David Winterhurst
Mitglied
Es macht noch immer keinen wirklichen Spaß, mit dir zu frühstücken.
Ein paar Stückchen Obst. Und dein Müsli nimmst du aus einem Gefäß, welches meine Mutter mir einst mit dem Gedanken schenkte, ich könne dort hinein benutzte Teebeutel legen. - „Benutzte Teebeutel werfe ich weg. Die lege ich nicht erst irgendwohin, höchstens ins Spülbecken. Aber das Schälchen ist süß. Vielleicht kommt ja mal eine anorexische Freundin zu Besuch, die dort heraus ihr Müsli essen will.“
Also bin ich im Grunde noch froh darüber, zu sehen wie du es benutzt. Denn ich selbst esse überhaupt nie Müsli, nicht mal solche Zwergenportionen wie du sie dir gerade reindrückst.
Die Frage, ob wir draußen auf dem Balkon frühstücken wollen. Ich habe sie wohl eher provisorisch gestellt, wollte etwas ganz anderes durch sie erfahren, und ich schätze ich hab es auch.
Mahlzeiten gemeinsam mit anderen Menschen, einander an Tischen gegenüber sitzend, sind dir also noch immer zuwider. Das hat gar nichts mit der Kälte dieses Frühlingsmorgens zu tun, an dem schon um kurz nach Sieben die Sonne wie Butze hier ins Fenster prasselt. Denn jetzt sitzt du ja doch fröstelnd dort draußen, trinkst deinen heiß dampfenden Kaffee und rauchst. Durchs Wohnzimmerfenster kann ich dich sehen. Und in der Kälte, dein starrer Körper, mit dem Fensterglas davor, siehst du aus wie eingefroren in einem Block aus Eis, als ginge dich die Welt nun gar nichts mehr an.
Ein stummer Widerwille gegen diese Welt spricht aus den verbissenen Bewegungen, mit denen du Zigarette und Tasse abwechselnd zu deinen Lippen führst. Und eine verzweifelte Suche strahlt matt aus deinem Blick. Ich fürchte nur, dass was du suchst schon vor sehr langer Zeit aus deinem Leben verloren gegangen ist.
Ich glaube, du hast in diesem Land hier mehr Kliniken als Schulen gesehen. Dabei mochtest du schon die nicht, kamst nie ran an diese Seite der Welt und ihre Menschen. Ganz ähnlich mir, der ich gerade das so sympathisch fand und dir meine Freundschaft anbot, formuliert als Mixtape mit Songs von Lisa Germano und The Smiths. Ich erinnere mich noch genau wie du mich angesehen hast, als ich es dir in die Hand drückte. Als hätte sich Gott aus dem Himmel gebeugt, dir eine Schrotflinte in die Hand gelegt und lächelnd gesagt „Tu’s. Tu einfach wonach dir ist.“ So jedenfalls beschreibst du es mir bis heute. Und ich hör es gern.
Dabei waren wir einander viel unähnlicher als ich damals hätte glauben können. Nicht nur, weil du mit anderen Jungs mitgingst und mir so unbemerkt (oder vorsätzlich?) das Herz brachest. Sondern weil ich irgendwann einen verschlungenen Pfad durch die Welt fand und erkannte, dass du all die Zeit durch eine ganz andere Dunkelheit getappt bist als ich. „Was ist hier nur los?“ fragtest du mich in solch alltagstragischen Momenten immer wieder. „Ich weiß nicht. So ist es eben“, gab ich zur Antwort. Doch du sagtest kopfschüttelnd „Nein, nein“, konntest das nicht einfach so schlucken, schlucktest irgendwann gar nichts mehr, weil du magersüchtig wurdest.
Mir ist das zu früh für Kippen und Koffein. Aber wie ich dich da draußen sitzen sehe, will ich dir Gesellschaft leisten, oder dir wenigstens eine Strickjacke bringen.
Du siehst mich nicht mal an, als ich hinaus auf den Balkon trete. Erst als ich dir die Wolldecke um den Rücken lege, zwinkerst du mir mit verkniffenen Lippen und im Wind wehenden Haarstränen entgegen. „Setz dich zu mir“, sagt dieser Blick, und ich tue es.
„In Kanada“, sagst du, „also da wo ich dann bin. Da kann man wohl manchmal am Morgen sehen, wie Nebel von den umliegenden Wälder aufsteigt. Das soll wunderschön sein.“
„Ich kann es mir vorstellen.“ Und in dieser meiner Vorstellung ist es ein Nebel, der mit leisem Zischen von einem Block Eis empor schwebt. Dann knackt dieses Eis, reißt, bricht und schmilzt. Schmilzt dich frei, so hoffe ich.
