morgen ! (Terzine)

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Tula

Mitglied
morgen!


Als sich die Sonne heute im Büro
recht unerhört auf deinen Bildschirm warf,
war ich sofort wie sonst der erste am Rolleau,

um mich sogleich um deinen Grundbedarf
an freier Zeit zu sorgen. Arbeit macht
ja Spaß, und deine gar(!) erst richtig affen-scharf.

Ich hätt' auch deinen Chef längst umgebracht
und hab' die Tat im Traum x-mal erprobt.
Doch brächten dich die Furien hier in Verdacht,

so hab' ich dich bei ihm nur hochgelobt.
Ach! Bin ich dir wie Himbeertorte, sahnst
du ab und lässt versauern was im Innern tobt!

Wenn du mich morgen wieder gähnend mahnst,
dass dir fast jeder aus den Händen frisst,
dann frage ich dich - Hand auf's Herz! - ob du wohl ahnst

Ähm ... wie spät es ist ...
 

KUKU

Mitglied
Hallo Tula,
inhaltlich ok.

Bei der Zeile mit Furien komme ich ins stocken.
Sowohl klanglich, als auch von der Metrik her.

Furien Xxx
Aber mag an mir liegen.

LG KUKU
 

Tula

Mitglied
Hallo KUKU

Danke für dein feedback. Was die Stelle anbelangt, ich lese sie metrisch gesehen so:

Doch brächten dich die Furien hier in Verdacht

d.h. eine Hebung wird unterdrückt, was dem Rede- bzw. Lesefluss eigentlich nicht schadet; es soll ja auch nicht leiern. Ansonsten ginge:

Doch brächten dich die Neiderinnen in Verdacht

was mir aber weniger gefällt, weil das 'hier' mit Bezug auf den Arbeitsort (Büro) irgendwie doch hineingehört.

Und wer mit den Furien gemeint ist, kann dir Herr/Frau Anonym mit Sicherheit verraten :)

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Der Sprachfluß, Tula,

ist ja alltäglich-locker. Schon so gesehen darf man es wie Prosa runterlaufen, es klemmt nicht im Zweiertakt fest, sondern kann weiträumiger als Vierer oder Achtertakt gelesen werden, so daß Nebenbetonungen zwischen den Unbetonten platzhaben.

Es wird auch dadurch aufgelockert, daß die jeweils dritte Terzinenzeile einen Versfuß länger ist, eine Art melodisch freieren Ausklingens. Die musikalische Form, in der die Alltagsrede wie Miles the Voodoo down runs. Ich mags.

grusz, hansz
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

Vielen Dank! und vor allem für die Analyse mit Bezug auf den sprachlichen Teil der Sache. Denn die Terzine gehört nicht unbedingt zu den leichten Herausforderungen, gerade weil die Verschachtelung von jeweils drei Reimpaaren schnell zu dichterischen Verkrampfungen führt, nicht selten auf Kosten eines inhaltlich in sich geschlossenen Gesamtbildes, der Text wirkt 'reimgebogen' usw.

Die Idee mag manchen Lesern als ziemlich albern und überspitzt erscheinen; dennoch geht es um ein recht alltägliches, zwischenmenschliches 'Problem', wenn man es überhaupt als solches bezeichnen darf. Nennen wir es mal nicht Liebe, sondern einfach nur Zuneigung, der unwiderstehliche Wunsch, sich dem Objekt derselben als liebe- und aufopferungsvoller Freund zu erweisen, wo ein offenes sich-Erklären aus verschiedenen Gründen unmöglich und wie hier von der Kollegin auch gar nicht erwünscht ist.

Mag es sein, dass sich Lyri als Karikatur seiner selbst auf den Arm nimmt?

Ist's nicht recht offen bar die Zauberfee?
Vielleicht sogar Kalypso ... ach!
Nur sieben Jahre blieb' ich gern bei ihr ...

Dankend lieben Gruß

Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Federleichte Enjambements - bei Terzinen besonders gefährdet, wenn man sie verstolpert.

Kleinschreibung des Titels...auf morgen! schon in Vers 1 heute - hm...

Die Angesprochene kommt mir am Ende entschieden zu gut davon...Hand auf's Herz; da hätte die Himbeertorte sich durchaus zum Husten provozierenden Sandkuchen wandeln können.

'Ähem' machte wohl die Senkungskette aller Versanfänge deutlicher.

Aber ich habe das Gedicht mit großem Vergnügen gelesen!

Es grüßt
Dyrk
 

Tula

Mitglied
Hallo Dyrk

Vielen Dank für deinen Kommentar und Bewertung, hab' mich sehr gefreut :)

Zur Schönen - trotz meiner abschließenden Bemerkung im Kommentar weiter oben, hier ist keine 'bestimmte' gemeint, nein, es geht um Lyri als Büro-Kavalier, der die Dinge aus SEINER Sicht beschreibt. Denn die Dame möchte ihm vielleicht gern mal sagen, dass er ihr hin und wieder auf die Nerven geht (?).

Es ist nun mal so, dass Zuneigung nicht unbedingt Zuneigung erzeugt, und zu viel Freundlichkeit bewirkt unter Umständen genau das Gegenteil.

Wie leicht wäre das Leben, wenn es nicht so wäre ...

LG
Tula
 



 
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