Mutterliebe

2,10 Stern(e) 22 Bewertungen

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Kinder haben Steine in der Hand. Sie werfen nach dem Katzenjungen. Am Hinterlauf getroffen, heult es auf.Die Mutter schreit die Kinder herbei, sie schüttelt sie und schimpft. Das Kätzlein hat sich unter einen Strauch geflüchtet. Sein Herz schlägt wild. Behutsam trägt die Katzenmutter es an einen sicheren Ort und leckt es sanft.

Das hat nichts mit Lyrik zu tun. Es ist eine Beobachtung, mehr nicht.
 

Spitze Feder

Mitglied
@ Otto Lenk

„Das hat nichts mit Lyrik zu tun. Es ist eine Beobachtung, mehr nicht.“

Um diese Aussage belegen zu können, müsstest du erst mal eine feste Definition dessen vorlegen, was Lyrik denn genau ist. Ich bin sehr gespannt. Im Übrigen ist das Verschwimmen von Gattungsgrenzen nicht etwas, was gegen die Qualität eines Textes spricht.

Im Fall der Ballade haben wir zum Beispiel eine Textform, die sowohl epische als auch lyrische Elemente aufweist. Vergleiche etwa:

Die Hochzeitsnacht (Joseph von Eichendorff)

Nachts durch die stille Runde
Rauschte des Rheines Lauf
Ein Schifflein zog im Grunde,
Ein Ritter stand darauf.

Jetzt kommst du: „Das hat nichts mit Lyrik zu tun. Es ist eine Beobachtung, mehr nicht.“

Hihi.

Eine „reine Beobachtung“ ist mein Gedicht übrigens mitnichten. Es besitzt nämlich, man mag es kaum glauben, eine Bedeutungsebene.
 

PEEB

Mitglied
Auch wenn der Text für meinen Geschmack zu ausmittig im Wort Kätzlein anmutet, ist er als Kurzprosa lesenswert.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Spitze Feder,

die Bedeutungsebene magst Du darin verortet sehen, dass die böse Mutter unwillkürlich böse Kinder hat, die Katzenmutter und ihr Junges aber sanft und gutmütig sind.
Das kann, wer will, so sehen und muss es gar nicht groß diskutieren, ein Gedicht ist es aus diesem Grund noch nicht.
Es gibt sicher sehr verschiedene lyrische Richtungen und was dem Einen Offenbarung, ist dem Anderen ein Graus.
Und doch haben große Gedichte etwas gemein. Etwas, das sie zu mehr macht, als die Summe ihrer Worte und Zeichen, die einfache Aussage, die Beschreibung einer Szene.
Es ist dieser schwer zu definierende "Mehrwert", der es zum Wortwesen macht, das seinen eigenen Charakter hat, Dich bis ins Mark erschüttert, Dich tagelang verfolgt, Dein Leben verändert. Es ist auf sanfte Art und Weise radikal.

In welchem Maß ein Gedicht dem nahekommt und wie wir uns gegenseitig Hilfestellung bei der Arbeit daran leisten können, darauf kommt es uns in der Leselupe an. Das klappt hier tatsächlich streckenweise sehr gut und ist das, was das Forum lebendig macht.

Aber Du bist nicht wirklich hier, um darüber zu streiten, was Lyrik ist, denke ich.

Trotzdem würde ich jetzt gerne Deine Definition kennenlernen. Und zwar Deine eigene, nicht eine, die irgendwo abgeschrieben ist. Wie wär's?

Schöne Grüße von Elke
 

Spitze Feder

Mitglied
„Trotzdem würde ich jetzt gerne Deine Definition kennenlernen. Und zwar Deine eigene, nicht eine, die irgendwo abgeschrieben ist. Wie wär's?“

Die einzige hieb- und stichfeste Definition lautet: Ein Gedicht ist ein Text mit definierten Zeilenumbrüchen. Es ist das einzige definierbare Merkmal, durch das sich Lyrik von Prosatexten unterscheidet. Da mein Text definierte Zeilenumbrüche hat, ist es auch ein Gedicht.
 

ENachtigall

Mitglied
Danke, Spitze Feder. Das erhellt Deine Sichtweise auf Lyrik im Allgemeinen und hilft Lesern und potentiellen Kommentatoren und Bewertern, Deine Werke nicht fehlzudeuten.

Hat demnach nicht aber jede Seite in einem Buch, jeder Beipackzettel ob der Größe der Schrift und der Breite der Seite definierte Zeilenumbrüche?

Wäre nicht damit der Unterschied zwischen Prosa und Lyrik komplett aufgehoben?
Und was würde dann aus der Verdichtung, den Spiegelungen, Personifizierungen, Metaphern, Alliterationen, den Stilbrüchen, dem wörtlichen Nehmen, den Chiffren und Assoziationsfolgen und -Reihen?

