen nur schwer verbergen, in all ihren Lebensjahren hatten sie ein solches Anwesen noch nicht gesehen. Pjotr Denissow ließ das Auto neben der rechten Veranda ausrollen. Sie stiegen aus. Dann erklommen sie die Stufen zum Portal. Die meisterhaft verzierte Holztür, die nun geöffnet wurde, erwies sich von innen aus massivem Stahl gefertigt. Ein Zwillingsbruder des Torwächters nahm die Beamten in Empfang und führte sie durch die mit Marmor verkleidete Halle in einen weiteren großen Raum, an dessen Ende eine weiße Couch- und Sessellandschaft loungeartig angeordnet war. Bemüht, keine der zahlreichen Vasen oder Skulpturen zu berühren, die ringsum wie Beutestücke drapiert waren, durchquerten die Polizisten das Zimmer.
„Ich glaub, ich bin im falschen Film“, ließ sich Pjotr leise vernehmen. „Ist ja abgefahren, das alles hier.“ Sein Blick streifte über die Kunstwerke. „Aber er hätte sich ruhig eine heile Skulptur leisten können“, frotzelte der Polizist, als er neben einer weiß-gelblich schimmernden Statue stehen blieb, deren linker Arm fehlte.
Ehe Michail Sokolow antworten konnte, raschelte seitlich etwas. Eine junge Frau in einem alabasterfarbenen seidenen Hausmantel kam langsam auf sie zu. Mischa fielen als erstes die schwarzen-blauen Augen mit den seltsam kleinen Pupillen auf. Die Frau trug das blonde, feuchte Haar offen, durch den Schlitz des leicht geöffneten Mantels hindurch ahnte „Der Falke“, dass dessen Trägerin darunter nackt war.
Mit abwesendem Blick betrachtete die Frau die Polizisten und verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Hallo“, sagte sie dann. Sie wies auf die schlanke Skulptur. „Das ist Statuario - Marmor. Teuer, sagt Viktor. Ihr seid von der Polizei?“, wechselte sie unvermittelt das Thema. Ihrer fragenden Stimme nach schien sie dies kaum glauben zu können. „Ich bin Annuschka.“ Langsam schaute sie einem nach dem anderen ins Gesicht, dann hob sie die Arme leicht in die Höhe und streckte die Hände aus. „Wollt Ihr mich verhaften?“ Ihr Blick lief irgendwo ins Unendliche und schien dort zu verweilen.
„Warum sollten wir?“, fragte Sokolow erstaunt.
„Wer weiß? Vielleicht bin ich ein böses Mädchen?“ Sie kicherte, bis laut die Tür geöffnet wurde und ein mittelgroßer Mann in schwarzem Maßanzug eintrat.
„Anna!“, rief er und trat zu der Schönheit mit dem bleichen Gesicht. Er schüttelte sie. Hinter dem Mann hatte ein kräftiger Glatzkopf den Raum betreten. „Rustam, nimm Anna mit nach oben!“, befahl der Anzugträger dem Kahlgeschorenen. Dann wandte er sich an die Polizisten und meinte entschuldigend: „Es tut mir Leid, meine Herren, Anna ist im Moment etwas neben sich. Die viele Arbeit, der Stress, die Partys ... Wenn Sie verstehen?“ Der Mann streckte die rechte Hand vor und wies auf die Ledersessel. „Bitte nehmen Sie Platz. Ach, ich vergaß, mich vorzustellen. Viktor Rjabow. Aber das haben Sie sich bestimmt gedacht.“ Er setzte sich.
„Der Falke“ begann das Gespräch. „Vielen Dank für den raschen Empfang. Ich bin sicher, wir können das Problem schnell lösen.“
Rjabow nickte. „Ja, ich stehe der Staatsmacht zu Diensten, wenn ich helfen kann.“ Er schien sich über seine Worte selber zu amüsieren, denn ein leises Lächeln überzog sein scharf geschnittenes Gesicht.
„In welcher Beziehung standen Sie zu Swetlana Popowa?“
„Sie ist, sie war eines der Models, die gelegentlich für Anna arbeiten. Anna Poljakowa, Sie haben sie eben kennen gelernt. Annuschka ist eine gefragte Modedesignerin.“ Rjabow lehnte sich zurück und musterte die beiden Polizisten.
Hauptmann Denissow schaute dem Hausherrn ins Gesicht, als er fragte: „Wie standen Sie zur Popowa? Wie gut kannten Sie sie?“
Rjabow verzog das Gesicht zu einem süffisanten Grinsen. „Sie haben es doch schon herausgefunden. Ich hatte mal was mit ihr. Das ist allerdings schon einige Zeit her!“ Er griff zu einer auf dem Marmortisch stehenden Karaffe, zog sich ein Glas heran und hob fragend die Brauen. Die Ermittler lehnten ab, während der Gastgeber sich einen großen Whisky genehmigte.
„Was sagt Ihre Lebensgefährtin Anna Poljakowa dazu? Sie ist doch Ihre Lebensgefährtin?“, schaltete Michail sich wieder in das Gespräch ein.
Der Geschäftsmann winkte ab. „Frauen“, meinte er nur. „Sie kriegt sich immer wieder ein. Sie weiß, was sie an mir hat.“ Er wies mit der Hand auf die Einrichtung. „Ich biete ihr Luxus, ich finanziere ihre Entwürfe. Gewiss“, er machte eine Kunstpause, „Sie ist selber inzwischen auch erfolgreich. Aber einen solchen Lebensstil könnte sie sich nicht leisten.“ Viktor Rjabow sah auf die Uhr. „Fragen Sie, was Sie noch fragen wollen. Aber schnell, meine Zeit ist kostbar.“
„Wann haben Sie Swetlana Popowa zuletzt gesehen oder von ihr gehört?“ Hauptmann Denissow hatte einen Notizblock hervorgezogen und notierte Rjabows Antworten.
„Vor ein paar Tagen war sie hier. Mittwoch, denke ich. Es ging um ein paar Änderungen an Entwürfen. Unwichtig. Ich selber habe sie nicht gesehen. Ich sagte, ja, es war eine kurze Beziehung.“ Er grinste.
„Wer könnte ein Motiv haben, die Popowa zu ermorden?“
„Keine Ahnung. Sie war mal mit so ´nem Jüngelchen zusammen, nervig eifersüchtig. Fragen Sie in der Agentur. Die kannten Sie besser.“ Er zog sein Smartphon aus der Tasche und scrollte darauf herum. Dann diktierte er Denissow eine Telefonnummer. „So, meine Herren. Wenn Sie das nächste Mal herkommen wollen, bringen Sie bitte einen Durchsuchungsbefehl mit. Ich habe meine Pflicht als Staatsbürger mehr als erfüllt.“ Die Männer erhoben sich.
Eine Tür wurde geöffnet und der Glatzkopf, der auf den Namen Rustam hörte, begleitete die Ermittler durch die riesige Marmorhalle zurück zum Eingangsportal. Eine gute Gelegenheit, dem Bodyguard auf den Zahn zu fühlen, entschied Mischa Sokolow in Gedanken.

