Mörderisches Mutterherz, Teil 4

Baxi

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Normalerweise begann Uschi den Samstagmorgen mit einem guten Frühstück zusammen mit ihrem Mann und besprach dabei ihre Pläne fürs Wochenende. Doch nach einer schlechten Nacht, in der sich Wilfried gefühlte tausend Mal schlaflos hin und her gewälzt hatte, saßen sie sich heute schweigend gegenüber. Wilfried hatte scheinbar nicht viel Appetit. Sein Brötchen mit der selbstgemachten Himbeermarmelade, die er sonst so gerne mochte, lag unberührt vor ihm. Nur an seinem Kaffee hatte er genippt. Uschi schmierte sich ein Vollkornbrötchen dick mit Butter und Honig. Wenn er nicht wollte, dann eben nicht. Ihr Hunger war wie immer groß.
„Sollen wir gleich zum Markt gehen?“, fragte sie vorsichtig, nachdem sie eine Hälfte vertilgt hatte. „Wir könnten ein paar Blumen kaufen.“
„Damit wir die Leute über uns reden hören? Nein, dazu habe ich keine Lust.“ Griesgrämig schob er seinen Teller von sich. Das Gespräch mit dem Kommissar nagte an ihm. Er hatte doch immer rechtschaffend gehandelt. Und jetzt so etwas.
Verstimmt konzentrierte sich Uschi wieder ganz auf ihr Honigbrötchen. Sie erinnerte sich nur zu gut an ihren Einkauf gestern. Wie die alten Weiber zusammengestanden und getuschelt hatten. Nett war das nicht. Das würde sich sicher erst ändern, wenn der Mörder überführt war.
„Willst du dich jetzt so lange verkriechen?“, fragte sie ihren Mann. In Ihrer Stimme schwang ein Vorwurf mit.
„Ich verkrieche mich nicht!“, widersprach Wilfried verärgert.
„Dann können wir doch Shoppen!“
„Nein!“ Wenn ihr Mann so leidlich drauf war, konnte man ihn zu nichts animieren.
Das kannte Uschi schon. „Die finden schon den wahren Täter“, versuchte sie ihn schließlich zu beschwichtigen.
„Und wie lange wird das dauern? Außerdem gibt es genug Beispiele für Justizirrtümer.“
„Die verhaften dich nicht. Dazu haben sie keinen Grund.“
„Keinen Grund?“, regte sich Wilfried weiter auf. „Das hörte sich gestern beim Kommissar aber ganz anders an!“
„Ach, Wilfried. Du hast ihm doch klar gemacht, dass du nichts von allem gewusst hast. Der sucht jetzt bestimmt woanders nach seinem Mörder.“
Doch Wilfried beruhigte sich nicht. „Das ist alles deine Schuld!“, brüllte er.
„Warum das jetzt?“
„Weil du dich überall einmischst! Und weil du diesen dummen Roman schreiben wolltest!“
Dieser Vorwurf traf sie in ihrem Stolz. „Das hat doch wohl gar nichts damit zu tun!“, keifte sie zurück. Nicht nur er konnte laut werden. Sie konnte das ebenfalls. „Glaubst du, ich hätte den Mord herauf beschworen? Das ist doch Blödsinn!“
Aber Wilfried antwortete nicht darauf. Vermutlich wusste er, dass er sich gerade verrannte. Mit verschränkten Armen und verkniffenem Gesichtsausdruck saß er ihr gegenüber. In den ganzen achtundzwanzig Ehejahren hatten sie sich selten so gestritten. Vielleicht war es besser zu schweigen, dachte Uschi bei sich. Bevor es eskalierte. Minutenlang sagte keiner von ihnen ein Wort. In die bedrückende Stille klingelte das Telefon. Laut schrillte es aus dem Flur. Wilfried blieb stur sitzen. Also erhob sich Uschi und nahm ab.
„Ach. Hallo, Leon. Schön, dass du anrufst.“ hörte Wilfried seine Frau sagen. „Was bei uns los ist? … Ach so. … Gut. Was hast du ihm erzählt? … Ah, ja. … Hm. … Okay. … Danke. Tschüss.“ Dann legte sie wieder auf.
Als sie sich zurück an den Frühstückstisch setzte, blickte sie in das fragende Gesicht ihres Mannes.
„Das war Leon“, meinte Uschi.
„Ich weiß, bin ja nicht taub“, maulte er zurück.
