Murad

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schreibfuchs

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Murad war ein Mann in den besten Jahren. Um seine schmale Taille und seine breiten Schultern, wabbelte kein Lot überschüssigen Fetts, so dass man ihn wirklich und wahrhaftig, schon rein von seinem Äußeren, als Athlet bezeichnen konnte. Jedoch, auf seinen Schultern saß ein Kopf, nun, das ist ja nichts Ungewöhnliches, jeder Mensch trägt einen Kopf, so lange es der Sultan gestattet, aber dieser Kopf glich, in seiner lang gezogenen Form, eher dem Schädel eines Pferds und besaß wenig von einem menschlichen Antlitz. Außerdem sah man Murad nie ohne seinen Spitzturban, der diese animalische Kopfform noch unterstrich und optisch verlängerte. Gebiss und Lachen passten auch dazu, so dass sich einem Fremden (der Murad zum ersten Mal erblickte) die Frage aufdrängt: Was sich Allah, bei seiner Erschaffung, wohl so gedacht haben mochte! Als wenn er damit noch nicht genügend geschlagen wäre, besaß er zudem noch eine nach hinten fliehende hohe Stirn und tief in den Augenhöhlen liegende, dunkle Augen, gepaart mit einer kräftigen Hackennase, die in ihrer Summe alles Menschliche ad absurdum führte! In jedem Fall aber bestach sein Körper, der bestens durchtrainiert und gestählt war, mit seinem makellosen Aufbau. Denn, seine Bizeps, seine Bauch-, Brust- und Schultermuskulatur, deren pralle Mächtigkeit, an einem Kraftprotz aus dem Fitnesscenter erinnerte, suchten ihresgleichen. Murad war also ein Leichtathlet, der aller ersten Güte, und es gelang ihm höchst selten, Titelbildangebote diverser Fachzeitschriften abzuschlagen.

Doch die Segnungen Allahs, die Murad für seinen Traumkörper erhalten hatte, reichten leider nicht für seine gesamte Erscheinung. Mit andern Worten: Was seinem Körper zum Segen diente, gedieh seinem Hirn zum Fluch! Denn neben dem unbezähmbaren Trieb sich fortzupflanzen, standen nur zwei Dinge im Mittelpunkt seines Denkens: Wettkämpfe und Wettkampfgegner!

So auch an einem scheinbar ganz normalen Tag, an einem Tag, der eine besondere Wendung in seinem Leben einläutete, eine Wendung, von der Murad natürlich noch nichts wissen konnte…

Murad lag nach mehreren ausgedehnten und anstrengenden Trainingseinheiten, wie an jedem wettkampffreien Tag, entspannt auf seinem Ruhebett in seinen Gemächern, umgeben von einer Heerschar junger, hübscher Sklavinnen, die ihn, mit riesigen Palmwedeln, frische Luft zufächelten. Der Qualm seiner Wasserpfeife umhüllte sein Gesicht und er schien im tiefen Nachsinnen versunken, als ihn ein wilder Hustenanfall schüttelte, der ihn angewidert das Mundstück der Pfeife von sich werfen ließ:
„Bei allen Höllen, was für ein Teufelskraut! Wenn auf dem nächsten Tabaksbeutel statt: „Tabakrauchen fügt Ihnen und Ihren Sklavinnen erheblichen Schaden zu!“,
„Tabakrauchen beeinträchtig ihre ausgezeichnete Leistung beim Schnelllauf beträchtlich!“ steht, höre ich mit dem Rauchen auf, bei Allah, das schwöre ich, bei meinem Leben!“
Er überlegt mit einem listigen Lächeln:
„Nein, lieber beim Leben des Sultans, das klingt besser!“
Dann lehnte er sich erneut zurück und genoss sein Pfeifchen, so als wäre nichts geschehen. Plötzlich schien ihn etwas zu beunruhigen, er brach sein Pfeifenritual nun gänzlich ab und brüllte flegelhaft:
„Wache, Abdullah, den Spion sofort zu mir!“
Die Wache verbeugte sich tief, verschwand wortlos und erschien kurze Zeit später in Begleitung eines kleinen unscheinbaren Kerls mit knochiger, hageren Gestalt, platten Boxernase und schweinsäugigem Antlitz:
„Was steht zu Diensten, oh ihr schnellster aller Fußgänger?“, rief er mit einer rauen und tiefen Stimme, die so gar nicht zu seiner Person passen wollte.