„Hast du den Tennisplatz hinter dem Haus gesehen?“, fragte Pjotr seinen Kollegen, als sie ihre Waffen verstaut hatten und im Wagen saßen.
„Der Falke“ nickte. „Und auch den Hubschrauberlandeplatz. Und den Fuhrpark mit mehreren Oberklasse-Fahrzeugen. Das Grundstück allein muss einige Millionen Wert sein, mein Lieber.“ Sokolow starrte durch die staubige Seitenscheibe.
„Mittwoch war die Popowa hier. Der Leibwächter, Rustam Sadikow, gibt an, sie habe das Gelände um drei Uhr nachmittags verlassen, nachdem sie sich mit Anna Poljakowa über ein paar Details der neuen Kollektion verständigt hatte“, referierte Denissow das Gehörte. „Laut Dr. Polian ist die Popowa am Mittwoch Abend gestorben. Wir müssen also herausfinden, ob sie nach drei noch jemand gesehen hat und wo.“ Nach eine kurzen Pause meinte er: „Und was hältst du von der Poljakowa? Ganz schön eigenartig, oder?“
Michail Sokolow nickte. „Das Gefühl habe ich auch. Sie dürfte unter Drogen stehen.“ Er winkte ab und fuhr dann fort: “Du fährst nachher zur Agentur und hörst dich um. Versuch auch etwas über diesen Freund heraus zu finden. Ich werde mit Koroljow die Wohnung der Toten durchsuchen und dann bei Polian und der Kriminaltechnik nach ersten Ergebnissen fragen.“


Hinweis: Es handelt sich bei dem eingestellten Text um die ersten 2 Kapitel. Geplant sind etwa 8 Kapitel.
Für Rückmeldungen bin ich jederzeit dankbar.
 

jon

Mitglied
Hauptleute ist die Mehrzahl von Hauptmann.
Danke, wieder was dazu gelernt.

Sokolow, Mischa, Falke etc. sollen sich möglichst abwechseln.
War auch mein Credo, bis mir zum wiederholten Mal gesagt wurde, dass dieses Namensvielfalt nicht sehr lesefreundlich wäre. Ich hatte (jetzt mal in Bezug auf "der Falke") dabei auch nach Anlass sortiert („privat“ und „Innenblicke" mit Vornamen; "dienstlich" Nachname) - das wurde so nicht verstanden. Aber das nur als Hinweis.

Möglicherweise ist dir entgangen, daß Sokolow namentlich bereits vorher erwähnt wird.
Öhöm … Hast recht.
Dass es nur zwei sind, wird für meinen Geschmack aber doch etwas zu spät deutlich.
Manches "nachzuliefern" ist eine extrem riskante Taktik. Beim Whisky auf dem Tisch mag das noch gehen, das ist nur Staffage, aber beim Hauptgeschehen (und Hauptelementen der Kulisse) erzeugt es schnell "Lücken im Film". (Lesen ist wie Kino im Kopf.) Du schreibst sehr optisch, sehr filmisch/szenisch, fast ohne „Innenkamera" und Gedankenwiedergabe; damit versetzt du Leser ganz extrem in die Position eines Kino-Guckers. (Bei viel Innenwiedergabe wird der Leser zum Gedankenleser oder gar "Mitspieler".) Bei einem Film sieht man aber auf einen Blick, was zu sehen ist. Was man nicht sieht, wird als "nicht da" empfunden. Wenn du also Personen oder Gegenstände nicht in der Phase erwähnst, in der sich der Leser die Szene (Set, anwesende Figuren) „zusammen-liest", dann wirkt die plötzliche Erwähnung von etwas wie ein „geisterhaftes Erscheinen". Bei Nebensächlichem oder Kleinigkeiten wirkt das sicher leicht so, als habe man es vorher nur übersehen und richte nun den Fokus darauf, aber wenn Menschen (Hauptfiguren zudem!) einfach so erscheinen, kann das schon sehr verstörend wirken.


Eine Auswerterin ist eine Polizistin im Innendienst, die die Ermittlungen gewissermaßen koordiniert, die Ergebnisse der Untersuchungen abgleicht, Analysen erstellt etc. Ich weiß nicht, ob das in der Realität so ist. Ich hab das allerdings den Büchern der russischen Krimi-Autorin Alexandra Marinina entnommen, die zuvor Major der Kriminalmiliz war.
Jetzt bin ich ganz verwirrt: Wenn sie die Ermittlungen koordiniert, was man dann die Untersuchungsführerin?
Es ist schwierig, solche Begriffe einfach zu übernehmen. Es mag sein, dass sie in der Wirklichkeit auch so lauten, aber das deutsche Krimi-Publikum ist damit wohl zu wenig vertraut, um die Funktionen anhand der Worte zu verstehen. Bei der Untersuchungsführerin (ich vermute, das würde bei uns die die zuständige Staatsanwältin sein) ist es grade so die Grenze (ihre Reaktion lässt ein paar Rückschlüsse zu). In dem anderen Fall würde ich erst zeigen/sagen, was sie macht, und dann das Wort nachliefern. Im Prinzip hast du sowas gemacht (Kaffee/Tee und Kopien), aber das sah für mich eher nach „Sekretärin" / "Assistentin" aus, nicht nach einer doch maßgeblich an den Ermittlungen beteiligten Person.

Was den Blick rundum angeht: Der Leibwächter könnte die beiden eben nicht "zurück durch die marmohalle zum Eingangsportal" führen, sondern durch einen Dienstboteneingang hinten (hätte auch was Symbolisches). Und die Polizisten hätten auch etwas mehr Zeit, den Leibwächter zu befragen.
Die Idee mit dem
Eine gute Gelegenheit, dem Bodyguard auf den Zahn zu fühlen, entschied Mischa Sokolow in Gedanken.
ist nicht schlecht, hat aber einen Haken: Du schreibst sehr optisch, solche Gedankenwiedergaben wirken ein wenig wie Fremdkörper. Und: Dass er der denkt, ZEIGT noch nicht, dass sie es auch tun. Was hälst du von etwas wie Eine Tür wurde geöffnet und der Glatzkopf, der auf den Namen Rustam hörte, führt die beiden zu einem Hinterausgang des Marmorsaales. Denissow klappte im Gehen sein Notizbuch auf. „Wie gut kannten Sie die Toten eigentlich?“ als Absatzende?
 

Billyboy

Mitglied
Hallo Jon,

Kompliment zum Kapitelabschluss!

Die ERmittlungen werden in Russland personell wohl etwas anders geführt als bei uns. Es gibt nach meinem Dafürhalten eine strenge Abgrenzung zwischen Staatsanwaltschaft (Untersuchungsführer) und Polizei. Diese darf z.B. ohne Einwilligung des U. keinen Verdächtigen zu einem Verhör einbestellen. Befragungen im Rahmen von Ermittlungen hingegen sind nötig und natürlich erlaubt.
Somit hat in meinen Augen die Auswerterin eher organisatorische Aufgaben innerhalb der Ermittlungen (wie oben angedeutet. Man sieht das z.B. auch ganz gut bei den Kölner Tatorten (da ist diese junge Frau im Innendienst). IN Russland gibt es aber bei der Polizei i.d.R. keine Zivilisten. Bis zu einer Polizeireform 2011 oder Anfang 2012(?) waren z.B. auch Kriminalisten "Milizionäre" mit Armeedienstgraden. Da die Geschichten irgendwo in den 2000er spielt, belasse ich das dabei. Deshalb ist die Auswerterin Oberleutnant.
Es handelt sich um Kurzgeschichten. Da kann ich leider nicht alles haarklein erklären und setze auf ein gewisses Verständnis, welches sich beim Lesen des Textes einstellt.
 