„Weinrich war bei ihm und hat Fragen zu uns gestellt.“ Es klang ein wenig kleinlaut.
„So viel zu dem Thema, der sucht jetzt woanders nach seinem Täter!“
Trotz der schlechten Nachricht schien ihr Mann etwas zufriedener als vorher. Das lag sicher an seiner Rechthaberei, dachte Uschi genervt. Doch so langsam wurde die Sache ernst. Da musste sie Wilfried zustimmen. Sie waren persönlich von den Ermittlungen betroffen. Das konnte sie so nicht auf sich sitzen lassen. Sie musste den Mörder zur Strecke bringen, schwor sie sich. Für ihren Mann und für sich.
Leon hatte ihr berichtet, dass der Kommissar ihn auch nach Holtmann gefragt hatte. Leider hatte ihr Sohn fleißig von dem Streit über den blöden Kratzer an dessen Auto erzählt. Holtmann hatte vor fünf Wochen 2000 € Schadensersatz gefordert. Für eine winzige Macke im Lack seines schwarzen Audis, die man mit bloßem Auge kaum sehen konnte. Angeblich musste der ganze Kotflügel neu lackiert werden. Leon sollte mit seinem Fahrrad dran entlang geschrammt sein. Und obwohl ihr Sohn jeglichen Kontakt mit dem Wagen ausschloss, machte Holtmann so einen Wind um die ganze Sache, dass sie schließlich ihre Versicherung mit dem Schadensbegleich beauftragten. Nur, um endlich Ruhe zu haben. Jetzt wusste Weinrich ebenfalls von dieser unangenehmen Auseinandersetzung. Wieder ein Stück mehr für ein Motiv für den Mord. Vermutlich glaubte der, dass sich da etwas ordentlich hochgeschaukelt hatte. Aber davon brauchte Wilfried nichts zu wissen. Das würde ihn bloß zusätzlich ärgern.
„Sag mal, Wilfried“, suchte Uschi wieder das Gespräch mit ihrem Mann. „Woher wusste Patrik Fiedler von den Anschuldigungen gegen dich?“
Wilfried brummte erst etwas vor sich hin, bevor er sich zu einer Antwort entschloss. „Er hat zufällig mitbekommen, wie Frau Strunz mit dem Kommissar über die Spionage gesprochen hat. Holtmann hatte vermutet, dass die über meinen PC gelaufen ist. Und damit hat er ja wohl auch Recht gehabt. Nachdem, was die Polizei sagt.“
„Wann soll das denn passiert sein?“
„Am Dienstag.“
Nachdenklich schenkte sich Uschi Kaffee nach. Der Hausmeister wusste auch davon. „War da eigentlich Herr Doll bei dir im Büro?“
„Am Dienstag?“, überlegte er stirnrunzelnd. „Da hat er endlich die Leuchtstoffröhre an der Decke ausgetauscht. Die war schon seit Wochen am Flackern. Warum ist das wichtig?“
„Na überleg doch mal. Wenn er einen Moment alleine in deinem Büro war, dann hätte er doch auch an deinen PC gekonnt.“
„So einfach ist das nicht. Du drückst nicht einfach einen Knopf und hast alle Informationen, die du haben willst. Er müsste sich im Programm auskennen. Und er hätte auch mein Passwort gebraucht.“
„Kann er sich das abgeschaut haben?“
„Vielleicht. Ich weiß nicht.“ Dann endlich wusste er, worauf seine Frau hinaus wollte. „Du glaubst, er ist der Spion?“
Uschi rührte gelassen in ihrem Kaffee. „Es ist nur so ein Gedanke. Irgendwer muss es ja sein. Und du bist es nicht.“ Sie legte den Löffel beiseite und schlürfte genussvoll aus ihrer Tasse.
Als sie fertig war, stand sie energisch auf. „Ich werde jetzt einkaufen. Du kannst dich hier verkriechen, wenn du willst. Aber ich brauche frische Luft!“
Sie konnte unmöglich den ganzen Tag hier rumsitzen und darauf warten, dass der Kommissar wieder auftauchte. Sie musste selbst aktiv werden. Und sie hatte auch schon eine Idee, wo sie ansetzten konnte.

Zwanzig Minuten später stellte Uschi ihr Fahrrad auf dem Kirchhof ab und schlenderte mit ihrem Einkaufskorb am Arm über den gut besuchten Markt. Die halbe Stadt drängte sich heute hier an den Verkaufsständen. Besonders beliebt war die Waffelbude, wo man neben frischem Gebäck auch Kaffee und Kakao bekommen konnte. Uschi spürte immer wieder die misstrauischen Blicke, die auf sie gerichtet waren. Oder bildete sie sich das nur ein? Schließlich konnte sie nicht jeder der 20.000 Einwohner kennen.
