liebste elke,
warum, ja, warum sprichst du mir so aus der seele... warum schaffst du es, dass ich mich so bedeutend fühle... ja, du hast ja vollkommen recht... ja, natürlich, nachtschichten... ich aber wollte auch meine hand ausstrecken, und zwar in die nacht, wie du, ausstrecken, um sie zu berühren. hatte aber angst, den tod zu berühren. die erloschene glut, die kalte asche. wollte es noch hören. das wort. am ende. das wort. kurz vor dem abgang, vor dem letzten vorhang. nur noch ein einziges mal flüstern, in die stille hinein, in diese einnehmende stille, in das schweigen der anderen. das gebrannte wort nämlich. dahintreibend, losgelöst von allem, losgelöst von allem, wie ein dahinziehender nebel, noch vorhanden, immer noch da, einer eigenen wirklichkeit folgend. jede nacht rufe ich sie wach, wahrscheinlich wie du, ich kann es in mir spüren. die längst verlorenen geister. sie sind gezeichnet vom leben, nicht vom tod. ich sah eine sonne aufgehen. sie war erloschen. wie die augen, die ich sah. ich sah eine sonne aufgehen. sie war kalt und blau. früher konnte ich noch fragen. früher, da wollte ich noch alles wissen. heute interessieren mich die antworten nicht mehr. früher konnte ich noch fragen. heute könnte ich mich auch in einen sarg legen. wenn ich einen sarg hätte. oder auf die wiese, in den kleinen garten, hinter dem haus. dort liegen. still und regungslos. alle viere von mir gestreckt. als wäre alles schon vorbei. als wäre alles überstanden. mit offenen augen. noch offen. vielleicht auch danach noch offen. wenn alles vorbei ist, meine ich. man kann es nicht wissen. man kann es nie wissen. was werden die anderen wohl sagen? was sie denken mögen, nun ja, das will ich gar nicht wissen. eigentlich auch das nicht, was sie sagen. vielleicht sagen sie ja auch nichts. obwohl ich mir das nicht vorstellen kann. das sie schweigen, meine ich. es ist auch egal. weil sich nichts ändern würde. weil sich nie etwas geändert hat. obwohl es zeit wird, dass sich etwas ändert. aber es wird sich nichts ändern. es hat sich nie etwas geändert. also werde ich mich wieder hinlegen, um auf die stimmen zu warten. stimmen, die zu mir sprechen. und einer dieser stimmen ist deine einnehmende, deine mich ausfüllende stimme. sätze, bruchstücke von sätzen, einzelne worte, leise, verhalten, kaum hörbar. ich kann sie trotzdem gut hören. und ich höre sie von zeit zu zeit. oder bin ich es, der spricht? mein mund, der sich öffnet? ich kann sie hören. diese stimmen. ich höre sie eigentlich immer, ununterbrochen, überall diese stimmen, diese stimmen, sie sind immer da. andere stimmen gibt es auch. andere stimmen. traurig schöne, freudige stimmen, nach frühling duftend, nach kleefeldern, nach rosen und wildem thymian, wie in allen deine gedichten.
stimmen,
die ihre stumpfheit verloren haben.
dies gemurmel von stimmen. deine stimme.
ein ganzes orchester. stimmen, seit ewigkeiten verbannt. stimmen, die bis heute nicht sprechen durften, die bis heute nicht sprechen konnten, nicht zu sprechen wagten.
hier dürfen sie also singen, hier dürfen sie jubilieren, erzählen, stotternd oder schnell,
satz für satz,
oder ohne einen einzigen punkt zu setzen.
das ist es. man mag es mir nicht abnehmen, aber:
deine poesie ist atemlos. sie setzt keinen punkt.
sie ist...
lg penelope