anbas
Mitglied
Na ja
"Na ja …", sagte ich und merkte sofort, wie dämlich das war.
"Na ja …", sagte der Polizist im gleichen Tonfall. Doch sein Blick sprach Bände, zeigte, wie unpassend er meine Reaktion fand.
Diesmal hatte ich den Notruf gewählt, nachdem der Lebensgefährte meiner Nachbarin wieder aufgetaucht und die Scheibe ihres Küchenfensters zu Bruch gegangen war. Ein paar Stunden zuvor hatte es schon einmal Krach zwischen den beiden gegeben.
Ich war in dieser Nacht erst gegen drei Uhr zu Bett gegangen. Bei den Nachbarn, die ein paar Wohnungen weiter auf dem Laubengang wohnten, hatte es eine recht lautstarke Feier gegeben. Normalerweise wird so etwas hier im Haus geduldet. Doch dann rief gegen halb fünf die junge Frau um Hilfe, und irgendjemand informierte die Polizei. Ich selber brauchte eine Zeit, um wach zu werden und zu realisieren, was da gerade los war.
"Die Kinder …", dachte ich, als der Einsatzwagen vor unserem Haus hielt und ich die Stimmen der Polizisten hörte. Die Lütte musste etwa vier Jahre alt sein, der Junge ungefähr zehn. Es gab häufiger mal Krach in der Familie – besonders, wenn Alkohol mit im Spiel war. Doch bisher beruhigte sich die Situation stets wieder – auch, wenn der Umgangston sowohl zwischen den beiden als auch zu den Kindern weiterhin recht rau blieb. Andererseits war dies in unserer Gegend fast schon der normale Tonfall – hart aber herzlich, Klartext statt pädagogisch ausgewogenem Gespräch. Doch hier kam die Herzlichkeit oft deutlich zu kurz. Nur selten erlebte ich es, dass sich einer der Erwachsenen liebevoll und in Ruhe mit den Kindern beschäftigte. Meistens hagelte es lautstarke Anweisungen, Ermahnungen und Vorwürfe. Doch so schlimm, wie in dieser Nacht, hatte ich es noch nie erlebt.
Direkten Kontakt hatten wir wenig. Man kannte sich vom Sehen, grüßte einander und schimpfte auch mal gemeinsam über den verdreckten Zustand des Treppenhauses. Die Kinder spielten gelegentlich auf dem Laubengang. Wenn es zu laut wurde, biss ich die Zähne zusammen und ertrug es. Ab und zu sprach mich das Mädchen an, fragte, wohin ich gehen würde oder wie mein Name wäre. Ich antwortete freundlich aber knapp und sah zu, dass ich wegkam. Sonst gab es zwischen uns kaum Berührungspunkte.
Die Polizei fuhr gleich mit zwei Einsatzwagen vor. Sie holten nach einiger Zeit den Lebensgefährten der Nachbarin aus dem Haus. Aus den Wortfetzen, die zu mir ins Schlafzimmer drangen, schloss ich, dass er eine sogenannte Wegweisung erhielt. Somit durfte er in den nächsten zwei Wochen die Wohnung nicht mehr betreten, andernfalls könnte er in Haft genommen werden. In dieser Zeit, hatte seine Partnerin die Möglichkeit, sich beraten zu lassen und zu überlegen, wie es weitergehen sollte.
Nachdem die Polizei abgerückt war, konnte ich nicht wieder einschlafen. Zum Glück war es die Nacht von Samstag auf Sonntag, ich musste also nicht zur Arbeit. Aber meine Planung für den Sonntag konnte ich knicken – ich fühlte mich jetzt schon wie gerädert. Daher ging ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Nach einiger Zeit hörte ich, wie er sie wieder beschimpfte, gegen die Tür schlug und sie laut aufschrie. Dann splitterte Glas und ich wählte 110. Doch bevor die Polizei eintraf, war der junge Mann wieder auf und davon.
Für mich war inzwischen die Nacht endgültig gelaufen. Normalerweise schlafe ich am Sonntag bis etwa zehn Uhr. Nun war es gerade mal acht, als ich beschloss, im nahegelegenen Café zu frühstücken. Kurz darauf machte ich mich auf den Weg. Die Wohnung der Nachbarn befand sich nahe der Tür zum Treppenhaus. Dort sah ich das Mädchen, wie es vor dem zerstörten Küchenfenster auf einem Stuhl herumturnte, der neben einem Klapptisch stand. Die Sonne schien, es hätte ein schöner Frühlingstag werden können. Bei dem Kind stand jener Polizist, ein junger Mann, der ernst dreinschaute. Ich nickte ihm zu und grüßte kurz. Er grüßte zurück. Sein Blick sprach von Mitgefühl und Wut über das, was er manchmal erleben musste.
"Na, du hast wohl ziemlich Angst gehabt, oder?", fragte ich die Kleinen und wusste dann vor lauter Hilflosigkeit nicht, was ich weiter sagen sollte. Das Mädchen schaute mich ernst an, sagte kein Wort und turnte weiter auf dem Stuhl herum.
"Na ja …", sagte ich und schaute den Polizisten noch einmal an.
"Na ja …", wiederholte dieser, und ich fühlte mich richtig mies.