Doch dann schüttelt sie sich innerlich wie ein Hund, der seine Flöhe loswerden wollte. Sie streckte ihren Rücken und ging mit hocherhobenem Kopf weiter. Dabei schaute sie sich nach Rita Doll um. Gewöhnlich sah man sich beim Gemüsehändler oder am Eierstand. Aber wenn man jemanden unbedingt treffen wollte, dann klappte das leider nie. War die Frau etwa schon fertig mit ihren Einkäufen? Uschi verweilte noch einige Minuten länger am Blumenstand und betrachtete halbherzig die fertig gebundenen Sträuße in den Wassereimern. Dieser Platz lag strategisch günstig. Die meisten Markbesucher kamen irgendwann hier vorbei. Doch von den Dolls tauchte niemand auf. Nicht mal Mimi. Hatten sie auch Angst vor dem dummen Getratsche der Leute, so wie ihr Mann?
Enttäuscht kaufte Uschi schließlich einen gelben Rosenstrauß mit Schleierkraut. Sie bezahlte und stopfte die Blumen in ihrem Korb. Dann bummelte sie ziellos durch die kleine Fußgängerzone, ihren Gedanken nachhängend. Sie konnte nicht einfach alles so laufen lassen. Der Verdacht der Polizei lastete schwer auf ihrem Mann. In ihr tobte dagegen ein ungeahntes Feuer für Gerechtigkeit. Wenn sich von den Dolls keiner sehen ließ, dann würde sie halt zu ihnen gehen. Leider wusste sie nur die Straße, in der sie wohnten. Aber bis zum Münsterkamp war es nicht weit. Und die Hausnummer würde sie schon finden. Selbst, wenn es den halben Tag dauern würde. Alles war besser, als hier die Zeit zu vergeuden. Sie sputete zurück zu ihrem Fahrrad, verstaute den Korb auf dem Gepäckträger und radelte los.
Im Münsterkamp reihten sich Mehrfamilien- und Einfamilienhäuser aneinander. Die Vorgärten fielen klein aus oder waren gleich ganz zugepflastert. Methodisch ging Uschi die Klingelknöpfe durch. Wie gut, dass die Familie nicht Meier hieß. Oder Müller. Davon gab es hier nämlich einige. Doch Uschi hatte Glück. Schon am vierten Gebäude, einem Mietshaus mit sechs Wohnungen, fand sie das gesuchte Türschild. Sie zögerte kurz, um dann umso kräftiger die Klingel zu drücken. In der nächsten Minute ertönte der Summer an der Haustür. Uschi atmete noch mal tief durch, drückte die Tür auf und stierte vorsichtig ins Treppenhaus.
Im zweiten Stock stand Klaus Doll am Geländer und sah auf sie hinab. „Frau Beerhues, was für eine Überraschung.“
Uschi hätte sich mehr über Ritas Erscheinen gefreut. Aber von der war nichts zusehen oder zu hören. Dann eben nicht. „Ich muss mit Ihnen reden“, meinte sie und schritt mutig die Stufen hoch.
Auf dem Treppenabsatz, vier Stufen unter ihm, blieb sie stehen. Herr Doll machte keine Anstalten, sie in seine Wohnung einzuladen. Groß und breitbeinig baute er sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihr auf. Aus ihrer Position wirkte er noch riesiger als sonst.
„Was wollen Sie?“ Sein Tonfall war nicht gerade herzlich. Der Hausmeister war noch nie besonders freundlich gewesen, zu niemandem.
Jetzt allerdings begegnete er ihr beinahe feindlich. Nahm er es ihr immer noch übel, dass sie seine Nichte verdächtigt hatte? „Ich habe eine Frage an Sie, Herr Doll“, erklärte sie.
„Machen Sie es kurz“, kam es barsch zurück.
„Ich möchte von Ihnen wissen, ob am letzten Dienstag, als Sie bei meinem Mann im Büro die Leuchtstoffröhre ausgewechselt haben, noch jemand ins Büro gekommen ist. Vielleicht haben Sie was gesehen?“
Dolls argwöhnischer Blick ruhte auf ihr. „Sie denken nicht mehr, dass es Mimi war?“
„Nein.“ Uschi konnte beobachten, wie sich seine Haltung ein wenig lockerte.
