Motivation Nudging Sich auf Positives fokussieren

Heike Bauer

Mitglied
Sich auf Positives fokussieren

Es war einer dieser Tage, an denen alles schiefging. Als ich mit meiner Freundin durch die Fußgängerzone schlenderte, hatte ich schon längst genug von der ganzen Shoppingtour. Die Preise stiegen, meine Laune sank, und jede Entscheidung schien mir schwerer zu fallen als die letzte. Doch meine Freundin, völlig unbeeindruckt von meinem Stimmungstief, beschloss, ihren „positiven Vibe“ zu verbreiten – und das mit einer Intensität, die mich fast zur Verzweiflung trieb.
„Ich bin dankbar für alles, was ich habe“, murmelte sie immer wieder vor sich hin, als würde sie ein geheimes Mantra sprechen. Laut genug, dass jeder in unserer Nähe es hören konnte.

Ich starrte sie fassungslos an. Wurde sie verrückt? Hatte sie vor all den Passanten gerade unser kleines Stück Fußgängerzone in eine Bühne verwandelt? Ich fühlte mich unwohl. Die Blicke der Leute schienen an uns zu kleben.

Da war er wieder – dieser nervige Gedanke: Warum tut sie das? Warum muss sie mich mit so etwas in einer öffentlichen Situation konfrontieren? Ich wollte mich einfach verstecken.

Doch als meine Verzweiflung ihren Höhepunkt erreichte, als der Druck einfach zu groß wurde, begann ich den Satz „Jetzt ist es aber ausreichend!“ vor mich hin zu murmeln. Leise, fast unhörbar, aber entschlossen. Vielleicht hatte es etwas mit dem Rhythmus ihrer Worte zu tun. Vielleicht war es der Versuch, die Kontrolle zurückzuerlangen. Vielleicht war es aber auch ein winziges Experiment, um zu sehen, ob ich selbst etwas von dieser angeblichen „positiven Energie“ erhaschen konnte.

Und dann passierte etwas Unerwartetes. Nach einigen Minuten dieser scheinbaren Monotonie spürte ich eine leise Veränderung. Ein inneres Gefühl von Ruhe schlich sich in meinen Körper. Die Wut, die ich empfand, und die Ablehnung begannen zu schwinden. Die repetitive Qualität des Mantras schien meine Gedanken umzustrukturieren, mich von meiner negativen Spirale zu befreien und in einen ruhigen Zustand zu versetzen. Ich fühlte mich tatsächlich besser.

Plötzlich blieb ich stehen, drehte mich zu meiner Freundin und umarmte sie – einfach so, ohne ein Wort zu sagen. Ihre Reaktion war ein breites Grinsen. „Sag ich doch!“, rief sie triumphierend aus. Doch dann fügte sie mit einem spitzbübischen Lächeln hinzu: „Aber dein Satz … na ja, der ist nicht gerade der beste Weg, um positive Stimmung zu erzeugen. Vielleicht solltest du es mal mit mehr Energie probieren. Zum Beispiel: “Ich bin dankbar für alles, was ich habe!“

Da musste ich lachen. Hatte sie mich wirklich zum Umarmen gebracht, nur mit ein paar wiederholten Worten? Und in diesem Moment wurde mir klar: Es war nicht nur das Mantra gewesen. Es war der sanfte, fast unmerkliche Nudge, der mich in eine andere Denkweise geführt hatte.

Nudging funktioniert nicht immer auf den ersten Blick – und sicher nicht in einer lauten, öffentlichen Fußgängerzone. Aber dieser Moment zeigte mir etwas Entscheidendes: Manchmal sind es die kleinen, fast unmerklichen Veränderungen, die unser Verhalten beeinflussen können.

Es war nicht das laute Ich bin dankbar, das mich veränderte. Es war der sanfte Druck, den meine Freundin mir mit ihrer konstanten, unaufdringlichen Wiederholung ausübte. Die Monotonie des Mantras hatte einen tiefen, fast unbewussten Nudge ausgelöst, der es mir ermöglichte, in einen ruhigen Zustand zu kommen.


Ich verließ die Fußgängerzone mit einem neuen Gefühl – vielleicht nicht völlig verändert, aber definitiv leichter. Und wann immer ich jetzt in einem Moment der Frustration oder Negativität stecke, denke ich an den „Nudge“ meiner Freundin und ihr unaufhörliches Mantra: Ich bin dankbar für alles, was ich habe.

Auch kleine Schritte und sanfte Veränderungen können dazu führen, dass du das Licht am Ende des Tunnels siehst. Vielleicht ist es genau das, was du brauchst, um dich wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
 
Hallo Heike,
Deine Geschichte erinnert mich an einen Anruf bei einer Talkshow im Radio. Die Hörerin erzählte, dass sie einmal ein Buch gelesen hatte, einen Ratgeber, der die Leute versuchte darauf einzuschwören, alles positiv zu sehen. Wenn man morgens aufwachte, sollte man sich sagen: "Ich lebe hier in der schönsten Stadt der Welt und kann glücklich sein... Danach richtete sich sie sich jetzt. Und bei ihr funktionierte das. Sie sagte auch, wie das Buch hieß. Habe ich mir aber nicht gemerkt.
Gruß Friedrichshainerin
 

Heike Bauer

Mitglied
Hallo Friedrichshainerin,
wenn ich Affirmations- oder Mantra-Sprüche lese, vergesse ich sie meist gleich wieder. Ich glaube nicht an deren Wirkung- Wenn aber eine
60igjährige Frau einen halben Tag ständig neben dir brabbelt, kann man nicht entfliehen und wird schleichend aber stetig mit hineingezogen. Und er hat
funktioniert.
Liebe Grüße
 

Agnete

Mitglied
eine nett geschriebene Geschichte mit überraschendem Ausgang. Aber ob es vom Stil her eine Satire ist, da bin ich nicht sicher...
Humoristisch ? Eher ernst. Denn das Brabbeln der Freundin war ja keine Überhöhung, sondern echt.
Dennoch gerne gelesen von Agnete
 



 
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