Hey!
Deine Zeilen haben durchaus was, lieber Dimpfelmoser, wobei aber Deine Erklärung für die Schreibhintergrund meinen Lesegenuss zwar nicht gerade stört, ihn aber auch nicht sonderlich vermehrt.
Tatsächlich habe ich Deine Eindrücke, lieber Frodomir, sehr gerne nachvollzogen - und biege dann bei meinem Zwischenfazit anders herum ab, als Du es getan hast: Ich teile nämlich ganz Deine Einschätzung, Frodomir, dass die Zeilen durch das Fehlen einer gewissen Sinn-Kohärenz etwas Fragmentarisches haben und man nicht so ganz "durchblickt", ebenso gehe ich mit, dass einiges bei diesen Zeilen recht abstrakt gehalten ist, wobei ich es weniger an einzelnen Formulierungen festmachen würde als an der Unbestimmtheit von lyrischem Ich und lyrischem Du. Insgesamt empfinde ich aber die etwas brüchige Sinnverweigerung des Gedichts aber als sehr passend zum emotionalen Grundtenor der Zeilen.
Ich würde mir die Sprache des Gedichts daher nicht wirklich kohärenter oder "mitteilender" wünschen. Eher stört mich sogar, dass durch "erklärende" Adjektive und Verben zu stark konturierte Bilder gezeichnet werden, denen es etwas an "lebendiger Unschärfe" mangelt. Wenn mir etwa explizit mitgeteilt wird, dass die Stimme des lyr. Dus "schreit", bin ich als Leser von der noch wenig greifbaren "Stimme" (die ja noch die unterschiedlichsten Möglichkeiten der Entäußerung in sich trägt) am Nasenring bis zum "schreien" geführt worden: Deine Stimme = schreien.
Diese sprachliche Festlegung ist per se nichts, was mich in jedem Fall bei Lyrik stören würde, aber sie passt dann tatsächlich besser zu einer stärker erzählenden (und dann auch: konsistenteren) Lyrik, die ja nicht gleich eine vollgültige Ballade sein muss, aber doch ein eher fassliches Bild präsentiert (das läge dann vielleicht ungefähr auf Deiner Poetologie, lieber Frodomir?). Im vorliegenden Gedicht werden die sprachlich relativ festgefügten Formulierungen in einen relativ unstrukturierten, leeren Raum eingepasst und stehen da nun etwas verloren herum.
Meine Vorstellung wäre, die sprachlichen Elemente des Gedichts stärker zu "entgrenzen". Das ist eine Art Reduktionsprozess und an dessen Ende steht ein fehlender Sinn gefüllt mir erfüllender Leere, wobei dann die Schwierigkeit darin liegt, dass diese Nichtgegenständlichkeit nicht ins Unsinnliche absinkt.
Und falls jemand bis hierher durchgehalten hat und irgendetwas von Obigem verstanden hat, wäre ich für eine Erklärung dankbar.
LG!
S.
-----
P.S.:
Ich verstehe jetzt mal meinen verdrehten Sermon als Herausforderung an mich selbst und versuche, Dein Gedicht, lieber Dimpfelmoser nach meinen unverständlichen "Vorgaben" umzumodeln, vielleicht wird davon irgend etwas klarer. Es geht mir dabei nicht um eine "Verbesserung" Deines Gedichts, sondern darum ein ganz anderes Gedicht an Deinen Stichworten entlang zu schreiben, das ungefähr verdeutlicht, was ich womöglich in meinem wirren Kommentar auszudrücken versucht habe. Mit dieser inhaltlichen Freiheit habe ich auch zwei Elemente, das geliebte Kind und den Verweis auf die Taube von Chagall, eingefügt, die so nichts mit Deinem Gedicht zu tun haben, aber als eine Art "Platzhalter" andeuten könnten, wie sich ein (gemäßigt) sinnentziehendes Gedicht im sinn-lichen verankern könnte.
nachbild
hinter der wand
geliebtes kind
ist dein schrei ein summen
bei der suche nach vergeltung
doch blutrot sind verluste leer
wir bleiben unsichtbar im raum
so lass mich ziehen
die kontaktunschärfe einer bitte
suchteams überprüfen den wind
auf glockenschläge
überhauchte falten
liebkoste erinnerung
an der kante der dunkelheit
gibt es uns zu sehen
hand in hand
den atem alter gebete inhalieren
die taube verschenkung
im nachbild chagallblau versehrt
warum nur kannst du mir
noch immer nicht folgen?