Er räusperte sich. „Ich habe niemanden gesehen, außer Ihrem Mann.“
„Haben Sie viel Ahnung von PCs?“, fragte sie weiter.
„Warum interessiert Sie das?“
„Ich frage mich, ob Sie vielleicht den Trojaner auf dem Computer meines Mannes platziert haben.“
Dolls Gesicht verzerrte sich zu einer bösen Grimasse. „Sie kommen hier her, um mich zu beschuldigen?“, brauste er auf. „Haben Sie den Verstand verloren?“ Wütend blitzte es in seinen dunklen Augen. „Wenn Sie weiter so einen Unsinn behaupten, werde ich Wege finden, um Sie zum Schweigen zu bringen!“
Er machte einen Schritt auf Uschi zu. Doch so schnell ließ sie sich nicht einschüchtern. Auch wenn der Kerl deutlich größer und stärker war als sie und drohend zwei Stufen höher vor ihr stand.
Mutig trat sie ihm entgegen. „Irgendjemand muss es gewesen sein. Und Sie waren zur fraglichen Zeit da.“
„Sind Sie wahnsinnig?“, brüllte er zurück.
Aber Uschi setzte noch nach: „Dann haben Sie Holtmann umgebracht, weil er Ihnen auf die Schliche gekommen ist.“
Doll zog die Augenbrauen tief zusammen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Sie sollten vorsichtiger sein“, zischte er ihr entgegen.
Uschi schluckte. War sie zu weit gegangen? Wenn dieser Mann Holtmann ermordet hatte, was sollte ihn davon abhalten, sie ebenfalls um die Ecke zu bringen? Erschrocken wich sie zurück. Wie gut, dass sie sich im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses befanden. Sicher standen schon Nachbarn lauschend hinter ihren noch verschlossenen Wohnungstüren, um im Notfall einzugreifen. Doll kam näher, stand jetzt direkt vor ihr. Sie spürte seinen heißen Atem, der von oben herunter in ihr Gesicht hauchte. Plötzlich packte er sie mit seinen kräftigen Händen an ihren Schultern und schüttelte sie heftig.
„Was fällt Ihnen ein, mich des Mordes zu beschuldigen?“
Er griff hart zu. Uschi war ihm wehrlos ausgeliefert. Dann schien er sich zu besinnen. Angewidert stieß er sie von sich. Uschi taumelte rückwärts und rutschte von der Stufe. Ihre Hand suchte nach dem Geländer, griff aber ins Leere. Sie verlor das Gleichgewicht und ihr Korb mit den Rosen flog in hohem Bogen von ihrem Arm. Gerade, als sie meinte, die ganze Treppe hinunter zu stürzen, fingen sie starke Arme unerwartet von hinten auf. Im Nächsten Moment sah sie in das Gesicht von Kommissar Weinrich.
„Der hat mich geschubst“, stammelte sie. „Der ist gemeingefährlich!“
Herr Doll wich betreten zurück bis an seine Wohnungstür. Die ganze Situation war ihm fürchterlich unangenehm.
„Entschuldigen Sie die Störung, Herr Doll“, erklärte Weinrich höflich, ohne Uschis stillen Protest zu beachten. Er nickte Doll kurz zu, um im nächsten Augenblick ihren Arm zu schnappen.

Weinrich zog Uschi mit sich Richtung Ausgang, sammelte ihre Blumen ein und drückte ihr ihren Korb in die Hand. Uschi hatte keine Möglichkeit, ihm zu entkommen. Vor der Tür musste sie ihrem aufschäumendem Ärger Luft machen: „Sie müssen den Mann verhaften! Er hat spioniert! Und Holtmann ermordet!“
Weinrich verdrehte die Augen. „Beruhigen Sie sich!“, herrschte er sie an.
„Ich will Anzeige erstatten!“
„Das wollen Sie nicht!“
„Und ob ich will!“
„Ich habe das komplette Gespräch verfolgt, Frau Beerhues. Es wäre besser, wenn Sie keine Anzeige erstatten. Ich müsste sonst bezeugen, dass Sie den Mann provoziert haben mit Ihren Anschuldigungen. Und zwar nicht zu knapp.“
„Aber wenn es wahr ist?“
„Es ist nicht wahr!“ Weinrich zerrte Uschi weiter bis zu seinem Auto. „Sie halten sich da raus! Verstanden?“
„Ja, aber …“
„Kein Aber!“, wies er sie zurecht.