Billyboy

Mitglied
MICHAIL SOKOLOW – MÖRDERISCHE GEFAHR
FOLGE 03 – ALTE FEINDE (AT)
VON MITRI SUCHOI
(Bearbeitung: Thorsten Wirth)

Prolog

Der Mann legte den Telefonhörer auf die Gabel und schloss die Augen. Trotz der geschlossenen Fenster hörte er den starken Verkehr, dessen unentwegtes Brummen scheinbar ruhelos von morgens bis abends herauf bis an seine Fenster im vierten Stock brandete.
Der Anruf hatte ihn verstimmt. Warum konnte sich dieser vertrottelte Alte nicht an die Absprachen halten, die sie zu ihrer eigenen Sicherheit getroffen hatten? Warum rief der hier an? Nicht genug, dass auch er sich dadurch gezwungen sah, zu handeln.
Der Mann öffnete die Augen wieder. Er wusste, was zu tun war und zog ein nicht registriertes Mobiltelefon aus der Tasche. Er drückte auf eine Nummer des Kurzwahlspeichers und lauschte dem Rufton. Als sich am anderen Ende jemand meldete, sagte der Mann nur: „Adler? Heute Abend um acht in der Bar!“ Sofort legte er auf. Auf den „Adler“ war Verlass, das wusste er.
Sein Blick glitt durch das Fenster hinaus über den vielbefahrenen Platz. Gegenüber lag das Gebäude des Sportklubs „Dynamo“, in dessen Fenster sich die Mittagssonne spiegelte. Vielleicht sollte ich wieder mal zu einem Spiel gehen, überlegte er. Das letzte Spiel hatte er gesehen, als sie mit Beskow den russischen Pokal geholt hatten. Irgendwo musste noch die Gedenkmünze sein, die nach dem Tod des alten Mannes ausgegeben worden war. Ein sentimentales Lächeln legte sich auf sein ansonsten hartes Gesicht.
Entschlossen erhob er sich aus seinem Sessel und schloss die Schublade ab. Dann verließ er sein Büro, ohne der Sekretärin Bescheid zu geben, wo er zu erreichen war.

1. Kapitel

Die Leiche war übel zugerichtet und lag bereits ein paar Tage im Wald. Der kleine Mann im weißen Schutzanzug verstaute seine Utensilien in der Arzttasche und drehte sich zu Michail Sokolow um, der schweigend auf das sah, was von der Frau übrig geblieben war. „Der Leichnam weist zu viele Verletzungen auf, um schon jetzt eine mögliche Todesursache zu benennen“, erklärte Dr. Taras „Bulba“ Polian schließlich und strich sich über die Glatze. „Zahlreiche Schnitte und Wunden sind am ganzen Körper zu finden. Lediglich das Gesicht ist weitgehend verschont.“
„Schon was zum Todeszeitpunkt, Bulba?“, hakte der Hauptmann nach.
Der Kosake wiegte den kahlen Schädel hin und her. „Ich vermute, der Tod dürfte so vor etwa zwei oder drei Tagen eingetreten sein. Abgelegt wurde sie hier sicher erst später. Mehr nach der Untersuchung.“ Der Mediziner, in Anbetracht der wirklich übel zugerichteten Frauenleiche einsilbiger als sonst, wandte sich ab und verließ die kleine Lichtung in Richtung seines Autos.
Hauptmann Sokolow trat einen Schritt zur Seite, um die Männer mit der Trage vorbei zu lassen. Schweigsam verfolgte er, wie das, was bis vor wenigen Tagen eine wunderschöne, junge Frau gewesen war, in den Sarg gehoben wurde.
„Die Tote kommt mir irgendwie bekannt vor“, raunte ihm sein Kollege Wladimir Koroljow zu. Der fünfundzwanzigjährige Ermittler im Rang eines Leutnants stellte sich neben seinen Vorgesetzten und betrachtete nachdenklich den Abtransport der Leiche.
„Die Birkenwälder rund um Moskau kommen mir immer mehr vor wie ein Friedhof“, sinnierte Michail Sokolow und wandte sich dem Leutnant zu*. „Veranlasse alles Nötige, insbesondere die Befragungen in der Umgebung, an den Ausfallstrassen und so weiter. Wir sehen uns nachher in der Petrowka.“ Er stapfte durch das Gras zum blauen Moskwitsch der Abteilung und öffnete den quietschenden Schlag.