Murad beachtete die Höflichkeitsfloskel nicht und fragte lässig von seinem Ruhebett aus:
„Sag mal Abdullah, wer ist eigentlich der schnellste Schnellläufer im gesamten Reich aller Gläubigen und Ungläubigen?
Abdullah, der in dieser Frage eine schlimme Falle witterte, verbeugte sich, unter ständigem Zwinkern seiner Schweinsäuglein, tief vor seinem Herrn und sagte vorsichtshalber:
„Ihr, oh erlauchtester Großfüßler, der ihr der erste, schnellste und begnadetste Großfuß unter allen Großfüßlern seid! Habt ihr das etwa vergessen?!
Doch diesen Nachsatz hätte er lieber nicht sagen sollen, denn Murad schaute ihn abfällig an und ließ diesem Blick folgende Wörter folgen:
„Vergessen? Pass ja auf, dass ich nicht vergesse dich weiterleben zu lassen, du Sohn eines schnüffelnden Hundes und einer ausgemusterten Trüffelsau!“
Murad schien sich, nach seinem Ausbruch, schnell wieder beruhig zu haben, aber das täuschte. Er lockte Abdullah zuerst wohl wollend zu sich heran und flüsterte dann unheilschwanger:
„Du spielst also auf meine großen Füßen an, hä, die mir, Allah sei Dank, gewachsen sind. Und du meinst, ihnen sei es zu verdanken, dass ich der schnellste Schnellläufer unter der Sonne bin?“
Abdullah wurde blass und begann zu stammeln:
„Ja, eure win, windige Erlauchtheit, so steht es jedenfalls im Guinnessbuch aller Gläubigen und Ungläubigen geschrieben!“
Murad begann väterlich zu lächeln:
„Natürlich, so steht es geschrieben! Natürlich hast du Recht! Schließlich lernt es jedes Kind in unserer Schule. Ich wollte dich nur testen!“
Jedoch kaum war sein letztes Wort verklungen schrie er:
„Falsch, die Antwort ist falsch, so falsch, wie des Sultans Zähne!“
Er spreizt sich wie ein Pfau und rief lauernd:
„Jetzt willst du bestimmt wissen warum, hä?“
Vollkommen verunsichert drückte sich Abdullah um die Antwort. Doch Murad schaute auf ihn wie ein Greif auf seine Beute! Abdullah war wie gelähmt von diesem Blick und er wollte zögerlich einwerfen:
„Ja schon, aber euer…“
Murad ließ ihn nicht antworten. Er sprang von seinem Lager auf, lief, noch fast eine seiner Sklavinnen umrempelnd, zu einem steinernen Tischchen, mixte sich aus verschiedenen Flaschen ein Drink, riss eine kleine Schranktür auf, glotzte hinein und schrie:
„Eis, wo ist das Eis! Ach, bin denn hier nur von hirnlosen Dilettanten und dümmlichen Azubis umgeben, die nicht mal das kleine Einmaleins des Roomservice beherrschen?“
Im nächsten Augenblick sprang eine Tür auf und ein kräftiger Sklave schleppte auf der Schulter einen mächtigen Eisblock in das Gemach. Murad glotzte blöd und blaffte:
„Was ist, soll der jetzt etwa in mein Glas passen?“
Der Sklave warf den Eisbrocken schweigend in eine entfernte Nische und begann, fahrig vor Angst, mit einem knöchernen Eispickel kleine Eiswürfel abzuschlagen. Murad trommelte mit den Fingern nervös auf der Tischplatte, dann rief er, nachdem ihm der Sklave buckelnd eine handvoll Eis bereitet und serviert hatte:
„Du Tollpatsch, lass gut sein, ich wollte kein Wasser saufen, sondern einen Whiskey, der nicht gerade kocht!“
Er lachte schief über diesen Gag, Abdullah lachte mit und Murad setzte noch einen drauf:
„Sklave, mit dem restlichen Eis, kannst du die Palmen des Sultans gießen!“ Dann lachte er wiehernd und entblößte sein grandioses Pferdegebiss, und hiebte Abdullah kräftig auf die Schulter. Seine Stimmung hatte sich gebessert. Er durchmaß den Raum bedächtig und mit großen Schritten, blieb vor dem erwartungsvollen Abdullah stehen sagte fast flüsternd.
