Nachklänge

F. Schwarz

Mitglied
„Ich habe dir von ihm erzählt, oder nicht?“, setzte sie nachdrücklich an. Er nickte das sich anbahnende Gespräch müde ab und widmete sich weiter der Tageszeitung von gestern. Möglicherweise nahm sie seine Reaktion als Desinteresse auf, denn sie wurde wütend. „Wie kann dir alles nur so gleichgültig sein? Ich könnte morgen angefahren im Hospiz zwei Straßen weiter aufwachen und du würdest es dann einen Tag später in der Zeitung lesen.“

„Vermutlich würdest du mir die falschen Blumen schicken lassen“, postulierte sie weiter frei heraus. Er hasste es, wenn sie sich so in Rage redete. Momentan tat sie das häufig, was vermutlich auf ihre Hormone zurückzuführen war. Jedenfalls sagten das die Jungs vom Kegeln immer. Sie hielt diese Kegelabende für eine einseitige Form des Austauschs. Vielleicht war da etwas dran. Er kannte es nicht anders und schätzte die Meinung seiner Kollegen. „Ich muss raus, mir die Beine vertreten“, hörte er noch aus dem Flur, bevor die Haustür geräuschvoll ins Schloss fiel.

Sollte er hinterherlaufen? Nein, soll sie ruhig gehen, dachte er sich. In der Zeitung berichteten sie von einem Unfall, der sich vorgestern am Vormittag in der Fußgängerzone ereignet hatte. Irgendein Idiot war wieder mit seinem Transporter zwischen den Metallpöllern hängengeblieben. Immerhin wurde niemand verletzt. Etwas ließ ihn aufschrecken – sein Handy vibrierte im Rhythmus von Mozarts Kleiner Nachtmusik auf dem Beistelltisch vor sich hin. Sonja. Sie war gerade einmal fünf Minuten aus dem Haus und ließ ihm abermals nicht die Möglichkeit, seine Gedanken zu ordnen und für sich in einen kohärenten Zusammenhang zu bringen. Er sah so lange auf sein Handy, bis es aufhörte zu vibrieren. Gerade, als er sich auf den Weg in das Badezimmer machte, um ein Bad gegen seine aufkommenden Nackenschmerzen (die vermehrt bei Stress auftraten) einzulassen, vibrierte es wieder. Merkwürdig laut und dumpf. Der Tisch schien sich den Schwingungen des Klingeltons anzupassen und zusammen ertönte eine Stress-Symphonie erster Güte aus dem Wohnzimmer. Er nahm sich vor, gleich nach dem Bad zurückzurufen, wenn sie bis dahin noch nicht zurückgekehrt sein sollte.

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Als er die Augen öffnete, nahm er zuerst einen hohlen, dröhnenden Schmerz aus dem unteren Nackenbereich wahr. Er befand sich noch immer in der Badewanne. Die Uhr neben dem Spiegel zeigte halb acht an, er hatte etwa für eine Stunde geschlafen. Sonja war noch nicht zurück und das Handy zeigte keine weiteren verpassten Anrufe mehr an. Es schien ihm, als wären sie nicht von besonderem Belang gewesen. Bei dem Gedanken, dass die Tageszeitung morgen etwas darüber berichten könnte, musste er ein Grinsen unterdrücken. Er hasste sich dafür.
 



 
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