Geknickt hielt Uschi den Mund. Solange sie konnte. „Warum ist er nicht der Mörder?“, fragte sie dann doch.
„Ich werde vor Ihnen sicher nicht unsere Ermittlungsergebnisse ausbreiten. Glauben Sie mir einfach, dass ich sicher weiß, dass er Holtmann nicht ermordet hat. Und auch nicht spioniert.“
Dieser Kerl war unmöglich, dachte Uschi sauer. Er ließ sie abblitzen, wie ein kleines Kind. „Was wollen Sie dann von Herrn Doll? Sie sind doch nicht zum Kaffeeklatsch hier.“
„Nichts. Ich wollte zu Ihnen. Ihr Mann sagte, Sie seien auf dem Markt. Ich bin Ihnen gefolgt, um zu sehen, was Sie so treiben.“
Verdutzt musste Uschi erkennen, dass ihr nichts davon aufgefallen war.
„Wie kommen Sie darauf, dass er der Spion sein soll?“, fragte er.
Wollte er sie jetzt doch an den Ermittlungen beteiligen? überlegte sie. Vielleicht hatte sie nützliche Informationen für den Beamten. „Er war alleine in Wilfrieds Büro am Dienstag, als der Trojaner ins PC-Programm kam“, trumpfte sie auf.
Weinrich seufzte. „Da war vermutlich noch jemand anderes.“
„Sie wissen, wer der Spion ist?“
„Sagen wir mal so, ich habe eine gewisse Ahnung. Aber eigentlich wollte ich Sie fragen, ob Sie bei Ihrer Behauptung bleiben, den ganzen Donnerstag zu Hause gewesen zu sein?“
Irritiert antwortete Uschi: „Ja, sicher. Zumindest bis um 16 Uhr. Da bin ich zur Arbeit gefahren.“ Hatte Weinrich jetzt wieder sie auf dem Schirm statt ihres Manns?
„Ich brauche den genauen Ablauf vom Donnerstag, so zwischen 12 Uhr bis 16 Uhr. Was haben Sie da gemacht?“ Erwartungsvoll sah er sie an.
„Wie gesagt, ich war zu Hause, habe gekocht, die Wäsche gemacht und gelesen.“
„Sie waren nicht in der Firma? So gegen 14.30 Uhr?“
„Nein. Warum? Ich arbeite doch erst ab 16.30 Uhr.“
„Sie sind gesehen worden. Im Treppenhaus, als Sie aus dem Keller kamen.“
Uschi lief rot an. Verdammt. Sie war so sicher gewesen, dass sie niemand bemerkt hatte. Dabei war es lächerlich. Den ganzen Vormittag hatte sie ihr Portemonnaie gesucht, hatte sämtliche Taschen und Jacken danach durchwühlt, ohne Erfolg. Um 14.15 Uhr war sie zur Firma gefahren, um im Serviceraum nachzusehen. Weil es ihr peinlich war, schon wieder ihr Portemonnaie verlegt zu haben, hatte sie sich durch den Nebeneingang am Empfang vorbeigeschlichen. Aber schon auf der Kellertreppe hörte sie Holtmanns Stimme heraufschallen. Diesem aufgeblasenen Kerl wollte sie bestimmt nicht über den Weg laufen. Sie hatte kehrt gemacht und war unverrichteter Dinge zurück gefahren.
„Sie machen es uns nicht einfacher, wenn Sie schweigen“, hörte sie ihn sagen. Wenn sie jetzt die Wahrheit erzählte, würde er wieder die falschen Schlüsse daraus ziehen. Doch was blieb ihr übrig?
Weinrich beobachtet sie immer noch forschend. „Nun reden Sie schon!“, forderte er sie auf. „Wir können auch zur Wache fahren.“
„Ich habe mein Portemonnaie gesucht“, gab sie schließlich betreten zu.
„Und dabei sind Sie auf Holtmann gestoßen?“
„Nein. Ich meine, ich habe ihn nicht gesehen. Nur gehört.“
Weinrich zog eine Braue hoch. „Wissen Sie was? Das hier wird länger dauern. Sie kommen erst mal mit.“
Er führte sie am Arm zum Beifahrerseite seines Wagens. „Sie sollten einen Anwalt hinzuziehen“, schlug er vor. „So, wie es aussieht, steht alles gegen Sie. Gelegenheit, Motiv und Tatwaffe. Alles ist vorhanden.“
 



 
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