Mütter unter sich

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Freitagmorgen, 10 Uhr, Zeit für die wöchentliche Spielgruppe.
Die Leiterin bereitet schon mal alles für das heutige Treffen vor: Verteilt Kellogs in Schüsseln, denn mit denen sollen die Kinder heute "kochen", deckt den Frühstückstisch für alle, breitet Spielzeug auf dem Boden aus.

Einzug der Mütter. Fast alle haben zwei Kinder, das ältere ist im Kindergarten, mit dem zweiten gehen sie in diese Spielgruppe: Kontakte pflegen, ihre Probleme in dieser Selbsthilfegruppe besprechen, eine Zeitlang Ruhe vor ihren Kindern haben.

Mutter 1, ein echtes Vollblutweib. Perfekte Rundungen trotz zweier Schwangerschaften, tiefes Dekollete, geschminkt, rote Fingernägel. Ihre Tochter zieht sie hinter sich her. Diese sieht aus wie aus einem Kindermodekatalog.

Mutter 2, der einzig wahre Öko-Freak. Fingernägel und Haare mit Henna gefärbt, letztere einfach im Nacken zusammengebunden, sie trägt raue Baumwollkleidung. Ihr Kind bekommt selbstgeschrotetes Müsli. Es wird die Kellogs unter gar keinen Umständen essen dürfen.

Mutter 3, alleinerziehende Männerhasserin. Sie fühlt sich ständig überfordert, ihre Kinder laugen sie aus. Sehnt sich nach männlicher Unterstützung, würde sich aber lieber die Zunge abschneiden lassen als dieses zuzugeben. Ihr Kind ist nervig. Stört Fingerspiele, ärgert seine Mutter, zieht so ihre negative Aufmerksamkeit auf sich. Na, besser als gar keine. Das hat die Kursleiterin gut verständlich erklärt. Im monatlich stattfindenden pädagogisch gefärbten Elternabend. Damit auch alle etwas davon haben.

Mutter 4, die als Lehrerin arbeitet. Sie kann deshalb nur die halbe Zeit dableiben. Dann wird sie von der Tagesmutter abgelöst. Das bedeutet einen halbstündigen Heulkrampf für ihren Sohn. Ist ihr egal. Sie muss arbeiten, da sie sich sonst nicht vollwertig vorkommt. Hat alle sehr verblüfft, weil sie während des Elternabends bekannte:" Ich konnte nie Ja zu meinen Kindern sagen!". Hat aber immer das beste (Holz)Spielzeug besorgt. Im letzten Halbjahr kam das Kind mit der Tagesmutter neu in die Spielgruppe. Niemand bemerkte zunächst, dass die Mutter nur eine für den Tag war...bis die echte Mutter nach ihrer Arbeit auftauchte. Das Kind sieht nämlich beiden ähnlich. Und schmiegt sich auch an beide.

Mutter 5, ein Hausmütterchen par excellence. Sie hat als Einzige drei Kinder, was sie zur Außenseiterin macht. Kann die nicht verhüten? Aber nein, sie hat auch noch die Frechheit, ein geplantes Kind zu bekommen. Jetzt rätseln die anderen Mütter, wer falsch gepolt ist: Sie oder diese Mutter?

Mutter 6, ehemalige Bankerin und die älteste Mutter. Perfekt gestylt, aber ihr Kind hat noch Frühstücksspuren am Mund. Diese Frau ist sehr spät Mutter geworden und weiß nicht, ob das richtig war. Bemüht sich aber sehr um ihr Kind. Will alles richtig machen.


Die Frauen reden durcheinander. Jede weiß besser, wie man ein Kind erzieht. Jede schwärmt, dass ihr Kind durchschläft, gut isst, trinkt und selten krank ist. Jede neigt zur absoluten Selbstdarstellung und -überschätzung. Kein Mann ist dabei, keine spricht über ihren Mann, wenn sie einen hat. Hier haben Männer keinen Zutritt. Eine geheimnisvolle Welt, in der irgendetwas zählt, was niemand benennen kann.

Nur die Kinder sind glücklich. Sie spielen zusammen, sie streiten sich auch, aber sie vertragen sich wieder. Ein Mädchen füttert das Öko-Kind heimlich mit Kellogs.

Ihre Mütter werden sich niemals verstehen. Anstatt Solidarität zu üben, verzehren sie sich in endlosen Diskussionen und mögen sich alles andere als gern.

Das gibt natürlich keine zu....
 
U

USch

Gast
Hallo Doc,
Vater 1: Ich war dabei vor vielen Jahren. Hast alles gut beobachtet, schön sarkastisch geschildert. Aber so war´s.
LG USch
 

Paloma

Mitglied
Hallo DocSchneider,

Kurzprosa? Für meinen Geschmack jetzt nicht – eher Satire, dafür aber nicht spritzig und übertrieben genug. Du bedienst wirklich jedes Klischee – lässt keines aus. Schade, ich meine, da könnte man deutlich mehr draus machen. Ich hätte mir einen Überraschungsmoment gewünscht, etwas vollkommen Unerwartetes. Aber so ist es für mich nichts anderes, als eine Erinnerung wie viele andere auch.

Liebe Grüße
Paloma
 
U

USch

Gast
Hallo Paloma,
die Klischees holen manchmal die Realität ein und sind Satire für sich. Als Kurzprosa finde ich das akzeptabel. Als Basis für eine Kurzgeschichte könnte mehr Schärfe und ein Handlungsplot natürlich nicht schaden.
LG USch
 

Paloma

Mitglied
Hallo Usch,

dann definiere doch bitte mal Kurzprosa nach den Regeln der Schreibkunst. (und am besten auch gleich Satire und Kurzgeschichte) :)) das würde nämlich nicht schaden, in letzter Zeit lese ich hier fast ausschließlich (auto)biografisches.

