Mobbing

Simmias

Mitglied
*kann als verletzend aufgefasst werden - ist aber nicht so beabsichtigt*

„... und wenn man diese Argumente berücksichtigt, kommt jeder denkende Mensch zu dem Schluss, dass meine These die richtige ist“, schloss ich meinen kurzen Vortrag und blicke meinem Gegenüber erwartungsvoll in die Augen.

Er kann wenig dazu sagen, überlege ich, seine einzig wirkliche Chance, mich in die Enge zu treiben, hatte er zu Beginn der Diskussion verschenkt. Jetzt war die Mehrheit der Klasse von meiner These überzeugt.

Mark, so war sein Name, öffnete seinen Mund. „...aaaber“, fing er zu reden an, „deine Mutter hat einen Penis.“ Das war es wieder. Das jähe Ende einer vernünftigen Diskussion. Wie so oft wurde die folgende Häme als Zeichen meiner Niederlage gewertet. Ich sagte nichts.

„Junge! Deine Mutter ist ein Mann“, rief Mark noch lauter und die Menge lachte. „Deine Mutter ist ein Mann. Bei dir ist es nicht ‚Die Mutter‘ sondern ‚der Mutter‘!“ Und er konnte sich kaum halten.

Solche Sprüche schweigend auszuhalten führte zu nichts. Sie hatten zu viele und zu viel Spaß an ihnen. „Deine Mutter sieht auch aus wie ein Mann“, entgegnete ich ruhig, „ dabei ist sie nichtmal einer.“ Ich hatte seine Mutter noch nie gesehen. „Und trotzdem lasse ich sie in Ruhe und bleibe beim Diskussionsthema.“, fuhr ich fort.

„Halt, halt, halt!“, unterbrach Mark mich direkt. „ Meine Mutter sieht vielleicht aus wie ein Mann, aber sie hat mit Sicherheit keinen Penis. Deine Mutter schon. Er kann sich einen runterholen.“ Und die Klasse hatte Tränen in den Augen vor Lachen. Ob sie es wirklich lustig fanden, fragte ich mich. Oder tun sie nur so, weil sie wissen, dass es mich provoziert?

„Deine Eltern haben Poposex, Junge, du bist durch Analverkehr entstanden!“, grölten sie. Den kannte ich schon, sagte ich mir, bald gehen ihnen die Sprüche aus.

„Hast du deine Väter schonmal beim Blasen erwischt?“, fragte mich jemand. Als ob das bei Schwulen etweas anderes ist, als bei normalen Eltern, dachte ich. „“Das ist doch ganz normal“, entgegnete ich gelassen, „ du kannst deine Eltern doch auch beim Blasen erwischen.“ „Aber das sind keine Arschfickmänner“, riefen sie. Und ein anderer schrie lauter als die anderen: „Hört, das sei ganz normal, sagt er. Er sieht sie so oft, dass es schon ganz normal ist. Er guckt ihnen beim Blasen zu!“

Sie sind eifersüchtig auf mich, dachte ich, weil ich argumentieren kann und sie nicht. Weil ich informiert bin. Weil ich so erzogen wurde, dass schlauer bin als sie. Das ertragen sie nicht.

„Ihr drei könnt euch im Kreis von hinten nehmen.“, erklärte mir ein weitere Mitschüler, „ Enger Familienkreis nennt sich das dann!“ Ein anderer fiel ein: „Das könnt ihr auch auf den erweiterten Freundeskreis ausbauen, wenn Papi seine Transis nach Hause einlädt.“

„Ach, fickt euch alle“, sage ich und stehe auf. Noch auf dem Flur höre ich sie. „Da geht die Arschgeburt und weint.“ „Sie geht nach Hause zu Mama mit dem Penis. Ein bisschen nuckeln!“
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ein Ok für die Intension des Textes, aber er ist schlecht gemacht. Denn er berührt nicht.

Was ist daran verletzend? Ok, die Pappnasen aus der Klasse (?) spotten, aber das ist so platt, dass es noch nichtmal den Protagonisten ärgert (oder auch nur ein bisschen emotional berührt), warum sollte es also irgendeinen Leser (der sowieso auf der Seit des Prot ist) "verletzen"?

Mobbing "geht" anders. Was die Klasse tut, passt zwar dazu, aber wie der Prot reagiert, nicht. Ihm scheint das egal zu sein, er ist kein Mobbing-Opfer. Man sticht zwar nach ihm, er aber wird nicht verletzt. Er bleibt ganz rational und beobachtend.

Diese Passage kann Teil einer echten Mobbing-Geschichte sein, eine die damit beginnt, dass der Prot. andere aussticht, diese ihn anderes "klein kriegen" wollen, er auf Argumente setzt und – als auf die niemand eingeht – er sich als "ich bin klüger, besser und schlauer" über die anderen erhebt. Jetzt kann das Mobbing sich zuspitzen (Schläge, Denunzieren, o. ä.), so dass der Prot echten Schaden erleidet. Oder der Typ löst sich emotional ganz ab und lässt die Meute mit ihren Anstrengungen im eigenen Saft zurück. Oder die Überhebung hilft nicht und er bricht doch unter dem blöden Geschwafel zusammen. … Eine "runde Story" eben, nicht nur so eine kurze Szene.
 