Etwa vier Stunden später saß das Kollektiv der Abteilung für schwere Gewaltkriminalität im Konferenzraum beisammen. Wera Belajewa hatte für Tee und Kaffee gesorgt und einen Papierstapel vor sich abgelegt. Die Auswerterin im Rang eines Oberleutnants, das „Gedächtnis“ der Abteilung, schaute in die kleine Runde. Neben Mischa Sokolow, genannt „Der Falke“, waren Leutnant Wladimir Koroljow und Hauptmann Pjotr Denissow anwesend.
Wera verteilte die Kopien der ersten Untersuchungsergebnisse. Sie schenkte die Getränke ein, als die Tür ohne Klopfen geöffnet wurde und eine massige Gestalt mit knappem Gruß eintrat. Der „Alte“, wie der Abteilungsleiter Oberst Boris Kusnezow in seiner Abwesenheit tituliert wurde, nahm am Stirnende des Tisches Platz und schaute in die Runde.
„Ich habe die zuständige Untersuchungsführerin, die verehrte Tatjana Antonowna, hergebeten.“ Er starrte demonstrativ auf seine klobige Wostock-Armbanduhr und anschließend zur Tür. Wie auf Befehl wurde diese geöffnet und Tatjana Schirajewa, bekleidet mit einem schicken roten Kostüm, trat lächelnd ein.
„Da wir nun vollzählig sind, Genossen, können wir beginnen: Das weibliche Opfer, welches wir bei Lipki gefunden haben, konnte identifiziert werden. Es handelt sich um das anscheinend bekannte Model Swetlana Popowa, 23 Jahre alt. Wegen einer Jugendstrafe waren ihre Fingerabdrücke in der Kartei.“
„Wusst´ ich’s doch!“, zischte Koroljow. „Sie kam mir gleich bekannt vor.“
„Setzen Sie uns über das Mädchen ins Bild“, forderte Kusnezow den jungen Ermittler auf. „Wir sind mit diesen Modedingen nicht so vertraut.“ Wie selbstverständlich bezog er alle anderen Anwesenden in diese Behauptung ein.
Wolodja Koroljow lehnte sich etwas zurück und referierte: „Die Popowa ist seit etwa drei Jahren ein Star im Model-Geschäft. Sie begann mit dem Modeln für ein paar Nachwuchsdesigner. Danach kamen wohl rasch Engegements für Chakurin und Salzew. Sie ist oft auf den Covern von Vogue, Po Svetu, Elle und so weiter. Und ein gern gesehener Gast auf allen Schicki-Micki-Partys der Stadt natürlich. Größere Skandale gab es allerdings nicht.“
Tatjana Schirajewa musterte den jungen Mann erstaunt. „Sie kennen sich ja gut aus in der Moskauer Modewelt.“
Der Leutnant errötete und murmelte etwas von wegen Schwester und Fernsehen.
Die Untersuchungsführerin schaute die übrigen Anwesenden der Reihe nach an und begann: „Kollege Koroljow hat Recht. Das dürfte in etwa das Wichtigste sein, was zur Popowa zu sagen wäre. Mit einer Ausnahme ...“ Sie schaute erneut in die Runde. Dann ergänzte sie: „Es heißt, sie habe ein Verhältnis mit Viktor Rjabow.“
Sokolow erfasste als erster die Tragweite. Koroljow brauchte länger: „Mit DEM Rjabow?", fragt er nach. „Dem sogenannten businessmen, Mafia-Paten und rechte Hand von „Onkel Tjoma“, dem Moskauer Oligarchen?“
Pjotr Denissow atmete hörbar aus, die Belajewa rückte ihren Spitzenkragen zurecht und Obert Kusnezow starrte in die Runde.
„Genossen, das wird eine schwierige Ermittlung. Einerseits habe ich nichts dagegen, diesen Halunken für einige Jahre ins Gefängnis zu stecken, wenn er für diese Sache verantwortlich ist. Andererseits hat er ein paar sehr gute Freunde, von denen wir nur ahnen können, wie weit ihr Einfluss reicht. Schon Ermittlungen in die Richtung von Rjabow könnten sich als fast unmöglich herausstellen. Wir müssen hier sehr sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl vorgehen, bis wir handfeste Beweise gegen ihn oder seine Handlanger haben. Wir ermitteln natürlich in alle Richtungen und befragen Rjabow zunächst als Zeugen! Alles klar?“ Die Anwesenden nickten. Er gab Hauptmann Sokolow zu verstehen, dass dieser übernehmen sollte.
Der „Alte“ erhob sich, drückte der Schirajewa die Hand und verschwand wortlos durch die Tür. Sie besprachen das weitere Vorgehen. Zunächst sollte Rjabow formlos befragt werden. Anschließend würden sie die Wohnung der Toten in Augenschein nehmen. Die Untersuchungsführerin, bereits im Gehen begriffen, drehte sich noch einmal um. Sie meinte ruhig: „Die Staatsanwaltschaft steht hinter Ihnen, soweit ich das überblicken kann. Ich werde versuchen, Ihnen den Rücken frei zu halten, soweit möglich. Aber bitte alles streng nach Vorschrift, keine Verhöre ohne mich. Sonst dreht uns ein gerissener Anwalt noch einen Strick daraus, ehe wir uns versehen.“ Sie lächelte den Polizisten aufmunternd zu. Eine lange Sekunde spürte Mischa ihren Blick auf sich gerichtet und hoffte, dass Tanja heute Abend Zeit haben würde, vorbei zu kommen. Soweit er wusste, befand sich ihr Mann gerade in Wladiwostock und wurde nicht vor Ende der Woche zurück erwartet. Schweigend stand er noch am Tisch, als die anderen den Konferenzraum bereits verlassen hatten.

