Nächtlicher Besuch

molly

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Nächtlicher Besuch

Eines Abends saßen die Pfeffermännchen in ihrem Haus am runden Tisch und plauderten. Holzscheite knisterten im Ofen, Regen prasselte aufs Dach und im Schornstein heulte der Wind. Da krachte ein Ast auf die Treppe. Die Pfeffermännchen hoben lauschend den Kopf. Azuro flüsterte: "Draußen schleicht einer ums Haus!" Gelbert meinte, das sei nur der Herbststurm. Grünter aber hatte Schritte gehört. Plötzlich rief eine fremde Stimme: „Potz Blitz.“ Dann schlug ein Holz gegen die Tür. Roto lief zum Eingang und rief: "Fremder, wer bist du und was willst du von uns?" Der Fremde antwortete: "Ich bin Noris Pfeffermännchen und will euch besuchen." Roto öffnete die Tür. Vor ihm stand ein kleiner Mann mit schwarzen Locken und einem großen, schwarzen Regenschirm. Noris fragte: "Sauwetter heute, darf ich eintreten?" Azuro rief: "Du hast uns gerade noch gefehlt", und zog Noris ins Stübchen. Dieser streifte seine schwarzen Stiefel von den Füßen. Gelbert nahm ihm den Schirm ab, Noris zog seine Jacke aus und Grünter brachte ihm eine Tasse heiße Milch. Sie setzten sich alle um den runden Tisch und Roto fragte: "Warum hast du dein Haus verlassen?" Noris schüttelte den Kopf. „Ich besaß nie ein Haus!" Azuro legte noch ein Scheit Holz ins Feuer und Noris erzählte seine Geschichte. Eine Stunde später wussten die Anderen Bescheid.
Lange Zeit wohnte Noris bei einem Bauer in der Scheune. Im Frühling pflanzte er Blumen, im Sommer pflückte er Beeren, im Herbst sammelte er Pilze. Im Winter räumte er den Schnee vom Gehweg und streute Körner für die Vögel aus. Die Bauersleute redeten kaum mit ihm und bedankten sich nie für seine Hilfe. An einem heißen Sommertag rollte ein Zirkus mit vielen bunten Wagen durch das Dorf. Auf dem Marktplatz wurde das große Zelt aufgeschlagen. Am liebsten wäre Noris gleich hingelaufen. Doch der Bauer befahl ihm Johannisbeeren zu pflücken. Er sagte: „Ich will keine einzige Beere mehr an den 6 Sträuchern entdecken!" Seufzend machte sich Noris an die Arbeit. Als er zwei Kannen Beeren gepflückt hatte, wehten ihm vom Marktplatz Musikklänge zu. Kurz entschlossen holte Noris sechs große Kartoffelsäcke aus der Scheune und hängte sie über die Sträucher. Nun konnte der Bauer keine Beeren mehr sehen. Er wusch sich am Brunnen und zog seine besten Kleider an. Dann lief er zum Marktplatz. Unterwegs traf Noris den Clown Pino. Der teilte Zettel aus, auf denen stand, dass alle Leute den Zirkus besuchen sollten. Noris half Clown Pino beim aus teilen. Danach zeigte Pino ihm alle Zirkustiere und das große Zelt. Von Nun an verbrachte Noris jede freie Minute bei Pino, der ihm viele Zirkusgeschichten erzählte. Doch nach ein paar Tagen zog der Zirkus weiter. Noris pflückte wieder Johannisbeeren und dachte dabei nur an Pino und den Zirkus. Er fühlte sich so einsam, wie noch nie. An einem sonnigen Frühlingstag gab es zum ersten Mal einen Jahrmarkt im kleinen Ort. Kaufleute legten ihre Waren auf Ständen und Tischen aus. Als Noris der Duft von Gewürzen, gebrannten Mandeln und gebratenen Würstchen um die Nase strich, verließ er den Bauernhof. Er wanderte von Stand zu Stand und entdeckte die Schießbude und den Los-stand. Noris staunte, was man alles gewinnen konnte: große Teddybären, Seifenblasen, Taschenlampen, Papierblumen und noch vieles mehr. Auch die Schiffschaukel und das Kettenkarussell gefielen ihm sehr. Wie gern hätte er sich einmal mit dem Kettenkarussell durch die Luft tragen lassen. Doch er hatte kein Geld, um diese Fahrt zu bezahlen. Die längste Zeit aber verbrachte Noris bei Beppo am Zuckerwatten Stand. Beppo hatte schlohweiße Haare und war schon sehr alt. Er freute sich, wenn Noris bei ihm stand und dankte ihm, wenn er half, die Zuckerwatte in dem großen Kessel zu rühren. Als der Jahrmarkt vorbei war und alle Händler ihre Buden abgebaut hatten, verließ Noris den Bauernhof und reiste mit Beppo zum nächsten Jahrmarkt.
