Mordspläne

Jens Rohrer

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Immer wieder hört und liest man ja von häuslicher Gewalt. Hier ist natürlich nicht die Gewalt gemeint, wenn sich jemand Ledersachen anzieht und seinem Partner oder seiner Partnerin tüchtig den Popo verhaut. Man hört ja munkeln, dass das dem einen oder anderen sogar Freude bereitet. Selbst dem mit dem roten Hinterteil.
Es passiert jedoch wohl gar nicht so unhäufig, dass Menschen dem Objekt ihrer Zuneigung physische Gewalt antun. Da gibt es Beschimpfungen, Schläge und sogar vor Mord schrecken manche nicht zurück. Nur in den aller- allerseltensten Fällen begreift so jemand das Verhalten seiner oder ihres Liebsten als Chance. Wie zum Beispiel im Fall des US-Amerikaners John Wayne Bobbit, dem von seiner Gattin im Schlaf mit einem Messer der Penis abgetrennt wurde. Daraufhin machte die Dame eine kleine Spazierfahrt und warf hierbei John´s Pillermann aus dem Autofenster. Lorena bekam dann aber doch ein schlechtes Gewissen und benachrichtigte die Polizei. Das Glied wurde gefunden, auf Eis gepackt und seinem Besitzer wieder angenäht. Dieser wurde daraufhin der Star in mehreren Erwachsenenfilmen. Ob "Bobbit uncut" ein cineastisches Highlights darstellt, ist indes höchst umstritten.
Natürlich glaubt man immer, einem Selbst könne derartiges niemals zustoßen. So einem rabiaten Frauenzimmer sieht man doch gleich an, das sie nur darauf wartet, einen zum Sonnenbrillenträger zu machen. Und die Wahrscheinlichkeit, ausgerechnet an eine Giftmörderin zu geraten, erachte ich als allzu gering.
Aber wie es allzu oft kommt bei Dingen, von denen man glaubt, sie stießen nur anderen zu: Irgendwann kommen sie mit aller Macht. Zu Beginn war es mit meiner neuen Liebschaft noch harmlos. Hin und wieder landete auf dem Sofa oder im Bett ihr Ellenbogen auf meiner Nase, in der Magengrube oder dort, wo es ganz besonders weh tut. Ich schob dies natürlich immer wieder auf ihre Ungeschicklichkeit und glaubte ihr, dass sie es keinesfalls mit Vorsatz tat. Als sie mir aber einmal ihre vierzig Zentimeter lange Holzbürste, mit der sie sich immer am Rücken kratzte, krachend auf den Hinterkopf schlug, begann ich zu zweifeln. Wenige Tage später ereignete sich dann, was ich nur noch als Mordversuch einzustufen in der Lage bin.
Man muss wissen: Meine Partnerin besitzt ein Pferd. Das klingt soweit kaum gefährlich. Doch was sich an jenem verhängnisvollen Tag abspielte, überlebte ich nur mit knapper Not.
Eines Nachmittags fragte sie mich, ob ich sie begleiten wolle, der Hufschmid käme, das dauere nur ein paar Minuten und ich könnte warten. Sie drückte mir noch eine Plastiktüte mit Karotten in die Hand und verfrachtete mich ins Auto. Kurz darauf stand ich, immer noch in Besitz der Tüte, mitten auf einer Pferdekoppel und wartete darauf, dass meine Herzallerliebste zurückkam. Es sei noch erwähnt, dass ich Pferde bestenfalls aus Filmen kannte. Auch waren in meinem Gehirn das Konzept "Pferd" und das Konzept "Mohrrübe" klar von einander abgetrennt und absolut nicht vereinbar. So war ich etwas verwundert, dass sogleich ein Rappe direkt auf mich zukam. Als er nur noch etwa drei Meter entfernt war, sagte ich: "Okay, das ist jetzt nah genug.", und "Brrrr". Beides mit meiner besten John Wayne-Stimme. Im Western folgten die Viecher aufs Wort. In der Realität nicht. Schon bald spürte ich seinen Atem an meiner Schulter und er fing an, mich mit seiner Schnauze anzustupsen. Ich brrrrte abermals, aber das Stupsen wurde nur noch intensiver. Zu allem Überfluss hatten mich jetzt auch ein Schimmel und ein Fuchs vom anderen Ende des Geheges bemerkt und hielten ebenfalls auf mich zu. Ich schrie um Hilfe. Die wenigen Frauen, die in einiger Entfernung ihre Tiere versorgten, reagierten aber nicht. Das war eine feindliche Welt. Frauen und Pferde. Hätte ich als Kind nur mal in eine Wendy-Zeitschrift hineingesehen, dann wüsste ich jetzt vielleicht, was zu tun wäre. Fuchs und Schimmel hatten mich mittlerweile erreicht und begannen, in das Gestupse des anderen einzustimmen. Ich wurde langsam panisch, begann zu schwitzen, wägte meine Optionen ab. Weglaufen war Blödsinn. Gefressen werden aber auch. Ich rief abermals um Hilfe. Wieder keine Reaktion. Ich wünschte, wenigstens das rote Pferd würde sich umkehren. Toll. Jetzt hatte ich auch noch einen Ohrwurm von einem Kinderfaschingslied. Daa Daa da daa dada dadadadaa dada. Gabs auch von der Piaf. Milord. Gleiche Melodie, aber schon besser. "Ich bin nur ein Mädchen vom Hafen, ein Schatten der Straße." Ein bisschen Poesie zwischen stinkenden Pferdeleibern.
Ein Biss in meinen linken Unterarm holte mich in die grausame Realität zurück. Ich dachte, die fressen Gras. "Hilfe!", diesmal brüllte ich es und riss die Arme in die Höhe. Am linken hing immer noch die Tüte mit den Möhren. Der Groschen fiel endlich und ich warf sie in hohem Bogen weg von mir. Die Meute ließ von mir ab, ich sprintete in Richtung Gatter und kletterte so behende und schnell darüber, dass, wenn ein Kapuzineräffchen anwesend gewesen wäre, es zumindest anerkennend genickt hätte.
Zitternd steckte ich mir eine Zigarette an und wartete auf meine Herzensdame, die auch wenig später angeschlendert kam.
"Was ist denn mit dir los?", fragte sie.
"Die, die haben mich angegriffen.", stotterte ich.
"Achja, du hattest ja die Möhren." Sie sagte das ganz beiläufig.
"Du wusstest doch ganz genau, was passieren würde!", schrie ich.
"Ach, das sind doch nur Pferde."
"Nur Pferde? Nur Pferde?", plärrte ich, hyperventilierte ein wenig und beruhigte mich dann etwas.
Natürlich. Sie wollte es wie einen Unfall aussehen lassen. Aber nicht mit mir. Für das nächste Wochenende schlug sie eine Gebirgswanderung vor. Klar. Abgründe und Kühe. Ich wurde pünktlich am Freitagnachmittag krank. Und ich wehre mich seither erfolgreich gegen alle Unternehmungen, die Gefahr versprechen. Trennen kann ich mich ja nicht.
Sie würde mich finden.
 



 
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