2. Kapitel

Das Anwesen lag abseits der Straße und war durch eine hohe Mauer vor Blicken und Eindringlingen geschützt. Bei Ussowo an der Rubljowka ließ sich nieder, wer über genügend Geld und Einfluss verfügte, sich hier ansiedeln zu können. Für die gut ausgebaute und gesicherte Ausfallstraße hatten sie gut eine halbe Stunde benötigt. Pjotr Denissow steuerte den blauen Moskwitsch auf eine durch ein schweres Stahltor versperrte Einfahrt zu. Die Polizisten nahmen die Kameras war, die offenbar per Funksteuerung in Richtung ihres Autos schwenkten. Das Grundstück Viktor Rjabows lag am Ende einer Stichstraße und wurde auf der anderen Seite – für den Betrachter nicht sichtbar - durch das Ufer der Moskwa begrenzt.
Aus einem massiven Pförtnerhaus trat ein schwer bewaffneter Hühne mit Schutzweste.
„Kriminalpolizei. Wir haben einen Termin mit Ihrem Chef“, ließ sich Michail Sokolow vernehmen.
Der Wachmann trat näher an das klapprige Gefährt, warf einen abschätzigen Blick in das Wageninnere und bedeutete den Ermittlern, auszusteigen. Neben den stattlichen Beamten wirkte er wie der stolze Recke Nikanor neben zwei Bauernsöhnen. „Ihre Waffen, bitte!“
Die Hauptleute sahen sich an, dann zogen beide ihre Dienstpistolen aus dem Holster und überließen sie dem Wachmann. Nach einer kurzen Inspektion des Kofferraumes durften sie passieren. Das Stahltor hinter ihnen schloss sich fast geräuschlos.
Der Anblick, der sich ihnen bot, war beeindruckend: Wenige Meter vor ihnen erhob sich ein runder Springbrunnen, dessen Fontäne in Intervallen mehrere Meter in die Höhe schoss. Dahinter begrenzten kunstvoll gestutzte Hecken einen sauber gepflasterten Weg, an dessen Ende sich das Haupthaus befand. Die Vorderfront wurde von einem riesigen Portal und zwei symmetrisch angeordneten Terrassen dominiert. Ein weißer Palast – so musste man die etwa achtzig Meter breite Villa wohl nennen – erhob sich drei Stockwerke hoch.
Die Polizisten konnten ihr Erstaunen nur schwer verbergen, in all ihren Lebensjahren hatten sie ein solches Anwesen noch nicht gesehen. Pjotr Denissow ließ das Auto neben der rechten Veranda ausrollen. Sie stiegen aus. Dann erklommen sie die Stufen zum Portal. Die meisterhaft verzierte Holztür, die nun geöffnet wurde, erwies sich von innen aus massivem Stahl gefertigt. Ein Zwillingsbruder des Torwächters nahm die Beamten in Empfang und führte sie durch die mit Marmor verkleidete Halle in einen weiteren großen Raum, an dessen Ende eine weiße Couch- und Sessellandschaft loungeartig angeordnet war. Bemüht, keine der zahlreichen Vasen oder Skulpturen zu berühren, die ringsum wie Beutestücke drapiert waren, durchquerten die Polizisten das Zimmer.
„Ich glaub, ich bin im falschen Film“, ließ sich Pjotr leise vernehmen. „Ist ja abgefahren, das alles hier.“ Sein Blick streifte über die Kunstwerke. „Aber er hätte sich ruhig eine heile Skulptur leisten können“, frotzelte der Polizist, als er neben einer weiß-gelblich schimmernden Statue stehen blieb, deren linker Arm fehlte.
Ehe Michail Sokolow antworten konnte, raschelte seitlich etwas. Eine junge Frau in einem alabasterfarbenen seidenen Hausmantel kam langsam auf sie zu. Mischa fielen als erstes die schwarzen-blauen Augen mit den seltsam kleinen Pupillen auf. Die Frau trug das blonde, feuchte Haar offen, durch den Schlitz des leicht geöffneten Mantels hindurch ahnte „Der Falke“, dass dessen Trägerin darunter nackt war.
Mit abwesendem Blick betrachtete die Frau die Polizisten und verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Hallo“, sagte sie dann. Sie wies auf die schlanke Skulptur. „Das ist Statuario - Marmor. Teuer, sagt Viktor. Ihr seid von der Polizei?“, wechselte sie unvermittelt das Thema. Ihrer fragenden Stimme nach schien sie dies kaum glauben zu können. „Ich bin Annuschka.“ Langsam schaute sie einem nach dem anderen ins Gesicht, dann hob sie die Arme leicht in die Höhe und streckte die Hände aus. „Wollt Ihr mich verhaften?“ Ihr Blick lief irgendwo ins Unendliche und schien dort zu verweilen.
„Warum sollten wir?“, fragte Sokolow erstaunt.
„Wer weiß? Vielleicht bin ich ein böses Mädchen?“ Sie kicherte, bis laut die Tür geöffnet wurde und ein mittelgroßer Mann in schwarzem Maßanzug eintrat.
„Anna!“, rief er und trat zu der Schönheit mit dem bleichen Gesicht. Er schüttelte sie. Hinter dem Mann hatte ein kräftiger Glatzkopf den Raum betreten. „Rustam, nimm Anna mit nach oben!“, befahl der Anzugträger dem Kahlgeschorenen. Dann wandte er sich an die Polizisten und meinte entschuldigend: „Es tut mir Leid, meine Herren, Anna ist im Moment etwas neben sich. Die viele Arbeit, der Stress, die Partys ... Wenn Sie verstehen?“ Der Mann streckte die rechte Hand vor und wies auf die Ledersessel. „Bitte nehmen Sie Platz. Ach, ich vergaß, mich vorzustellen. Viktor Rjabow. Aber das haben Sie sich bestimmt gedacht.“ Er setzte sich.
„Der Falke“ begann das Gespräch. „Vielen Dank für den raschen Empfang. Ich bin sicher, wir können das Problem schnell lösen.“
Rjabow nickte. „Ja, ich stehe der Staatsmacht zu Diensten, wenn ich helfen kann.“ Er schien sich über seine Worte selber zu amüsieren, denn ein leises Lächeln überzog sein scharf geschnittenes Gesicht.
„In welcher Beziehung standen Sie zu Swetlana Popowa?“
„Sie ist, sie war eines der Models, die gelegentlich für Anna arbeiten. Anna Poljakowa, Sie haben sie eben kennen gelernt. Annuschka ist eine gefragte Modedesignerin.“ Rjabow lehnte sich zurück und musterte die beiden Polizisten.
Hauptmann Denissow schaute dem Hausherrn ins Gesicht, als er fragte: „Wie standen Sie zur Popowa? Wie gut kannten Sie sie?“
Rjabow verzog das Gesicht zu einem süffisanten Grinsen. „Sie haben es doch schon herausgefunden. Ich hatte mal was mit ihr. Das ist allerdings schon einige Zeit her!“ Er griff zu einer auf dem Marmortisch stehenden Karaffe, zog sich ein Glas heran und hob fragend die Brauen. Die Ermittler lehnten ab, während der Gastgeber sich einen großen Whisky genehmigte.
„Was sagt Ihre Lebensgefährtin Anna Poljakowa dazu? Sie ist doch Ihre Lebensgefährtin?“, schaltete Michail sich wieder in das Gespräch ein.
Der Geschäftsmann winkte ab. „Frauen“, meinte er nur. „Sie kriegt sich immer wieder ein. Sie weiß, was sie an mir hat.“ Er wies mit der Hand auf die Einrichtung. „Ich biete ihr Luxus, ich finanziere ihre Entwürfe. Gewiss“, er machte eine Kunstpause, „Sie ist selber inzwischen auch erfolgreich. Aber einen solchen Lebensstil könnte sie sich nicht leisten.“ Viktor Rjabow sah auf die Uhr. „Fragen Sie, was Sie noch fragen wollen. Aber schnell, meine Zeit ist kostbar.“
„Wann haben Sie Swetlana Popowa zuletzt gesehen oder von ihr gehört?“ Hauptmann Denissow hatte einen Notizblock hervorgezogen und notierte Rjabows Antworten.
„Vor ein paar Tagen war sie hier. Mittwoch, denke ich. Es ging um ein paar Änderungen an Entwürfen. Unwichtig. Ich selber habe sie nicht gesehen. Ich sagte, ja, es war eine kurze Beziehung.“ Er grinste.
„Wer könnte ein Motiv haben, die Popowa zu ermorden?“
„Keine Ahnung. Sie war mal mit so ´nem Jüngelchen zusammen, nervig eifersüchtig. Fragen Sie in der Agentur. Die kannten Sie besser.“ Er zog sein Smartphon aus der Tasche und scrollte darauf herum. Dann diktierte er Denissow eine Telefonnummer. „So, meine Herren. Wenn Sie das nächste Mal herkommen wollen, bringen Sie bitte einen Durchsuchungsbefehl mit. Ich habe meine Pflicht als Staatsbürger mehr als erfüllt.“ Die Männer erhoben sich.
Eine Tür wurde geöffnet und der Glatzkopf, der auf den Namen Rustam hörte, führte die beiden zu einem Hinterausgang des Marmorsaales. Denissow klappte im Gehen sein Notizbuch auf. „Wie gut kannten Sie die Tote eigentlich?“

„Hast du den Tennisplatz hinter dem Haus gesehen?“, fragte Pjotr seinen Kollegen, als sie ihre Waffen verstaut hatten und im Wagen saßen.
„Der Falke“ nickte. „Und auch den Hubschrauberlandeplatz. Und den Fuhrpark mit mehreren Oberklasse-Fahrzeugen. Das Grundstück allein muss einige Millionen Wert sein, mein Lieber.“ Sokolow starrte durch die staubige Seitenscheibe.
„Mittwoch war die Popowa hier. Der Leibwächter, Rustam Sadikow, gibt an, sie habe das Gelände um drei Uhr nachmittags verlassen, nachdem sie sich mit Anna Poljakowa über ein paar Details der neuen Kollektion verständigt hatte“, referierte Denissow das Gehörte. „Laut Dr. Polian ist die Popowa am Mittwoch Abend gestorben. Wir müssen also herausfinden, ob sie nach drei noch jemand gesehen hat und wo.“ Nach eine kurzen Pause meinte er: „Und was hältst du von der Poljakowa? Ganz schön eigenartig, oder?“
Michail Sokolow nickte. „Das Gefühl habe ich auch. Sie dürfte unter Drogen stehen.“ Er winkte ab und fuhr dann fort: “Du fährst nachher zur Agentur und hörst dich um. Versuch auch etwas über diesen Freund heraus zu finden. Ich werde mit Koroljow die Wohnung der Toten durchsuchen und dann bei Polian und der Kriminaltechnik nach ersten Ergebnissen fragen.“


Hinweis: Es handelt sich bei dem eingestellten Text um die ersten 2 Kapitel. Geplant sind etwa 8 Kapitel.
Für Rückmeldungen bin ich jederzeit dankbar.
 

