Wolfgang Urach
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Liebe Leserin! Lieber Leser!
Ich muss einräumen, dass ich auch diese neue Geschichte von Momo nicht von unserer Freundin selbst erfahren habe, sondern wieder von diesem seltsamen Unbekannten, der mir auch die erste Geschichte über Momo erzählt hatte.
Ich war also auf meiner Reise in einem Hafen angekommen, der – soweit ich mich erinnere – nicht weit entfernt war von Momos Heimatstadt.
Ich lief über den Anlegekai und bewunderte die großen Schiffe: die mächtigen Frachter, die die großen Container und Frachtballen in ihren Bauch aufnehmen, bevor sie wieder in See stechen.
Vor einem Kreuzfahrt - Dampfer der Luxusklasse blieb ich fasziniert stehen. Dieses riesige Schiff, größer als ein fünfstöckiges Haus, tutete dröhnend, um seine Abfahrt bekannt zu geben.
Auf dem Kai ging eine Lotterieverkäufer laut rufend auf und ab: „Gewinnen Sie eine Traumreise! Hier und jetzt! Zögern Sie nicht, das Glück wartet auf Sie!“ Ich kaufte ihm aus Langweile ein Los ab und entrollte das Papier, das ich aus seinem Lose-Topf herausgefischt hatte:
Hauptgewinn
Traumreise auf Luxusdampfer!
Abreise jetzt!
Ich fragte verdutzt den Losverkäufer, was das heißen sollte. Er machte eine Handbewegung auf den Dampfer und lachte: „Mensch, da haben Sie aber Glück!“
Ich war so verdattert, dass ich gar nicht wusste, ob ich das alles träumte oder nicht, als in diesem Moment ein Mann mich anrempelte und schwer bepackt mit zwei großen Übersee-Koffern die Anlege-Brücke zum Dampfer hoch lief. Er drehte sich auf der Mitte seines Wegs um. Es war ein freundlicher älterer Herr, schien mir. Doch als er mich verschmitzt anlächelte, um sich fürs Anrempeln zu entschuldigen, hatte ich eher das Gefühl, in das Gesicht eines fröhlichen Lausbuben zu blicken. Dann war er im Innern des Dampfers verschwunden.
Ich zögerte: „Fährt der Dampfer sofort ab?“
Der Losverkäufer bestätigte mir das: „Ja, genau, jetzt sofort.“
Ich schluckte und ging unschlüssig die Anlegebrücke hoch. Der Kapitän erwartete mich schon. Ich zeigte ihm mein Los.
„Wir haben Sie schon erwartet! Willkommen an Bord! Dann können wir ja endlich ablegen.“
Und eh ich mich versah, wurde die Landungsbrücke eingeholt; wir legten ab. Von der Reling beobachtete ich, wie zuerst der Hafen, dann die Stadt und die Küste und schließlich der ganze Kontinent am Horizont verschwand.
Wir nahmen hohe Fahrt auf und erreichten die offene See, dort wo man nicht mehr weiß, welcher der nächstliegende Kontinent ist, Europa, Afrika, Asien, Amerika…
Es zog ein Sturm auf, die Regenwolken verdunkelten den Himmel, und ich ging von der Reling in meine Kabine. Der heftige Regen pochte an das Bullauge meiner Kabine. Es klopfte an meiner Kabinentür, und ein Matrose erklärte mir, dass ich heute als Ehrengast am Tisch des Kapitäns das Abendessen einnehmen dürfte. Ich bedankte mich herzlich.
Tatsächlich wurde das Abendessen wirklich wichtig für mich. Am Kapitänstisch nahm auch der ältere Herr Platz, der mich auf der Anlegebrücke angerempelt hatte.
„Kennen wir uns nicht?“, fragte ich vorsichtig.
„Das kann schon sein“, antwortete er freundlich.
„Sie haben mir die Geschichte von Momo und den Zeit-Dieben erzählt.“
„Ach ja, richtig“, erinnerte er sich erfreut.
„Wie geht es Momo?“, wollte ich wissen.
„Ich glaube gut.“
„Ich hätte noch so viele Fragen.“
„Das ist normal. Sie sind ein Erwachsener und stellen immer zu viele Fragen“, sagte er und nickte mir aufmunternd zu.
„Können Sie denn noch mehr über Momo erzählen?“
„Das ist möglich“, sagte er, „aber ich warne Sie: nachher werden Sie noch mehr Fragen haben. Leider sind Momos Geschichten immer etwas schwierig zu verstehen.“
„Das macht nichts“, wendete ich ein.
