Nachtgesang

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Mistralgitter

Mitglied
Wenn nun der Tag verklungen ist,
senkt Tau sich
auf das wunde Gestern,
kühlt es still.

Der Himmel singt dazu ein Klagelied
so zart,
dass selbst ein Windhauch
mächtig wie ein Sturm erscheint.

Gleich dürren Rosenblättern
taumeln
wirre Träume durch die Nacht.
Kein Trost
für den erschöpften Schläfer,

bis ein neuer Tag behutsam,
auf zarten Spinnenfäden tänzelnd,
das Verlassensein einübt.

Warum schüttelt nicht ein tulpenroter Morgenvogel
sein Gefieder,
lässt leise
eine federleichte Hoffnung
in die Hand
schweben?
 

Tula

Mitglied
Hallo Mistralgitter

sprachlich gefällt es mir soweit, aber inhaltlich originell und "modern" (was immer das heißen mag) finde ich es nicht unbedingt.

Inhaltlich die erste Strophe: Tau bildet sich typischerweise nicht, wenn der Tag gerade erst verklungen ist (weil der kühlste Punkt erst in den Morgenstunden erreicht wird).
Und die gesamte Stimmung der beiden ersten Strophen erscheint mir etwas "lyrisch-weinerlich".

S3 bis S5 überzeugen mich dann wieder. Das Gedicht käme mMn insgesamt mit diesen drei Strophen gut aus, lenkt die Aufmersamkeit auf den erschöpften (Nicht-)Schläfer und nicht auf den Himmel, bei dem niemand weiß, was der eigentlich beklagt.

LG
Tula
 

Mistralgitter

Mitglied
Guten Morgen Tula,

Danke für die kritische Betrachtung meines Textes.

Für den Tau müsste ich mir also etwas Besseres einfallen lassen. Wie aber nennt man dann die abendliche/nächtliche, kühle Feuchtigkeit, die alles klamm werden lässt?

Dass der Text zu Beginn weinerlich daherkommt, ist natürlich ein herber Einwand. Ich empfinde es selber nicht so, wüsste auch nicht, woran ich das festmachen sollte. Aber ich nehme es mir zu Herzen.

Der Inhalt sei weder modern noch originell, schreibst du. Welche Kriterien erfüllen diese Anforderungen? Wann ist ein Text originell und/oder modern? Und warum ist dieser Text weder das eine noch das andere? Und muss der Inhalt eines Textes grundsätzlich immer originell und modern sein?

Trotz dieser Fragen denke ich über eine weitere Neufassung nach.

Viele Grüße
M.
 

Tula

Mitglied
Moin Mistralgitter

War ich gerade beim Lesen ... also nochmal zur Kritik, die natürlich rein persönlich ist, so wie die jedes Lesers hier.

Modern: entweder ein inhaltlicher Bezug (selbst bei den "ewigen" Themen) oder ein sprachliches oder stilistisches Wagnis. Da sind ja auch ein paar poetische Formulierungen, taumelnde Träume usw., sie wirken auf mich allerdings etwas unwirklich, was vielleicht am Klagelied des Himmels liegt. Dieser grenzt an Kitsch bzw. 19. Jahrhundert.

Das Gedicht soll die abendliche bzw. nächtliche Stimmung wiedergeben. Man könnte es sprachlich schlichter und dennoch lebendiger machen. Vielleicht ein Gegenspieler des nach Schlaf ringenden (sei's der Igel im Gras vor dem Fenster). Sprachlich gewagter wäre ebenso schön. Dazu die Frage: wem erscheint der Windhauch als Sturm? Die Stelle hat etwas angenehm surrealistisches, mir fehlt der Käfer am Halm o.ä. damit ich mir das Bild dennoch vorstellen kann.

Wie gesagt, alles nur eine Meinung, die müssen andere nicht teilen.

LG
Tula
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Tula,

selbst verständlich ist alles eine Sache des persönlichen Geschmacks. Wenn ich aber als Autor angeregt werden soll, einen Text zu bearbeiten, müsste ich schon wissen, wo die "Fehler" (im weiteren Sinn) liegen.

Ich glaube aber jetzt zu wissen, warum dich der Text nicht zufrieden stellt: Du liest ihn als "Das Gedicht soll die abendliche bzw. nächtliche Stimmung wiedergeben".

Das geht aber völlig an meiner Intention vorbei. Ich wollte keine allgemeine Nachtstimmung beschreiben. Deswegen habe ich den Text nicht verfasst. Doch anscheinend habe ich die Schlüsselworte für den von mir gedachten Inhalt zu sehr versteckt, als dass ein fremder Leser sie entdecken könnte. Da liegt der Fehler.

Die (ich höre heraus: veraltete, kitschige, unlebendige, unrealistische) Bildersprache vermittelt also den Inhalt nicht.

Sehe ich das richtig, dass der Leser eher eine realistische, naturnahe, originelle Abendstimmungsbeschreibung erwartet, die sich modernerer Ausdrucksweisen bedient? Das gibt dieser Text selbst in einer Neufassung leider nicht her. Das einzige wäre, die übergeordnete Intention deutlicher werden zu lassen, jenseits einer einfachen Nachtstimmungsbeschreibung.
Ich bin gespannt, ob mir dazu etwas einfällt.

Viele Grüße
Mistralgitter
 



 
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