Billyboy

Mitglied
MICHAIL SOKOLOW – MÖRDERISCHE GEFAHR
FOLGE 03 – ALTE FEINDE (AT)
VON MITRI SUCHOJ
(Bearbeitung: Thorsten Wirth)

Prolog

Der Mann legte den Telefonhörer auf die Gabel und schloss die Augen. Trotz der geschlossenen Fenster hörte er den starken Verkehr, dessen unentwegtes Brummen scheinbar ruhelos von morgens bis abends herauf bis an seine Fenster im vierten Stock brandete.
Der Anruf hatte ihn verstimmt. Warum konnte sich dieser vertrottelte Alte nicht an die Absprachen halten, die sie zu ihrer eigenen Sicherheit getroffen hatten? Warum rief der hier an? Nicht genug, dass auch er sich dadurch gezwungen sah, zu handeln.
Der Mann öffnete die Augen wieder. Er wusste, was zu tun war und zog ein nicht registriertes Mobiltelefon aus der Tasche. Er drückte auf eine Nummer des Kurzwahlspeichers und lauschte dem Rufton. Als sich am anderen Ende jemand meldete, sagte der Mann nur: „Adler? Heute Abend um acht in der Bar!“ Sofort legte er auf. Auf den „Adler“ war Verlass, das wusste er.
Sein Blick glitt durch das Fenster hinaus über den vielbefahrenen Platz. Gegenüber lag das Gebäude des Sportklubs „Dynamo“, in dessen Fenster sich die Mittagssonne spiegelte. Vielleicht sollte ich wieder mal zu einem Spiel gehen, überlegte er. Das letzte Spiel hatte er gesehen, als sie mit Beskow den russischen Pokal geholt hatten. Irgendwo musste noch die Gedenkmünze sein, die nach dem Tod des alten Mannes ausgegeben worden war. Ein sentimentales Lächeln legte sich auf sein ansonsten hartes Gesicht.
Entschlossen erhob er sich aus seinem Sessel und schloss die Schublade ab. Dann verließ er sein Büro, ohne der Sekretärin Bescheid zu geben, wo er zu erreichen war.

1. Kapitel

Die Leiche war übel zugerichtet und lag bereits ein paar Tage im Wald. Der kleine Mann im weißen Schutzanzug verstaute seine Utensilien in der Arzttasche und drehte sich zu Michail Sokolow um, der schweigend auf das sah, was von der Frau übrig geblieben war. „Der Leichnam weist zu viele Verletzungen auf, um schon jetzt eine mögliche Todesursache zu benennen“, erklärte Dr. Taras „Bulba“ Polian schließlich und strich sich über die Glatze. „Zahlreiche Schnitte und Wunden sind am ganzen Körper zu finden. Lediglich das Gesicht ist weitgehend verschont.“
„Schon was zum Todeszeitpunkt, Bulba?“, hakte der Hauptmann nach.
Der Kosake wiegte den kahlen Schädel hin und her. „Ich vermute, der Tod dürfte so vor etwa zwei oder drei Tagen eingetreten sein. Abgelegt wurde sie hier sicher erst später. Mehr nach der Untersuchung.“ Der Mediziner, in Anbetracht der wirklich übel zugerichteten Frauenleiche einsilbiger als sonst, wandte sich ab und verließ die kleine Lichtung in Richtung seines Autos.
Hauptmann Sokolow trat einen Schritt zur Seite, um die Männer mit der Trage vorbeizulassen. Schweigsam verfolgte er, wie das, was bis vor wenigen Tagen eine wunderschöne, junge Frau gewesen war, in den Sarg gehoben wurde.
„Die Tote kommt mir irgendwie bekannt vor“, raunte ihm sein Kollege Wladimir Koroljow zu. Der fünfundzwanzigjährige Ermittler im Rang eines Leutnants stellte sich neben seinen Vorgesetzten und betrachtete nachdenklich den Abtransport der Leiche.
„Die Birkenwälder rund um Moskau kommen mir immer mehr vor wie ein Friedhof“, sinnierte Michail Sokolow und wandte sich dem Leutnant zu *. „Veranlasse alles Nötige, insbesondere die Befragungen der Umgebung und an den Ausfallstrassen und so weiter. Wir sehen uns nachher in der Petrowka.“ Er stapfte durch das Gras zum blauen Moskwitsch der Abteilung und öffnete den quietschenden Schlag.