„Wenn Sie ein Kind wären“, fuhr der freundliche Herr fort, „würde ich Ihnen vorschlagen, lieber auf die Strasse zu gehen und selbst etwas zu erleben. Denn eigentlich wissen Sie schon alles über Momo, was Sie wissen müssen. Ich kann Ihnen etwas über Momos neuen Freunde Sascha, Fred und Giacomo erzählen und über ihr Abenteuer mit den Namen-Verdrehern, aber das ist eigentlich nichts Neues…“
„Doch, doch“, bat ich.
Und so fing er an, diese Geschichte von Momo und den Namen-Verdrehern zu erzählen. Es war ein langer, schöner Abend. Ich freute mich, wieder etwas über Momo und ihre Freunde zu erfahren.
Am Ende des Abends entschuldigte sich der nette Herr, er wäre müde und würde gern schlafen gehen. Ich dankte ihm und ging selbst in meine Kabine.
Wegen des Sturms schlief ich schlecht. Draußen ging ein prasselnder Regen nieder. Die Geschichte von Momo und den Namen-Verdrehern ging mir weiter im Kopf herum. Es tagte und regnete immer noch, aber zwischen dem Grau der Regenwolken und dem Grau des Meerhorizonts war kein Unterschied.
Ich stand auf, um den Geschichtenerzähler wiederzufinden. Doch der nette Herr kam nicht zum Frühstück. Ich fragte den Kapitän, doch er konnte mir nicht die Kabinennummer des älteren Herrn geben. Es ist wahr, das Schiff war riesengroß. Hunderte von Gästen lebten auf dem Dampfer. Arabische Geschäftsleute, eine nette chinesische Familie mit Großeltern und Enkeln, ein großer Afrikaner, der seine Freundin in Europa besuchen wollte, kleine Südamerikaner, die so schnell ihr Spanisch sprachen, dass kaum jemand sie verstand.
Ich lernte sehr nette Leute kennen, und diese Dampfer-Reise wurde wirklich zu einem Traumurlaub.
Doch meinen Geschichtenerzähler traf ich nicht wieder; vielleicht war er krank und verließ seine Kabine nicht. Das macht nichts; in der Zwischenzeit habe ich seine Geschichte aufgeschrieben; das nächste Mal, wenn ich ihn treffe, werde ich ihm doch einige Fragen stellen…
Ich muss einräumen, dass ich auch diese neue Geschichte von Momo nicht von unserer Freundin selbst erfahren habe, sondern wieder von diesem seltsamen Unbekannten, der mir auch die erste Geschichte über Momo erzählt hatte.
Ich war also auf meiner Reise in einem Hafen angekommen, der – soweit ich mich erinnere – nicht weit entfernt war von Momos Heimatstadt.
Ich lief über den Anlegekai und bewunderte die großen Schiffe: die mächtigen Frachter, die die großen Container und Frachtballen in ihren Bauch aufnehmen, bevor sie wieder in See stechen.
Vor einem Kreuzfahrt - Dampfer der Luxusklasse blieb ich fasziniert stehen. Dieses riesige Schiff, größer als ein fünfstöckiges Haus, tutete dröhnend, um seine Abfahrt bekannt zu geben.
Auf dem Kai ging eine Lotterieverkäufer laut rufend auf und ab: „Gewinnen Sie eine Traumreise! Hier und jetzt! Zögern Sie nicht, das Glück wartet auf Sie!“ Ich kaufte ihm aus Langweile ein Los ab und entrollte das Papier, das ich aus seinem Lose-Topf herausgefischt hatte:
Hauptgewinn
Traumreise auf Luxusdampfer!
Abreise jetzt!
Ich fragte verdutzt den Losverkäufer, was das heißen sollte. Er machte eine Handbewegung auf den Dampfer und lachte: „Mensch, da haben Sie aber Glück!“
Ich war so verdattert, dass ich gar nicht wusste, ob ich das alles träumte oder nicht, als in diesem Moment ein Mann mich anrempelte und schwer bepackt mit zwei großen Übersee-Koffern die Anlege-Brücke zum Dampfer hoch lief. Er drehte sich auf der Mitte seines Wegs um. Es war ein freundlicher älterer Herr, schien mir. Doch als er mich verschmitzt anlächelte, um sich fürs Anrempeln zu entschuldigen, hatte ich eher das Gefühl, in das Gesicht eines fröhlichen Lausbuben zu blicken. Dann war er im Innern des Dampfers verschwunden.