„Ich will dir mal ein Geheimnis verraten und ich muss gestehen: Ich hab’s auch nicht gewusst!“
Er lachte weiter über diesen vermeintlichen Gag und fuhr fort:
„Also: Du weißt doch, wie mich die Zeitungsfuzzis von der Yellow Press in ihren Lügenblättern immer wieder ausschmieren. Jetzt endlich habe ich den Beweis, dass sie sich alles, was sie über mich schrieben, aus den Fingern gesogen haben. Nun ist endlich der Augenblick gekommen, wo ich sie zu guter Letzt alle verklagen kann, alle, die meinen guten Namen, wie die Trampeltiere, in den Dreck getrampelt haben.“, er machte stampfende Fußbewegungen, die aussahen, als scharre ein Pferd im Sand!
„Jetzt fehlt es nur noch, dass du wieherst!“, dachte Abdullah angewidert setzte aber seine interessierteste Miene auf und lauschte seiner Erzählung: „Es sind weder Amphetamine, Kokain, Ephedrin und Koffein noch Testosteron (was ich ja als ordentlicher Mann ohnehin zur Genüge besitze) oder irgendwelche Anabolika, wie es in diesen Gazetten behauptet wurde, die mich zum schnellsten Schnellläufer aller Zeiten machten. Ich bin also nicht gedopt! Da kannst du zehnmal ins Röhrchen pullern oder es zehnmal erzählen, es sogar eidesstattlich versichern, dass da nichts war, die glauben´s einfach nicht! Aber jetzt habe ich´s schwarz auf weiß!“

Murad hätte von Abdullah jetzt, wo er von dem größten Missverständnis seines Leben sprach, gern etwas Mitleid gehabt oder gesehen, aber weil nichts dergleichen geschah, gab er noch ein paar martialische Einzelheiten zum besten:
„Es war zwar nicht gerade billig für mich! Stell dir vor: Es hat mich 2 meiner schönsten Sklavinnen gekostet, aber was tut man nicht alles für seinen makellosen Ruf und für eine lückenlose Rehabilitierung. Also begab ich mich bei einem namhaften Professor in Behandlung. Da war aber nichts mit harmlosen Dingen wie Fieber messen oder Puls und Blutdruck, nein, der schnitt und laborierte einfach so an mir rum! Es sei im Dienste der Wissenschaft, hat er geplappert! Ich dachte, wegen der 2 Sklavinnen drückt der Mal ein Auge zu und stellt mir blanko ein Attest, z.B.: mit folgendem Wortlaut, aus:
„Aus gesundheitlichen Gründen, ist Murad der schnellste Schnellläufer aller Zeiten!“
Oder:
„Murad ist gesund, besitzt eine Pferdenatur und braucht kein Dopingmittel!“
Oder:
„Murad ist zwar nicht ganz so kräftig, aber dafür schneller als ein Pferd!“
Wären das nicht Aussagen, die, jede für sich so schlagkräftig wäre, dass allen Zeitungsfuzzis die Tinte in den Federn stocken würde?“ Seine Augen leuchteten mit wichtiger Miene, wobei sein Gesicht noch spitzer wirkte, dann hob er seine Stimme zu einem Brüller: „Aber nein!“, Abdullah zuckte zusammen, nickte aber zu Murads Zufriedenheit schnell und beflissen: „Der Prof ließ mich zur Ader, schröpfte mich, mit so heißen, durchsichtigen Kugeln und ließ saugwütige Blutegel an mir rumschlappern! Und dann geschah das Schärfste“, Abdullah hörte noch immer aufmerksam zu. Er tat jedenfalls so! Dabei hatte er seine Armen auf dem Rücken verschränkt, konnte sich ein Lachen nur schwer verkneifen und ließ es, nachdem ihm das nicht mehr so recht gelang, nach einem Räuspern klingen! Murad schaute ihn durchdringend an und fragte: „Wolltest du was sagen?“