Etwa vier Stunden später saß das Kollektiv der Abteilung für schwere Gewaltkriminalität im Konferenzraum beisammen. Wera Belajewa hatte für Tee und Kaffee gesorgt und einen Papierstapel vor sich abgelegt. Die Auswerterin im Rang eines Oberleutnants, das „Gedächtnis“ der Abteilung, schaute in die kleine Runde. Neben Mischa Sokolow, genannt „Der Falke“, waren Leutnant Wladimir Koroljow und Hauptmann Pjotr Denissow anwesend.
Wera verteilte die Kopien der ersten Untersuchungsergebnisse. Sie schenkte die Getränke ein, als die Tür ohne Klopfen geöffnet wurde und eine massige Gestalt mit knappem Gruß eintrat. Der „Alte“, wie der Abteilungsleiter Oberst Boris Kusnezow in seiner Abwesenheit tituliert wurde, nahm am Stirnende des Tisches Platz und schaute in die Runde.
„Ich habe die zuständige Untersuchungsführerin, die verehrte Tatjana Antonowna, hergebeten.“ Er starrte demonstrativ auf seine klobige Wostock-Armbanduhr und anschließend zur Tür. Wie auf Befehl wurde diese geöffnet und Tatjana Schirajewa, bekleidet mit einem schicken roten Kostüm, trat lächelnd ein.
„Da wir nun vollzählig sind, Genossen, können wir beginnen: Das weibliche Opfer, welches wir bei Lipki gefunden haben, konnte identifiziert werden. Es handelt sich um das anscheinend bekannte Model Swetlana Popowa, 23 Jahre alt. Wegen einer Jugendstrafe waren ihre Fingerabdrücke in der Kartei.“
„Wusst´ ich’s doch!“, zischte Koroljow. „Sie kam mir gleich bekannt vor.“
„Setzen Sie uns über das Mädchen ins Bild“, forderte Kusnezow den jungen Ermittler auf. „Wir sind mit diesen Modedingen nicht so vertraut.“ Wie selbstverständlich bezog er alle anderen Anwesenden in diese Behauptung ein.
Wolodja Koroljow lehnte sich etwas zurück und referierte: „Die Popowa ist seit etwa drei Jahren ein Star im Model-Geschäft. Sie begann mit dem Modeln für ein paar Nachwuchsdesigner. Danach kamen wohl rasch Engegements für Chakurin und Salzew. Sie ist oft auf den Covern von Vogue, Po Svetu, Elle und so weiter. Und ein gern gesehener Gast auf allen Schicki-Micki-Partys der Stadt natürlich. Größere Skandale gab es allerdings nicht.“
Tatjana Schirajewa musterte den jungen Mann erstaunt. „Sie kennen sich ja gut aus in der Moskauer Modewelt.“
Der Leutnant errötete und murmelte etwas von wegen Schwester und Fernsehen.
Die Untersuchungsführerin schaute die übrigen Anwesenden der Reihe nach an und begann: „Kollege Koroljow hat Recht. Das dürfte in etwa das Wichtigste sein, was zur Popowa zu sagen wäre. Mit einer Ausnahme ...“ Sie schaute erneut in die Runde. Dann ergänzte sie: „Es heißt, sie habe ein Verhältnis mit Viktor Rjabow.“
Sokolow erfasste als erster die Tragweite. Koroljow brauchte länger: „mit DEM Rjabow?", fragt er nach. „Dem sogenannten businessmen, Mafia-Paten und rechte Hand von „Onkel Tjoma“, dem Moskauer Oligarchen?“
Pjotr Denissow atmete hörbar aus, die Belajewa rückte ihren Spitzenkragen zurecht und Oberst Kusnezow starrte in die Runde.
„Genossen, das wird eine schwierige Ermittlung. Einerseits habe ich nichts dagegen, diesen Halunken für einige Jahre ins Gefängnis zu stecken, wenn er für diese Sache verantwortlich ist. Andererseits hat er ein paar sehr gute Freunde, von denen wir nur ahnen können, wie weit ihr Einfluss reicht. Schon Ermittlungen in die Richtung von Rjabow könnten sich als fast unmöglich herausstellen. Wir müssen hier sehr sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl vorgehen, bis wir handfeste Beweise gegen ihn oder seine Handlanger haben. Wir ermitteln natürlich in alle Richtungen und befragen Rjabow zunächst als Zeugen! Alles klar?“ Die Anwesenden nickten. Er gab Hauptmann Sokolow zu verstehen, dass dieser übernehmen sollte.
Der „Alte“ erhob sich, drückte der Schirajewa die Hand und verschwand wortlos durch die Tür. Sie besprachen das weitere Vorgehen. Zunächst sollte Rjabow formlos befragt werden. Anschließend würde die Wohnung der Toten untersucht werden. Die Untersuchungsführerin, bereits im Gehen begriffen, drehte sich noch einmal um. Sie meinte ruhig: „Die Staatsanwaltschaft steht hinter Ihnen, soweit ich das überblicken kann. Ich werde versuchen, Ihnen den Rücken freizuhalten, soweit möglich. Aber bitte alles streng nach Vorschrift, keine Verhöre ohne mich. Sonst dreht uns ein gerissener Anwalt noch einen Strick daraus, ehe wir uns versehen.“ Sie lächelte den Polizisten aufmunternd zu. Eine lange Sekunde spürte Mischa ihren Blick auf sich gerichtet und hoffte, dass Tanja heute Abend Zeit haben würde, vorbeizukommen. Soweit er wusste, befand sich ihr Mann gerade in Wladiwostock und wurde nicht vor Ende der Woche zurückerwartet. Schweigend stand er noch am Tisch, als die anderen den Konferenzraum bereits verlassen hatten.