@doc - sorry für OT

Liebe Grüße
Paloma
 
U

USch

Gast
Hallo Paloma,
das viele Autobiographische nervt mich auch, zumal es oft noch sehr gute Bewertungen bekommt. Ich schreibe allerdings manchmal gern im Präsens, so dass es vielleicht autobiographisch wirkt, aber nicht ist. Ich weiß nicht, ob das andere auch machen - vermutlich ja.
Eine Definitionsdiskussion gehört nicht an diese Stelle, eher ins Forum Lupanum. Ist aber wohl eher unergiebig.
so long USch
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Paloma, das ist keine Satire, sondern fast die abgebildete Realität. Von daher erschien mir die Einordnung unter Kurzprosa (ich hielt mich an den Forentext) am passendsten. Der Schluss gefällt mir selbst noch nicht ganz, aber mal sehen, ob ich da noch einen Geistesblitz bekomme. Sonst muss ich nochmal in eine Spielgruppe gehen.;-)
Eine gute Geschichte kann ruhig autobiographisch sein, aber sie muss so geschrieben sein, dass man es nicht weiß. Oder wissen kann. Nur Autobiographisches nervt mich auch, denn ein Forum verkommt dann zum reinen Psychoclub.
Vielen Dank für die Beschäftigung mit dem Text!
LG Doc
 

Paloma

Mitglied
[blue]Einen schönen, guten Morgen Doc,[/blue]
das ist keine Satire, sondern fast die abgebildete Realität.
[blue]so habe ich es ja auch aufgefasst. Wie ich schrieb, für eine Satire nicht spitz genug.[/blue]
Von daher erschien mir die Einordnung unter Kurzprosa (ich hielt mich an den Forentext) am passendsten.
[blue]Hier fehlt eindeutig ein Forum: (auto)biografisch.
Schon alleine, damit ich einen Bogen drum machen kann ;)
Der Forentext stellt meiner bescheidenen Meinung nach nicht eindeutig die Form der Kurzprosa dar. Kurzprosa hat (ebenso wie Kurzgeschichten) nichts mit der Länge einer Geschichte zu tun – sehr wohl aber mit Struktur und Inhalt. [/blue]
Der Schluss gefällt mir selbst noch nicht ganz, aber mal sehen, ob ich da noch einen Geistesblitz bekomme. Sonst muss ich nochmal in eine Spielgruppe gehen.;-)
[blue]Lieber nicht – lieber deiner Fantasie freien Lauf lassen, sonst bist du wieder in einer Biografie. Lass es doch krachen und knallen. Kein Leser hat Anspruch auf Realität und die meistens wollen das auch gar nicht – Realität haben ganz viele im Alltag genug und genau der will man doch entfliehen.[/blue]
Eine gute Geschichte kann ruhig autobiographisch sein, aber sie muss so geschrieben sein, dass man es nicht weiß. Oder wissen kann.
[blue]Da stimme ich dir zu. Schlimmer finde ich persönlich allerdings, wenn eine erfundene Geschichte so daher kommt, dass man gleich ziemlich überzeugt davon ist, dass sie (auto)biografisch ist. Dann fehlt nämlich z.B. der Spannungsbogen oder eine Pointe (letzteres muss nicht immer sein) oder eben überhaupt eine neue/überraschende Aussage.

@usch: das hat nichts mit dem Ich-Erzähler zu tun.
[/blue]
Nur Autobiographisches nervt mich auch, denn ein Forum verkommt dann zum reinen Psychoclub.
[blue]Und nochmal stimme ich dir zu![/blue]
Vielen Dank für die Beschäftigung mit dem Text!
[blue]Sehr gerne – bin gespannt, ob du noch was andres daraus machst.

Liebe Grüße
Paloma[/blue]
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Paloma, es stimmt, dass die Definition von Kurzprosa schwammig ist, deshalb habe ich sie gewählt. ;-) Allerdings soll mein Text einfach nur kurze Schlaglichter auf die jeweiligen Mütter werfen. So wie spitze Nadelstiche. Ein überraschendes Ende muss mir noch einfallen. Ich arbeite mal dran. ;-)
USch schrieb: "So war's". Ja, so war's. Falls Du jemals dort gewesen sein solltest, weißt Du, was ich meine.
Die besten Geschichten sind für mich die, die so aussehen, als seien sie autobiographisch, es aber nicht sind, weil sie ausgeschmückt wurden. Dadurch gerät der Leser ins Dauergrübeln: Was ist eigentlich wahr?! ;-)
Wenn Du andere Texte von mir liest, wirst Du merken, was ich meine. (zB. Zug um Zug)
LG Doc
 

Paloma

Mitglied
Die besten Geschichten sind für mich die, die so aussehen, als seien sie autobiographisch, es aber nicht sind, weil sie ausgeschmückt wurden. Dadurch gerät der Leser ins Dauergrübeln: Was ist eigentlich wahr?! ;-)
Liebe(r) Doc,

wenn das dein Anliegen bei diesem Text war, hat das zumindest bei mir nicht funktioniert - ich habe nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass sich alles genauso abgespielt hat. Und du sagtest ja selbst, diese Geschichte ist

keine Satire, sondern fast die abgebildete Realität
ins Grübeln komme ich da nicht und schon gar nicht ins Dauergrübeln. :)

Schönen Abend und liebe Grüße
Paloma
 



 
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