Ein paar Stückchen Obst. Und dein Müsli nimmst du aus einem Gefäß, welches meine Mutter mir einst mit dem Gedanken schenkte, ich könne dort hinein benutzte Teebeutel legen. - „Benutzte Teebeutel werfe ich weg. Die lege ich nicht erst irgendwohin, höchstens ins Spülbecken. Aber das Schälchen ist süß. Vielleicht kommt ja mal eine anorexische Freundin zu Besuch, die dort heraus ihr Müsli essen will.“
Also bin ich im Grunde noch froh darüber, zu sehen wie du es benutzt. Denn ich selbst esse überhaupt nie Müsli, nicht mal solche Zwergenportionen wie du sie dir gerade reindrückst.
Die Frage, ob wir draußen auf dem Balkon frühstücken wollen. Ich habe sie wohl eher provisorisch gestellt, wollte etwas ganz anderes durch sie erfahren, und ich schätze ich hab es auch.
Mahlzeiten gemeinsam mit anderen Menschen, einander an Tischen gegenüber sitzend, sind dir also noch immer zuwider. Das hat gar nichts mit der Kälte dieses Frühlingsmorgens zu tun, an dem schon um kurz nach Sieben die Sonne wie Butze hier ins Fenster prasselt. Denn jetzt sitzt du ja doch fröstelnd dort draußen, trinkst deinen heiß dampfenden Kaffee und rauchst. Durchs Wohnzimmerfenster kann ich dich sehen. Und in der Kälte, dein starrer Körper, mit dem Fensterglas davor, siehst du aus wie eingefroren in einem Block aus Eis, als ginge dich die Welt nun gar nichts mehr an.
Ein stummer Widerwille gegen diese Welt spricht aus den verbissenen Bewegungen, mit denen du Zigarette und Tasse abwechselnd zu deinen Lippen führst. Und eine verzweifelte Suche strahlt matt aus deinem Blick. Ich fürchte nur, dass was du suchst schon vor sehr langer Zeit aus deinem Leben verloren gegangen ist.
Ich glaube, du hast in diesem Land hier mehr Kliniken als Schulen gesehen. Dabei mochtest du schon die nicht, kamst nie ran an diese Seite der Welt und ihre Menschen. Ganz ähnlich mir, der ich gerade das so sympathisch fand und dir meine Freundschaft anbot, formuliert als Mixtape mit Songs von Lisa Germano und The Smiths. Ich erinnere mich noch genau wie du mich angesehen hast, als ich es dir in die Hand drückte. Als hätte sich Gott aus dem Himmel gebeugt, dir eine Schrotflinte in die Hand gelegt und lächelnd gesagt „Tu’s. Tu einfach wonach dir ist.“ So jedenfalls beschreibst du es mir bis heute. Und ich hör es gern.
Dabei waren wir einander viel unähnlicher als ich damals hätte glauben können. Nicht nur, weil du mit anderen Jungs mitgingst und mir so unbemerkt (oder vorsätzlich?) das Herz brachest. Sondern weil ich irgendwann einen verschlungenen Pfad durch die Welt fand und erkannte, dass du all die Zeit durch eine ganz andere Dunkelheit getappt bist als ich. „Was ist hier nur los?“ fragtest du mich in solch alltagstragischen Momenten immer wieder. „Ich weiß nicht. So ist es eben“, gab ich zur Antwort. Doch du sagtest kopfschüttelnd „Nein, nein“, konntest das nicht einfach so schlucken, schlucktest irgendwann gar nichts mehr, weil du magersüchtig wurdest.
Mir ist das zu früh für Kippen und Koffein. Aber wie ich dich da draußen sitzen sehe, will ich dir Gesellschaft leisten, oder dir wenigstens eine Strickjacke bringen.
Du siehst mich nicht mal an, als ich hinaus auf den Balkon trete. Erst als ich dir die Wolldecke um den Rücken lege, zwinkerst du mir mit verkniffenen Lippen und im Wind wehenden Haarstränen entgegen. „Setz dich zu mir“, sagt dieser Blick, und ich tue es.
„In Kanada“, sagst du, „also da wo ich dann bin. Da kann man wohl manchmal am Morgen sehen, wie Nebel von den umliegenden Wälder aufsteigt. Das soll wunderschön sein.“
„Ich kann es mir vorstellen.“ Und in dieser meiner Vorstellung ist es ein Nebel, der mit leisem Zischen von einem Block Eis empor schwebt. Dann knackt dieses Eis, reißt, bricht und schmilzt. Schmilzt dich frei, so hoffe ich.