"Na ja …", sagte ich und merkte sofort, wie dämlich das war.
"Na ja …", sagte der Polizist im gleichen Tonfall. Doch sein Blick sprach Bände, zeigte, wie unpassend er meine Reaktion fand.
Diesmal hatte ich den Notruf gewählt, nachdem der Lebensgefährte meiner Nachbarin wieder aufgetaucht und die Scheibe ihres Küchenfensters zu Bruch gegangen war. Ein paar Stunden zuvor hatte es schon einmal Krach zwischen den beiden gegeben.
Ich war in dieser Nacht erst gegen drei Uhr zu Bett gegangen. Bei den Nachbarn, die ein paar Wohnungen weiter auf dem Laubengang wohnten, hatte es eine recht lautstarke Feier gegeben. Normalerweise wird so etwas hier im Haus geduldet. Doch dann rief gegen halb fünf die junge Frau um Hilfe, und irgendjemand informierte die Polizei. Ich selber brauchte eine Zeit, um wach zu werden und zu realisieren, was da gerade los war.
"Die Kinder …", dachte ich, als der Einsatzwagen vor unserem Haus hielt und ich die Stimmen der Polizisten hörte. Die Lütte musste etwa vier Jahre alt sein, der Junge ungefähr zehn. Es gab häufiger mal Krach in der Familie – besonders, wenn Alkohol mit im Spiel war. Doch bisher beruhigte sich die Situation stets wieder – auch, wenn der Umgangston sowohl zwischen den beiden als auch zu den Kindern weiterhin recht rau blieb. Andererseits war dies in unserer Gegend fast schon der normale Tonfall – hart aber herzlich, Klartext statt pädagogisch ausgewogenem Gespräch. Doch hier kam die Herzlichkeit oft deutlich zu kurz. Nur selten erlebte ich es, dass sich einer der Erwachsenen liebevoll und in Ruhe mit den Kindern beschäftigte. Meistens hagelte es lautstarke Anweisungen, Ermahnungen und Vorwürfe. Doch so schlimm, wie in dieser Nacht, hatte ich es noch nie erlebt.
Direkten Kontakt hatten wir wenig. Man kannte sich vom Sehen, grüßte einander und schimpfte auch mal gemeinsam über den verdreckten Zustand des Treppenhauses. Die Kinder spielten gelegentlich auf dem Laubengang. Wenn es zu laut wurde, biss ich die Zähne zusammen und ertrug es. Ab und zu sprach mich das Mädchen an, fragte, wohin ich gehen würde oder wie mein Name wäre. Ich antwortete freundlich aber knapp und sah zu, dass ich wegkam. Sonst gab es zwischen uns kaum Berührungspunkte.
Die Polizei fuhr gleich mit zwei Einsatzwagen vor. Sie holten nach einiger Zeit den Lebensgefährten der Nachbarin aus dem Haus. Aus den Wortfetzen, die zu mir ins Schlafzimmer drangen, schloss ich, dass er eine sogenannte Wegweisung erhielt. Somit durfte er in den nächsten zwei Wochen die Wohnung nicht mehr betreten, andernfalls könnte er in Haft genommen werden. In dieser Zeit, hatte seine Partnerin die Möglichkeit, sich beraten zu lassen und zu überlegen, wie es weitergehen sollte.
Nachdem die Polizei abgerückt war, konnte ich nicht wieder einschlafen. Zum Glück war es die Nacht von Samstag auf Sonntag, ich musste also nicht zur Arbeit. Aber meine Planung für den Sonntag konnte ich knicken – ich fühlte mich jetzt schon wie gerädert. Daher ging ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Nach einiger Zeit hörte ich, wie er sie wieder beschimpfte, gegen die Tür schlug und sie laut aufschrie. Dann splitterte Glas und ich wählte 110. Doch bevor die Polizei eintraf, war der junge Mann wieder auf und davon.
Für mich war inzwischen die Nacht endgültig gelaufen. Normalerweise schlafe ich am Sonntag bis etwa zehn Uhr. Nun war es gerade mal acht, als ich beschloss, im nahegelegenen Café zu frühstücken. Kurz darauf machte ich mich auf den Weg. Die Wohnung der Nachbarn befand sich nahe der Tür zum Treppenhaus. Dort sah ich das Mädchen, wie es vor dem zerstörten Küchenfenster auf einem Stuhl herumturnte, der neben einem Klapptisch stand. Die Sonne schien, es hätte ein schöner Frühlingstag werden können. Bei dem Kind stand jener Polizist, ein junger Mann, der ernst dreinschaute. Ich nickte ihm zu und grüßte kurz. Er grüßte zurück. Sein Blick sprach von Mitgefühl und Wut über das, was er manchmal erleben musste.
"Na, du hast wohl ziemlich Angst gehabt, oder?", fragte ich die Kleinen und wusste dann vor lauter Hilflosigkeit nicht, was ich weiter sagen sollte. Das Mädchen schaute mich ernst an, sagte kein Wort und turnte weiter auf dem Stuhl herum.
"Na ja …", sagte ich und schaute den Polizisten noch einmal an.
"Na ja …", wiederholte dieser, und ich fühlte mich richtig mies.