Morandi (Villanelle)

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Den Zwischenraum im Raum bringt er zum Schwingen,
als wär er auf der Leinwand nicht gebannt.
Ein Atmen dringt aus unbelebten Dingen.

Die Farben zart und fein wie Vogelsingen -
als Schwebezustand hat er sie erkannt.
Den Zwischenraum im Raum bringt er zum Schwingen.

Kein Pinselstrich verrät des Malers Ringen;
die Leichtigkeit will nicht in den Verstand!
Ein Atmen dringt aus unbelebten Dingen.

Weil Blicke sonst in Zierrat sich verfingen,
zeigt "Zeuge" er im schlichtesten Gewand.
Den Zwischenraum im Raum bringt er zum Schwingen.

Als wüsste er, dass, wenn sie fertig hingen,
sich in den Bildern seine Welt befand.
Ein Atmen dringt aus unbelebten Dingen.

Die Vasen, Kannen, Krüge - alle klingen
auf Stillleben gemalt von seiner Hand.
Den Zwischenraum im Raum bringt er zum Schwingen.
Ein Atmen dringt aus unbelebten Dingen.







.okt_2022


Anmerkung: "Zeuge" - Morandi malte nicht beliebige Objekte, sondern "Zeuge" (im heideggerschen Sinne) - von Menschen gefertigte Gebrauchsgegenstände, für menschliche Bedürfnisse und menschliche Proportionen gemacht. Der Bezug zu menschlichen Bedürfnissen ist immer Thema in seinen Stillleben.
 
Zuletzt bearbeitet:

Schreibfan

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Ich kenne mich mit Villanellen nicht so aus, aber das Gedicht scheint mir gelungen. Du schaffst starke Bilder und besonders den Satz "die Leichtigkeit will nicht in den Verstand" finde ich sehr tiefsinnig.
LG, Schreibfan
 

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Ich kenne mich mit Villanellen nicht so aus, aber das Gedicht scheint mir gelungen. Du schaffst starke Bilder und besonders den Satz "die Leichtigkeit will nicht in den Verstand" finde ich sehr tiefsinnig.
LG, Schreibfan

Besten Dank, Schreibfan!

Wenn sich beim Lesen nichts gespießt hat, hab ich wohl keine metrischen Unreinheiten eingebaut (manchmal betont man ja selbst beim Schreiben, weil man weiß, wie man das Metrum haben möchte, künstlich gebeugt und somit eigentlich falsch). ;)
Freut mich, dass dir die Bilder gefallen.

LG,
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