Es spricht nichts dagegen, neue lyrische Stilmittel zu erfinden und einzusetzen. Auch die totale Negation von Stilmitteln ist letztendlich nichts Anderes als ein weiteres (Stilmittel).

Ich finde es ok, wenn Du Dich in Deinen Gedichten auf Zeilenumbrüche als einzigem kennzeichnenden Stilmittel beschränken möchtest. Wir werden erleben, ob nicht vielleicht doch Gedichte daraus hervorgehen.

Grüße von Elke
 

Spitze Feder

Mitglied
„Elke: Hat demnach nicht aber jede Seite in einem Buch, jeder Beipackzettel ob der Größe der Schrift und der Breite der Seite definierte Zeilenumbrüche?“

Nein!

Je nach Format eines Buches können in einem Prosatext an ganz unterschiedlichen Stellen Zeilenumbrüche gesetzt werden. Ganz anders bei Gedichten. Wenn ich die Zeilenumbrüche eines Gedichtes verändere, zerstöre ich die Form des Gedichtes.

Beispiel oben zitiertes Gedicht:

Die Hochzeitsnacht (Joseph von Eichendorff)

Nachts durch die stille Runde rauschte des Rheines Lauf. Ein Schifflein zog im Grunde, ein Ritter stand darauf.

Die Form des Gedichtes wäre damit zerstört. Bei einem Prosatext wäre das nicht der Fall.
 
A

aligaga

Gast
Zeilenumbrüche sollten kein Zufall sein, sondern Sinn machen - völlig unabhängig, ob in Lührik- oder Prosatexten. Sie sind Ihrem Wesen nach Satzzeichen, die dem Leser oder dem Vortragenden behilflich sein können, einen Text zu phrasieren oder (reproduzierbar) zu betonen.

Gute Gedichte und gut phrasierte Texte kann man nicht nur singen - sie gewähren dem Leser oder dem Sänger auch die notwendigen Atempausen.

Der banale Inhalt des hier in Rede stehenden Texterls erfordert solche Kunstgriffe nicht. Sie sind, falls überhaupt beabsichtigt, albern.

Zeilenumbrüche, Sätze bloß brechend,
sie schallen und rauchen, aber
sie klingen nicht,
sondern scheppern -
Geräusch nur,
Geräusch.

Heiter,
sehr heiter

aligaga
 

Spitze Feder

Mitglied
"Zeilenumbrüche sollten kein Zufall sein, sondern Sinn machen - völlig unabhängig, ob in Lührik- oder Prosatexten."

Die Zeilenumbrüche definiert immer noch der Autor! Ein Leser, der mit einem Text nicht klarkommt und meint, dass dieses oder jenes "keinen Sinn macht", hat nicht über die Form eines Textes zu bestimmen. Das wäre ja noch schöner.

Die Zeilenumbrüche habe ich als Autor im obigen Text festgelegt. Der Text ist damit per definitionem ein Gedicht.

Würde ein Herausgeber an mich herantreten und mich dazu überreden, die definierten Zeilenumbrüche aufzulösen, könnte aus dem Text ein Prosatext werden.

Dies aber eben nur durch die Entscheidung des Autors! Ein Herausgeber dürfte dies nicht eigenmächtig tun.

"Der banale Inhalt des hier in Rede stehenden Texterls erfordert solche Kunstgriffe nicht."

Ob man Kinder, die Steine nach einem Katzenjungen werfen, als "banalen Inhalt" abtut, hängt wohl von eigener Abgebrühtheit ab. Ist Ansichtssache.
 
A

aligaga

Gast
Die Zeilenumbrüche definiert immer noch der Autor! Ein Leser, der mit einem Text nicht klarkommt und meint, dass dieses oder jenes "keinen Sinn macht", hat nicht über die Form eines Textes zu bestimmen. Das wäre ja noch schöner.
Auch wer das Alfa-Beet, die Sünd-Tax und den Satz-Bau nicht beherrscht, kann natürlich vor sich hinschreiben, so viel und was immer er will. Wen kümmerte es? Muss ja keiner lesen, ne!

Aber wenn er sich Dritten verständlich machen möchte oder gar damit ans Mirko-Fon tritt, sollte er die Regeln beherrschen und einhalten. Sonst schaltet das Publikum um und guckt "Bärbel Schäfer" oder "Dchungelkämp".

Köstlich die Nummer mit dem "Herausgeber", was der "darf" oder "nicht darf". Zuvörderst darf er vor allem eins: Missglückte Texte nicht in Druck, sondern in die Altpapiersammlung geben.