Simmias

Mitglied
RE: "runde Story"

Okay. Vielen Dank erstmal für die Kritik. Wirklich sehr willkommen.

Inhaltlich:

Du hast Recht, dass das keine Runde Story ist, sondern nur ein Ausschnitt oder eine kurze Szene. Nichtsdestotrotz ist diese kurze Szene als solche kurze Szene gedacht und daher vielleicht in der falschen Rubrik (?).
Warum kurz? Weil ich nur an das Thema erinnern will, aber keine feste Handlung geben möchte. Ob der Text berührt oder nicht, kann ich schlecht beurteilen, werde deinem Urteil also Glauben schenken. Mich schockiert er allerdings.

Mobbing "geht" anders. Was die Klasse tut, passt zwar dazu, aber wie der Prot reagiert, nicht.
Ich glaube nicht, dass es eine feste Formel für Mobbing gibt. Für mich mich ist Mobbing erstmal das psychische Verltzen einer Person. Dieser Protagonist redet sich ein, dass es ihm egal ist. Ob es das wirklich ist, liegt im AUge des Betrachters. Du empfindest es so, dass er nicht davon beeinflusst wird. Ich glaube nicht, dass er draussen auf dem Gang zufrieden zu singen anfangen wird.

warum sollte es also irgendeinen Leser (der sowieso auf der Seit des Prot ist) "verletzen"?
Ich habe nicht die absicht, irgendeinen Leser zu verletzen. Ich will lediglich in einem kurzen Ausschnitt daran erinnern, wie radikal eine Klasse agieren kann, und dass solche Szenen sich auf jeder Schule abspielen, unabhängig davon, wie der Protagonist damit fertig wird.

Vielen Dank,
S
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Es war vielleicht missverständlich ausgedrückt: Was die Klasse macht, ist technisch gesehen das gleiche, was (auch) beim Mobbing gemacht wird. Aber da der Protagonist nicht verletzt wird, ist es normales hirnloses Mitlachen.
Nein, es ist nicht offen, ob der Prot verletzt wird – NICHTS an dem Text legt nahe, dass es ihn doch berührt. Du sagst zwar ein paar Sätze, die so klingen, als hätte es ihm mal was ausgemacht, und einen, der Frust zeigt (aber eher über die Unmöglichkeit einer Diskussion bzw über die Ignoranz statt übers "schon wieder verletzt werden"). Im Großen und Ganzen fühlt LyrIch hier aber nichts, es denkt nur.
Das Gefühl des Opfers ist aber essentiell, das erst macht aus einen schlechten Running-Gag („Mutter mit Pimmel“) Teil eines Mobbing-Prozesses. (Ja, auch so ein Running-Gag verletzt auf Dauer, aber Mobbing ist mehr, es ist systematisches Herabwürdigen, Ausschließen und Brechen des Opfers unter und durch Einbeziehung des Umfeldes (den Mob) in die systematischen Erniedrigung.)
Also: Was sichtbar sein müsste (auch und gerade innerhalb nur einer Szene), ist, dass er sich erfolglos Nicht-Verletztsein einredet.

wie radikal eine Klasse agieren kann, und dass solche Szenen sich auf jeder Schule abspielen, unabhängig davon, wie der Protagonist damit fertig wird.
Genau! Sowas passiert immer wieder. Es nicht fein, klar, aber noch kein Mobbing.

Was das Leser-Verletzen angeht: An wen ging die Warnung (kann verletzen wirken) denn dann, wenn nicht an den Leser? (Ich weiß, du willst den Leser nicht verletzten, hast aber offenbar befürchtet, dass der Eindruck entstehen könnte. Das kann es aber nicht, es verletzt ja nichtmal den, der "mittendrin" ist (der Prot) – das wollte ich sagen.)
 

Mellieha

Mitglied
Hallo,
auch wenn das Mobbing-Opfer "über den Dingen" zu stehen versucht, wie z.B. mit guten Argumenten, denke ich trotzdem, dass diesen Menschen gefühlsmäßig einiges durchmachen. Wenn du das in die Geschichte eingebracht hättest (was denkt und spürt er, verkrampft sich sein Magen etc.), würde die Geschichte viel besser rüberkommen. Die Gefühlswelt des Protagonisten kommt meiner Meinung nach zu kurz. Schade, denn geschrieben ist es an sich gut!

Grüße
 
U

USch

Gast
Hallo Simmias,
solche Schlagabtauschereien sind in Schulklassen durchaus denkbar, bringen aber nichts. Da muß einfach sofort eine Grenze von Lehrerseite gesetzt werden, was viele leider nicht können.
Ich muß mich den Vorrezensenten anschliessen. Eine echte Betroffenheit kommt nicht rüber. Außerdem sind allerhand Fehler im Text. Also, eine gründliche Überarbeitung ist notwendig, wenn aus der Geschichte noch was werden soll.
LG Uwe
 



 
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