Ich zögerte: „Fährt der Dampfer sofort ab?“
Der Losverkäufer bestätigte mir das: „Ja, genau, jetzt sofort.“
Ich schluckte und ging unschlüssig die Anlegebrücke hoch. Der Kapitän erwartete mich schon. Ich zeigte ihm mein Los.
„Wir haben Sie schon erwartet! Willkommen an Bord! Dann können wir ja endlich ablegen.“
Und eh ich mich versah, wurde die Landungsbrücke eingeholt; wir legten ab. Von der Reling beobachtete ich, wie zuerst der Hafen, dann die Stadt und die Küste und schließlich der ganze Kontinent am Horizont verschwand.
Wir nahmen hohe Fahrt auf und erreichten die offene See, dort wo man nicht mehr weiß, welcher der nächstliegende Kontinent ist, Europa, Afrika, Asien, Amerika…
Es zog ein Sturm auf, die Regenwolken verdunkelten den Himmel, und ich ging von der Reling in meine Kabine. Der heftige Regen pochte an das Bullauge meiner Kabine. Es klopfte an meiner Kabinentür, und ein Matrose erklärte mir, dass ich heute als Ehrengast am Tisch des Kapitäns das Abendessen einnehmen dürfte. Ich bedankte mich herzlich.
Tatsächlich wurde das Abendessen wirklich wichtig für mich. Am Kapitänstisch nahm auch der ältere Herr Platz, der mich auf der Anlegebrücke angerempelt hatte.
„Kennen wir uns nicht?“, fragte ich vorsichtig.
„Das kann schon sein“, antwortete er freundlich.
„Sie haben mir die Geschichte von Momo und den Zeit-Dieben erzählt.“
„Ach ja, richtig“, erinnerte er sich erfreut.
„Wie geht es Momo?“, wollte ich wissen.
„Ich glaube gut.“
„Ich hätte noch so viele Fragen.“
„Das ist normal. Sie sind ein Erwachsener und stellen immer zu viele Fragen“, sagte er und nickte mir aufmunternd zu.
„Können Sie denn noch mehr über Momo erzählen?“
„Das ist möglich“, sagte er, „aber ich warne Sie: nachher werden Sie noch mehr Fragen haben. Leider sind Momos Geschichten immer etwas schwierig zu verstehen.“
„Das macht nichts“, wendete ich ein.
„Wenn Sie ein Kind wären“, fuhr der freundliche Herr fort, „würde ich Ihnen vorschlagen, lieber auf die Strasse zu gehen und selbst etwas zu erleben. Denn eigentlich wissen Sie schon alles über Momo, was Sie wissen müssen. Ich kann Ihnen etwas über Momos neuen Freunde Sascha, Fred und Giacomo erzählen und über ihr Abenteuer mit den Namen-Verdrehern, aber das ist eigentlich nichts Neues…“
„Doch, doch“, bat ich.
Und so fing er an, diese Geschichte von Momo und den Namen-Verdrehern zu erzählen. Es war ein langer, schöner Abend. Ich freute mich, wieder etwas über Momo und ihre Freunde zu erfahren.
Am Ende des Abends entschuldigte sich der nette Herr, er wäre müde und würde gern schlafen gehen. Ich dankte ihm und ging selbst in meine Kabine.
Wegen des Sturms schlief ich schlecht. Draußen ging ein prasselnder Regen nieder. Die Geschichte von Momo und den Namen-Verdrehern ging mir weiter im Kopf herum. Es tagte und regnete immer noch, aber zwischen dem Grau der Regenwolken und dem Grau des Meerhorizonts war kein Unterschied.
Ich stand auf, um den Geschichtenerzähler wiederzufinden. Doch der nette Herr kam nicht zum Frühstück. Ich fragte den Kapitän, doch er konnte mir nicht die Kabinennummer des älteren Herrn geben. Es ist wahr, das Schiff war riesengroß. Hunderte von Gästen lebten auf dem Dampfer. Arabische Geschäftsleute, eine nette chinesische Familie mit Großeltern und Enkeln, ein großer Afrikaner, der seine Freundin in Europa besuchen wollte, kleine Südamerikaner, die so schnell ihr Spanisch sprachen, dass kaum jemand sie verstand.
Ich lernte sehr nette Leute kennen, und diese Dampfer-Reise wurde wirklich zu einem Traumurlaub.
Doch meinen Geschichtenerzähler traf ich nicht wieder; vielleicht war er krank und verließ seine Kabine nicht. Das macht nichts; in der Zwischenzeit habe ich seine Geschichte aufgeschrieben; das nächste Mal, wenn ich ihn treffe, werde ich ihm doch einige Fragen stellen…