Abdullah hob abwehrend beide Hände: „Nein, nein, ich habe mich nur an etwas verschluckt!“
Murad bedachte ihn mit einem alles vernichtenden Blick, leierte sich mit der Zunge in seinen Pferdegebiss herum, schmatze laut und war aber bald wieder in seiner Geschichte gefangen: „Stell dir das mal vor: Ich musste in eine finstere, schwarze Röhre, um mich dort, wie mir der Prof versichert, angeblich schmerzlos in viele kleine Scheibchen schneiden zu lassen. Ohne irgendwelche Messer! Das war mir dann doch nicht geheuer, darum nahm ich sicherheitshalber mein Schwert mit in diese Höhle, um mich, wenn schon nicht gegen scharfe Messer, vielleicht gegen andere Widrichkeiten, wie etwa böse Geiste, feuerspeiende Drachen oder schlimme Dämonen, wehren zu können! Man weiß ja nie, was einem, statt einem Messer, in solch einer „Teufelsröhre“ alles erwarten kann!
Abdullah grinste nun unverhohlen und Murad sah ihn strafend an:
„Grins nicht so blöd! Besser man weis es zu spät, als nie? Äh, oder umgekehrt!“ rief er und statt seine Räuberpistole hier enden zu lassen, setzte er sie, sich ständig selbst zu bemitleidend, fort:
„Was glaubst du: Wenn ich mich schon in kleine Scheibchen auflöse soll, was passiert dann erst mit meinem Schwert und was mit den Geistern, Drachen und Dämonen. Hä? Da fällt dir auch nichts mehr ein! Hättest du dich auch so heldenhaft wie ich verhalten? Naaa?“
Abdullah erklärte gleichmütig und schulterzuckend: „Sicher nicht!“
„Du Schisshase, bei so was hat man doch keine Angst! Guck mich an!“, er warf sich in die Brust: „Es tat nicht weh, mein Schwert ist auch noch ganz und nun hab ich es, neben einer unverzichtbaren Lebenserfahrung, schwarz auf weiß, dass meine Erscheinung ein Phänomen ist!“
Er trat ganz dicht an Abdullah heran! „Mein Professor sagte, ich sei ein „Homos Unikumus“!
Abdullah begann sich angesichts der Offenheit, die Murad an den Tag legte, in Sicherheit zu wiegen und frozzelte unüberlegt:
„Wissenschaftlicher Homos Unikumus? Beim Scheitan! Muss ich das verstehen?“
Murad erwiderte gereizt, lächelte aber hintersinnig:
„Ja, nein du Hohlkopf! Es ist rein wissenschaftlich. Der Professor fand also nach allen Torturen, derer ich mich freiwillig unterzog und aller peinlichster Analysen der Testergebnisse, heraus, dass meine Person, mein Denken und mein Handeln von einem sogenannten SCHNELLLAUF-GEN gesteuert wird!“
Abdullah glotzte und schnappte wie ein Karpfen:
„Schnelllauf-Gen?“
Murads hintersinniges Lächeln gefror ihn im Gesicht, er hob beide Hände gen Mekka und rief:
„Oh Allah, was gibst du mir für ein eseliges Personal! Wenn es Mitgefühl zeigen soll, ist es Essig damit, hört es hingegen etwas von einem Schnelllauf-Gen, wähnt es Mitgefühl zeigen zu müssen, weil es wahrscheinlich glaubt, das ein Schnelllauf-Gen mit einem Krebsgeschwür oder gar mit AIDS gleichzusetzen ist!“
Abdullah erschrak und wusste nun überhaupt nicht mehr, was richtig oder falsch war. In seiner Not rief er:
„Herzlichen Glückwunsch, eure schnelle Leichtfüßigkeit! Aber was sollen mir diese Worte nun sagen?“
Murad geriet in Zorn und äfft Abdullah nach:
„Was sollen mir diese Worte sagen!“
Er bedachte Abdullah mit einem niederschmetternden Blick und begann wie ein Dozent zu reden:
„Mann, ich brauche Gegner, Schnellläufer aller Kategorien! Sprint, Staffel, Marathon, alles, einfach alles, was der Markt zu bieten hat und nicht im Vierfüßergang geht. Was ich nicht brauche sind diese Typen, die ständig auf der Wettkampfstrecke erscheinen, und die nur vorgeben Wettlaufgegner zu sein, aber in Wirklichkeit ihres Lebens überdrüssig sind! Das sollen uns diese Worte sagen!“
Murad schäumte und trompetete provozierend:
„Mein Schnelllauf-Gen muss gehegt, gepflegt und beansprucht werden, sonst verkümmert es. Verkümmert! Verstehst du!“
Abdullah wusste gefühlsmäßig, was nun folgen würde und setzte, in der Meinung Gefahr für Leib und Leben zu spüren, alles auf eine Karte:
„Oh du mächtiger SCHNELLLAUF-GEN-GESEGNETER, jetzt haben wir aber ein Problem, im ganzen Land gibt es nämlich keinen einzigen Schnellläufer mehr!“
Murad klappt der Mund ungläubig auf und zu und schnaufte wutentbrannt:
„Oh Abdullah, du dumpfbackiger Vertreter aller Spione!
Allah möge dich mit Blindheit strafen, wenn er das nicht bereits getan hat.

Wer behauptet: Es gäbe keine Schnellläufer mehr im Land?“
Abdullah witterte wieder etwas Morgenluft. Er wusste sich im Recht und glaubte sich der Wahrheit nun erst recht verpflichtet:
„Oh Murad, du erster Leibläufer des Sultans, oberster Herr aller langbeinigen Geparden, Gebieter über alle Gazellen, Springböcke und Wiesel! Ich behaupte das, denn alle Schnellläufer sind tot!“
Murad stand regungslos, wie gebannt und flüsterte ungläubig:
„Wie? Tot?“
Nun war es an Abdullah durch den Raum zu wandern. Er schaute seinen Herrn mitleidig an, baute sich breitbeinig vor ihm auf und sagte aufklärend:
„ Na eben tot. Steif, kalt und kopflos! So tot, wie man eben sein kann!“
Dann flötete er voller Ergebenheit, jedoch nicht ohne ein Quäntchen Spott:
„Ihr, oh großfüßiger Langläufer, habt doch, nach jedem grandiosen Sieg von euch, alle Verlierer durch das Schwert des Scharfrichters hinrichten lassen!“
„Das ist ja eine bodenlose Unverschämtheit! Was wagen die sich? Die sind einfach so tot!“
Abdullah machte sich nun ein Spaß daraus, Murads Echo zu bilden:
„Einfach so tot!“
Murad, wie im Selbstgespräch:
„Unvorstellbar! Und da lässt sich gar nichts mehr machen?“
Abdullah konnte sich, bei so viel Borniertheit, nur noch schwer das Lachen verkneifen:
„Leider gar nichts mehr!“
Murads Blick bewölkte sich zusehends:
„Schweig du Hundsfott. Ich kann doch nicht gegen die Minister, Höflinge oder gar den Sultan antreten. Soviel Golddukaten gibt es gar nicht, um den Henkersknecht für deren Hinrichtung zu erwärmen! Womit kann ich jetzt Prinzessin Shakira erfreuen, wenn der Frühsport nun nicht mehr stattfinden soll? Das schaffte mir jedes Mal soviel Spaß und Kurzweil.“
Seine Augen sahen plötzlich träumerisch durch Abdullah hindurch und er flüsterte:
„Es gab mir einfach immer den besonderen Kick, wenn ich während meiner Wettkämpfe als erster die Ziellinie überschritt und die Prinzessin mir zujubelte!“
Murad sprang auf und schnappte sich Abdullah bei der Binde und keuchte, wie ein schizophrener Geistesgestörter, mit wechselnder Stimme:
„Ich glaube, die Prinzessin steht auf Gewinnertypen wie mich! Ach wie gern würde ich ihr Herz gewinnen und gemeinsam mit ihr zum Frühstück aufwachen! Aber das scheint mir leider nicht vergönnt!

