Mutter --

Val Sidal

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alleine hätte ich Dich niemals gefunden. Lange Zeit auch nicht gesucht. Ich hatte das Tor gesucht – um das Leben zu treffen. Nachher, auf dem Fußballplatz – das war kinderleicht. Ich hätte das im Blut, hat Papa immer gesagt. Für das Glänzen in seinen Augen, für seine Begeisterung und auch für Dich habe ich solange getroffen, bis ich selbst getroffen wurde.

Ich habe Dich nicht vergessen. Dafür hätte ich Wichtiges wissen müssen. Ich habe allerlei vermisst – Dich nie. Oder wie ich es jetzt weiß – immer Dich. Unbemerkt und ungewollt habe ich Dich nur verlegt – „nur“ ist gut! Aber es musste sein, um dort anzukommen, wo es auch für jemanden wie mich Atemzüge im Sonderangebot gab.

Und ich nahm sie in vollen Zügen und bezahlte dafür.
Unbemerkt drehte sich das Rad – Spiralen schwindelnd.
Als mir richtig schwindlig wurde, hatte ich Dich schon lange eingemacht, haßgepackt und abgehakt. Totgedacht. Mein Herz leergefegt – dachte ich.

Niemand hat Dir verraten, dass auch sowas Liebe heißt. Dass, wenn Nähe nicht möglich ist, dann ist es halt die Ferne, weil aus einer solchen Liebe ein Aussteigen nicht möglich ist, wie aus einem Bus, nach einer langen Serpentinen-Fahrt, mit der Kotztüte in der Hand, den nächsten Abfalleimer suchend. Ja-ja – dort hätte ich Dich gesucht, hätte es jemand gewollt – es mir nahegelegt. Aber nicht nur Du warst für mich verloren. Alle – auch die, die ich nie hatte – ich auch.

Aus Erfahrung kann ich Dir sagen: Es ist leicht, mich zu verraten – ich habe es selbst getan, nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Neulich – fünf vor deinem Abgang, fand ich Dich noch rechtzeitig. Nein nicht aus eigener – Kraft – haha! Da musste schon einiges mehr geladen, gespannt und ausgelöst werden, damit ich Dich erkenne.
Du reichtest mir die Puzzle-Steine – die Bilder, die ich nicht vermisst habe: „Es hat einfach zu lange gedauert. Ich war fertig! Der Arzt hörte deine Herztöne nicht mehr – wie auch, nach einem so langen Weg durch den Geburtskanal. Du stecktest für mein Leben fest. Übrigens: Nicht das letzte Mal. Er hatte eine Entscheidung zu treffen – Du oder ich?
Er sprang mit seinem ganzen Gewicht auf meinen Bauch.
Ein kleiner, dicker Mann“, sagtest Du.

Alleine hätte ich Dich nie gefunden – Mutter.
Aber, dann berührte jemand meine Wange.
Ich glaube, es war ein Schmetterling.

Ich bin da!
Lachma!
 

Mimi

Mitglied
Hallo Val Sidal,
Du bietest dem Leser hier sehr viel Raum für eigene Interpretationen...
Das kann manchmal "überfordernd" auf den Leser wirken oder schlichtweg funktionieren.
Im vorletzten Absatz, deutest Du schon in eine bestimmte Richtung, die aber in der Summe inhaltlich alles offen stehen lässt.

Ich persönlich bin kein Fan von "vorgekauter" Kost, die dem Leser (außer seichter Unterhaltung) wenig anbietet.
Deshalb empfinde ich Deinen Text als durchaus gelungen, da sich (aus meiner Sicht), selbst aus den skizzenhaften Ausschnitten, am Ende ein Gesamtbild zusammenfügen lässt, das jeder Leser für sich interpretieren kann.

Gruß
Mimi
 

Val Sidal

Mitglied
Deshalb empfinde ich Deinen Text als durchaus gelungen, da sich (aus meiner Sicht), selbst aus den skizzenhaften Ausschnitten, am Ende ein Gesamtbild zusammenfügen lässt, das jeder Leser für sich interpretieren kann.
-- das freut mich sehr!
Danke für den f´reundlichen Kommentar!
 



 
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