Eines Tages wurde Beppo sehr krank. Er schenkte Noris den Zuckerwatten Kessel und der musste nun alleine Zuckerwatte drehen. Ohne Beppo aber gelang ihm die Zuckerwatte nicht. Einmal geriet sie zu weich und tropfte den Kindern auf die Jacken. Beim nächsten Mal war sie so fest und musste abgebissen werden. Da kam Leo, der Losverkäufer, zu ihm. Er fragte: „Warum plagst du dich mit der Zuckerwatte? Verkauf mir den Zuckerwatten Kessel. Noris überlegte nicht lange und nahm Leos Vorschlag an. Er wusste, dass Beppo nie mehr auf Jahrmärkte reisen konnte. Von Tag zu Tag wurde Beppo schwächer. Eine Weile arbeitet Noris mit Leo zusammen. Sie drehten herrliche Zuckerwatten und die Kinder waren begeistert. Nicht so Noris. Beppo hatte beim Zuckerwatten rühren stets noch Zeit für ein kleines Schwätzchen, Leo aber schuftete nur, eine Zuckerwatte nach der anderen. Er verabschiedete sich von Leo, ging noch einmal zu Beppo ins Krankenhaus. Beppo frage leise: „Gehst du auf deinen Bauernhof zurück?“ "Niemals", murmelte Noris und hätte beinah mit dem Fuß gestampft. Sein Blick blieb am schwarzen Schuh hängen. Irgendwo gab es noch andere Pfeffermännchen mit roten gelben, blauen oder grünen Sachen. Zwei Tage blieb er noch bei Beppo, dann starb der gute alte Freund und Noris machte sich auf die Suche nach den anderen Pfeffermännchen.
Die Pfeffermännchen hatten aufmerksam zugehört. Azuro sagte: "Bleib bei uns." Grünter meinte: „Du kannst uns vom Zirkus und vom Jahrmarkt erzählen." Gelbert brummelte: „Er wollte uns doch nur besuchen. Wenn er bleibt, wird das aber sehr eng hier!" Doch Roto sagte: "Dann rücken wir alle ein wenig zusammen." Und damit war Noris sehr, sehr einverstanden. Er rief: „Potz Blitz! Jetzt habe ich wieder Freunde und eine neue Heimat gefunden. Ich danke euch.“
Seither leben die fünf Pfeffermännchen in dem kleinen Haus hinter der Tanne. Sie arbeiten fleißig auf dem Bauernhof und abends erzählen sie sich wunderschöne Geschichten von ihren Abenteuern. Um Kunibert und Kunigunde sorgten sie sich nicht, die lebten noch immer im Wohnwagen.
So vergingen Winter und Frühling sehr schnell. Als die Bäume wieder Blätter hatten, besuchte Inspektor Stutzhuber eines Tages die kleinen Männer. Er hatte die Stirn in Falten gelegt und berichtete: „Der Wohnwagen ist ausgeräumt. Die Räuber sind verschwunden!“ Roto sagte: „ Vielleicht sind sie in eine andere Gegend gezogen!“ Das fanden die anderen Pfeffermännchen auch.

Ihr aber wisst bestimmt, wo sie nun wieder leben. ENDE

In dem Wald ganz tief versteckt,
und von niemand je entdeckt,
steht ein Haus hoch in den Bäumen,
darin die beiden Räuber träumen.
qɐnɯɥɐns
©Monika Rieger
 

herziblatti

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Liebe Monika, ich bin ein Fan von Deinen Pfeffermännchen. Ich freu mich schon drauf, wenn unser jüngster Ableger (2) alt genug ist und ihm seine Großtante Heidi diese lieben, phantasievollen Geschichten vorlesen wird. :) Danke dafür! LG vom herziblatti
 

molly

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Liebe Heidi,

herzlichen Dank für das Lob. Es hat mich sehr berührt. Nur noch ein Jahr, dann kannst Du mit Vorlesen loslegen.

Liebe Grüße

Monika
 



 
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