Motorrad

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Beate warf einen prüfenden Blick in den Ganzkörperspiegel. Perfekt! Ihr Kleid saß ohne Falten, ihr Gesicht war es sowieso, das Make-up stimmte, ihr Haar schimmerte frisch gefärbt in einem warmen Blondton. Heute kam es darauf an. Heute, an diesem warmen Sommerabend. Zum dritten Mal holte Adrian sie ab, der Millionenerbe des Kosmetikkonzerns. Er war ein Kotzbrocken, aber er hatte Geld. Geld bedeutet Macht. Beate verfügte weder über Geld noch Macht. Sie verdiente ihre Brötchen als medizinische Fachangestellte bei einem Hautarzt und lebte zwar nicht schlecht, hatte aber keine Lust mehr auf Akne, Schuppenflechte und Nachsorge operierter Steißfisteln. Auf die Idee, sich weiterzubilden, kam sie nicht. Dann lieber ein reicher Macker, den sie zufällig – oder nicht? - im Urlaub in einer Strandbar auf Malle kennengelernt hatte. Offenbar suchte Adrian auch ein einfaches Mädchen, sagte sie sich. Und Beate konnte mit ihrem Aussehen punkten. Natürlich hatte sie gemerkt, weshalb Adrian noch Single war - er zeigte viele Macken.

Aber die Kohle ...

Auf ihrem Handy ploppte eine Nachricht auf "Warte unten auf dich - Überraschung!" las sie. Beate schnappte sich ihre Tasche und ging so schnell wie möglich auf ihren High Heels die Treppe herunter. Draußen traute sie ihren Augen nicht. Adrian saß nicht in seinem Cabrio, sondern auf einem dickem Motorrad und grinste sie an, einen Helm für sie bereit haltend. Beate verfluchte ihr enges Kleid. Wie sollte sie denn auf diese Maschine kommen? Doch Adrian ließ nichts gelten und so hockte sie sich auf den Bock. Dabei rutschte ihr Kleid sehr hoch und gab den Blick auf die Schenkel frei. Die Beine konnten sich sehen lassen, das wusste Beate nach zahllosen Pilates-Stunden, aber sie schämte sich trotzdem. Die High-Heels passten auch nicht so recht auf die Fußrasten, aber schließlich fuhren sie los.
Nach zehn Minuten berauschender Fahrt – Beate genoss es, ihre Arme um Adrians muskulösen Körper zu schlingen - erreichten sie ein romantisches Landgasthaus, das früher mal eine Windmühle gewesen war. Adrian führte sie in das geschmackvoll eingerichtete Restaurant und sie nahmen Platz. Eine Tischlampe tauchte beide in sanftes Licht. Sie setzten sich und Adrian ergriff Beates Hände, schaute ihr fest in die Augen und sagte: „ ..."


Der Klang des Martinshorns war ohrenbetäubend. Beate schreckte hoch. In der Nähe musste etwas passiert sein. Verwirrt blickte sie auf die Leuchtanzeige ihres Weckers. Schon 6 Uhr 45? Verdammt, in einer dreiviertel Stunde musste sie in der Praxis sein. Sie hatte komplett verschlafen und ärgerte sich. Hatte der Wecker nicht geklingelt oder hatte sie ihn nicht gehört? Das waren jetzt müßige Überlegungen. Sie schwang sich aus dem Bett, durchfuhr ihre graue Kurzhaarfrisur mit allen zehn Fingern und schlurfte ins Bad. Missbilligend warf sie einen Blick in den Spiegel. Sie wurde immer älter. Fetter. Und überhaupt … Ihr Handy klingelte. Sie rannte zurück ins Schlafzimmer und sah auf dem Display „ Stefan“. Ihr Schwiegersohn. Er fragte ohne Umschweife: „Kannst du die Kinder hüten? Nach der Arbeit? Wir sind beide aushäusig, hat sich so ergeben, denn ich muss mein Motorrad zur Reparatur bringen. Hatte einen kleinen Unfall!“ „Klar“, antwortete Beate zerstreut, „bin um 14 Uhr da. Muss mich jetzt aber sputen, habe verschlafen. Ausgerechnet heute … es kommen nämlich zwei Steißfisteln zur Nachsorge. Also, bis später“, rief sie und rannte zurück ins Bad. Unter der Dusche dachte sie: "Moment! Motorrad? Da war doch irgendetwas letzte Nacht mit einem Motorrad. Und viel Schönheit. Oder nicht?"
 
Zuletzt bearbeitet:
Amüsante Geschichte, ich bin tatsächlich bis zum Schluss nicht darauf gekommen, dass es sich um einen Traum handeln könnte. Sehr anschaulich beschrieben.
 

anbas

Mitglied
Moin,

ein paar Kleinigkeiten:
und grinste sie an,
Hier schenke ich Dir ein "t"
würde ich so schreiben:
und sagte: „ ..."
Und überhaupt …Ihr Handy klingelte
rief sie und rannte endlich zurück ins Bad.
Und dann würde ich noch ihre Gedanken, also nach "dachte sie:" in Anführungsstriche setzen.

Insgesamt habe ich die Geschichte gerne gelesen.

Liebe Grüße

Andreas
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Vielen Dank für die Verbesserungsvorschläge, die ich übernommen habe.

Freut mich mit dem "gerne gelesen"!
 



 
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