2. Kapitel

Das Anwesen lag abseits der Straße und war durch eine hohe Mauer vor Blicken und Eindringlingen geschützt. Bei Ussowo an der Rubljowka ließ sich nieder, wer über genügend Geld und Einfluss verfügte, sich hier ansiedeln zu können. Für die gut ausgebaute und gesicherte Ausfallstraße hatten sie gut eine halbe Stunde benötigt. Pjotr Denissow steuerte den blauen Moskwitsch auf eine durch ein schweres Stahltor versperrte Einfahrt zu. Die Polizisten nahmen die Kameras wahr, die offenbar per Funksteuerung in Richtung ihres Autos schwenkten. Das Grundstück Viktor Rjabows lag am Ende einer Stichstraße und wurde auf der anderen Seite – für den Betrachter nicht sichtbar - durch das Ufer der Moskwa begrenzt.
Aus einem massiven Pförtnerhaus trat ein schwer bewaffneter Hühne mit Schutzweste.
„Kriminalpolizei. Wir haben einen Termin mit Ihrem Chef“, ließ sich Michail Sokolow vernehmen.
Der Wachmann trat näher an das klapprige Gefährt, warf einen abschätzigen Blick in das Wageninnere und bedeutete den Ermittlern, auszusteigen. Neben den stattlichen Beamten wirkte er wie der stolze Recke Nikanor neben zwei Bauernsöhnen. „Ihre Waffen, bitte!“
Die Hauptleute sahen sich an, dann zogen beide ihre Dienstpistolen aus dem Holster und überließen sie dem Wachmann. Nach einer kurzen Inspektion des Kofferraumes durften sie passieren. Das Stahltor hinter ihnen schloss sich fast geräuschlos.
Der Anblick, der sich ihnen bot, war beeindruckend: Wenige Meter vor ihnen erhob sich ein runder Springbrunnen, dessen Fontäne in Intervallen mehrere Meter in die Höhe schoss. Dahinter begrenzten kunstvoll gestutzte Hecken einen sauber gepflasterten Weg, an dessen Ende sich das Haupthaus befand. Die Vorderfront wurde von einem riesigen Portal und zwei symmetrisch angeordneten Terrassen dominiert. Ein weißer Palast – so musste man die etwa achtzig Meter breite Villa wohl nennen – erhob sich drei Stockwerke hoch.
Die Polizisten konnten ihr Erstaunen nur schwer verbergen. In all ihren Lebensjahren hatten sie ein solches Anwesen noch nicht gesehen. Pjotr Denissow ließ das Auto neben der rechten Veranda ausrollen. Sie stiegen aus. Dann erklommen sie die Stufen zum Portal. Die meisterhaft verzierte Holztür, die nun geöffnet wurde, erwies sich von innen aus massivem Stahl gefertigt. Ein Zwillingsbruder des Torwächters nahm die Beamten in Empfang und führte sie durch die mit Marmor verkleidete Halle in einen weiteren großen Raum, an dessen Ende eine weiße Couch- und Sessellandschaft loungeartig angeordnet war. Bemüht, keine der zahlreichen Vasen oder Skulpturen zu berühren, die ringsum wie Beutestücke drapiert waren, durchquerten die Polizisten das Zimmer.
„Ich glaub, ich bin im falschen Film“, ließ sich Pjotr leise vernehmen. „Ist ja abgefahren, das alles hier.“ Sein Blick streifte über die Kunstwerke. „Aber er hätte sich ruhig eine heile Skulptur leisten können“, frotzelte der Polizist, als er neben einer weiß-gelblich schimmernden Statue stehen blieb, der ein Arm fehlte.
Ehe Michail Sokolow antworten konnte, raschelte seitlich etwas. Eine junge Frau in einem alabasterfarbenen seidenen Hausmantel kam langsam auf sie zu. Mischa fielen als erstes die schwarzen-blauen Augen mit den seltsam kleinen Pupillen auf. Die Frau trug das blonde, feuchte Haar offen, durch den Schlitz des leicht geöffneten Mantels hindurch ahnte „Der Falke“, dass dessen Trägerin darunter nackt war.
Mit abwesendem Blick betrachtete die Frau die Polizisten und verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Hallo“, sagte sie dann. „Das ist Statuario - Marmor.“ Sie wies auf die schlanke Skulptur. „Teuer, sagt Viktor. Ihr seid von der Polizei?“, wechselte sie unvermittelt das Thema. Ihrer fragenden Stimme nach schien sie dies kaum glauben zu können? „Ich bin Annuschka.“ Langsam schaute sie einem nach dem anderen ins Gesicht, dann hob sie die Arme leicht in die Höhe und streckte die Hände aus. „Wollt ihr mich verhaften?“ Ihr Blick lief irgendwo ins Unendliche und schien dort zu verweilen.
„Warum sollten wir?“, fragte Sokolow erstaunt.
„Wer weiß? Vielleicht bin ich ein böses Mädchen?“ Sie kicherte, bis laut die Tür geöffnet wurde und ein mittelgroßer Mann in schwarzem Maßanzug eintrat.
„Anna!“, rief er und trat zu der Schönheit mit dem bleichen Gesicht. Er schüttelte sie. Hinter dem Mann hatte ein kräftiger Glatzkopf den Raum betreten. „Rustam, nimm Anna mit nach oben!“, befahl der Anzugträger dem Kahlkopf. Dann wandte er sich an die Polizisten und meinte entschuldigend: „Es tut mir Leid, meine Herren, Anna ist im Moment etwas neben sich. Die viele Arbeit, der Stress, die Partys ... Wenn Sie verstehen?“ Der Mann streckte die rechte Hand vor und wies auf die Ledersessel. „Bitte nehmen Sie Platz. Ach, ich vergaß, mich vorzustellen. Viktor Rjabow. Aber das haben Sie sich bestimmt gedacht.“ Er setzte sich.
„Der Falke“ begann das Gespräch. „Vielen Dank für den raschen Empfang. Ich bin sicher, wir können das Problem schnell lösen.“
Rjabow nickte. „Ja, ich stehe der Staatsmacht zu Diensten, wenn ich helfen kann.“ Er schien sich über seine Worte selber zu amüsieren, denn ein leises Lächeln überzog sein scharf geschnittenes Gesicht.
„In welcher Beziehung standen Sie zu Swetlana Popowa?“
„Sie ist, sie war eines der Models, die gelegentlich für Anna arbeiten. Anna Poljakowa, Sie haben sie eben kennen gelernt. Annuschka ist eine gefragte Modedesignerin.“ Rjabow lehnte sich zurück und musterte die beiden Polizisten.
Hauptmann Denissow schaute dem Hausherrn ins Gesicht, als er fragte: „Wie standen Sie zur Popowa? Wie gut kannten Sie sie?“
Rjabow verzog das Gesicht zu einem süffisanten Grinsen. „Sie haben es doch schon herausgefunden. Ich hatte mal was mit ihr. Das ist allerdings schon einige Zeit her!“ Er griff zu einer auf dem Marmortisch stehenden Karaffe, zog sich ein Glas heran und hob fragend die Brauen. Die Ermittler lehnten ab, während der Gastgeber sich einen großen Whisky genehmigte.
„Was sagt Ihre Lebensgefährtin Anna Poljakowa dazu? Sie ist doch Ihre Lebensgefährtin?“, schaltete Michail sich wieder in das Gespräch ein.
Der Geschäftsmann winkte ab. „Frauen“, meinte er nur. „Sie kriegt sich immer wieder ein. Sie weiß, was sie an mir hat.“ Er wies mit der Hand auf die Einrichtung. „Ich biete ihr Luxus, ich finanziere ihre Entwürfe. Gewiss“, er machte eine Kunstpause, „sie ist selber inzwischen auch erfolgreich. Aber einen solchen Lebensstil könnte sie sich nicht leisten.“ Viktor Rjabow sah auf die Uhr. „Fragen Sie, was Sie noch fragen wollen. Aber schnell, meine Zeit ist kostbar.“
„Wann haben Sie Swetlana Popowa zuletzt gesehen oder von ihr gehört?“ Hauptmann Denissow hatte einen Notizblock hervorgezogen und notierte Rjabows Antworten.
„Vor ein paar Tagen war sie hier. Mittwoch, denke ich. Es ging um ein paar Änderungen an Entwürfen. Unwichtig. Ich selber habe sie nicht gesehen. Ich sagte, ja, es war eine kurze Beziehung.“ Er grinste.
„Wer könnte ein Motiv haben, die Popowa zu ermorden?“
„Keine Ahnung. Sie war mal mit so ´nem Jüngelchen zusammen, nervig eifersüchtig. Fragen Sie in der Agentur. Die kannten Sie besser.“ Er zog sein Smartphon aus der Tasche und scrollte darauf herum. Dann diktierte er Denissow eine Telefonnummer. „So, meine Herren. Wenn Sie das nächste Mal herkommen wollen, bringen Sie bitte einen Durchsuchungsbefehl mit. Ich habe meine Pflicht als Staatsbürger mehr als erfüllt.“ Die Männer erhoben sich.
Eine Tür wurde geöffnet und der Glatzkopf, der auf den Namen Rustam hörte, führte die beiden zu einem Hinterausgang des Marmorsaales. Denissow klappte im Gehen sein Notizbuch auf. „Wie gut kannten Sie die Tote eigentlich?“

„Hast du den Tennisplatz hinter dem Haus gesehen?“, fragte Pjotr seinen Kollegen, als sie ihre Waffen verstaut hatten und im Wagen saßen.
„Der Falke“ nickte. „Und auch den Hubschrauberlandeplatz. Und den Fuhrpark mit mehreren Oberklasse-Fahrzeugen. Das Grundstück allein muss einige Millionen Wert sein, mein Lieber.“ Sokolow starrte durch die staubige Seitenscheibe.
„Mittwoch war die Popowa hier. Der Leibwächter, Rustam Sadikow, gibt an, sie habe das Gelände um drei Uhr nachmittags verlassen, nachdem sie sich mit Anna Poljakowa über ein paar Details der neuen Kollektion verständigt hatte“, referierte Denissow das Gehörte. „Laut Dr. Polian ist die Popowa am Mittwochabend gestorben. Wir müssen also herausfinden, ob sie nach drei noch jemand gesehen hat und wo.“ Nach einer kurzen Pause meinte er: „Und was hältst du von der Poljakowa? Ganz schön eigenartig, oder?“
Michail Sokolow nickte. „Das Gefühl habe ich auch. Sie dürfte unter Drogen stehen.“ Er winkte ab und fuhr dann fort: „Du fährst nachher zur Agentur und hörst dich um. Versuch auch etwas über diesen Freund herauszufinden. Ich werde mit Koroljow die Wohnung der Toten durchsuchen und dann bei Polian und der Kriminaltechnik nach ersten Ergebnissen fragen.“


Hinweis: Es handelt sich bei dem eingestellten Text um die ersten 2 Kapitel. Geplant sind etwa 8 Kapitel.
Für Rückmeldungen bin ich jederzeit dankbar.
 



 
Oben Unten