Heiter immer weiter

aligaga
 
A

aligaga

Gast
Op taas
a
sinvoler
Pei
dragwar?

@Ali glaubt nicht. Er hält, so wie die meisten Mitteleuropäer, das Einhalten von Regeln bei öffentlichen Sprachspielen für unverzichtbar. Sonst gibt's gleich Chaos.

Normalerweise lernt man das in der Schul'; wo nicht, kriegt man schlechte Noten, fällt durch und muss später als Hilfsarbeiter sein Dasein fristen oder beschließen, Bollidiger zu werden.

Einlebenohnesatzzeichenkannvielleichtmöglichsein, ist aber ziemlich sinnlos.

Quietschvergnügt

aligaga
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
In der Tat, lieber Patrick,

wird ein Bild durch die Rahmung zum Bild. Der Rahmen gibt nämlich den optischen Ausschnitt vor. Nicht erst den Photographen ist das bewußt. Sieh die Filmer, wie sie die Daumen und Zeigefinger der Hände zum Rechteck aneinanderlegen und da hindurchschauen.

Bei diesem Lied hier ist die Zeilenumbruchdiskussion so absurd wie bei keinem sonst: Die Zeilenumbrüche sind ja nicht so "gegen den Strich gebürstet", ruppig und abrupt wie es sonst gerade hier im Unreimen üblich ist, sondern völlig natürlich, dem Satzbau entsprechend, bei den meisten Versen geradezu punktwertig usw., daß es fast schon langweilig wirkt, wenn man es mit dem vergleicht, was hier sonst so üblich ist.

Anders ausgedrückt: Enjambements sind ein gängiges Stilmittel, aber hier sind nicht so besonders viele.

In der Tat, auch liebe andere Kommentatoren,

gibt eine "bloße Beschreibung" ein exzellentes Gedicht, wenn sie eine bloße Beschreibung ist. Denn dafür muß man mit allerklarstem, allerspitzest zugeschärftem Blick hingucken, hinschauen, hinsehen, distanzlos, absolut unmittelbarst. Das kann kaum einer, es braucht einen Zenmeister, einen Hakuin, einen Hanshan.

"Bloße Beschreibung", das wäre höchstes Lob, einen Zehner wert.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Der Text wird hier als lyrischer kommentiert, steht aber in Kurzprosa.
Schön wäre gewesen, wenn der Verantwortliche fürs Verschieben mal einen entsprechenden Hinweis gegeben hätte.

Als Kurzprosatext hat der Text was!

Eigentlich müssten bei einem Verschieben in eine andere Literaturform die bisherigen Wertungen gelöscht werden! Oder es müsste zumindest eindeutig gekennzeichnet werden, dass die bisherigen Wertungen auf völlig anderen Kriterien beruhen. Aber da sich in der LL grundsätzlich nichts ändert, wird man wohl auch darüber nicht nachzudenken bereit sein. ;-)
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
In der Tat, Cellist.

Deshalb ist wahrscheinlich auch mein Beitrag ausgeblendet worden, als ob er mit dem Thema nicht zu tun hätte.

Mein Beitrag hat aber die Zeilengliederung eines Gedichts betroffen, nicht irgendeine Kurzprosa.

Und ich vermute auch, daß es gar nicht im Sinne des Dichters war, sein Stück hier in die Prosa zu verschieben.

Dieser Beitrag, genauso wie der ausgeblendete, bezieht sich auf die Form eines Gedichts, dieses Gedichts hier. Und die Form ist konstitutiv, nicht Beiwerk. Es handelt sich also nicht um eine Assoziation, sondern um essentielle Formanalyse.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Hallo Spitze Feder

als ich diesen Text hier auf der Rubrik "Kurzprosa" gelesen habe, wunderte ich mich sogleich, da mir das Werk sofort nach Lyrik schien. Aber für die Verschiebung kannst du ja nichts.

Mir gefällt der Kontrast zwischen der Menschenmutter und der Katzenmutter aber auch zwischen Mensch und Tier generell in diesem Stück - die grausame Verhaltensweise der Kinder im Kontrast zur harmlosen Angst des Kätzleins.

Ein schönes Werk,
insofern kann ich die schlechten Bewertungen nicht verstehen, das mag wohl eher an einer persönlichen Attacke liegen - man kann dich aufgrund vorheriger Werke auf diesem Forum wohl kaum leiden (aber das ist Spekulation) ...

LG
Peter

PS: Ob diesem Text ein gewisser "Mehrwert" fehlt kann ich nicht beurteilen, jedoch weiß ich eines mit Sicherheit:
 



 
Oben Unten