Gestatte mir also, aus diesem Grund, wenigstens eine kleine Freude!“
Abdullah legte unterwürfig seine Hand vor die Brust und verbeugte sich:
„Jede, die der erste Leibläufer des Sultans, von mir verlangt!“
Murad winkte nachlässig mit zwei Fingern der rechten Hand und erklärte wie beiläufig:
„Gut, so wirst du hingerichtet!“
Sein Spion empfing dieses Urteil, trotz des unbehaglichen Gefühls von eben, gelassen, denn er hatte augenblicklich einen Ausweg entdeckt, mit dessen Hilfe er dieser drohenden Ankündigung entfliehen konnte. Er kratze sich den Hinterkopf und entgegnete sachlich:
„Gemach, gemach, oh du oberster Verächter aller Schnecken und oberster aller Fußgänger, seid nicht zu vorschnell mit dem Richtschwert. Ich hörte da von einem Schnellläufer namens Mukhtar oh, du schnellster aller Wüstenwinde, der offiziell gegen euch antreten will. Der Sultan habe sein Interesse bekundet. Ich glaube, irgendwie steckt auch die Prinzessin mit dahinter…“
Murad stieß Abdullah von sich und bekam einen finsteren Gesichtsausdruck:
„So, so ein Schnellläufer, der mir den Rang ablaufen will, das ist gut, das ist sehr gut! Da bekommt ja mein Schnelllauf-Gen endlich wieder mal eine gebührliche Aufgabe. Aber, dass der Typ mit der Prinzessin, diesem zuckersüßen Ding, unter einer Decke stecken soll, das ist schlecht, das ist sehr schlecht!“
Abdullah glaubte Murad zuviel der Wahrheit zugemutet zu haben und versuchte die Sache zu verharmlosen:
„Man sagt: der Schnellläufer sei ein Geringer und obendrein noch klein, wie ein Zwerg, bucklig und behäbig, wie eine Schildkröte und hässlich, wie die Nacht!“
Abdullah warf sich in die Brust und erklärte abschließend:
„Außerdem, so versicherte mir mein Informant, sei die Sache mit diesem Mukhtar und der Prinzessin rein platonisch!“
Murad lachte arrogant und niederträchtig:
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass diese Schildkröte ein ernst zu nehmender Gegner für mich sein wird? Bei allen Antilopen und Springböcken, ich habe alle besiegt, alle, die Rang und Namen haben, und da soll so ein dahergelaufener…?
Nein, bei allem, was mir heilig ist, Ha, ha, ha. Ich lass mir doch von so einem Möchtegern-Schnellläufer, zumal alles nur platonisch sein soll, nicht die Show stehlen.“

Murad verfiel nun in ein dummes Gelächter. Abdullah schaute ihn furchtsam an, da er wusste, dass das nichts Gutes zu bedeuten hat. Murad wanderte mit boshaftem Blick, wie ein gefangenes Raubtier, hin und her, blieb plötzlich, wie im Sprung, vor dem Spion stehen, packte ihn erneut beim Kragen und zischte:
„Du lässt diesen Mukhtar, oder wie immer der auch heißen mag, nicht mehr aus den Augen! Verstanden! Du, du, du..!“
Da Murad kein Schimpfwort einfiel, winkte er nur resignierend ab und flüsterte heißer:
„Finde raus, was dieses Nichts mit der Prinzessin gemein hat, finde und bestich seinen Coach, berichte mir alle Zeiten seiner Trainingsläufe! Nimm fremde Gestalten an, mache dich unsichtbar, mir ist jedes Mittel Recht, aber finde alles raus, alles, einfach alles, was es über diesen Niemand zu finden gibt! Hörst Du, alles…!“
 



 
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