Millie

Cafard

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Millie ist der Hund von Sandra, ich komme später auf Millie zurück, oder ich komme auf Sandra zurück, ich weiß es noch nicht, ich weiß nie vorher, wohin mich das Schreiben führt, vieles ist möglich.

Ich beginne den misslingenden Tag, so hatte ich es neulich gelesen, und so kam mir der Morgen vor, ich mochte den Tag von Anfang an nicht, ich hatte ihn zu bewältigen, meine Laune nähert sich immer noch gegen null, bald ist sie bei minus sieben.

Am Mittag wurde es etwas besser, ich landete einen Treffer mit dem fertigen Gulasch, der Mann hinter der Theke sagte: Sie haben Glück, es ist argentinischer Gulasch!

Daheim schubste ich noch einen Schluck Rotwein in das Gericht, das Fleisch war zart, zarter geht es nicht, vermutlich musste das argentinische Fleisch weg, aber für den Gulasch war es immer noch eine Offenbarung: Unfassbar zart.

Am Nachmittag brach ich zum Rhein auf, der Zufall wollte es, mal endlich nach acht Jahren auf dem Weg zum Rhein das Pralinengeschäft zu betreten, in der Auslage die Nussecken hatten mich angelacht. So ging ich dann mit einer kleinen Papiertüte den Rhein entlang, in dem Tütchen waren zwei Nussecken.

Ich kam mir ziemlich lächerlich vor, wer geht schon mit einer Papiertüte von einem Pralinengeschäft am Rhein entlang, welcher Mann ist so benebelt, dass es ihm nichts ausmacht? Ich, doch wenig später wurde es mein Glück.

Auf der Höhe Canoo, ein Restaurantschiff, traf ich Sandra, ich kannte Sandra nicht, ich sehe immer nur, wie sie mit einem Hund durch die Gegend läuft, ich sagte einfach: Hallo.

Irgendwie schämte ich mich für die lächerliche Tüte vom Pralinengeschäft, ich sagte dennoch: Hallo.

Sandra reagierte freundlich: Wir haben uns schon oft gesehen, aber nie gegrüßt: Hallo, und das ist Millie.

Ich entschuldigte mich für die alberne Tüte, ich sagte: Ich würde lieber mit einem Hund herumlaufen als mit einem Tütchen vom Pralinengeschäft.

Sandra blieb freundlich: Hauptsache, du bist nicht allein.

Inzwischen hatten wir uns mit Namen vorgestellt, das war schon passiert, aber jetzt hatte sie mich endgültig erwischt, ich sagte: Nicht dein Ernst! Ich bin nicht allein, weil ich mit einem peinlichen Tütchen aus dem Pralinengeschäft am Rhein entlang laufe, deswegen bin ich nicht allein? Das gefällt mir!

Mein Männergehirn ratterte, was wollte mir Sandra eigentlich sagen mit diesem: Hauptsache, du bist nicht allein! War das eine Vorlage oder war das vernichtend, wirkte ich verblödet allein?

Am Liebsten hätte ich gefragt: Sandra, ganz ehrlich, wir kennen uns seit fünf Minuten, ich weiß echt nicht, ob du mich schon die ganze Zeit verarschst?

Millie ist ein Terrier, sagte Sandra, was interessiert mich das, ich interessiere mich nicht für Hunde und schon gar nicht für Terrier, das sind doch Kläffer oder Beißer, ich sollte um Sandra einen weiten Bogen machen demnächst.

Andererseits hat sie mich an einem Punkt erwischt, ich weiß nicht genau, was das für ein Punkt ist, sie sieht nicht aus, als könnte sie einen Gulasch kochen, ihr fehlt es an Umfang - das ist mir egal, für den Gulasch habe ich meinen Edeka - es ist etwas anderes, es war genau dieser eine Satz, als ich mich für die kleine Papiertüte schämte:

Hauptsache, du bist nicht allein.
 
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